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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Zwei Seelen

Gesundheit, mit funkelnden Augen und roten Wangen, eine Schönheit, deren Anreiz
auf Leute vom Schlage Heinemanns ich später erkannte. Sie führte das Wort
im Hause und gab zu meiner Aufnahme in die Familie die Zustimmung. Wie
ich nachher entdeckte, bestand zwischen ihr und Heiuemann eine alte Liebe, die zwar
zeitweilig vergessen, nie aber ganz begraben und allmählich auf der Grundlage
gegenseitiger Hilfeleistung zu eiuer festen und in ihrer Art treuen Freundschaft
herangereift war. Die Frau stund mit allerlei Gesinde! in Verbindung und ver¬
mittelte mancherlei dunkle Geschäfte. Anfangs hatte ich auch ihren Maun in den,
Verdacht eines versteckten Menschen, als drehe er, der sich den Anschein eines
ehrbaren Handwerkers gab und aussah, wie wenn er kein Wässerchen zu trüben
vermöchte, in der Stille mit seinem Weibe an demselben Rade. Das war jedoch
nicht so, die Frau ging vielmehr ihre eignen Wege und legte ganz heimlich Stein
auf Stein zu einem Hause, worin sie Unterstand nehmen wollte, wenn einmal ein
rauhes Wiudchen ihr Schneiderlein hinwegblasen würde. Auch ein Sohn war in
der Familie, ein starker, korpulenter Junge von etlichen dreißig Jahren, der Mutter
vollkommnes Ebenbild, großartig in seinem Auftreten, genußsüchtig und prahlerisch.
Er war in einem großen Geschäft angestellt und hatte eine gute Einnahme, da er,
wie töricht er sonst sein mochte, eine ausgezeichnete Nase für profitliche Unter¬
nehmungen hatte. Da jedoch sein langer Körper mit einem starken Appetit vou
der Art gesegnet war, der sich nur mit auserlesene" Dingen beschwichtigen läßt,
so krankte er fortwährend an Geldnot. Auch lief er jeder Schürze nach und war
überglücklich, wenn ihm ein Lumpenwesen voll Bewunderung nachsah. Immer
kleidete er sich aufs vornehmste, eine mächtige goldne Uhrkette vou dunkler Her¬
kunft funkelte auf der angehenden Nundung eines nur aus den edelsten Stoffen
gebildeten Bäuchleins; er ließ sich das Haar brenne", ging immer in einer Wolke
vou Wohlgerüchen und war überhaupt ein unleidlicher Mensch. Dennoch genoß
er seines bescheidnen Vaters ganze Bewunderung, da dieser in ihm lieben mochte,
was ihn ehemals an seinem Weibe angezogen hatte. Auch war doch einiges von
der Natur seines Vaters in ihn hineingeflossen, nämlich eine große Ängstlichkeit,
die in sonderbarem Gegensatz zu seinem stattlichen Korpus stand. Es muß gesagt
werden, daß der Sohn des Vaters Zärtlichkeit erwiderte. Er streichelte ihm wohl
das spärliche Haar, klopfte ihm wohlwollend auf den vom vielen Arbeiten ge¬
krümmten Rücken und behandelte ihn in einer freundlichen und achtungsvollen
Weise, sodaß die einzige Liebe, die der arme Alte noch erfuhr, unter der weißen
Weste seines Sohnes ihren Ursprung nahm. Die Frau Leopold lachte über die
Zimperlichkeiten der beiden großen Kinder, war aber auf ihren Sohn acht wemger
stolz und ihm nicht minder zärtlich zugetan. .

In dieser Familie fand ich also Unterkunft, jedoch war es nicht Hernemcmns
Meinung, daß ich hier als Geselle eintreten sollte, ich sollte vielmehr hier nur
einen Unterschlupf haben. Über das, was weiter geschehen müsse, war noch immer
Zeit zu reden. Diesen Abend mußte er mich mir selber überlassen, ließ mich auch
den folgenden Tag bis in den Spätnachmittag allein, so daß ich, nachdem meine
Kiste ausgepackt war, in Langeweile im Zimmer herumsaß und eine förmliche
Sehnsucht nach ihm empfand. Endlich ging ich in die Werkstatt, sah dem
"leer Manne bei seinem emsigen Tun eine Zeit lang zu und erbot mich endlich,
ihm ein wenig zu helfen. Das war nun ein Anerbieten, wie es der Meister von
keinem seiner Mieter erwartete. Er schob die Brille auf die Stirn hinauf, sah
mich verwundert und fast hilflos an und wußte zuerst nichts zu sagen. SchUeßluh
chob er mir schweigend ein Kleidungsstück hin und überließ es mir, muh mit ihm,
!° gut ich es verstand, abzufinden. Kurze Zeit darauf kam Heinemann, sah nur
um Viertelstündchen vergnüglich zu. meinte dann aber, es sei nun genug gearbeitet,
und man könne sich nnn etwas in der Stadt umsehen.

^ Das geschah denn auch. Eine Stunde ging vorüber, und es wurde allmählich
Nacht. Wir waren schou einigemal eingekehrt und in rosiger Stimmung, ^etzt


Grenzboten IV 1903 ^
Zwei Seelen

Gesundheit, mit funkelnden Augen und roten Wangen, eine Schönheit, deren Anreiz
auf Leute vom Schlage Heinemanns ich später erkannte. Sie führte das Wort
im Hause und gab zu meiner Aufnahme in die Familie die Zustimmung. Wie
ich nachher entdeckte, bestand zwischen ihr und Heiuemann eine alte Liebe, die zwar
zeitweilig vergessen, nie aber ganz begraben und allmählich auf der Grundlage
gegenseitiger Hilfeleistung zu eiuer festen und in ihrer Art treuen Freundschaft
herangereift war. Die Frau stund mit allerlei Gesinde! in Verbindung und ver¬
mittelte mancherlei dunkle Geschäfte. Anfangs hatte ich auch ihren Maun in den,
Verdacht eines versteckten Menschen, als drehe er, der sich den Anschein eines
ehrbaren Handwerkers gab und aussah, wie wenn er kein Wässerchen zu trüben
vermöchte, in der Stille mit seinem Weibe an demselben Rade. Das war jedoch
nicht so, die Frau ging vielmehr ihre eignen Wege und legte ganz heimlich Stein
auf Stein zu einem Hause, worin sie Unterstand nehmen wollte, wenn einmal ein
rauhes Wiudchen ihr Schneiderlein hinwegblasen würde. Auch ein Sohn war in
der Familie, ein starker, korpulenter Junge von etlichen dreißig Jahren, der Mutter
vollkommnes Ebenbild, großartig in seinem Auftreten, genußsüchtig und prahlerisch.
Er war in einem großen Geschäft angestellt und hatte eine gute Einnahme, da er,
wie töricht er sonst sein mochte, eine ausgezeichnete Nase für profitliche Unter¬
nehmungen hatte. Da jedoch sein langer Körper mit einem starken Appetit vou
der Art gesegnet war, der sich nur mit auserlesene« Dingen beschwichtigen läßt,
so krankte er fortwährend an Geldnot. Auch lief er jeder Schürze nach und war
überglücklich, wenn ihm ein Lumpenwesen voll Bewunderung nachsah. Immer
kleidete er sich aufs vornehmste, eine mächtige goldne Uhrkette vou dunkler Her¬
kunft funkelte auf der angehenden Nundung eines nur aus den edelsten Stoffen
gebildeten Bäuchleins; er ließ sich das Haar brenne», ging immer in einer Wolke
vou Wohlgerüchen und war überhaupt ein unleidlicher Mensch. Dennoch genoß
er seines bescheidnen Vaters ganze Bewunderung, da dieser in ihm lieben mochte,
was ihn ehemals an seinem Weibe angezogen hatte. Auch war doch einiges von
der Natur seines Vaters in ihn hineingeflossen, nämlich eine große Ängstlichkeit,
die in sonderbarem Gegensatz zu seinem stattlichen Korpus stand. Es muß gesagt
werden, daß der Sohn des Vaters Zärtlichkeit erwiderte. Er streichelte ihm wohl
das spärliche Haar, klopfte ihm wohlwollend auf den vom vielen Arbeiten ge¬
krümmten Rücken und behandelte ihn in einer freundlichen und achtungsvollen
Weise, sodaß die einzige Liebe, die der arme Alte noch erfuhr, unter der weißen
Weste seines Sohnes ihren Ursprung nahm. Die Frau Leopold lachte über die
Zimperlichkeiten der beiden großen Kinder, war aber auf ihren Sohn acht wemger
stolz und ihm nicht minder zärtlich zugetan. .

In dieser Familie fand ich also Unterkunft, jedoch war es nicht Hernemcmns
Meinung, daß ich hier als Geselle eintreten sollte, ich sollte vielmehr hier nur
einen Unterschlupf haben. Über das, was weiter geschehen müsse, war noch immer
Zeit zu reden. Diesen Abend mußte er mich mir selber überlassen, ließ mich auch
den folgenden Tag bis in den Spätnachmittag allein, so daß ich, nachdem meine
Kiste ausgepackt war, in Langeweile im Zimmer herumsaß und eine förmliche
Sehnsucht nach ihm empfand. Endlich ging ich in die Werkstatt, sah dem
"leer Manne bei seinem emsigen Tun eine Zeit lang zu und erbot mich endlich,
ihm ein wenig zu helfen. Das war nun ein Anerbieten, wie es der Meister von
keinem seiner Mieter erwartete. Er schob die Brille auf die Stirn hinauf, sah
mich verwundert und fast hilflos an und wußte zuerst nichts zu sagen. SchUeßluh
chob er mir schweigend ein Kleidungsstück hin und überließ es mir, muh mit ihm,
!° gut ich es verstand, abzufinden. Kurze Zeit darauf kam Heinemann, sah nur
um Viertelstündchen vergnüglich zu. meinte dann aber, es sei nun genug gearbeitet,
und man könne sich nnn etwas in der Stadt umsehen.

^ Das geschah denn auch. Eine Stunde ging vorüber, und es wurde allmählich
Nacht. Wir waren schou einigemal eingekehrt und in rosiger Stimmung, ^etzt


Grenzboten IV 1903 ^
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[0401] Zwei Seelen Gesundheit, mit funkelnden Augen und roten Wangen, eine Schönheit, deren Anreiz auf Leute vom Schlage Heinemanns ich später erkannte. Sie führte das Wort im Hause und gab zu meiner Aufnahme in die Familie die Zustimmung. Wie ich nachher entdeckte, bestand zwischen ihr und Heiuemann eine alte Liebe, die zwar zeitweilig vergessen, nie aber ganz begraben und allmählich auf der Grundlage gegenseitiger Hilfeleistung zu eiuer festen und in ihrer Art treuen Freundschaft herangereift war. Die Frau stund mit allerlei Gesinde! in Verbindung und ver¬ mittelte mancherlei dunkle Geschäfte. Anfangs hatte ich auch ihren Maun in den, Verdacht eines versteckten Menschen, als drehe er, der sich den Anschein eines ehrbaren Handwerkers gab und aussah, wie wenn er kein Wässerchen zu trüben vermöchte, in der Stille mit seinem Weibe an demselben Rade. Das war jedoch nicht so, die Frau ging vielmehr ihre eignen Wege und legte ganz heimlich Stein auf Stein zu einem Hause, worin sie Unterstand nehmen wollte, wenn einmal ein rauhes Wiudchen ihr Schneiderlein hinwegblasen würde. Auch ein Sohn war in der Familie, ein starker, korpulenter Junge von etlichen dreißig Jahren, der Mutter vollkommnes Ebenbild, großartig in seinem Auftreten, genußsüchtig und prahlerisch. Er war in einem großen Geschäft angestellt und hatte eine gute Einnahme, da er, wie töricht er sonst sein mochte, eine ausgezeichnete Nase für profitliche Unter¬ nehmungen hatte. Da jedoch sein langer Körper mit einem starken Appetit vou der Art gesegnet war, der sich nur mit auserlesene« Dingen beschwichtigen läßt, so krankte er fortwährend an Geldnot. Auch lief er jeder Schürze nach und war überglücklich, wenn ihm ein Lumpenwesen voll Bewunderung nachsah. Immer kleidete er sich aufs vornehmste, eine mächtige goldne Uhrkette vou dunkler Her¬ kunft funkelte auf der angehenden Nundung eines nur aus den edelsten Stoffen gebildeten Bäuchleins; er ließ sich das Haar brenne», ging immer in einer Wolke vou Wohlgerüchen und war überhaupt ein unleidlicher Mensch. Dennoch genoß er seines bescheidnen Vaters ganze Bewunderung, da dieser in ihm lieben mochte, was ihn ehemals an seinem Weibe angezogen hatte. Auch war doch einiges von der Natur seines Vaters in ihn hineingeflossen, nämlich eine große Ängstlichkeit, die in sonderbarem Gegensatz zu seinem stattlichen Korpus stand. Es muß gesagt werden, daß der Sohn des Vaters Zärtlichkeit erwiderte. Er streichelte ihm wohl das spärliche Haar, klopfte ihm wohlwollend auf den vom vielen Arbeiten ge¬ krümmten Rücken und behandelte ihn in einer freundlichen und achtungsvollen Weise, sodaß die einzige Liebe, die der arme Alte noch erfuhr, unter der weißen Weste seines Sohnes ihren Ursprung nahm. Die Frau Leopold lachte über die Zimperlichkeiten der beiden großen Kinder, war aber auf ihren Sohn acht wemger stolz und ihm nicht minder zärtlich zugetan. . In dieser Familie fand ich also Unterkunft, jedoch war es nicht Hernemcmns Meinung, daß ich hier als Geselle eintreten sollte, ich sollte vielmehr hier nur einen Unterschlupf haben. Über das, was weiter geschehen müsse, war noch immer Zeit zu reden. Diesen Abend mußte er mich mir selber überlassen, ließ mich auch den folgenden Tag bis in den Spätnachmittag allein, so daß ich, nachdem meine Kiste ausgepackt war, in Langeweile im Zimmer herumsaß und eine förmliche Sehnsucht nach ihm empfand. Endlich ging ich in die Werkstatt, sah dem "leer Manne bei seinem emsigen Tun eine Zeit lang zu und erbot mich endlich, ihm ein wenig zu helfen. Das war nun ein Anerbieten, wie es der Meister von keinem seiner Mieter erwartete. Er schob die Brille auf die Stirn hinauf, sah mich verwundert und fast hilflos an und wußte zuerst nichts zu sagen. SchUeßluh chob er mir schweigend ein Kleidungsstück hin und überließ es mir, muh mit ihm, !° gut ich es verstand, abzufinden. Kurze Zeit darauf kam Heinemann, sah nur um Viertelstündchen vergnüglich zu. meinte dann aber, es sei nun genug gearbeitet, und man könne sich nnn etwas in der Stadt umsehen. ^ Das geschah denn auch. Eine Stunde ging vorüber, und es wurde allmählich Nacht. Wir waren schou einigemal eingekehrt und in rosiger Stimmung, ^etzt Grenzboten IV 1903 ^

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/401>, abgerufen am 01.07.2024.