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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Wanderungen in der Niederlausitz

der Güter des Grafen Brühl, vor allem aber ein Knnstsammler ersten Ranges, der
wirkliche Verwalter und Vermehrer der großartigen Kunstschätze Friedrich Augusts
des Zweiten, denen Brühl als Oberkämmerer nur dem Namen nach Vorstand; als
solcher war er auch der Diktator des Dresdner Kunstgeschmacks in den mittlern
Jahrzehnten des achtzehnten Jahrhunderts und später ein klassifizierender und
registrierender Kunstschriftsteller von staunenswertem Fleiße. Trotzdem war mir
seine menschliche Natur immer dunkel und verschleiert geblieben. Noch vor kurzem
hatte ich eine in den höchsten Tönen der Bewunderung gehaltene Biographie des
Mannes in einer Dresdner Zeitung gelesen; andrerseits wußte ich, daß er nach
Brühls Tode als dessen Mitschuldiger verhaftet und nach der Ansicht wohlunter¬
richteter Männer nur dadurch der Verurteilung entgangen war, daß er Zeit gehabt
hatte, die kompromittierenden Papiere zu beseitigen. Wenn irgendwo, so mußte
man in Altdöbern der wahren Natur dieses Proteus naher kommen können. Denn
er hat ja dieses Schloß seit 1749 besessen, fast dreißig Jahre nach seinem Sturze
bewohnt und ihm sowie den es umgebenden Gärten das Gepräge seines Wesens
aufgedrückt; noch sind kostbare Stücke seines Mobiliars und der größte Teil seiner
Bibliothek im Schlosse vorhanden, und wenn man vom Seminar und dem neuen
Krankenhaus absieht, ist ja auch fast alles andre, was in Altdöberu Bedeutung hat!
die balsamisch duftenden Linden des Marktes, der Markt selbst, der Kaufladen, der
herrschaftliche Gasthof, die Brauerei Heinekens Werk. Sein Bild begleitete mich
auch aus der Kirche in den Gasthof zurück und beschäftigte mich fast die ganze
Nacht. Denn an Schlaf war kaum zu denken. Dem heißen Tag war eine ge¬
witterreiche Nacht gefolgt, der Regen rauschte in gewaltigen Strömen hernieder
und raschelte in den Weinblättern, die unsre Fenster umrankten -- und war dieser
Störenfried einmal ruhig, so ertönte gerade unter uus aus der Gesindestube ein
eigentümlicher Gesang junger Burschen und Mädchen, die für ein ländliches Fest
des kommenden Sonntags Guirlanden und Kränze wanden. Die Worte ihres Ge¬
sangs waren deutsch, aber es waren doch fremdartige Klänge, weiche, schwermütige
Melodien, ein Nachhall der alten Slawenzeit.

Ehe ich die Eindrücke des folgenden Tages schildre, der namentlich der Be¬
sichtigung des Schlosses Altdöbern und des Schloßparkes gewidmet war, will ich
hier einen kurzen, teilweise ans Materialien des Dresdner Hnuptstaatsarchivs ge¬
schöpften Abriß von Heinekens Leben einschalten, weil es an sich nicht uninteressant,
andrerseits aber mich typisch ist für die Art und Weise, wie man im Zeitalter
Brühls Karriere machte.

Karl Heinrich Heineken wurde im Jahre 1706 zu Lübeck geboren, wo sein
Vater als Miniatur- und Emailmaler lebte; auch seiue Mutter Katharina Elisabeth
geborne Österreich war durch Blumen- und Fruchtstücke bekannt. Sein jüngerer
Bruder Christian Heinrich Heineken (geboren 1720) war das berühmte Lübecker
Wunderkind, das mit zehn Monaten zusammenhängend sprach, ein Jahr alt die
wichtigsten Erzählungen der Bücher Mosis, zwei Jahre alt die alte Geschichte aus¬
wendig konnte, rin vier Jahren geläufig Lateinisch und Französisch redete, aber
"och vor vollendetem fünften Jahre starb. Als Karl Heinrich Heineken heran¬
wuchs, waren die Verhältnisse des Elternhauses nicht eben glücklich: was der Vater
durch seine Kunst erwarb, vergeudete er in nutzlosen Experimenten mit dem ihm
befreundeten Alchimisten Christoph von Schöneich; voll Zorn darüber goß der Knabe
w?mal Nachts den beiden Schwarzkünstlern Tinte in die Retorten. Als junger
-'iann studierte er in Leipzig die Rechtswissenschaft; später war er in verschiednen
"hundelt Häusern Dresdens als Hofmeister tätig. Er war von glattem, schimeg-
lamein Wesen; sein Beruf und einige moralische Schriften, die er verfaßt hatte,
pachten es mit sich, daß ein Geruch von Tugend vor ihm herging; eine gewisse
'Kenntnis von Dingen der Kunst, die wohl ans die im Elternhause empfangner
Andrucke zurückging, die Gabe, gesammelte Kunstgegenstände zu sichten und leicht¬
en darüber zu plaudern, kam dazu, sodaß er als ein wertvolles Requisit vor-


Wanderungen in der Niederlausitz

der Güter des Grafen Brühl, vor allem aber ein Knnstsammler ersten Ranges, der
wirkliche Verwalter und Vermehrer der großartigen Kunstschätze Friedrich Augusts
des Zweiten, denen Brühl als Oberkämmerer nur dem Namen nach Vorstand; als
solcher war er auch der Diktator des Dresdner Kunstgeschmacks in den mittlern
Jahrzehnten des achtzehnten Jahrhunderts und später ein klassifizierender und
registrierender Kunstschriftsteller von staunenswertem Fleiße. Trotzdem war mir
seine menschliche Natur immer dunkel und verschleiert geblieben. Noch vor kurzem
hatte ich eine in den höchsten Tönen der Bewunderung gehaltene Biographie des
Mannes in einer Dresdner Zeitung gelesen; andrerseits wußte ich, daß er nach
Brühls Tode als dessen Mitschuldiger verhaftet und nach der Ansicht wohlunter¬
richteter Männer nur dadurch der Verurteilung entgangen war, daß er Zeit gehabt
hatte, die kompromittierenden Papiere zu beseitigen. Wenn irgendwo, so mußte
man in Altdöbern der wahren Natur dieses Proteus naher kommen können. Denn
er hat ja dieses Schloß seit 1749 besessen, fast dreißig Jahre nach seinem Sturze
bewohnt und ihm sowie den es umgebenden Gärten das Gepräge seines Wesens
aufgedrückt; noch sind kostbare Stücke seines Mobiliars und der größte Teil seiner
Bibliothek im Schlosse vorhanden, und wenn man vom Seminar und dem neuen
Krankenhaus absieht, ist ja auch fast alles andre, was in Altdöberu Bedeutung hat!
die balsamisch duftenden Linden des Marktes, der Markt selbst, der Kaufladen, der
herrschaftliche Gasthof, die Brauerei Heinekens Werk. Sein Bild begleitete mich
auch aus der Kirche in den Gasthof zurück und beschäftigte mich fast die ganze
Nacht. Denn an Schlaf war kaum zu denken. Dem heißen Tag war eine ge¬
witterreiche Nacht gefolgt, der Regen rauschte in gewaltigen Strömen hernieder
und raschelte in den Weinblättern, die unsre Fenster umrankten — und war dieser
Störenfried einmal ruhig, so ertönte gerade unter uus aus der Gesindestube ein
eigentümlicher Gesang junger Burschen und Mädchen, die für ein ländliches Fest
des kommenden Sonntags Guirlanden und Kränze wanden. Die Worte ihres Ge¬
sangs waren deutsch, aber es waren doch fremdartige Klänge, weiche, schwermütige
Melodien, ein Nachhall der alten Slawenzeit.

Ehe ich die Eindrücke des folgenden Tages schildre, der namentlich der Be¬
sichtigung des Schlosses Altdöbern und des Schloßparkes gewidmet war, will ich
hier einen kurzen, teilweise ans Materialien des Dresdner Hnuptstaatsarchivs ge¬
schöpften Abriß von Heinekens Leben einschalten, weil es an sich nicht uninteressant,
andrerseits aber mich typisch ist für die Art und Weise, wie man im Zeitalter
Brühls Karriere machte.

Karl Heinrich Heineken wurde im Jahre 1706 zu Lübeck geboren, wo sein
Vater als Miniatur- und Emailmaler lebte; auch seiue Mutter Katharina Elisabeth
geborne Österreich war durch Blumen- und Fruchtstücke bekannt. Sein jüngerer
Bruder Christian Heinrich Heineken (geboren 1720) war das berühmte Lübecker
Wunderkind, das mit zehn Monaten zusammenhängend sprach, ein Jahr alt die
wichtigsten Erzählungen der Bücher Mosis, zwei Jahre alt die alte Geschichte aus¬
wendig konnte, rin vier Jahren geläufig Lateinisch und Französisch redete, aber
"och vor vollendetem fünften Jahre starb. Als Karl Heinrich Heineken heran¬
wuchs, waren die Verhältnisse des Elternhauses nicht eben glücklich: was der Vater
durch seine Kunst erwarb, vergeudete er in nutzlosen Experimenten mit dem ihm
befreundeten Alchimisten Christoph von Schöneich; voll Zorn darüber goß der Knabe
w?mal Nachts den beiden Schwarzkünstlern Tinte in die Retorten. Als junger
-'iann studierte er in Leipzig die Rechtswissenschaft; später war er in verschiednen
"hundelt Häusern Dresdens als Hofmeister tätig. Er war von glattem, schimeg-
lamein Wesen; sein Beruf und einige moralische Schriften, die er verfaßt hatte,
pachten es mit sich, daß ein Geruch von Tugend vor ihm herging; eine gewisse
'Kenntnis von Dingen der Kunst, die wohl ans die im Elternhause empfangner
Andrucke zurückging, die Gabe, gesammelte Kunstgegenstände zu sichten und leicht¬
en darüber zu plaudern, kam dazu, sodaß er als ein wertvolles Requisit vor-


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[0451] Wanderungen in der Niederlausitz der Güter des Grafen Brühl, vor allem aber ein Knnstsammler ersten Ranges, der wirkliche Verwalter und Vermehrer der großartigen Kunstschätze Friedrich Augusts des Zweiten, denen Brühl als Oberkämmerer nur dem Namen nach Vorstand; als solcher war er auch der Diktator des Dresdner Kunstgeschmacks in den mittlern Jahrzehnten des achtzehnten Jahrhunderts und später ein klassifizierender und registrierender Kunstschriftsteller von staunenswertem Fleiße. Trotzdem war mir seine menschliche Natur immer dunkel und verschleiert geblieben. Noch vor kurzem hatte ich eine in den höchsten Tönen der Bewunderung gehaltene Biographie des Mannes in einer Dresdner Zeitung gelesen; andrerseits wußte ich, daß er nach Brühls Tode als dessen Mitschuldiger verhaftet und nach der Ansicht wohlunter¬ richteter Männer nur dadurch der Verurteilung entgangen war, daß er Zeit gehabt hatte, die kompromittierenden Papiere zu beseitigen. Wenn irgendwo, so mußte man in Altdöbern der wahren Natur dieses Proteus naher kommen können. Denn er hat ja dieses Schloß seit 1749 besessen, fast dreißig Jahre nach seinem Sturze bewohnt und ihm sowie den es umgebenden Gärten das Gepräge seines Wesens aufgedrückt; noch sind kostbare Stücke seines Mobiliars und der größte Teil seiner Bibliothek im Schlosse vorhanden, und wenn man vom Seminar und dem neuen Krankenhaus absieht, ist ja auch fast alles andre, was in Altdöberu Bedeutung hat! die balsamisch duftenden Linden des Marktes, der Markt selbst, der Kaufladen, der herrschaftliche Gasthof, die Brauerei Heinekens Werk. Sein Bild begleitete mich auch aus der Kirche in den Gasthof zurück und beschäftigte mich fast die ganze Nacht. Denn an Schlaf war kaum zu denken. Dem heißen Tag war eine ge¬ witterreiche Nacht gefolgt, der Regen rauschte in gewaltigen Strömen hernieder und raschelte in den Weinblättern, die unsre Fenster umrankten — und war dieser Störenfried einmal ruhig, so ertönte gerade unter uus aus der Gesindestube ein eigentümlicher Gesang junger Burschen und Mädchen, die für ein ländliches Fest des kommenden Sonntags Guirlanden und Kränze wanden. Die Worte ihres Ge¬ sangs waren deutsch, aber es waren doch fremdartige Klänge, weiche, schwermütige Melodien, ein Nachhall der alten Slawenzeit. Ehe ich die Eindrücke des folgenden Tages schildre, der namentlich der Be¬ sichtigung des Schlosses Altdöbern und des Schloßparkes gewidmet war, will ich hier einen kurzen, teilweise ans Materialien des Dresdner Hnuptstaatsarchivs ge¬ schöpften Abriß von Heinekens Leben einschalten, weil es an sich nicht uninteressant, andrerseits aber mich typisch ist für die Art und Weise, wie man im Zeitalter Brühls Karriere machte. Karl Heinrich Heineken wurde im Jahre 1706 zu Lübeck geboren, wo sein Vater als Miniatur- und Emailmaler lebte; auch seiue Mutter Katharina Elisabeth geborne Österreich war durch Blumen- und Fruchtstücke bekannt. Sein jüngerer Bruder Christian Heinrich Heineken (geboren 1720) war das berühmte Lübecker Wunderkind, das mit zehn Monaten zusammenhängend sprach, ein Jahr alt die wichtigsten Erzählungen der Bücher Mosis, zwei Jahre alt die alte Geschichte aus¬ wendig konnte, rin vier Jahren geläufig Lateinisch und Französisch redete, aber "och vor vollendetem fünften Jahre starb. Als Karl Heinrich Heineken heran¬ wuchs, waren die Verhältnisse des Elternhauses nicht eben glücklich: was der Vater durch seine Kunst erwarb, vergeudete er in nutzlosen Experimenten mit dem ihm befreundeten Alchimisten Christoph von Schöneich; voll Zorn darüber goß der Knabe w?mal Nachts den beiden Schwarzkünstlern Tinte in die Retorten. Als junger -'iann studierte er in Leipzig die Rechtswissenschaft; später war er in verschiednen "hundelt Häusern Dresdens als Hofmeister tätig. Er war von glattem, schimeg- lamein Wesen; sein Beruf und einige moralische Schriften, die er verfaßt hatte, pachten es mit sich, daß ein Geruch von Tugend vor ihm herging; eine gewisse 'Kenntnis von Dingen der Kunst, die wohl ans die im Elternhause empfangner Andrucke zurückging, die Gabe, gesammelte Kunstgegenstände zu sichten und leicht¬ en darüber zu plaudern, kam dazu, sodaß er als ein wertvolles Requisit vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/451>, abgerufen am 22.07.2024.