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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Zwei Seelen

und natürliche Schritte tun, sondern nuißte laufe", wie das Annchen blies. Und
so war ich eine längere Zeit damit beschäftigt, einem mir völlig gleichgiltigen
Menschen Strahlen ums Haupt zu flechten, in der Hoffnung, daß die schöne und in
ihrer Art seltne, ja vielleicht einzige Freundschaft zwischen Pferd und Esel auch das Bild
des Esels verklären würde. Wäre ich nicht allzu tief in meine Eitelkeit nud in
meine Spekulation versenkt gewesen, so hätte ich es erkennen müssen, das; das schöne
Annchen eigentlich immer über mich hinwegsah, nach jener Sonne, in deren Glanz
ich mich bewegte, und von der ich mich anstrahlen ließ. Ein einzigesmal ging diese
Sonne auch wirklich über unserm Kreise ans, in einer so stechenden Weise aber, das;
das arme Ärmchen von diesem Hochmut verlegen wurde, und während sie sonst das
Wort führte, plötzlich verstummte. Erst als er wieder gegangen war, fand sie sich
wieder zurecht nud machte mir Vorwürfe, ich hätte von dem Freunde viel zu gut
gesprochen. Er sei noch der unangenehme und eingebildete Mensch, als der er unter
allen Menschen verschrieen wäre. So erntete also meine Tugend ihren Lohn, und
mein Stern stieg groß und hell ans, während die Sonne, nachdem sie nun genug
über uus geschienen hatte, vorläufig untergehn mußte.

Es geschah dies an einem Sonnabend, voll Blumenduft und Gewitterschwüle.
Der Mond schaute aus schweren Wolken zu uns herab, und in der Ferne wetter¬
leuchtete es. Nun waren wir zwar beide, wie ich es jetzt weiß, berechnende
Menschen, aber wir hatten immerhin Fleisch und Blut, und in Änucheus Adern
trieben sich sogar einige Tropfen mütterlichen Bluts umher, das vou sehr stür¬
mischer Art gewesen sein soll, wie denn überhaupt diese paar Tropfen ererbten
Bluts das sonst so kluge und überlegende Mädchen in diese Verirrung gebracht
haben mögen, in der sie die Erde mit dem Himmel und deu Himmel mit der
Erde verwechselte. So kam es auf die einfachste Art und auf eine mir selber
unerklärliche Weise, daß, ohne daß etwas dabei gesprochen wurde, wir uns plötzlich
in den Armen lagen und uns leidenschaftlich küßten. Nach einigen Augenblicken
wachten wir dann freilich aus unserm Rausche ans und betrachteten uns mit großen
und erstaunten Augen, und Ärmchen rief halb lachend, halb weinerlich: Mein Lebtag
hätte ich nicht geglaubt, daß ich einmal an einen Schneider geraten würde! Ich
fühlte mich verletzt und sah sie traurig an, worauf sie mich noch einmal kräftig an
sich drückte und sagte: Schneiderlein, Schneidcrlein, das wird einen schweren Kampf
geben. Bist du nicht von der tapfern Art, die sieben ans einen Schlag nimmt,
dann ists aus und verspielt.

Ich werde meinen Mann stellen, versetzte ich ruhig, wenn du nur treu und
fest bleibst.

So schwärmten wir miteinander, und obwohl die wahre Liebe auf keiner Seite
brannte und das glühende Gesicht Annas weniger von einer innern Glückseligkeit
als von einer Berauschung ihrer Sinne herrührte, so schienen doch anch uns die
Blumen nunmehr einen doppelten Duft auszuströmen, die Sterne doppelt herrlich
zu glänzen, und überhaupt das ganze Leben von einem schönen Sonnenrot nngeglüht
zu sein. Da jedoch dem Sprichwort entgegen much dem Glücklichen die Stunde
schlägt, so mußte" wir uns endlich entschließen, aus dem Lande der Seligen wieder
in das wirkliche Leben herniederznsteigeu, und also während wir auf verborgnen
Wegen zur Mühle zurückgingen, allerlei nüchterne Dinge besprechen, vor allem aber
zusammen überlegen, was geschehn müsse, unsern romantischen Liebeshandel zu einem
guten Ende zu führen. Bei diesen Reden, die uns plötzlich in eine andre, weniger
behagliche Welt versetzten, wurde Ärmchen merklich still und verlegen und verstummte
endlich ganz. Ja sie antwortete ans mehrere meiner Fragen heftig und in aus-
fahrcuder Weise, worauf ihr dünn freilich Tränen in die Augen kamen, und sie
mir wieder an den Hals fiel und sagte: Verzeih mir, ich weiß ja gar nicht, was
ich rede. Ich weiß ja gar nicht, wo ich bin.

In einem Gehölz neben der Mühle, worin es so dunkel war, daß wir kaum
noch die Gesichter erkennen konnten und nur noch unsre Augen in irgend einem


Zwei Seelen

und natürliche Schritte tun, sondern nuißte laufe», wie das Annchen blies. Und
so war ich eine längere Zeit damit beschäftigt, einem mir völlig gleichgiltigen
Menschen Strahlen ums Haupt zu flechten, in der Hoffnung, daß die schöne und in
ihrer Art seltne, ja vielleicht einzige Freundschaft zwischen Pferd und Esel auch das Bild
des Esels verklären würde. Wäre ich nicht allzu tief in meine Eitelkeit nud in
meine Spekulation versenkt gewesen, so hätte ich es erkennen müssen, das; das schöne
Annchen eigentlich immer über mich hinwegsah, nach jener Sonne, in deren Glanz
ich mich bewegte, und von der ich mich anstrahlen ließ. Ein einzigesmal ging diese
Sonne auch wirklich über unserm Kreise ans, in einer so stechenden Weise aber, das;
das arme Ärmchen von diesem Hochmut verlegen wurde, und während sie sonst das
Wort führte, plötzlich verstummte. Erst als er wieder gegangen war, fand sie sich
wieder zurecht nud machte mir Vorwürfe, ich hätte von dem Freunde viel zu gut
gesprochen. Er sei noch der unangenehme und eingebildete Mensch, als der er unter
allen Menschen verschrieen wäre. So erntete also meine Tugend ihren Lohn, und
mein Stern stieg groß und hell ans, während die Sonne, nachdem sie nun genug
über uus geschienen hatte, vorläufig untergehn mußte.

Es geschah dies an einem Sonnabend, voll Blumenduft und Gewitterschwüle.
Der Mond schaute aus schweren Wolken zu uns herab, und in der Ferne wetter¬
leuchtete es. Nun waren wir zwar beide, wie ich es jetzt weiß, berechnende
Menschen, aber wir hatten immerhin Fleisch und Blut, und in Änucheus Adern
trieben sich sogar einige Tropfen mütterlichen Bluts umher, das vou sehr stür¬
mischer Art gewesen sein soll, wie denn überhaupt diese paar Tropfen ererbten
Bluts das sonst so kluge und überlegende Mädchen in diese Verirrung gebracht
haben mögen, in der sie die Erde mit dem Himmel und deu Himmel mit der
Erde verwechselte. So kam es auf die einfachste Art und auf eine mir selber
unerklärliche Weise, daß, ohne daß etwas dabei gesprochen wurde, wir uns plötzlich
in den Armen lagen und uns leidenschaftlich küßten. Nach einigen Augenblicken
wachten wir dann freilich aus unserm Rausche ans und betrachteten uns mit großen
und erstaunten Augen, und Ärmchen rief halb lachend, halb weinerlich: Mein Lebtag
hätte ich nicht geglaubt, daß ich einmal an einen Schneider geraten würde! Ich
fühlte mich verletzt und sah sie traurig an, worauf sie mich noch einmal kräftig an
sich drückte und sagte: Schneiderlein, Schneidcrlein, das wird einen schweren Kampf
geben. Bist du nicht von der tapfern Art, die sieben ans einen Schlag nimmt,
dann ists aus und verspielt.

Ich werde meinen Mann stellen, versetzte ich ruhig, wenn du nur treu und
fest bleibst.

So schwärmten wir miteinander, und obwohl die wahre Liebe auf keiner Seite
brannte und das glühende Gesicht Annas weniger von einer innern Glückseligkeit
als von einer Berauschung ihrer Sinne herrührte, so schienen doch anch uns die
Blumen nunmehr einen doppelten Duft auszuströmen, die Sterne doppelt herrlich
zu glänzen, und überhaupt das ganze Leben von einem schönen Sonnenrot nngeglüht
zu sein. Da jedoch dem Sprichwort entgegen much dem Glücklichen die Stunde
schlägt, so mußte» wir uns endlich entschließen, aus dem Lande der Seligen wieder
in das wirkliche Leben herniederznsteigeu, und also während wir auf verborgnen
Wegen zur Mühle zurückgingen, allerlei nüchterne Dinge besprechen, vor allem aber
zusammen überlegen, was geschehn müsse, unsern romantischen Liebeshandel zu einem
guten Ende zu führen. Bei diesen Reden, die uns plötzlich in eine andre, weniger
behagliche Welt versetzten, wurde Ärmchen merklich still und verlegen und verstummte
endlich ganz. Ja sie antwortete ans mehrere meiner Fragen heftig und in aus-
fahrcuder Weise, worauf ihr dünn freilich Tränen in die Augen kamen, und sie
mir wieder an den Hals fiel und sagte: Verzeih mir, ich weiß ja gar nicht, was
ich rede. Ich weiß ja gar nicht, wo ich bin.

In einem Gehölz neben der Mühle, worin es so dunkel war, daß wir kaum
noch die Gesichter erkennen konnten und nur noch unsre Augen in irgend einem


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[0200] Zwei Seelen und natürliche Schritte tun, sondern nuißte laufe», wie das Annchen blies. Und so war ich eine längere Zeit damit beschäftigt, einem mir völlig gleichgiltigen Menschen Strahlen ums Haupt zu flechten, in der Hoffnung, daß die schöne und in ihrer Art seltne, ja vielleicht einzige Freundschaft zwischen Pferd und Esel auch das Bild des Esels verklären würde. Wäre ich nicht allzu tief in meine Eitelkeit nud in meine Spekulation versenkt gewesen, so hätte ich es erkennen müssen, das; das schöne Annchen eigentlich immer über mich hinwegsah, nach jener Sonne, in deren Glanz ich mich bewegte, und von der ich mich anstrahlen ließ. Ein einzigesmal ging diese Sonne auch wirklich über unserm Kreise ans, in einer so stechenden Weise aber, das; das arme Ärmchen von diesem Hochmut verlegen wurde, und während sie sonst das Wort führte, plötzlich verstummte. Erst als er wieder gegangen war, fand sie sich wieder zurecht nud machte mir Vorwürfe, ich hätte von dem Freunde viel zu gut gesprochen. Er sei noch der unangenehme und eingebildete Mensch, als der er unter allen Menschen verschrieen wäre. So erntete also meine Tugend ihren Lohn, und mein Stern stieg groß und hell ans, während die Sonne, nachdem sie nun genug über uus geschienen hatte, vorläufig untergehn mußte. Es geschah dies an einem Sonnabend, voll Blumenduft und Gewitterschwüle. Der Mond schaute aus schweren Wolken zu uns herab, und in der Ferne wetter¬ leuchtete es. Nun waren wir zwar beide, wie ich es jetzt weiß, berechnende Menschen, aber wir hatten immerhin Fleisch und Blut, und in Änucheus Adern trieben sich sogar einige Tropfen mütterlichen Bluts umher, das vou sehr stür¬ mischer Art gewesen sein soll, wie denn überhaupt diese paar Tropfen ererbten Bluts das sonst so kluge und überlegende Mädchen in diese Verirrung gebracht haben mögen, in der sie die Erde mit dem Himmel und deu Himmel mit der Erde verwechselte. So kam es auf die einfachste Art und auf eine mir selber unerklärliche Weise, daß, ohne daß etwas dabei gesprochen wurde, wir uns plötzlich in den Armen lagen und uns leidenschaftlich küßten. Nach einigen Augenblicken wachten wir dann freilich aus unserm Rausche ans und betrachteten uns mit großen und erstaunten Augen, und Ärmchen rief halb lachend, halb weinerlich: Mein Lebtag hätte ich nicht geglaubt, daß ich einmal an einen Schneider geraten würde! Ich fühlte mich verletzt und sah sie traurig an, worauf sie mich noch einmal kräftig an sich drückte und sagte: Schneiderlein, Schneidcrlein, das wird einen schweren Kampf geben. Bist du nicht von der tapfern Art, die sieben ans einen Schlag nimmt, dann ists aus und verspielt. Ich werde meinen Mann stellen, versetzte ich ruhig, wenn du nur treu und fest bleibst. So schwärmten wir miteinander, und obwohl die wahre Liebe auf keiner Seite brannte und das glühende Gesicht Annas weniger von einer innern Glückseligkeit als von einer Berauschung ihrer Sinne herrührte, so schienen doch anch uns die Blumen nunmehr einen doppelten Duft auszuströmen, die Sterne doppelt herrlich zu glänzen, und überhaupt das ganze Leben von einem schönen Sonnenrot nngeglüht zu sein. Da jedoch dem Sprichwort entgegen much dem Glücklichen die Stunde schlägt, so mußte» wir uns endlich entschließen, aus dem Lande der Seligen wieder in das wirkliche Leben herniederznsteigeu, und also während wir auf verborgnen Wegen zur Mühle zurückgingen, allerlei nüchterne Dinge besprechen, vor allem aber zusammen überlegen, was geschehn müsse, unsern romantischen Liebeshandel zu einem guten Ende zu führen. Bei diesen Reden, die uns plötzlich in eine andre, weniger behagliche Welt versetzten, wurde Ärmchen merklich still und verlegen und verstummte endlich ganz. Ja sie antwortete ans mehrere meiner Fragen heftig und in aus- fahrcuder Weise, worauf ihr dünn freilich Tränen in die Augen kamen, und sie mir wieder an den Hals fiel und sagte: Verzeih mir, ich weiß ja gar nicht, was ich rede. Ich weiß ja gar nicht, wo ich bin. In einem Gehölz neben der Mühle, worin es so dunkel war, daß wir kaum noch die Gesichter erkennen konnten und nur noch unsre Augen in irgend einem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/200>, abgerufen am 01.07.2024.