Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Vertrag über den Panamakanal

Märchen aus, eine deutsche Privatgesellschaft wolle das Werk für eigne
Rechnung ausführen. Man denke: das, was die französische Kanalgesellschaft
in Verzweiflung von sich stößt, weil keine Aussicht auf Beschaffung der Gelder
da ist, weil außer der große" nordamerikanischen Republik kein Käufer aufzu¬
treiben war, das soll deutsches Privatkapital für 700 Millionen Mark in die
Hand nehmen! Und darum Intriguen mit aller Aussicht auf politische Ver¬
wicklungen! Wenn sich Columbia gegen die mächtige Union eine Rechts¬
verletzung zuschulden kommen läßt, so wird diese die kleinen Gernegroße rasch
wieder zur Ordnung bringen. Wie schwer das Deutschland gemacht würde,
haben wir im Venezuelafalle gesehen. Die Unterstellung ist zu dumm, als
daß man ernstlich darauf einzugehn brauchte.

Daß die amerikanischen Pazifikbahuen, die ja von dem Zustandekommen
des Kanals Nachteile befürchten und ihn offen bekämpfen, auf den eolumbischeu
Settat eine Einwirkung ausgeübt haben, ist möglich aber nicht erwiesen. Am
nächsten liegt es anzunehmen, daß die für die Verhältnisse zentralamerikanischer
Politiker ungeheure Summe von vierzig Millionen Dollars den entscheidenden
Persönlichkeiten den Kopf verdreht hat. In diesen Republiken haben die
öffentlichen Gelder viele Kanäle, in die Taschen der Machthaber zu bringen.
Die Jagd nach dem Prüsidentenposten ist oft nichts als ein abenteuerliches,
waghalsiges Unternehmen, mit einem Schlage reich zu werden und das Land
aussaugen zu können, bis das rollende Glücksrad den Aufruhr eines andern
macht- und goldhungrigen Abenteurers begünstigt. Der Unterliegende muß
dann seine Beute im Ausland in Sicherheit gebracht haben. Man kann sich
denken, welchen Eindruck unter solchen Umständen vierzig Millionen Dollars
bar Geld gemacht haben. Danach hätte mau vermuten sollen, daß die Macht¬
haber Columbiens Zugriffen und nicht durch die Hoffnung auf fünfzig die
vierzig Millionen aufs Spiel setzten. Sie haben es aber nicht getan. Auch
die Möglichkeit, daß sich die Provinz Jstmo, durch deren Gebiet der Kanal
geht, unabhängig mache, scheint den Senat nicht geschreckt zu haben, obgleich
gerade dort Aufstandsversuche sehr wohlbekannt sind. Es ist nicht bekannt,
wie sich Jstmo zu der Sache gestellt hat. Angeblich ist der columbische Senat
in der Ablehnung einstimmig gewesen. Dabei hätte sich doch Jstmo sagen
müssen, daß ihm das Zustandekommen des Kanals viel wichtiger sei als die
Erhöhung der Entschädigung, von der es doch nur etwa den Vierzehnten Teil
bekommen hätte. Plant die Provinz den Abfall, um dann die Entschädigung
allein zu erhalten? Aufrührerische Bewegungen wurden angekündigt, sind
aber bis jetzt ausgeblieben.

Genug, der Vertrag ist abgelehnt, der Termin ist abgelaufen, und die
columbische Regierung hat sich wegen neuer Verhandlungen nach Washington
gewandt. Sie rechnet darauf, daß der Wunsch der Union, einen solchen Kanal
zu besitzen, sehr groß ist und sich auf unabweisbare Bedürfnisse stützt. Der
Krieg mit Spanien, einer untergeordneten Macht, hat die Nachteile der weiten
Entfernung der pazifischen Gewässer von den atlantischen allgemein enthüllt.
Eine tätigere Macht würde der aus den: Pacific kommenden Panzerdivision


Der Vertrag über den Panamakanal

Märchen aus, eine deutsche Privatgesellschaft wolle das Werk für eigne
Rechnung ausführen. Man denke: das, was die französische Kanalgesellschaft
in Verzweiflung von sich stößt, weil keine Aussicht auf Beschaffung der Gelder
da ist, weil außer der große« nordamerikanischen Republik kein Käufer aufzu¬
treiben war, das soll deutsches Privatkapital für 700 Millionen Mark in die
Hand nehmen! Und darum Intriguen mit aller Aussicht auf politische Ver¬
wicklungen! Wenn sich Columbia gegen die mächtige Union eine Rechts¬
verletzung zuschulden kommen läßt, so wird diese die kleinen Gernegroße rasch
wieder zur Ordnung bringen. Wie schwer das Deutschland gemacht würde,
haben wir im Venezuelafalle gesehen. Die Unterstellung ist zu dumm, als
daß man ernstlich darauf einzugehn brauchte.

Daß die amerikanischen Pazifikbahuen, die ja von dem Zustandekommen
des Kanals Nachteile befürchten und ihn offen bekämpfen, auf den eolumbischeu
Settat eine Einwirkung ausgeübt haben, ist möglich aber nicht erwiesen. Am
nächsten liegt es anzunehmen, daß die für die Verhältnisse zentralamerikanischer
Politiker ungeheure Summe von vierzig Millionen Dollars den entscheidenden
Persönlichkeiten den Kopf verdreht hat. In diesen Republiken haben die
öffentlichen Gelder viele Kanäle, in die Taschen der Machthaber zu bringen.
Die Jagd nach dem Prüsidentenposten ist oft nichts als ein abenteuerliches,
waghalsiges Unternehmen, mit einem Schlage reich zu werden und das Land
aussaugen zu können, bis das rollende Glücksrad den Aufruhr eines andern
macht- und goldhungrigen Abenteurers begünstigt. Der Unterliegende muß
dann seine Beute im Ausland in Sicherheit gebracht haben. Man kann sich
denken, welchen Eindruck unter solchen Umständen vierzig Millionen Dollars
bar Geld gemacht haben. Danach hätte mau vermuten sollen, daß die Macht¬
haber Columbiens Zugriffen und nicht durch die Hoffnung auf fünfzig die
vierzig Millionen aufs Spiel setzten. Sie haben es aber nicht getan. Auch
die Möglichkeit, daß sich die Provinz Jstmo, durch deren Gebiet der Kanal
geht, unabhängig mache, scheint den Senat nicht geschreckt zu haben, obgleich
gerade dort Aufstandsversuche sehr wohlbekannt sind. Es ist nicht bekannt,
wie sich Jstmo zu der Sache gestellt hat. Angeblich ist der columbische Senat
in der Ablehnung einstimmig gewesen. Dabei hätte sich doch Jstmo sagen
müssen, daß ihm das Zustandekommen des Kanals viel wichtiger sei als die
Erhöhung der Entschädigung, von der es doch nur etwa den Vierzehnten Teil
bekommen hätte. Plant die Provinz den Abfall, um dann die Entschädigung
allein zu erhalten? Aufrührerische Bewegungen wurden angekündigt, sind
aber bis jetzt ausgeblieben.

Genug, der Vertrag ist abgelehnt, der Termin ist abgelaufen, und die
columbische Regierung hat sich wegen neuer Verhandlungen nach Washington
gewandt. Sie rechnet darauf, daß der Wunsch der Union, einen solchen Kanal
zu besitzen, sehr groß ist und sich auf unabweisbare Bedürfnisse stützt. Der
Krieg mit Spanien, einer untergeordneten Macht, hat die Nachteile der weiten
Entfernung der pazifischen Gewässer von den atlantischen allgemein enthüllt.
Eine tätigere Macht würde der aus den: Pacific kommenden Panzerdivision


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0170" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/242238"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Vertrag über den Panamakanal</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_531" prev="#ID_530"> Märchen aus, eine deutsche Privatgesellschaft wolle das Werk für eigne<lb/>
Rechnung ausführen. Man denke: das, was die französische Kanalgesellschaft<lb/>
in Verzweiflung von sich stößt, weil keine Aussicht auf Beschaffung der Gelder<lb/>
da ist, weil außer der große« nordamerikanischen Republik kein Käufer aufzu¬<lb/>
treiben war, das soll deutsches Privatkapital für 700 Millionen Mark in die<lb/>
Hand nehmen! Und darum Intriguen mit aller Aussicht auf politische Ver¬<lb/>
wicklungen! Wenn sich Columbia gegen die mächtige Union eine Rechts¬<lb/>
verletzung zuschulden kommen läßt, so wird diese die kleinen Gernegroße rasch<lb/>
wieder zur Ordnung bringen. Wie schwer das Deutschland gemacht würde,<lb/>
haben wir im Venezuelafalle gesehen. Die Unterstellung ist zu dumm, als<lb/>
daß man ernstlich darauf einzugehn brauchte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_532"> Daß die amerikanischen Pazifikbahuen, die ja von dem Zustandekommen<lb/>
des Kanals Nachteile befürchten und ihn offen bekämpfen, auf den eolumbischeu<lb/>
Settat eine Einwirkung ausgeübt haben, ist möglich aber nicht erwiesen. Am<lb/>
nächsten liegt es anzunehmen, daß die für die Verhältnisse zentralamerikanischer<lb/>
Politiker ungeheure Summe von vierzig Millionen Dollars den entscheidenden<lb/>
Persönlichkeiten den Kopf verdreht hat. In diesen Republiken haben die<lb/>
öffentlichen Gelder viele Kanäle, in die Taschen der Machthaber zu bringen.<lb/>
Die Jagd nach dem Prüsidentenposten ist oft nichts als ein abenteuerliches,<lb/>
waghalsiges Unternehmen, mit einem Schlage reich zu werden und das Land<lb/>
aussaugen zu können, bis das rollende Glücksrad den Aufruhr eines andern<lb/>
macht- und goldhungrigen Abenteurers begünstigt. Der Unterliegende muß<lb/>
dann seine Beute im Ausland in Sicherheit gebracht haben. Man kann sich<lb/>
denken, welchen Eindruck unter solchen Umständen vierzig Millionen Dollars<lb/>
bar Geld gemacht haben. Danach hätte mau vermuten sollen, daß die Macht¬<lb/>
haber Columbiens Zugriffen und nicht durch die Hoffnung auf fünfzig die<lb/>
vierzig Millionen aufs Spiel setzten. Sie haben es aber nicht getan. Auch<lb/>
die Möglichkeit, daß sich die Provinz Jstmo, durch deren Gebiet der Kanal<lb/>
geht, unabhängig mache, scheint den Senat nicht geschreckt zu haben, obgleich<lb/>
gerade dort Aufstandsversuche sehr wohlbekannt sind. Es ist nicht bekannt,<lb/>
wie sich Jstmo zu der Sache gestellt hat. Angeblich ist der columbische Senat<lb/>
in der Ablehnung einstimmig gewesen. Dabei hätte sich doch Jstmo sagen<lb/>
müssen, daß ihm das Zustandekommen des Kanals viel wichtiger sei als die<lb/>
Erhöhung der Entschädigung, von der es doch nur etwa den Vierzehnten Teil<lb/>
bekommen hätte. Plant die Provinz den Abfall, um dann die Entschädigung<lb/>
allein zu erhalten? Aufrührerische Bewegungen wurden angekündigt, sind<lb/>
aber bis jetzt ausgeblieben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_533" next="#ID_534"> Genug, der Vertrag ist abgelehnt, der Termin ist abgelaufen, und die<lb/>
columbische Regierung hat sich wegen neuer Verhandlungen nach Washington<lb/>
gewandt. Sie rechnet darauf, daß der Wunsch der Union, einen solchen Kanal<lb/>
zu besitzen, sehr groß ist und sich auf unabweisbare Bedürfnisse stützt. Der<lb/>
Krieg mit Spanien, einer untergeordneten Macht, hat die Nachteile der weiten<lb/>
Entfernung der pazifischen Gewässer von den atlantischen allgemein enthüllt.<lb/>
Eine tätigere Macht würde der aus den: Pacific kommenden Panzerdivision</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0170] Der Vertrag über den Panamakanal Märchen aus, eine deutsche Privatgesellschaft wolle das Werk für eigne Rechnung ausführen. Man denke: das, was die französische Kanalgesellschaft in Verzweiflung von sich stößt, weil keine Aussicht auf Beschaffung der Gelder da ist, weil außer der große« nordamerikanischen Republik kein Käufer aufzu¬ treiben war, das soll deutsches Privatkapital für 700 Millionen Mark in die Hand nehmen! Und darum Intriguen mit aller Aussicht auf politische Ver¬ wicklungen! Wenn sich Columbia gegen die mächtige Union eine Rechts¬ verletzung zuschulden kommen läßt, so wird diese die kleinen Gernegroße rasch wieder zur Ordnung bringen. Wie schwer das Deutschland gemacht würde, haben wir im Venezuelafalle gesehen. Die Unterstellung ist zu dumm, als daß man ernstlich darauf einzugehn brauchte. Daß die amerikanischen Pazifikbahuen, die ja von dem Zustandekommen des Kanals Nachteile befürchten und ihn offen bekämpfen, auf den eolumbischeu Settat eine Einwirkung ausgeübt haben, ist möglich aber nicht erwiesen. Am nächsten liegt es anzunehmen, daß die für die Verhältnisse zentralamerikanischer Politiker ungeheure Summe von vierzig Millionen Dollars den entscheidenden Persönlichkeiten den Kopf verdreht hat. In diesen Republiken haben die öffentlichen Gelder viele Kanäle, in die Taschen der Machthaber zu bringen. Die Jagd nach dem Prüsidentenposten ist oft nichts als ein abenteuerliches, waghalsiges Unternehmen, mit einem Schlage reich zu werden und das Land aussaugen zu können, bis das rollende Glücksrad den Aufruhr eines andern macht- und goldhungrigen Abenteurers begünstigt. Der Unterliegende muß dann seine Beute im Ausland in Sicherheit gebracht haben. Man kann sich denken, welchen Eindruck unter solchen Umständen vierzig Millionen Dollars bar Geld gemacht haben. Danach hätte mau vermuten sollen, daß die Macht¬ haber Columbiens Zugriffen und nicht durch die Hoffnung auf fünfzig die vierzig Millionen aufs Spiel setzten. Sie haben es aber nicht getan. Auch die Möglichkeit, daß sich die Provinz Jstmo, durch deren Gebiet der Kanal geht, unabhängig mache, scheint den Senat nicht geschreckt zu haben, obgleich gerade dort Aufstandsversuche sehr wohlbekannt sind. Es ist nicht bekannt, wie sich Jstmo zu der Sache gestellt hat. Angeblich ist der columbische Senat in der Ablehnung einstimmig gewesen. Dabei hätte sich doch Jstmo sagen müssen, daß ihm das Zustandekommen des Kanals viel wichtiger sei als die Erhöhung der Entschädigung, von der es doch nur etwa den Vierzehnten Teil bekommen hätte. Plant die Provinz den Abfall, um dann die Entschädigung allein zu erhalten? Aufrührerische Bewegungen wurden angekündigt, sind aber bis jetzt ausgeblieben. Genug, der Vertrag ist abgelehnt, der Termin ist abgelaufen, und die columbische Regierung hat sich wegen neuer Verhandlungen nach Washington gewandt. Sie rechnet darauf, daß der Wunsch der Union, einen solchen Kanal zu besitzen, sehr groß ist und sich auf unabweisbare Bedürfnisse stützt. Der Krieg mit Spanien, einer untergeordneten Macht, hat die Nachteile der weiten Entfernung der pazifischen Gewässer von den atlantischen allgemein enthüllt. Eine tätigere Macht würde der aus den: Pacific kommenden Panzerdivision

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/170
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/170>, abgerufen am 24.08.2024.