Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.Der Kampf um den Weltmarkt auf den kontinentalen Märkten erschwert. Wie sei dem abzuhelfen? Die Politik Die zweite Bewegung ist eine politische, es ist der Gedanke einer engern Wirtschaftlich denkt man sich einen Zollverein in folgender Weise orga¬ Unverkennbar ist jedoch, daß der große afrikanische Krieg, den England Grenzboten III 1908 l t
Der Kampf um den Weltmarkt auf den kontinentalen Märkten erschwert. Wie sei dem abzuhelfen? Die Politik Die zweite Bewegung ist eine politische, es ist der Gedanke einer engern Wirtschaftlich denkt man sich einen Zollverein in folgender Weise orga¬ Unverkennbar ist jedoch, daß der große afrikanische Krieg, den England Grenzboten III 1908 l t
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0089" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241303"/> <fw type="header" place="top"> Der Kampf um den Weltmarkt</fw><lb/> <p xml:id="ID_387" prev="#ID_386"> auf den kontinentalen Märkten erschwert. Wie sei dem abzuhelfen? Die Politik<lb/> des Freihandels gibt England keine Machtmittel gegen die Tarife in die<lb/> Hand. Eine viel bessere Stellung nehmen da die Schutzzollstaaten ein. Sie<lb/> können miteinander Handelsverträge abschließen, und jeder Vertrag bedeutet,<lb/> weil an die Stelle der autonomen Sätze die vertragsmüßig vereinbcirteu Zoll¬<lb/> sätze treten, daß man von seinen ursprünglich angenommenen Tarifsätzen nach¬<lb/> gelassen hat. Will England eine gerechte Behandlung seiner Ausfuhr er¬<lb/> reichen, will es nicht schlechter stehn, als die Schutzzollstaaten zueinander sich<lb/> stellen, so muß es für einen Handelsverkehr auf dem Fuße der Billigkeit und<lb/> wechselseitigen Rücksicht eintreten. Es muß eine Handelseinrichtuug Platz<lb/> greifen, wo uicht ausschließlich einem der Handel erschwert wird, sondern wo,<lb/> wenn einmal eine solche Erschwerung notwendig ist, wenigstens beiden handel¬<lb/> treibenden Staaten eine gleiche Behandlung zu teil werde. Vorläufig richtet<lb/> sich die Spitze dieser Bewegung gegen Deutschland. Man hält sich von<lb/> uns für schwer benachteiligt und glaubt, keine Waffe gegen uns in Händen<lb/> zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_388"> Die zweite Bewegung ist eine politische, es ist der Gedanke einer engern<lb/> Vereinigung der Kolonien mit dem Mutterreich unter Betonung der wirt¬<lb/> schaftlichen Gemeinschaft. Träger dieses Gedankens waren Anfang der neun¬<lb/> ziger Jahre die Commercial Union und die Imperial Federation. Nach dem<lb/> Vorbilde Deutschlands strebte man einem „Zollverein" zu, der Englaud und die<lb/> englischen Kolonien umfassen sollte. Das große Werk der englischen Weltpolitik<lb/> soll durch ein kaiserliches tres-ehr Lriwin gekrönt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_389"> Wirtschaftlich denkt man sich einen Zollverein in folgender Weise orga¬<lb/> nisiert: England und die Kolonien umgibt eine gemeinsame Zollgrenze, und<lb/> bis dies durchgeführt wird, sollen englische Waren in den Kolonien eine<lb/> Vorzugsstellung genießen. Einmal soll der Bezug von englischen Waren<lb/> dadurch erleichtert werden, daß die auf englischen Schiffen verfrachteten Güter<lb/> zu einem Vorzugspreis befördert werden, und andrerseits sollen alle in den<lb/> Kolonien eingehenden Waren, je nachdem sie von England oder andern Staaten<lb/> kommen, differeuticll behandelt werden. Die Handelsverträge, die England mit<lb/> den Kontiuentalstaatcn abgeschlossen hatte, hinderten aber bis jetzt jede solche<lb/> Vorzugsstellung Englands in den Kolonien. So hat man in England den<lb/> Bertrag mit Deutschland gekündigt, und der erste Borstoß, die englischen Waren<lb/> bei der Einfuhr durch sogenannte Borzugszvllsätze günstiger zu stellen, ist von<lb/> Kanada ausgegangen, ohne bis jetzt von großem Erfolge begleitet zu sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_390" next="#ID_391"> Unverkennbar ist jedoch, daß der große afrikanische Krieg, den England<lb/> in den letzte» Jahren durchzukämpfen hatte, die Kolonien wieder näher zu<lb/> dem Mutterlande geführt hat, und das; der jetzt leitende Staatsmann, Chamber-<lb/> lain, weit über seine Partei hinaus in seinem Volke Unterstützung seiner<lb/> imperialen Bestrebungen findet. Wie stark sich die wirtschaftspolitische Strö¬<lb/> mung Englands jetzt schon vom Freihandel abwendet, zeigt sich in den neusten<lb/> Zöllen, die England auferlegt hat. Nicht nur hat es einen Kvhlenansfuhrzoll<lb/> erlassen und damit auf eine Maßregel der englischen Wirtschaftspolitik des<lb/> achtzehnten Jahrhunderts zurückgegriffen; es hat auch neuerdings wieder einen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1908 l t</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0089]
Der Kampf um den Weltmarkt
auf den kontinentalen Märkten erschwert. Wie sei dem abzuhelfen? Die Politik
des Freihandels gibt England keine Machtmittel gegen die Tarife in die
Hand. Eine viel bessere Stellung nehmen da die Schutzzollstaaten ein. Sie
können miteinander Handelsverträge abschließen, und jeder Vertrag bedeutet,
weil an die Stelle der autonomen Sätze die vertragsmüßig vereinbcirteu Zoll¬
sätze treten, daß man von seinen ursprünglich angenommenen Tarifsätzen nach¬
gelassen hat. Will England eine gerechte Behandlung seiner Ausfuhr er¬
reichen, will es nicht schlechter stehn, als die Schutzzollstaaten zueinander sich
stellen, so muß es für einen Handelsverkehr auf dem Fuße der Billigkeit und
wechselseitigen Rücksicht eintreten. Es muß eine Handelseinrichtuug Platz
greifen, wo uicht ausschließlich einem der Handel erschwert wird, sondern wo,
wenn einmal eine solche Erschwerung notwendig ist, wenigstens beiden handel¬
treibenden Staaten eine gleiche Behandlung zu teil werde. Vorläufig richtet
sich die Spitze dieser Bewegung gegen Deutschland. Man hält sich von
uns für schwer benachteiligt und glaubt, keine Waffe gegen uns in Händen
zu haben.
Die zweite Bewegung ist eine politische, es ist der Gedanke einer engern
Vereinigung der Kolonien mit dem Mutterreich unter Betonung der wirt¬
schaftlichen Gemeinschaft. Träger dieses Gedankens waren Anfang der neun¬
ziger Jahre die Commercial Union und die Imperial Federation. Nach dem
Vorbilde Deutschlands strebte man einem „Zollverein" zu, der Englaud und die
englischen Kolonien umfassen sollte. Das große Werk der englischen Weltpolitik
soll durch ein kaiserliches tres-ehr Lriwin gekrönt werden.
Wirtschaftlich denkt man sich einen Zollverein in folgender Weise orga¬
nisiert: England und die Kolonien umgibt eine gemeinsame Zollgrenze, und
bis dies durchgeführt wird, sollen englische Waren in den Kolonien eine
Vorzugsstellung genießen. Einmal soll der Bezug von englischen Waren
dadurch erleichtert werden, daß die auf englischen Schiffen verfrachteten Güter
zu einem Vorzugspreis befördert werden, und andrerseits sollen alle in den
Kolonien eingehenden Waren, je nachdem sie von England oder andern Staaten
kommen, differeuticll behandelt werden. Die Handelsverträge, die England mit
den Kontiuentalstaatcn abgeschlossen hatte, hinderten aber bis jetzt jede solche
Vorzugsstellung Englands in den Kolonien. So hat man in England den
Bertrag mit Deutschland gekündigt, und der erste Borstoß, die englischen Waren
bei der Einfuhr durch sogenannte Borzugszvllsätze günstiger zu stellen, ist von
Kanada ausgegangen, ohne bis jetzt von großem Erfolge begleitet zu sein.
Unverkennbar ist jedoch, daß der große afrikanische Krieg, den England
in den letzte» Jahren durchzukämpfen hatte, die Kolonien wieder näher zu
dem Mutterlande geführt hat, und das; der jetzt leitende Staatsmann, Chamber-
lain, weit über seine Partei hinaus in seinem Volke Unterstützung seiner
imperialen Bestrebungen findet. Wie stark sich die wirtschaftspolitische Strö¬
mung Englands jetzt schon vom Freihandel abwendet, zeigt sich in den neusten
Zöllen, die England auferlegt hat. Nicht nur hat es einen Kvhlenansfuhrzoll
erlassen und damit auf eine Maßregel der englischen Wirtschaftspolitik des
achtzehnten Jahrhunderts zurückgegriffen; es hat auch neuerdings wieder einen
Grenzboten III 1908 l t
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