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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Skizzen aus unser", heutigen Volksleben

gehalten und bestraft worden, weil mein Hund keinen Maulkorb trug. Und wie ich
nun hinging und ihm einen Maulkorb kaufte, bin ich wieder zur Rede gestellt
worden, und es fehlte nicht viel, daß ich wegen Tierquälerei wiederum bestraft
worden wäre. Was sagen Sie dazu?

Das ist allerdings merkwürdig, sagte ich. Haben Sie sich nicht darüber
beschwert?

Ich habe mich beschwert, mein Herr. Man sagte mir, beide Bestimmungen
seien in Giltigkeit. Die eine vom Jahre 1885 sei von der Landespolizei, und die
andre vom Jahre 1897 sei von der Sanitätspolizei erlassen worden. Ich könnte ja
aber meinen Hund an der Leine führen.

Ich gebe zu, sagte ich, daß der Stacheldraht, der den Pfad des Kulturträgers
eingrenzt, etwas eng gezogen ist; und doch spürt man die Beengung nicht. Man
tut, was man für recht hält, man cake nicht an, und damit ist die Schranke über¬
haupt nicht vorhanden.

Sehr gut, mein Herr, antwortete Herr Müller, ich habe nur leider gefunden,
wenn ich etwas für recht hielt, baun war es allemal falsch. Liegt das daran, daß
man in der Türkei durch eine zu große Freiheit verwöhnt ist? Hier ist meine Tochter
Amalie. Sie spielt ausgezeichnet Klavier --

O Papa, sagte die Tochter Amalie.

-- im Sommer legt man sich nicht um acht Uhr zu Bett, auch schließt man
nicht die Fenster. Ich liebe es sehr, daß mir meine Tochter Amalie des Abends
vorspielt. Hierüber beschwert sich der Nachbar, und die Musik, wirklich aus¬
gezeichnete Musik, wird mir als ruhestörender Lärm verboten. Aber früh morgens
um sechs Uhr, während ich noch schlafen möchte, machen der Milchmann und der
Grünzeughändler mit ihrer Klingel einen polizeiwidrigen Spektakel. Jetzt beschwerte
ich mich. Man wies mich ub. Abends zehn Uhr sei Nacht, und morgens sechs
Uhr sei Tag. Aber, sagte ich, der gebildete Mensch lege sich doch nicht um acht
Uhr hin und stehe auch nicht um sechs Uhr auf. Das sei gleichgiltig. Gut. Ich
lasse also am Tage vor dem Fenster meines Herrn Nachbars ein paar Stunden
lang Teppiche ausklopfen. Er beschwert sich, und man sagt mir, ich solle das Klopfen
unterlassen. -- Es sei ja Tag, antworte ich. -- Aber daß man drei Stunden
lang Teppiche klopfe, hieß es, sei nicht nötig. -- Ich sagte: Was in meinem Hause
nötig sei oder nicht, das zu beurteilen sei doch meine Sache. Und ob es denn
nötig sei, daß bei dem mir gegenüber wohnenden Eisenhändler jede Eiscnstange mit
Gedröhn auf das Pflaster geworfen werde. -- Dies sei, entgegnete man mir, ein
ordentliches, das heißt ein mit der gewöhnlichen Ausübung einer Tätigkeit oder
eines Geschäfts regelmüßig verbundnes Geräusch. Ein solches Geräusch sei gesetzlich
gestattet. Aber, sagte ich, ich fände, daß es kein ordentliches, sondern ein außer¬
ordentliches Geräusch sei, wenn Eisen aufs Pflaster geworfen würde. Der Polizei¬
richter wurde grob, nannte mich einen Querulanten und wies mich ab. Aber ich
hatte doch Recht, und wie soll man eine solche richterliche Tätigkeit anders nennen
als Willkür? Müssen Sie mir nicht zustimmen?

Nicht ganz, Herr Müller, sagte ich. Es gibt ordentlichen, das heißt gesetzlich
zulässigen und außerordentlichen, das heißt gesetzlich unzulässigen Lärm, es gibt einen
gesetzlichen Tag und eine gesetzliche Nacht.

Wie? Sie haben ein Gesetz, das sagt: Jetzt soll es Tag sein oder Nacht! Ich
sollte meinen, darüber entscheidet die Sonne.

Gewiß haben wir ein solches Gesetz, sagte ich. Es darf doch nicht in dem
Belieben des Einzelnen stehn, zu sagen: Jetzt bin ich wach, also ist es Tag, jetzt
lege ich mich hin, also ist Nacht. Tag und Nacht müssen gesetzlich feststehn.

Ah, nun verstehe ich, sagte Herr Müller mit großem Erstannen. Hören Sie
zu. Ich kam mit meinem Motorzweirad von einem Ausflüge abends zurück. Es
war so hell, daß man jeden Baum auf die Entfernung eines Kilometers erkennen


Skizzen aus unser», heutigen Volksleben

gehalten und bestraft worden, weil mein Hund keinen Maulkorb trug. Und wie ich
nun hinging und ihm einen Maulkorb kaufte, bin ich wieder zur Rede gestellt
worden, und es fehlte nicht viel, daß ich wegen Tierquälerei wiederum bestraft
worden wäre. Was sagen Sie dazu?

Das ist allerdings merkwürdig, sagte ich. Haben Sie sich nicht darüber
beschwert?

Ich habe mich beschwert, mein Herr. Man sagte mir, beide Bestimmungen
seien in Giltigkeit. Die eine vom Jahre 1885 sei von der Landespolizei, und die
andre vom Jahre 1897 sei von der Sanitätspolizei erlassen worden. Ich könnte ja
aber meinen Hund an der Leine führen.

Ich gebe zu, sagte ich, daß der Stacheldraht, der den Pfad des Kulturträgers
eingrenzt, etwas eng gezogen ist; und doch spürt man die Beengung nicht. Man
tut, was man für recht hält, man cake nicht an, und damit ist die Schranke über¬
haupt nicht vorhanden.

Sehr gut, mein Herr, antwortete Herr Müller, ich habe nur leider gefunden,
wenn ich etwas für recht hielt, baun war es allemal falsch. Liegt das daran, daß
man in der Türkei durch eine zu große Freiheit verwöhnt ist? Hier ist meine Tochter
Amalie. Sie spielt ausgezeichnet Klavier —

O Papa, sagte die Tochter Amalie.

— im Sommer legt man sich nicht um acht Uhr zu Bett, auch schließt man
nicht die Fenster. Ich liebe es sehr, daß mir meine Tochter Amalie des Abends
vorspielt. Hierüber beschwert sich der Nachbar, und die Musik, wirklich aus¬
gezeichnete Musik, wird mir als ruhestörender Lärm verboten. Aber früh morgens
um sechs Uhr, während ich noch schlafen möchte, machen der Milchmann und der
Grünzeughändler mit ihrer Klingel einen polizeiwidrigen Spektakel. Jetzt beschwerte
ich mich. Man wies mich ub. Abends zehn Uhr sei Nacht, und morgens sechs
Uhr sei Tag. Aber, sagte ich, der gebildete Mensch lege sich doch nicht um acht
Uhr hin und stehe auch nicht um sechs Uhr auf. Das sei gleichgiltig. Gut. Ich
lasse also am Tage vor dem Fenster meines Herrn Nachbars ein paar Stunden
lang Teppiche ausklopfen. Er beschwert sich, und man sagt mir, ich solle das Klopfen
unterlassen. — Es sei ja Tag, antworte ich. — Aber daß man drei Stunden
lang Teppiche klopfe, hieß es, sei nicht nötig. — Ich sagte: Was in meinem Hause
nötig sei oder nicht, das zu beurteilen sei doch meine Sache. Und ob es denn
nötig sei, daß bei dem mir gegenüber wohnenden Eisenhändler jede Eiscnstange mit
Gedröhn auf das Pflaster geworfen werde. — Dies sei, entgegnete man mir, ein
ordentliches, das heißt ein mit der gewöhnlichen Ausübung einer Tätigkeit oder
eines Geschäfts regelmüßig verbundnes Geräusch. Ein solches Geräusch sei gesetzlich
gestattet. Aber, sagte ich, ich fände, daß es kein ordentliches, sondern ein außer¬
ordentliches Geräusch sei, wenn Eisen aufs Pflaster geworfen würde. Der Polizei¬
richter wurde grob, nannte mich einen Querulanten und wies mich ab. Aber ich
hatte doch Recht, und wie soll man eine solche richterliche Tätigkeit anders nennen
als Willkür? Müssen Sie mir nicht zustimmen?

Nicht ganz, Herr Müller, sagte ich. Es gibt ordentlichen, das heißt gesetzlich
zulässigen und außerordentlichen, das heißt gesetzlich unzulässigen Lärm, es gibt einen
gesetzlichen Tag und eine gesetzliche Nacht.

Wie? Sie haben ein Gesetz, das sagt: Jetzt soll es Tag sein oder Nacht! Ich
sollte meinen, darüber entscheidet die Sonne.

Gewiß haben wir ein solches Gesetz, sagte ich. Es darf doch nicht in dem
Belieben des Einzelnen stehn, zu sagen: Jetzt bin ich wach, also ist es Tag, jetzt
lege ich mich hin, also ist Nacht. Tag und Nacht müssen gesetzlich feststehn.

Ah, nun verstehe ich, sagte Herr Müller mit großem Erstannen. Hören Sie
zu. Ich kam mit meinem Motorzweirad von einem Ausflüge abends zurück. Es
war so hell, daß man jeden Baum auf die Entfernung eines Kilometers erkennen


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[0190] Skizzen aus unser», heutigen Volksleben gehalten und bestraft worden, weil mein Hund keinen Maulkorb trug. Und wie ich nun hinging und ihm einen Maulkorb kaufte, bin ich wieder zur Rede gestellt worden, und es fehlte nicht viel, daß ich wegen Tierquälerei wiederum bestraft worden wäre. Was sagen Sie dazu? Das ist allerdings merkwürdig, sagte ich. Haben Sie sich nicht darüber beschwert? Ich habe mich beschwert, mein Herr. Man sagte mir, beide Bestimmungen seien in Giltigkeit. Die eine vom Jahre 1885 sei von der Landespolizei, und die andre vom Jahre 1897 sei von der Sanitätspolizei erlassen worden. Ich könnte ja aber meinen Hund an der Leine führen. Ich gebe zu, sagte ich, daß der Stacheldraht, der den Pfad des Kulturträgers eingrenzt, etwas eng gezogen ist; und doch spürt man die Beengung nicht. Man tut, was man für recht hält, man cake nicht an, und damit ist die Schranke über¬ haupt nicht vorhanden. Sehr gut, mein Herr, antwortete Herr Müller, ich habe nur leider gefunden, wenn ich etwas für recht hielt, baun war es allemal falsch. Liegt das daran, daß man in der Türkei durch eine zu große Freiheit verwöhnt ist? Hier ist meine Tochter Amalie. Sie spielt ausgezeichnet Klavier — O Papa, sagte die Tochter Amalie. — im Sommer legt man sich nicht um acht Uhr zu Bett, auch schließt man nicht die Fenster. Ich liebe es sehr, daß mir meine Tochter Amalie des Abends vorspielt. Hierüber beschwert sich der Nachbar, und die Musik, wirklich aus¬ gezeichnete Musik, wird mir als ruhestörender Lärm verboten. Aber früh morgens um sechs Uhr, während ich noch schlafen möchte, machen der Milchmann und der Grünzeughändler mit ihrer Klingel einen polizeiwidrigen Spektakel. Jetzt beschwerte ich mich. Man wies mich ub. Abends zehn Uhr sei Nacht, und morgens sechs Uhr sei Tag. Aber, sagte ich, der gebildete Mensch lege sich doch nicht um acht Uhr hin und stehe auch nicht um sechs Uhr auf. Das sei gleichgiltig. Gut. Ich lasse also am Tage vor dem Fenster meines Herrn Nachbars ein paar Stunden lang Teppiche ausklopfen. Er beschwert sich, und man sagt mir, ich solle das Klopfen unterlassen. — Es sei ja Tag, antworte ich. — Aber daß man drei Stunden lang Teppiche klopfe, hieß es, sei nicht nötig. — Ich sagte: Was in meinem Hause nötig sei oder nicht, das zu beurteilen sei doch meine Sache. Und ob es denn nötig sei, daß bei dem mir gegenüber wohnenden Eisenhändler jede Eiscnstange mit Gedröhn auf das Pflaster geworfen werde. — Dies sei, entgegnete man mir, ein ordentliches, das heißt ein mit der gewöhnlichen Ausübung einer Tätigkeit oder eines Geschäfts regelmüßig verbundnes Geräusch. Ein solches Geräusch sei gesetzlich gestattet. Aber, sagte ich, ich fände, daß es kein ordentliches, sondern ein außer¬ ordentliches Geräusch sei, wenn Eisen aufs Pflaster geworfen würde. Der Polizei¬ richter wurde grob, nannte mich einen Querulanten und wies mich ab. Aber ich hatte doch Recht, und wie soll man eine solche richterliche Tätigkeit anders nennen als Willkür? Müssen Sie mir nicht zustimmen? Nicht ganz, Herr Müller, sagte ich. Es gibt ordentlichen, das heißt gesetzlich zulässigen und außerordentlichen, das heißt gesetzlich unzulässigen Lärm, es gibt einen gesetzlichen Tag und eine gesetzliche Nacht. Wie? Sie haben ein Gesetz, das sagt: Jetzt soll es Tag sein oder Nacht! Ich sollte meinen, darüber entscheidet die Sonne. Gewiß haben wir ein solches Gesetz, sagte ich. Es darf doch nicht in dem Belieben des Einzelnen stehn, zu sagen: Jetzt bin ich wach, also ist es Tag, jetzt lege ich mich hin, also ist Nacht. Tag und Nacht müssen gesetzlich feststehn. Ah, nun verstehe ich, sagte Herr Müller mit großem Erstannen. Hören Sie zu. Ich kam mit meinem Motorzweirad von einem Ausflüge abends zurück. Es war so hell, daß man jeden Baum auf die Entfernung eines Kilometers erkennen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/190>, abgerufen am 24.08.2024.