waren, so lassen sich Schlüsse ziehn auf den Umfang dieser Heimatskunde der Beamten aus den Sudetenländern, und man beginnt zu begreifen, warum in dem ungefähr dreimal größern Dcutschböhmen im Postdienst dreihundert deutsche Bewerber fehlten und selbstverständlich durch Tschechen ersetzt werden mußten. Es kann nun freilich deutschen Beamten nicht verwehrt werden, dem Zug nach der Großstadt zu folgen und der Abneigung gegen die zweite Landessprache nachzugeben, doch liegt trotzdem eine gewisse nationale Schwäche mit vor, die sich aus Bequemlichkeit nicht ans die Bresche in der Heimat stellen mag und den Aufenthalt im lustigen Wien oder in dem fröhlichen Donaugebiet dem mit allerlei MißHelligkeiten verknüpften Kampfesleben in der Heimat vorzieht. Jedenfalls stimmt es nicht mit dem Jammergeschrei über die fortschreitende Tschechisierung der Beamtenwelt überein, wenn man den Tschechen auch aus diesem Grunde zahlreiche Stellen, die man ganz gut behaupten könnte, frei¬ willig räumte. Würden die nicht mit einheimischen Beamten in den deutschen Provinzen Österreichs besetzbaren Stellen von Tschechen eingenommen, so würden diese in der dortigen deutschen Bevölkerung national unschädlich sein, während sie in den Sudetenländern mit ihren einheimischen Kollegen zusammen tschechisicrend wirken, was sicher nicht in demselben Maße der Fall wäre, wenn ihnen eine größere Anzahl der leider abgewanderten deutschen Beamten gegen¬ überstünde. Die Tschechen handeln klüger und konsequenter; allerdings haben sie es leichter, da sie von einem gemeinsamen Mittelpunkte aus vordringen, und auch der Mann, der bloß um des bessern Lebens willen in die noch so ziemlich deutsche Stadt strebt, ihnen dort nicht verloren geht, sondern als tschechischer Vorposten wirken muß. Es zeigt sich auch hier bestätigt, daß große Nationen leichter die Abtrennung von Teilen ertragen als die kleinen, denn diese suchen den letzten und fernsten Mann zur Mitwirkung und Bei¬ steuer heranzuziehn. Darum ist auch der nationale Einheitsfanatismus am größten bei kleinen Nationen. Tatsächlich wird der Abwanderung von meist deutschen Beamten aus den Sudetenländern, die durch Heranziehung tüchtiger Kräfte in die Zentralbnreaus der Hauptstadt nur zum geringen Teil erklärt werden kann, bei den Deutschöstcrreichcrn fast gar keine Beachtung geschenkt. Man lärmt in allen Tonarten über Vertschechung des Beamtentums, gibt sich aber nur selten Mühe, den einzelnen Gründen nachzuforschen, und noch weniger, eine umfassende Gegenwirkung einzuleiten. Die Regierung ist schuld, sagt man wie gewöhnlich. In der Provinzpressc wird nnr selten eine vereinzelte Stimme laut, die hauptstädtischen deutschen Blätter nehmen nie Notiz davon, denn sie haben immer ihre eignen Ziele verfolgt und begnügen sich, um diese zu fördern, gelegentlich die Oppositionslust der Deutschen anzufachen. Gegen die Ab¬ wanderung deutscher Beamten aus den Sudetenländern hat sich bisher über¬ haupt nur eine Stimme erhoben, die des schlesischen Landtagsabgeordneten Dr. Eduard Türk, der vor einigen Jahren bei einem Ferienkommers deutsch- schlesischer Hochschüler diese dringend ermahnte, sie müßten einsehen lernen, daß die großartigsten Demonstrationen und die schönsten Resolutionen nichts hülfen, sie müßten vielmehr in schweigender Entschlossenheit planmäßig arbeiten ' und das zur Tat machen, was sie in ihren begeisterten Reden und Liedern
Die Sprachen- und Beamtenfrage in Böhmen
waren, so lassen sich Schlüsse ziehn auf den Umfang dieser Heimatskunde der Beamten aus den Sudetenländern, und man beginnt zu begreifen, warum in dem ungefähr dreimal größern Dcutschböhmen im Postdienst dreihundert deutsche Bewerber fehlten und selbstverständlich durch Tschechen ersetzt werden mußten. Es kann nun freilich deutschen Beamten nicht verwehrt werden, dem Zug nach der Großstadt zu folgen und der Abneigung gegen die zweite Landessprache nachzugeben, doch liegt trotzdem eine gewisse nationale Schwäche mit vor, die sich aus Bequemlichkeit nicht ans die Bresche in der Heimat stellen mag und den Aufenthalt im lustigen Wien oder in dem fröhlichen Donaugebiet dem mit allerlei MißHelligkeiten verknüpften Kampfesleben in der Heimat vorzieht. Jedenfalls stimmt es nicht mit dem Jammergeschrei über die fortschreitende Tschechisierung der Beamtenwelt überein, wenn man den Tschechen auch aus diesem Grunde zahlreiche Stellen, die man ganz gut behaupten könnte, frei¬ willig räumte. Würden die nicht mit einheimischen Beamten in den deutschen Provinzen Österreichs besetzbaren Stellen von Tschechen eingenommen, so würden diese in der dortigen deutschen Bevölkerung national unschädlich sein, während sie in den Sudetenländern mit ihren einheimischen Kollegen zusammen tschechisicrend wirken, was sicher nicht in demselben Maße der Fall wäre, wenn ihnen eine größere Anzahl der leider abgewanderten deutschen Beamten gegen¬ überstünde. Die Tschechen handeln klüger und konsequenter; allerdings haben sie es leichter, da sie von einem gemeinsamen Mittelpunkte aus vordringen, und auch der Mann, der bloß um des bessern Lebens willen in die noch so ziemlich deutsche Stadt strebt, ihnen dort nicht verloren geht, sondern als tschechischer Vorposten wirken muß. Es zeigt sich auch hier bestätigt, daß große Nationen leichter die Abtrennung von Teilen ertragen als die kleinen, denn diese suchen den letzten und fernsten Mann zur Mitwirkung und Bei¬ steuer heranzuziehn. Darum ist auch der nationale Einheitsfanatismus am größten bei kleinen Nationen. Tatsächlich wird der Abwanderung von meist deutschen Beamten aus den Sudetenländern, die durch Heranziehung tüchtiger Kräfte in die Zentralbnreaus der Hauptstadt nur zum geringen Teil erklärt werden kann, bei den Deutschöstcrreichcrn fast gar keine Beachtung geschenkt. Man lärmt in allen Tonarten über Vertschechung des Beamtentums, gibt sich aber nur selten Mühe, den einzelnen Gründen nachzuforschen, und noch weniger, eine umfassende Gegenwirkung einzuleiten. Die Regierung ist schuld, sagt man wie gewöhnlich. In der Provinzpressc wird nnr selten eine vereinzelte Stimme laut, die hauptstädtischen deutschen Blätter nehmen nie Notiz davon, denn sie haben immer ihre eignen Ziele verfolgt und begnügen sich, um diese zu fördern, gelegentlich die Oppositionslust der Deutschen anzufachen. Gegen die Ab¬ wanderung deutscher Beamten aus den Sudetenländern hat sich bisher über¬ haupt nur eine Stimme erhoben, die des schlesischen Landtagsabgeordneten Dr. Eduard Türk, der vor einigen Jahren bei einem Ferienkommers deutsch- schlesischer Hochschüler diese dringend ermahnte, sie müßten einsehen lernen, daß die großartigsten Demonstrationen und die schönsten Resolutionen nichts hülfen, sie müßten vielmehr in schweigender Entschlossenheit planmäßig arbeiten ' und das zur Tat machen, was sie in ihren begeisterten Reden und Liedern
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Die Sprachen- und Beamtenfrage in Böhmen
waren, so lassen sich Schlüsse ziehn auf den Umfang dieser Heimatskunde der
Beamten aus den Sudetenländern, und man beginnt zu begreifen, warum in
dem ungefähr dreimal größern Dcutschböhmen im Postdienst dreihundert deutsche
Bewerber fehlten und selbstverständlich durch Tschechen ersetzt werden mußten.
Es kann nun freilich deutschen Beamten nicht verwehrt werden, dem Zug nach
der Großstadt zu folgen und der Abneigung gegen die zweite Landessprache
nachzugeben, doch liegt trotzdem eine gewisse nationale Schwäche mit vor,
die sich aus Bequemlichkeit nicht ans die Bresche in der Heimat stellen mag
und den Aufenthalt im lustigen Wien oder in dem fröhlichen Donaugebiet dem
mit allerlei MißHelligkeiten verknüpften Kampfesleben in der Heimat vorzieht.
Jedenfalls stimmt es nicht mit dem Jammergeschrei über die fortschreitende
Tschechisierung der Beamtenwelt überein, wenn man den Tschechen auch aus
diesem Grunde zahlreiche Stellen, die man ganz gut behaupten könnte, frei¬
willig räumte. Würden die nicht mit einheimischen Beamten in den deutschen
Provinzen Österreichs besetzbaren Stellen von Tschechen eingenommen, so
würden diese in der dortigen deutschen Bevölkerung national unschädlich sein,
während sie in den Sudetenländern mit ihren einheimischen Kollegen zusammen
tschechisicrend wirken, was sicher nicht in demselben Maße der Fall wäre, wenn
ihnen eine größere Anzahl der leider abgewanderten deutschen Beamten gegen¬
überstünde. Die Tschechen handeln klüger und konsequenter; allerdings haben
sie es leichter, da sie von einem gemeinsamen Mittelpunkte aus vordringen,
und auch der Mann, der bloß um des bessern Lebens willen in die noch so
ziemlich deutsche Stadt strebt, ihnen dort nicht verloren geht, sondern als
tschechischer Vorposten wirken muß. Es zeigt sich auch hier bestätigt, daß
große Nationen leichter die Abtrennung von Teilen ertragen als die kleinen,
denn diese suchen den letzten und fernsten Mann zur Mitwirkung und Bei¬
steuer heranzuziehn. Darum ist auch der nationale Einheitsfanatismus am
größten bei kleinen Nationen. Tatsächlich wird der Abwanderung von meist
deutschen Beamten aus den Sudetenländern, die durch Heranziehung tüchtiger
Kräfte in die Zentralbnreaus der Hauptstadt nur zum geringen Teil erklärt
werden kann, bei den Deutschöstcrreichcrn fast gar keine Beachtung geschenkt.
Man lärmt in allen Tonarten über Vertschechung des Beamtentums, gibt sich
aber nur selten Mühe, den einzelnen Gründen nachzuforschen, und noch weniger,
eine umfassende Gegenwirkung einzuleiten. Die Regierung ist schuld, sagt man
wie gewöhnlich. In der Provinzpressc wird nnr selten eine vereinzelte Stimme
laut, die hauptstädtischen deutschen Blätter nehmen nie Notiz davon, denn sie
haben immer ihre eignen Ziele verfolgt und begnügen sich, um diese zu fördern,
gelegentlich die Oppositionslust der Deutschen anzufachen. Gegen die Ab¬
wanderung deutscher Beamten aus den Sudetenländern hat sich bisher über¬
haupt nur eine Stimme erhoben, die des schlesischen Landtagsabgeordneten
Dr. Eduard Türk, der vor einigen Jahren bei einem Ferienkommers deutsch-
schlesischer Hochschüler diese dringend ermahnte, sie müßten einsehen lernen,
daß die großartigsten Demonstrationen und die schönsten Resolutionen nichts
hülfen, sie müßten vielmehr in schweigender Entschlossenheit planmäßig arbeiten '
und das zur Tat machen, was sie in ihren begeisterten Reden und Liedern
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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/792>, abgerufen am 26.11.2024.
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