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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Awei Seelen

mir wollte ich sprechen, sondern von dir. Dn bist also ein Schneider geworden?
Es ist zum Lachen.

Ich versteh nicht, was darüber zu lachen ist, versetzte ich unmutig. Es ist
ein Beruf, so gut wie jeder andre.

Freilich, Heinrich. Ein Rock ist auch ein Rock. Aber wenn mau einen Rock,
der einem zarten feinen Burschen auf den Leib paßt, einem großen langen Kerl
anzieht, dann ists zum Lachen. Und nimm mirs nicht übel, aber dein Temperament
paßt nicht auf den stillen Schueidcrtisch, und wenn ich mich nicht täusche, sehe ich
da in deinen Augen auch etwas, was nicht nach Glück ausschaut. Du bist ein
feiner Mann, Heinrich, aber zufrieden bist dn nicht.

Ich war nun vor dem Alten auf der Hut und wollte mich durchaus nicht
auf Vertraulichkeiten einlassen, aber indem Schöne bald diese bald jene Erinnerung
aus meinem Leben hervorzog, wobei er mit großem Geschick nur solches erwähnte,
von dem er annehmen konnte, daß es mir erfreulich sein müßte, davon zu reden
und zu hören, brachte er es doch fertig, mich zum Erzählen zu verleiten. Und so
süß und traulich sind nun einmal die vergangnen Zeiten, mich wo manches schlimme
Feuer in ihnen flackert, und ein so warmer, herzlicher Hauch geht von ihnen aus,
daß ich allmählich anstände und ohne daran zu denken, vor wem ich meinen
Kummer ausschüttete, alle meine Hoffnungen, Wünsche und Schmerzen paradieren
ließ. Schöne hörte mit ruhiger Geduld zu, lächelte das eine und das andre mal,
oder schlug sich mißfällig aufs Knie, um so sein Mitgefühl zu bezeugen, und steckte
sich zuletzt seine Pfeife an, mit deren blauen Wolken ich nun auch meine Seifen¬
blasen vor ihm aufstiegen ließ. Als ich geendet hatte, räusperte er sich und setzte
sich in Positur, so wie er es früher immer getan hatte, wenn er die Gelegenheit
zu einer Belehrung ergreifen wollte:

Du willst nun von mir einen Rat oder Trost, nicht wahr? Er soll dir werden,
Freundchen. Wem das Holz weggeschwommen ist, mit dem er sich einen warmen
Winter machen wollte, der soll vor allem nicht wehklagen, sonst lachen ihn die Leute
aus. Was hiu ist, ist hin, aber es steh" noch genug Bäume im Walde. Frisch
auf, Heinrich, nimm die Axt in die Hand und fang von vorne an. Du bist nicht
der erste, der sich von einem Weibe hat narren lassen, und wirst nicht der letzte
sein. Das ist mein Trost, und er soll dich nichts kosten.

Das war nun freilich ein leidiger und sehr gewöhnlicher Trost, aber ich sah
ein, daß sich auf die jämmerliche Sache nichts besseres sagen ließ, und sogar dieser
Trunk ans trüber Quelle hatte etwas Erquickliches. Überhaupt war es schon
etwas wert, daß ich mich einmal mit einem Menschen, der Geduld hatte, mich an¬
zuhören, hatte aussprechen dürfen. Die Geschichte lag jetzt in einem ruhigern Lichte
vor mir.

Schöne stand nun auf und ergriff den Knotenstock, um weiter zu gehn. Dn
ich also sah, daß er wirklich nur um meinetwillen und von einer alten Anhänglich¬
keit getrieben gekommen war, erfaßte mich eine sanfte Rührung, die zur Folge hatte,
daß ich ihm ein kleines Reisegeschenk antrug. Er wehrte zuerst ab, ließ es aber
doch endlich zu, daß ich darum in die Stadt lief, und zeichnete darauf deu Betrag
gewissenhaft und umständlich in sein Taschenbuch ein, sodaß es den Anschein gewann,
als ob ich ihm ein Darlehn gegeben oder eine alte Schuld bezahlt hätte. Nachdem
dieses kleine Geschäft zu unsrer beiderseitigen Zufriedenheit erledigt war, begleitete
ich ihn noch ein Stück durch die Wiesen und wanderte mit ihm nnter dem dunkeln
Himmel hin, an dem nun ein Stern nach dem andern angezündet wurde. Eh ich
minds versah, waren wir schon an dem Dörfchen angelangt, wo Schone zu bleiben
gedachte, und nun ließ er es durchaus nicht zu, daß ich sogleich umkehrte, sondern
forderte mich, indem er unsern Geldhandel ganz vergessen zu haben schien, zu einem
Abschiedstrnnke auf, den er spendieren wolle. Unter einem schönen Birnbaum neben
dem Wirtshaus waren etliche Tische und Bänke angebracht, die zu einer freund-
schaftlichen Sitzung einluden. Hier ließen wir uns also nieder, bestellten etwas zu


Awei Seelen

mir wollte ich sprechen, sondern von dir. Dn bist also ein Schneider geworden?
Es ist zum Lachen.

Ich versteh nicht, was darüber zu lachen ist, versetzte ich unmutig. Es ist
ein Beruf, so gut wie jeder andre.

Freilich, Heinrich. Ein Rock ist auch ein Rock. Aber wenn mau einen Rock,
der einem zarten feinen Burschen auf den Leib paßt, einem großen langen Kerl
anzieht, dann ists zum Lachen. Und nimm mirs nicht übel, aber dein Temperament
paßt nicht auf den stillen Schueidcrtisch, und wenn ich mich nicht täusche, sehe ich
da in deinen Augen auch etwas, was nicht nach Glück ausschaut. Du bist ein
feiner Mann, Heinrich, aber zufrieden bist dn nicht.

Ich war nun vor dem Alten auf der Hut und wollte mich durchaus nicht
auf Vertraulichkeiten einlassen, aber indem Schöne bald diese bald jene Erinnerung
aus meinem Leben hervorzog, wobei er mit großem Geschick nur solches erwähnte,
von dem er annehmen konnte, daß es mir erfreulich sein müßte, davon zu reden
und zu hören, brachte er es doch fertig, mich zum Erzählen zu verleiten. Und so
süß und traulich sind nun einmal die vergangnen Zeiten, mich wo manches schlimme
Feuer in ihnen flackert, und ein so warmer, herzlicher Hauch geht von ihnen aus,
daß ich allmählich anstände und ohne daran zu denken, vor wem ich meinen
Kummer ausschüttete, alle meine Hoffnungen, Wünsche und Schmerzen paradieren
ließ. Schöne hörte mit ruhiger Geduld zu, lächelte das eine und das andre mal,
oder schlug sich mißfällig aufs Knie, um so sein Mitgefühl zu bezeugen, und steckte
sich zuletzt seine Pfeife an, mit deren blauen Wolken ich nun auch meine Seifen¬
blasen vor ihm aufstiegen ließ. Als ich geendet hatte, räusperte er sich und setzte
sich in Positur, so wie er es früher immer getan hatte, wenn er die Gelegenheit
zu einer Belehrung ergreifen wollte:

Du willst nun von mir einen Rat oder Trost, nicht wahr? Er soll dir werden,
Freundchen. Wem das Holz weggeschwommen ist, mit dem er sich einen warmen
Winter machen wollte, der soll vor allem nicht wehklagen, sonst lachen ihn die Leute
aus. Was hiu ist, ist hin, aber es steh» noch genug Bäume im Walde. Frisch
auf, Heinrich, nimm die Axt in die Hand und fang von vorne an. Du bist nicht
der erste, der sich von einem Weibe hat narren lassen, und wirst nicht der letzte
sein. Das ist mein Trost, und er soll dich nichts kosten.

Das war nun freilich ein leidiger und sehr gewöhnlicher Trost, aber ich sah
ein, daß sich auf die jämmerliche Sache nichts besseres sagen ließ, und sogar dieser
Trunk ans trüber Quelle hatte etwas Erquickliches. Überhaupt war es schon
etwas wert, daß ich mich einmal mit einem Menschen, der Geduld hatte, mich an¬
zuhören, hatte aussprechen dürfen. Die Geschichte lag jetzt in einem ruhigern Lichte
vor mir.

Schöne stand nun auf und ergriff den Knotenstock, um weiter zu gehn. Dn
ich also sah, daß er wirklich nur um meinetwillen und von einer alten Anhänglich¬
keit getrieben gekommen war, erfaßte mich eine sanfte Rührung, die zur Folge hatte,
daß ich ihm ein kleines Reisegeschenk antrug. Er wehrte zuerst ab, ließ es aber
doch endlich zu, daß ich darum in die Stadt lief, und zeichnete darauf deu Betrag
gewissenhaft und umständlich in sein Taschenbuch ein, sodaß es den Anschein gewann,
als ob ich ihm ein Darlehn gegeben oder eine alte Schuld bezahlt hätte. Nachdem
dieses kleine Geschäft zu unsrer beiderseitigen Zufriedenheit erledigt war, begleitete
ich ihn noch ein Stück durch die Wiesen und wanderte mit ihm nnter dem dunkeln
Himmel hin, an dem nun ein Stern nach dem andern angezündet wurde. Eh ich
minds versah, waren wir schon an dem Dörfchen angelangt, wo Schone zu bleiben
gedachte, und nun ließ er es durchaus nicht zu, daß ich sogleich umkehrte, sondern
forderte mich, indem er unsern Geldhandel ganz vergessen zu haben schien, zu einem
Abschiedstrnnke auf, den er spendieren wolle. Unter einem schönen Birnbaum neben
dem Wirtshaus waren etliche Tische und Bänke angebracht, die zu einer freund-
schaftlichen Sitzung einluden. Hier ließen wir uns also nieder, bestellten etwas zu


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[0263] Awei Seelen mir wollte ich sprechen, sondern von dir. Dn bist also ein Schneider geworden? Es ist zum Lachen. Ich versteh nicht, was darüber zu lachen ist, versetzte ich unmutig. Es ist ein Beruf, so gut wie jeder andre. Freilich, Heinrich. Ein Rock ist auch ein Rock. Aber wenn mau einen Rock, der einem zarten feinen Burschen auf den Leib paßt, einem großen langen Kerl anzieht, dann ists zum Lachen. Und nimm mirs nicht übel, aber dein Temperament paßt nicht auf den stillen Schueidcrtisch, und wenn ich mich nicht täusche, sehe ich da in deinen Augen auch etwas, was nicht nach Glück ausschaut. Du bist ein feiner Mann, Heinrich, aber zufrieden bist dn nicht. Ich war nun vor dem Alten auf der Hut und wollte mich durchaus nicht auf Vertraulichkeiten einlassen, aber indem Schöne bald diese bald jene Erinnerung aus meinem Leben hervorzog, wobei er mit großem Geschick nur solches erwähnte, von dem er annehmen konnte, daß es mir erfreulich sein müßte, davon zu reden und zu hören, brachte er es doch fertig, mich zum Erzählen zu verleiten. Und so süß und traulich sind nun einmal die vergangnen Zeiten, mich wo manches schlimme Feuer in ihnen flackert, und ein so warmer, herzlicher Hauch geht von ihnen aus, daß ich allmählich anstände und ohne daran zu denken, vor wem ich meinen Kummer ausschüttete, alle meine Hoffnungen, Wünsche und Schmerzen paradieren ließ. Schöne hörte mit ruhiger Geduld zu, lächelte das eine und das andre mal, oder schlug sich mißfällig aufs Knie, um so sein Mitgefühl zu bezeugen, und steckte sich zuletzt seine Pfeife an, mit deren blauen Wolken ich nun auch meine Seifen¬ blasen vor ihm aufstiegen ließ. Als ich geendet hatte, räusperte er sich und setzte sich in Positur, so wie er es früher immer getan hatte, wenn er die Gelegenheit zu einer Belehrung ergreifen wollte: Du willst nun von mir einen Rat oder Trost, nicht wahr? Er soll dir werden, Freundchen. Wem das Holz weggeschwommen ist, mit dem er sich einen warmen Winter machen wollte, der soll vor allem nicht wehklagen, sonst lachen ihn die Leute aus. Was hiu ist, ist hin, aber es steh» noch genug Bäume im Walde. Frisch auf, Heinrich, nimm die Axt in die Hand und fang von vorne an. Du bist nicht der erste, der sich von einem Weibe hat narren lassen, und wirst nicht der letzte sein. Das ist mein Trost, und er soll dich nichts kosten. Das war nun freilich ein leidiger und sehr gewöhnlicher Trost, aber ich sah ein, daß sich auf die jämmerliche Sache nichts besseres sagen ließ, und sogar dieser Trunk ans trüber Quelle hatte etwas Erquickliches. Überhaupt war es schon etwas wert, daß ich mich einmal mit einem Menschen, der Geduld hatte, mich an¬ zuhören, hatte aussprechen dürfen. Die Geschichte lag jetzt in einem ruhigern Lichte vor mir. Schöne stand nun auf und ergriff den Knotenstock, um weiter zu gehn. Dn ich also sah, daß er wirklich nur um meinetwillen und von einer alten Anhänglich¬ keit getrieben gekommen war, erfaßte mich eine sanfte Rührung, die zur Folge hatte, daß ich ihm ein kleines Reisegeschenk antrug. Er wehrte zuerst ab, ließ es aber doch endlich zu, daß ich darum in die Stadt lief, und zeichnete darauf deu Betrag gewissenhaft und umständlich in sein Taschenbuch ein, sodaß es den Anschein gewann, als ob ich ihm ein Darlehn gegeben oder eine alte Schuld bezahlt hätte. Nachdem dieses kleine Geschäft zu unsrer beiderseitigen Zufriedenheit erledigt war, begleitete ich ihn noch ein Stück durch die Wiesen und wanderte mit ihm nnter dem dunkeln Himmel hin, an dem nun ein Stern nach dem andern angezündet wurde. Eh ich minds versah, waren wir schon an dem Dörfchen angelangt, wo Schone zu bleiben gedachte, und nun ließ er es durchaus nicht zu, daß ich sogleich umkehrte, sondern forderte mich, indem er unsern Geldhandel ganz vergessen zu haben schien, zu einem Abschiedstrnnke auf, den er spendieren wolle. Unter einem schönen Birnbaum neben dem Wirtshaus waren etliche Tische und Bänke angebracht, die zu einer freund- schaftlichen Sitzung einluden. Hier ließen wir uns also nieder, bestellten etwas zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/263>, abgerufen am 24.08.2024.