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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Zwei Seelen

strahlte am Himmel, die Wiesen dampfte", und bald hier bald dort lugte ein
Dörfchen ans frischem Grün hervor, und weiter glitten Mühlen und einzelne Ge¬
höfte vorüber. Dann kam ein schimmernder Fluß, wieder Wiesen und Felder, und
endlich ein langer stiller sonniger Wald. Ein fröhliches Gefühl, wie ich es lange
nicht mehr gekannt hatte, kam über mich und begleitete mich in die Stadt, die
mich ehemals in einer so elenden Verfassung gesehen hatte. Weil ich ihr nun so
frisch und wohlgemut entgegentrat, lachte sie mich gleichfalls an und enthüllte nun
ihre Häuser und Villen, ihre Alleen und Rasenplätze, ihre plätschernden Spring¬
brunnen und die Menschenscharen, die sie in sich beherbergte, in einem glänzenden
Sonnenschein. In der aufgeräumten Stimmung', in der ich meine Reise unter¬
nommen hatte, gelang es mir auch, das Geschäft, womit mich der Meister betraut
hatte, in aller Geschwindigkeit, eher als ich gedacht hatte und dennoch mit dem
erwünschten Erfolg abzuwickeln, sodaß ich den schonen Tag in aller Ruhe genießen
konnte. Nachdem ich irgendwo eine einfache Mahlzeit gehalten hatte, suchte ich
ein großes Kaffeehaus auf und fand ein Plätzchen am Fenster, von wo ich mich
an dem Schauspiel der vorüber wandelnden Menschen, die gleichfalls in einer
festlichen Stimmung zu sein und den fröhlichen Tag ebenfalls im Herzen zu tragen
schienen, nach Herzenslust weiden konnte.

Wie ich da saß und bald auf die Straße hinaus sah, bald an dem braunen
Trank nippte, der mir bei der freudigen Bewegung, in der mein ganzes Wesen
glühte, ein wenig zu süß geraten war, bemerkte ich, daß mich ein Herr, der an
einem Nebentisch in derselben angenehmen Beschäftigung begriffen war, aufmerksam be¬
trachtete. Auch ich richtete nun meine Augen auf ihn und fuhr zusammen. Der Fremde
jedoch erhob sich und trat mit einem Lächeln an mich heran. So hast du mich denn
endlich bemerkt und erkannt! Ich sitze dir schon eine Viertelstunde gegenüber.

Heinemann, stammelte ich.

Ja, Heinemann. Du erinnerst dich also meiner noch. Ich glaubte, du hättest
mich ganz vergessen.

Ich sprach von meiner Überraschung, und daß ich ihn in dieser Verwandlung
allerdings nicht vermutet hätte. Er lächelte mich geschmeichelt an und fuhr sich
über sein wohlfrisicrtes Haar. Darauf fragte er, warum ich ihm uicht geschrieben
hätte, und wie es mir seitdem -- mit einem bedeutungsvollen Augenzwinkern ge¬
sprochen -- ergangen wäre, und was ich hier triebe. Um alle diese Fragen zu
beantworten, mußten wir uns zusammensetzen.

Und nun, was fangen wir an? rief Heinemann, als ich ihm in aller Kürze
Bericht gegeben hatte. Du bleibst doch heute hier, wir müssen unser Wiedersehen
feiern. Es paßt famos, ich bin heute frei und stelle dir den ganzen Nachmittag
und Abend und soviel du willst auch von der Nacht zur Verfügung. Aber du
bist wohl gewohnt, früh zu Bett zu gehn. In den kleinen Nestern gehn sie mit
den Hühnern zur Ruhe und stehn mit ihnen auf, kurios. Du kannst es also halten,
wie du willst. Aber für den Nachmittag und Abend gehörst du mir.

So sprudelte er die Worte heraus und winkte zugleich dem Kellner. Der
sprang herbei und empfing die Bestellung auf ein Getränk, das mir unbekannt
war, nichtsdestoweniger aber herrlich mundete.

Und nun stecken wir uns eine Zigarre an, sagte Heinemann. Da nimm von
den meinigen, die deinigen sehen verdächtig aus. Aber diese werden dir schmecken,
es ist eine vornehme Sorte.

Wirklich, das waren sie. Die Rauchwölkchen wirbelten durch die Luft, und
draußen spazierten gepichte Leute, rollten die Karossen, wogte es auf und nieder,
und dazwischen wandelte noch immer der Sonnenschein. Es war wunderbar, köst¬
lich. Wie anders sah man hier in die Welt, wie bewegte sich das alles so leicht
und frei. Hier war Leben, Freude, Genuß, hier sah mau, daß es noch lebendige
Quellen gab. Narr, der ich gewesen war! Das Gespräch sprang hin und her,
wie bei Leuten, denen die Brücke zu ihrem gegenseitigen Wesen fehlt, und die, wo
ihnen noch etwas gemeinsames angehört, Ursache haben, ihm weit aus dem Wege zu


Zwei Seelen

strahlte am Himmel, die Wiesen dampfte», und bald hier bald dort lugte ein
Dörfchen ans frischem Grün hervor, und weiter glitten Mühlen und einzelne Ge¬
höfte vorüber. Dann kam ein schimmernder Fluß, wieder Wiesen und Felder, und
endlich ein langer stiller sonniger Wald. Ein fröhliches Gefühl, wie ich es lange
nicht mehr gekannt hatte, kam über mich und begleitete mich in die Stadt, die
mich ehemals in einer so elenden Verfassung gesehen hatte. Weil ich ihr nun so
frisch und wohlgemut entgegentrat, lachte sie mich gleichfalls an und enthüllte nun
ihre Häuser und Villen, ihre Alleen und Rasenplätze, ihre plätschernden Spring¬
brunnen und die Menschenscharen, die sie in sich beherbergte, in einem glänzenden
Sonnenschein. In der aufgeräumten Stimmung', in der ich meine Reise unter¬
nommen hatte, gelang es mir auch, das Geschäft, womit mich der Meister betraut
hatte, in aller Geschwindigkeit, eher als ich gedacht hatte und dennoch mit dem
erwünschten Erfolg abzuwickeln, sodaß ich den schonen Tag in aller Ruhe genießen
konnte. Nachdem ich irgendwo eine einfache Mahlzeit gehalten hatte, suchte ich
ein großes Kaffeehaus auf und fand ein Plätzchen am Fenster, von wo ich mich
an dem Schauspiel der vorüber wandelnden Menschen, die gleichfalls in einer
festlichen Stimmung zu sein und den fröhlichen Tag ebenfalls im Herzen zu tragen
schienen, nach Herzenslust weiden konnte.

Wie ich da saß und bald auf die Straße hinaus sah, bald an dem braunen
Trank nippte, der mir bei der freudigen Bewegung, in der mein ganzes Wesen
glühte, ein wenig zu süß geraten war, bemerkte ich, daß mich ein Herr, der an
einem Nebentisch in derselben angenehmen Beschäftigung begriffen war, aufmerksam be¬
trachtete. Auch ich richtete nun meine Augen auf ihn und fuhr zusammen. Der Fremde
jedoch erhob sich und trat mit einem Lächeln an mich heran. So hast du mich denn
endlich bemerkt und erkannt! Ich sitze dir schon eine Viertelstunde gegenüber.

Heinemann, stammelte ich.

Ja, Heinemann. Du erinnerst dich also meiner noch. Ich glaubte, du hättest
mich ganz vergessen.

Ich sprach von meiner Überraschung, und daß ich ihn in dieser Verwandlung
allerdings nicht vermutet hätte. Er lächelte mich geschmeichelt an und fuhr sich
über sein wohlfrisicrtes Haar. Darauf fragte er, warum ich ihm uicht geschrieben
hätte, und wie es mir seitdem — mit einem bedeutungsvollen Augenzwinkern ge¬
sprochen — ergangen wäre, und was ich hier triebe. Um alle diese Fragen zu
beantworten, mußten wir uns zusammensetzen.

Und nun, was fangen wir an? rief Heinemann, als ich ihm in aller Kürze
Bericht gegeben hatte. Du bleibst doch heute hier, wir müssen unser Wiedersehen
feiern. Es paßt famos, ich bin heute frei und stelle dir den ganzen Nachmittag
und Abend und soviel du willst auch von der Nacht zur Verfügung. Aber du
bist wohl gewohnt, früh zu Bett zu gehn. In den kleinen Nestern gehn sie mit
den Hühnern zur Ruhe und stehn mit ihnen auf, kurios. Du kannst es also halten,
wie du willst. Aber für den Nachmittag und Abend gehörst du mir.

So sprudelte er die Worte heraus und winkte zugleich dem Kellner. Der
sprang herbei und empfing die Bestellung auf ein Getränk, das mir unbekannt
war, nichtsdestoweniger aber herrlich mundete.

Und nun stecken wir uns eine Zigarre an, sagte Heinemann. Da nimm von
den meinigen, die deinigen sehen verdächtig aus. Aber diese werden dir schmecken,
es ist eine vornehme Sorte.

Wirklich, das waren sie. Die Rauchwölkchen wirbelten durch die Luft, und
draußen spazierten gepichte Leute, rollten die Karossen, wogte es auf und nieder,
und dazwischen wandelte noch immer der Sonnenschein. Es war wunderbar, köst¬
lich. Wie anders sah man hier in die Welt, wie bewegte sich das alles so leicht
und frei. Hier war Leben, Freude, Genuß, hier sah mau, daß es noch lebendige
Quellen gab. Narr, der ich gewesen war! Das Gespräch sprang hin und her,
wie bei Leuten, denen die Brücke zu ihrem gegenseitigen Wesen fehlt, und die, wo
ihnen noch etwas gemeinsames angehört, Ursache haben, ihm weit aus dem Wege zu


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[0394] Zwei Seelen strahlte am Himmel, die Wiesen dampfte», und bald hier bald dort lugte ein Dörfchen ans frischem Grün hervor, und weiter glitten Mühlen und einzelne Ge¬ höfte vorüber. Dann kam ein schimmernder Fluß, wieder Wiesen und Felder, und endlich ein langer stiller sonniger Wald. Ein fröhliches Gefühl, wie ich es lange nicht mehr gekannt hatte, kam über mich und begleitete mich in die Stadt, die mich ehemals in einer so elenden Verfassung gesehen hatte. Weil ich ihr nun so frisch und wohlgemut entgegentrat, lachte sie mich gleichfalls an und enthüllte nun ihre Häuser und Villen, ihre Alleen und Rasenplätze, ihre plätschernden Spring¬ brunnen und die Menschenscharen, die sie in sich beherbergte, in einem glänzenden Sonnenschein. In der aufgeräumten Stimmung', in der ich meine Reise unter¬ nommen hatte, gelang es mir auch, das Geschäft, womit mich der Meister betraut hatte, in aller Geschwindigkeit, eher als ich gedacht hatte und dennoch mit dem erwünschten Erfolg abzuwickeln, sodaß ich den schonen Tag in aller Ruhe genießen konnte. Nachdem ich irgendwo eine einfache Mahlzeit gehalten hatte, suchte ich ein großes Kaffeehaus auf und fand ein Plätzchen am Fenster, von wo ich mich an dem Schauspiel der vorüber wandelnden Menschen, die gleichfalls in einer festlichen Stimmung zu sein und den fröhlichen Tag ebenfalls im Herzen zu tragen schienen, nach Herzenslust weiden konnte. Wie ich da saß und bald auf die Straße hinaus sah, bald an dem braunen Trank nippte, der mir bei der freudigen Bewegung, in der mein ganzes Wesen glühte, ein wenig zu süß geraten war, bemerkte ich, daß mich ein Herr, der an einem Nebentisch in derselben angenehmen Beschäftigung begriffen war, aufmerksam be¬ trachtete. Auch ich richtete nun meine Augen auf ihn und fuhr zusammen. Der Fremde jedoch erhob sich und trat mit einem Lächeln an mich heran. So hast du mich denn endlich bemerkt und erkannt! Ich sitze dir schon eine Viertelstunde gegenüber. Heinemann, stammelte ich. Ja, Heinemann. Du erinnerst dich also meiner noch. Ich glaubte, du hättest mich ganz vergessen. Ich sprach von meiner Überraschung, und daß ich ihn in dieser Verwandlung allerdings nicht vermutet hätte. Er lächelte mich geschmeichelt an und fuhr sich über sein wohlfrisicrtes Haar. Darauf fragte er, warum ich ihm uicht geschrieben hätte, und wie es mir seitdem — mit einem bedeutungsvollen Augenzwinkern ge¬ sprochen — ergangen wäre, und was ich hier triebe. Um alle diese Fragen zu beantworten, mußten wir uns zusammensetzen. Und nun, was fangen wir an? rief Heinemann, als ich ihm in aller Kürze Bericht gegeben hatte. Du bleibst doch heute hier, wir müssen unser Wiedersehen feiern. Es paßt famos, ich bin heute frei und stelle dir den ganzen Nachmittag und Abend und soviel du willst auch von der Nacht zur Verfügung. Aber du bist wohl gewohnt, früh zu Bett zu gehn. In den kleinen Nestern gehn sie mit den Hühnern zur Ruhe und stehn mit ihnen auf, kurios. Du kannst es also halten, wie du willst. Aber für den Nachmittag und Abend gehörst du mir. So sprudelte er die Worte heraus und winkte zugleich dem Kellner. Der sprang herbei und empfing die Bestellung auf ein Getränk, das mir unbekannt war, nichtsdestoweniger aber herrlich mundete. Und nun stecken wir uns eine Zigarre an, sagte Heinemann. Da nimm von den meinigen, die deinigen sehen verdächtig aus. Aber diese werden dir schmecken, es ist eine vornehme Sorte. Wirklich, das waren sie. Die Rauchwölkchen wirbelten durch die Luft, und draußen spazierten gepichte Leute, rollten die Karossen, wogte es auf und nieder, und dazwischen wandelte noch immer der Sonnenschein. Es war wunderbar, köst¬ lich. Wie anders sah man hier in die Welt, wie bewegte sich das alles so leicht und frei. Hier war Leben, Freude, Genuß, hier sah mau, daß es noch lebendige Quellen gab. Narr, der ich gewesen war! Das Gespräch sprang hin und her, wie bei Leuten, denen die Brücke zu ihrem gegenseitigen Wesen fehlt, und die, wo ihnen noch etwas gemeinsames angehört, Ursache haben, ihm weit aus dem Wege zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/394>, abgerufen am 01.07.2024.