haben, aber daran ist nun einmal nichts mehr zu andern; jetzt heißt es eben, sich klug uach der gegebnen Decke zu strecken, um so mehr da durch die erbitterten Sprachenkämpfe der letzten Jahre der Widerstand der nichtdeutschen gegen die deutsche Staatssprache noch gewachsen ist. Weitere aussichtslose Kämpfe auf diesem Gebiet führen zu wollen, kann nur Verluste bringen, dagegen läßt sich das bisher Erreichte oder vielleicht bloß Gerettete mit einiger Umsicht so lange verteidigen, bis wieder andre Zeiten kommen, die ja eintreten müssen, da der heutige Zustand der innern Zerfahrenheit in Österreich doch nicht in Ewigkeit bestehn bleiben kann. Der moderne Radikalismus freilich klammert sich an Phrasen, hat kein Verständnis für das aus den gegebnen Verhältnissen natürlich Gewordne und setzt an dessen Stelle seine eignen Phantasiegebilde. Man sollte sich vorderhand aber dabei begnügen, daß die deutsche Sprache noch jetzt, trotz der Ereignisse und einer unglücklichen Taktik der Deutschliberalen während der letzten vier Jahrzehnte, die allgemeine Verkehrssprache und das einheitliche Verstündiguugsmittel der österreichischen Ämter untereinander ist, daß somit jeder österreichische Staatsbeamte deutsch können muß, und daß auch die Periode der Sprachenvergewaltiguug unter Badeni daran nichts ge¬ ändert hat. Nach wie vor liegt die Staatssprachenfrage in Österreich so, wie es Ministerpräsident I)r. v. Körber am 11. November des vorigen Jahres im Abgeordnetenhaus" aussprach, daß die Notwendigkeit und nicht zuletzt die Sparsamkeit zu einer einzigen Sprache in gewissen Verwaltuugssphären nötigten.
Die ganze politische Tragik in Österreich beruht darauf, daß mau uach dem Jahre 1866 nicht erkannte, daß es mit allen großdeutschen Bestrebungen für immer vorüber war. Das gilt ebenso für unter wie für oben. Das Politische Band, das die Deutschösterreicher viele Jahrhunderte lang mit der großen Mehrheit des deutschen Volkes verknüpft hatte, wurde zerschnitten, und die Habsburgische Monarchie überucchm wieder ihre historische Aufgabe im Osten. Aber der Negierung war anfangs und den politischen Parteien ist heute noch nicht das Verständnis für die Wandlungen aufgegangen, die sich in den sechziger Jahren vollzogen haben. Die Negierung schuf den Dualismus, dessen Kon- struktionsfehler heute das Reich in seinen Grundfesten erschüttern, und die Deutschösterreicher singen noch die "Wacht am Rhein," die schon längst bis über die Mosel hinaus gesichert ist, ohne daß man ihrer Anstrengung bedurft hätte. Das Vermögen, die wahrscheinliche Entwicklung der Dinge zu er¬ kennen, ist die Voraussetzung einer guten Politik. Die Negierung hat ihren Fehler bald eingesehen und schon vor einem Vierteljahrhundert durch die Okkupation von Bosnien und der Herzegowina, in neuerer Zeit durch ihre Vereinbarung mit Rußland über die Balkanhalbinsel die ihr gebührende Auf¬ gabe aufgenommen, soweit dies eben bei der innern Zerrüttung des Reiches durchzuführen war. Deun es bleibt die Aufgabe der zur gemischtsprachigen hnbsburgischeu Monarchie entwickelten ehemaligen deutschen Ostmark, die ihr in deutscher Gestalt übermittelte westeuropäische Kultur über die der Türken- Herrschaft entgleitenden Völkerschaften, zu denen in mehrfachem Sinne anch die Magyaren gehören, zu verbreiten. Vermag sie das nicht, so werden andre diese Aufgabe übernehmen müssen. Nicht die Niederlage von 1866, sondern
haben, aber daran ist nun einmal nichts mehr zu andern; jetzt heißt es eben, sich klug uach der gegebnen Decke zu strecken, um so mehr da durch die erbitterten Sprachenkämpfe der letzten Jahre der Widerstand der nichtdeutschen gegen die deutsche Staatssprache noch gewachsen ist. Weitere aussichtslose Kämpfe auf diesem Gebiet führen zu wollen, kann nur Verluste bringen, dagegen läßt sich das bisher Erreichte oder vielleicht bloß Gerettete mit einiger Umsicht so lange verteidigen, bis wieder andre Zeiten kommen, die ja eintreten müssen, da der heutige Zustand der innern Zerfahrenheit in Österreich doch nicht in Ewigkeit bestehn bleiben kann. Der moderne Radikalismus freilich klammert sich an Phrasen, hat kein Verständnis für das aus den gegebnen Verhältnissen natürlich Gewordne und setzt an dessen Stelle seine eignen Phantasiegebilde. Man sollte sich vorderhand aber dabei begnügen, daß die deutsche Sprache noch jetzt, trotz der Ereignisse und einer unglücklichen Taktik der Deutschliberalen während der letzten vier Jahrzehnte, die allgemeine Verkehrssprache und das einheitliche Verstündiguugsmittel der österreichischen Ämter untereinander ist, daß somit jeder österreichische Staatsbeamte deutsch können muß, und daß auch die Periode der Sprachenvergewaltiguug unter Badeni daran nichts ge¬ ändert hat. Nach wie vor liegt die Staatssprachenfrage in Österreich so, wie es Ministerpräsident I)r. v. Körber am 11. November des vorigen Jahres im Abgeordnetenhaus« aussprach, daß die Notwendigkeit und nicht zuletzt die Sparsamkeit zu einer einzigen Sprache in gewissen Verwaltuugssphären nötigten.
Die ganze politische Tragik in Österreich beruht darauf, daß mau uach dem Jahre 1866 nicht erkannte, daß es mit allen großdeutschen Bestrebungen für immer vorüber war. Das gilt ebenso für unter wie für oben. Das Politische Band, das die Deutschösterreicher viele Jahrhunderte lang mit der großen Mehrheit des deutschen Volkes verknüpft hatte, wurde zerschnitten, und die Habsburgische Monarchie überucchm wieder ihre historische Aufgabe im Osten. Aber der Negierung war anfangs und den politischen Parteien ist heute noch nicht das Verständnis für die Wandlungen aufgegangen, die sich in den sechziger Jahren vollzogen haben. Die Negierung schuf den Dualismus, dessen Kon- struktionsfehler heute das Reich in seinen Grundfesten erschüttern, und die Deutschösterreicher singen noch die „Wacht am Rhein," die schon längst bis über die Mosel hinaus gesichert ist, ohne daß man ihrer Anstrengung bedurft hätte. Das Vermögen, die wahrscheinliche Entwicklung der Dinge zu er¬ kennen, ist die Voraussetzung einer guten Politik. Die Negierung hat ihren Fehler bald eingesehen und schon vor einem Vierteljahrhundert durch die Okkupation von Bosnien und der Herzegowina, in neuerer Zeit durch ihre Vereinbarung mit Rußland über die Balkanhalbinsel die ihr gebührende Auf¬ gabe aufgenommen, soweit dies eben bei der innern Zerrüttung des Reiches durchzuführen war. Deun es bleibt die Aufgabe der zur gemischtsprachigen hnbsburgischeu Monarchie entwickelten ehemaligen deutschen Ostmark, die ihr in deutscher Gestalt übermittelte westeuropäische Kultur über die der Türken- Herrschaft entgleitenden Völkerschaften, zu denen in mehrfachem Sinne anch die Magyaren gehören, zu verbreiten. Vermag sie das nicht, so werden andre diese Aufgabe übernehmen müssen. Nicht die Niederlage von 1866, sondern
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sich klug uach der gegebnen Decke zu strecken, um so mehr da durch die erbitterten
Sprachenkämpfe der letzten Jahre der Widerstand der nichtdeutschen gegen die
deutsche Staatssprache noch gewachsen ist. Weitere aussichtslose Kämpfe auf
diesem Gebiet führen zu wollen, kann nur Verluste bringen, dagegen läßt sich
das bisher Erreichte oder vielleicht bloß Gerettete mit einiger Umsicht so lange
verteidigen, bis wieder andre Zeiten kommen, die ja eintreten müssen, da der
heutige Zustand der innern Zerfahrenheit in Österreich doch nicht in Ewigkeit
bestehn bleiben kann. Der moderne Radikalismus freilich klammert sich an
Phrasen, hat kein Verständnis für das aus den gegebnen Verhältnissen natürlich
Gewordne und setzt an dessen Stelle seine eignen Phantasiegebilde. Man
sollte sich vorderhand aber dabei begnügen, daß die deutsche Sprache noch
jetzt, trotz der Ereignisse und einer unglücklichen Taktik der Deutschliberalen
während der letzten vier Jahrzehnte, die allgemeine Verkehrssprache und das
einheitliche Verstündiguugsmittel der österreichischen Ämter untereinander ist,
daß somit jeder österreichische Staatsbeamte deutsch können muß, und daß
auch die Periode der Sprachenvergewaltiguug unter Badeni daran nichts ge¬
ändert hat. Nach wie vor liegt die Staatssprachenfrage in Österreich so, wie
es Ministerpräsident I)r. v. Körber am 11. November des vorigen Jahres im
Abgeordnetenhaus« aussprach, daß die Notwendigkeit und nicht zuletzt die
Sparsamkeit zu einer einzigen Sprache in gewissen Verwaltuugssphären nötigten.
Die ganze politische Tragik in Österreich beruht darauf, daß mau uach
dem Jahre 1866 nicht erkannte, daß es mit allen großdeutschen Bestrebungen
für immer vorüber war. Das gilt ebenso für unter wie für oben. Das
Politische Band, das die Deutschösterreicher viele Jahrhunderte lang mit der
großen Mehrheit des deutschen Volkes verknüpft hatte, wurde zerschnitten, und
die Habsburgische Monarchie überucchm wieder ihre historische Aufgabe im Osten.
Aber der Negierung war anfangs und den politischen Parteien ist heute noch
nicht das Verständnis für die Wandlungen aufgegangen, die sich in den sechziger
Jahren vollzogen haben. Die Negierung schuf den Dualismus, dessen Kon-
struktionsfehler heute das Reich in seinen Grundfesten erschüttern, und die
Deutschösterreicher singen noch die „Wacht am Rhein," die schon längst bis
über die Mosel hinaus gesichert ist, ohne daß man ihrer Anstrengung bedurft
hätte. Das Vermögen, die wahrscheinliche Entwicklung der Dinge zu er¬
kennen, ist die Voraussetzung einer guten Politik. Die Negierung hat ihren
Fehler bald eingesehen und schon vor einem Vierteljahrhundert durch die
Okkupation von Bosnien und der Herzegowina, in neuerer Zeit durch ihre
Vereinbarung mit Rußland über die Balkanhalbinsel die ihr gebührende Auf¬
gabe aufgenommen, soweit dies eben bei der innern Zerrüttung des Reiches
durchzuführen war. Deun es bleibt die Aufgabe der zur gemischtsprachigen
hnbsburgischeu Monarchie entwickelten ehemaligen deutschen Ostmark, die ihr
in deutscher Gestalt übermittelte westeuropäische Kultur über die der Türken-
Herrschaft entgleitenden Völkerschaften, zu denen in mehrfachem Sinne anch
die Magyaren gehören, zu verbreiten. Vermag sie das nicht, so werden andre
diese Aufgabe übernehmen müssen. Nicht die Niederlage von 1866, sondern
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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/717>, abgerufen am 25.11.2024.
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