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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Zwei Seele"

mir hättest du es nicht erfahren, heute nicht, wo du ohnehin so viel Aufregung
hattest. Es war sehr schlimm, daß du es sogleich hören mußtest.

Nein, Mutter, es war recht gut. Nun bin ich mit einemmal fertig.

Sie war schon an der Tür, aber sie wandte sich noch einmal um und sah
mich warm an: Ich danke dir, Kind. Du hast mich sehr getröstet. Nun, glaube
ich, wird noch alles gut werden.

Ja, es wird alles gut werden, Mutter.

Ihre Schritte verklangen auf der Treppe. Es war doch gut und das aller¬
beste, was mir seit lange widerfahren ist, daß die Mutter mit mir so gesprochen
und mich einmal ein weiches, warmes Mutterherz hat fühlen lassen! Mit diesem
Gedanken ging ich in mein Zimmer und legte mich nieder, dabei war es mir, als
deckten mich weiche Hände zu, und dann schlief ich mit dem vollen Bewußtsein
des Ruhens und hatte fortwährend die Empfindung, wie schön und weich ich da¬
liege, und wie wohl es mir tue, mich auszustrecken. Und endlich hatte ich noch
einen Traum, der mich rin neuem Glück erfüllte. Ich stieg einen hohen steilen
Berg hinauf, so steil, daß es zum Fürchten war, aber ich ging leicht und freien
Herzens, als ob mir Flügel gewachsen wären. Und plötzlich lag das Ziel, dein
ich zustrebte, und das ich noch sehr fern geglaubt hatte, ganz nahe vor mir, man
konnte es fast mit Händen greifen. Und ein großer Stern funkelte darüber. Wie
schön dieser Stern war, wie strahlend sein Licht, und wie mich dieses Licht beglückte.
Ich konnte den Blick nicht davon abwenden, und auch als endlich eine Wolke empor-
zog und ihn mir verdeckte, trug ich noch immer den hellen Schein in meiner Seele.
So erfreulich träumte ich nur noch einmal, als schon dunkle Wolken über und über
meinen Himmel umzogen hatten, als ich schon wußte, daß das Ziel, wenn ich es
überhaupt erreichte, noch sehr fern war, und als ich an den schönen Stern schon
nicht mehr glaubte.

Es war schon Abend, als ich erwachte. Und Plötzlich kam eine seltsame Un¬
ruhe über mich, ich mußte aufstehn und mich ankleiden und hinausstürmen. Die
Leute sahen mir verwundert nach, aber ich fragte nicht danach, was sie dachten
und miteinander redeten. Plötzlich war ich auf dem Wege zur Mühle. Der Mond
war aufgegangen und kämpfte mit den Wolken. Einen Augenblick verschwand er
hinter ihnen und ließ die Wiesen in einer zarten Dämmerung, dann stieg es wieder
aus dem Dunkel des Himmels auf, langsam emporschwellend, und bald ergoß sich
der Strom himmlischen Lichtes über die bedanken Wiesen, den rauschenden Bach
und über die mit weißem Staube bedeckte Straße. Ich ging weiter, stand still
und horchte und ging wieder weiter. Da kamen mir in dem hellen Schein zwei
Gestalten entgegen, die ebenso zögernd dahinschritten. Sie neigten sich zueinander
und sprachen leise zusammen. Jetzt traten sie ans die Brücke und sahen in das
Wasser hinab, nnn wandelten sie ein Stück weiter und blieben dann wieder stehn.
Und endlich standen sie dicht vor mir. Das Herz hatte mir laut geschlagen und
immer lauter, als wollte das Blut seine Fesseln sprengen. Plötzlich wurde es mir
dunkel vor den Allgen, und mit einem Schrei, den ich hören werde, so lange ich
lebe, stürzte ich mich auf deu Mann, der sich an den Platz gestellt hatte, wo ich
hatte stehn wollen. Aber während der Haß in meiner Seele aufloderte und
zu einer Flamme wurde, die alles, was in mir lebte, versengte, stieg zugleich vou
der andern Seite meiner Seele ein wilder Schmerz in mir auf wie eine schwere
Regenwolke und löschte die Flamme aus. Was bist du doch für ein gemeiner
Mensch, so schrie es in mir, was für eine niedrige Kreatur bist du doch. O Gott,
Warum konntest dn das tun! Zwei Seelen! Die eine schaute auf zu himmlischen
Höhen, über denen mein Stern stand und so wundersam leuchtete. Und die andre
wälzte sich hier im Kote! Sie haben sich immer im Wege gestanden, diese beiden
Seelen, und sich gegenseitig verwirrt, und sie haben mir durch ihre gegensätzlichen
Kräfte jedes Gelingen vereitelt, im Guten und im Bösen.

Einige Männer, die auf des Mädchens Hilferufen herbeieilten, machten dem
Kampf ein Ende. Und wie es denn mein Schicksal zu sein schien, immerfort wie


Zwei Seele»

mir hättest du es nicht erfahren, heute nicht, wo du ohnehin so viel Aufregung
hattest. Es war sehr schlimm, daß du es sogleich hören mußtest.

Nein, Mutter, es war recht gut. Nun bin ich mit einemmal fertig.

Sie war schon an der Tür, aber sie wandte sich noch einmal um und sah
mich warm an: Ich danke dir, Kind. Du hast mich sehr getröstet. Nun, glaube
ich, wird noch alles gut werden.

Ja, es wird alles gut werden, Mutter.

Ihre Schritte verklangen auf der Treppe. Es war doch gut und das aller¬
beste, was mir seit lange widerfahren ist, daß die Mutter mit mir so gesprochen
und mich einmal ein weiches, warmes Mutterherz hat fühlen lassen! Mit diesem
Gedanken ging ich in mein Zimmer und legte mich nieder, dabei war es mir, als
deckten mich weiche Hände zu, und dann schlief ich mit dem vollen Bewußtsein
des Ruhens und hatte fortwährend die Empfindung, wie schön und weich ich da¬
liege, und wie wohl es mir tue, mich auszustrecken. Und endlich hatte ich noch
einen Traum, der mich rin neuem Glück erfüllte. Ich stieg einen hohen steilen
Berg hinauf, so steil, daß es zum Fürchten war, aber ich ging leicht und freien
Herzens, als ob mir Flügel gewachsen wären. Und plötzlich lag das Ziel, dein
ich zustrebte, und das ich noch sehr fern geglaubt hatte, ganz nahe vor mir, man
konnte es fast mit Händen greifen. Und ein großer Stern funkelte darüber. Wie
schön dieser Stern war, wie strahlend sein Licht, und wie mich dieses Licht beglückte.
Ich konnte den Blick nicht davon abwenden, und auch als endlich eine Wolke empor-
zog und ihn mir verdeckte, trug ich noch immer den hellen Schein in meiner Seele.
So erfreulich träumte ich nur noch einmal, als schon dunkle Wolken über und über
meinen Himmel umzogen hatten, als ich schon wußte, daß das Ziel, wenn ich es
überhaupt erreichte, noch sehr fern war, und als ich an den schönen Stern schon
nicht mehr glaubte.

Es war schon Abend, als ich erwachte. Und Plötzlich kam eine seltsame Un¬
ruhe über mich, ich mußte aufstehn und mich ankleiden und hinausstürmen. Die
Leute sahen mir verwundert nach, aber ich fragte nicht danach, was sie dachten
und miteinander redeten. Plötzlich war ich auf dem Wege zur Mühle. Der Mond
war aufgegangen und kämpfte mit den Wolken. Einen Augenblick verschwand er
hinter ihnen und ließ die Wiesen in einer zarten Dämmerung, dann stieg es wieder
aus dem Dunkel des Himmels auf, langsam emporschwellend, und bald ergoß sich
der Strom himmlischen Lichtes über die bedanken Wiesen, den rauschenden Bach
und über die mit weißem Staube bedeckte Straße. Ich ging weiter, stand still
und horchte und ging wieder weiter. Da kamen mir in dem hellen Schein zwei
Gestalten entgegen, die ebenso zögernd dahinschritten. Sie neigten sich zueinander
und sprachen leise zusammen. Jetzt traten sie ans die Brücke und sahen in das
Wasser hinab, nnn wandelten sie ein Stück weiter und blieben dann wieder stehn.
Und endlich standen sie dicht vor mir. Das Herz hatte mir laut geschlagen und
immer lauter, als wollte das Blut seine Fesseln sprengen. Plötzlich wurde es mir
dunkel vor den Allgen, und mit einem Schrei, den ich hören werde, so lange ich
lebe, stürzte ich mich auf deu Mann, der sich an den Platz gestellt hatte, wo ich
hatte stehn wollen. Aber während der Haß in meiner Seele aufloderte und
zu einer Flamme wurde, die alles, was in mir lebte, versengte, stieg zugleich vou
der andern Seite meiner Seele ein wilder Schmerz in mir auf wie eine schwere
Regenwolke und löschte die Flamme aus. Was bist du doch für ein gemeiner
Mensch, so schrie es in mir, was für eine niedrige Kreatur bist du doch. O Gott,
Warum konntest dn das tun! Zwei Seelen! Die eine schaute auf zu himmlischen
Höhen, über denen mein Stern stand und so wundersam leuchtete. Und die andre
wälzte sich hier im Kote! Sie haben sich immer im Wege gestanden, diese beiden
Seelen, und sich gegenseitig verwirrt, und sie haben mir durch ihre gegensätzlichen
Kräfte jedes Gelingen vereitelt, im Guten und im Bösen.

Einige Männer, die auf des Mädchens Hilferufen herbeieilten, machten dem
Kampf ein Ende. Und wie es denn mein Schicksal zu sein schien, immerfort wie


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[0266] Zwei Seele» mir hättest du es nicht erfahren, heute nicht, wo du ohnehin so viel Aufregung hattest. Es war sehr schlimm, daß du es sogleich hören mußtest. Nein, Mutter, es war recht gut. Nun bin ich mit einemmal fertig. Sie war schon an der Tür, aber sie wandte sich noch einmal um und sah mich warm an: Ich danke dir, Kind. Du hast mich sehr getröstet. Nun, glaube ich, wird noch alles gut werden. Ja, es wird alles gut werden, Mutter. Ihre Schritte verklangen auf der Treppe. Es war doch gut und das aller¬ beste, was mir seit lange widerfahren ist, daß die Mutter mit mir so gesprochen und mich einmal ein weiches, warmes Mutterherz hat fühlen lassen! Mit diesem Gedanken ging ich in mein Zimmer und legte mich nieder, dabei war es mir, als deckten mich weiche Hände zu, und dann schlief ich mit dem vollen Bewußtsein des Ruhens und hatte fortwährend die Empfindung, wie schön und weich ich da¬ liege, und wie wohl es mir tue, mich auszustrecken. Und endlich hatte ich noch einen Traum, der mich rin neuem Glück erfüllte. Ich stieg einen hohen steilen Berg hinauf, so steil, daß es zum Fürchten war, aber ich ging leicht und freien Herzens, als ob mir Flügel gewachsen wären. Und plötzlich lag das Ziel, dein ich zustrebte, und das ich noch sehr fern geglaubt hatte, ganz nahe vor mir, man konnte es fast mit Händen greifen. Und ein großer Stern funkelte darüber. Wie schön dieser Stern war, wie strahlend sein Licht, und wie mich dieses Licht beglückte. Ich konnte den Blick nicht davon abwenden, und auch als endlich eine Wolke empor- zog und ihn mir verdeckte, trug ich noch immer den hellen Schein in meiner Seele. So erfreulich träumte ich nur noch einmal, als schon dunkle Wolken über und über meinen Himmel umzogen hatten, als ich schon wußte, daß das Ziel, wenn ich es überhaupt erreichte, noch sehr fern war, und als ich an den schönen Stern schon nicht mehr glaubte. Es war schon Abend, als ich erwachte. Und Plötzlich kam eine seltsame Un¬ ruhe über mich, ich mußte aufstehn und mich ankleiden und hinausstürmen. Die Leute sahen mir verwundert nach, aber ich fragte nicht danach, was sie dachten und miteinander redeten. Plötzlich war ich auf dem Wege zur Mühle. Der Mond war aufgegangen und kämpfte mit den Wolken. Einen Augenblick verschwand er hinter ihnen und ließ die Wiesen in einer zarten Dämmerung, dann stieg es wieder aus dem Dunkel des Himmels auf, langsam emporschwellend, und bald ergoß sich der Strom himmlischen Lichtes über die bedanken Wiesen, den rauschenden Bach und über die mit weißem Staube bedeckte Straße. Ich ging weiter, stand still und horchte und ging wieder weiter. Da kamen mir in dem hellen Schein zwei Gestalten entgegen, die ebenso zögernd dahinschritten. Sie neigten sich zueinander und sprachen leise zusammen. Jetzt traten sie ans die Brücke und sahen in das Wasser hinab, nnn wandelten sie ein Stück weiter und blieben dann wieder stehn. Und endlich standen sie dicht vor mir. Das Herz hatte mir laut geschlagen und immer lauter, als wollte das Blut seine Fesseln sprengen. Plötzlich wurde es mir dunkel vor den Allgen, und mit einem Schrei, den ich hören werde, so lange ich lebe, stürzte ich mich auf deu Mann, der sich an den Platz gestellt hatte, wo ich hatte stehn wollen. Aber während der Haß in meiner Seele aufloderte und zu einer Flamme wurde, die alles, was in mir lebte, versengte, stieg zugleich vou der andern Seite meiner Seele ein wilder Schmerz in mir auf wie eine schwere Regenwolke und löschte die Flamme aus. Was bist du doch für ein gemeiner Mensch, so schrie es in mir, was für eine niedrige Kreatur bist du doch. O Gott, Warum konntest dn das tun! Zwei Seelen! Die eine schaute auf zu himmlischen Höhen, über denen mein Stern stand und so wundersam leuchtete. Und die andre wälzte sich hier im Kote! Sie haben sich immer im Wege gestanden, diese beiden Seelen, und sich gegenseitig verwirrt, und sie haben mir durch ihre gegensätzlichen Kräfte jedes Gelingen vereitelt, im Guten und im Bösen. Einige Männer, die auf des Mädchens Hilferufen herbeieilten, machten dem Kampf ein Ende. Und wie es denn mein Schicksal zu sein schien, immerfort wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/266>, abgerufen am 22.07.2024.