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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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zugrunde bei den Zeitwörtern "dingen" (ausdingen, abdingen; ursprüng¬
lich -- gerichtlich verhandeln, dann verhandeln überhaupt, feilschen, anwerben,
mieten), "(sich) verdingen," "bedingen" (ausbedingen), "jemand dingfest
machen" (-- festnehmen zur gerichtlichen Untersuchung). Dasselbe gilt natür¬
lich von den Substantiven "Beding," "Bedingung," "Vcrdingung,"
"Gedinge" ("Leibgedinge"). Aber auch in dem bekannten Spruche: "Ällesrj
guten Dinge sind drei" bedeutet Ding zunächst Gerichtsverhandlung oder
Gerichtstermin; er hatte also ursprünglich einen spezifisch juristischen Inhalt,
während wir ihn heute nur in einem ganz allgemeinen Sinne gebrauchen, "etwa
wie in Lessings Minna von Barnhelm der Wirt dies Sprüchlein bei Prüfung
des dritten Glases echten Dcmzigers dem zögernden Just in empfehlende Er¬
innerung bringt" (Cohn, Deutsches Recht im Munde des Volks usw., Heidel¬
berg 1888, S. 4). Wie die Zahl drei -- eine mythische Zahl aller Natur¬
religionen -- von jeher bei den Germanen als heilig gegolten und in Sage,
Religion, Sitte und Recht eine hervorragende Rolle gespielt hat, so "konnte
auch vor Gericht . . . keine Verurteilung in der Sache selbst ergehn, bevor
nicht eine dreimalige Vorladung des Verklagten stattgefunden, ... es mußten
eben der ordentlichen Gerichtsversannnlungen, der echten oder guten Dinge
sGegens.: gebotene Dinges drei sein" (Cohn, a. a. O.). Erst nach dreimaligem
Nichterscheinen konnte also gegen den Ausgebliebnen ein Kontumazialverfnhren
eingeleitet, und er dnriu verurteilt werden (vgl. z. B. Sachsensp. I I I, Art. 39, § 3),
wie er umgekehrt auch freigesprochen wurde bei dreimaligem Ausbleiben des
Klägers, "wenn dieser ein Gut mit. Beschlag belegt hatte" (vergl. Sachße
in d. Zeitschr. f. deutsches Recht, XVI 1856, 'S. 121/22).
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Auch unsre Ausdrücke "verteidigen, "Verteidigung und "Ver¬
teidiger," wie noch jetzt gesetzlich der Rechtsbeistand des Angeklagten im Straf¬
prozesse heißt, stehn in einem viel engern Zusammenhange mit dem "Ding"
des altdeutschen Rechtslebens, als man auf den ersten Blick vermutet. Da
nämlich bei den Germanen nach einem wohl alt-arischen Grundsätze die
Rechtspflege ruhen mußte, sobald "die Sonne zu Gnaden gegangen," oder mit
andern Worten jede Gerichtsverhandlung regelmäßig nur bei Tage (vor
Sonnenuntergang) geschehen durfte, so bezeichnete man sie auch wohl -- statt
bloß als "Ding" -- genauer als "Tageding" (eist. wAaäino, altsächs. clggÄ-
tlungi, clAAtlrinAi, niederd. ZeMäinZ). Daraus entstand dann zunächst das
ältere Wort "Taidiug" oder "Teiding" (schon ahd. wiclwc:, ttüäinA^ "gericht¬
liche Verhandlung, Unterhandlung," später auch "unnützes Geschwätz"; vergl.
"Narrenteidinge" -- Narretei) und weiter durch Vermittlung des Zeitwortes
"tÄMclinAkir" (ahd. tÄAo,clinA0n, niederd. äciFeclinASn, cleAeäinß'ein, eigentlich:
eine sRechtsjsache während eines Tages- zu Ende bringen) oder "tkickisnjgcin/
tü.et^njg'6n (verwandt auch mit "betätigen," seit dem vierzehnten und fünfzehnten
Jahrhundert auch "vortÄclisnsg'fre," uiederl. verclocliMm) unser neuhochdeutsches
"verteidigen" (und das Hauptwort "Verteidigung") sür die Tätigkeit des
Rechtsbeistandes vor Gericht (des "Verteidigers"), dessen jetziger Gebrnnch auch
für "sich wehren" im Kampfe mit der Waffe und dann überhaupt für "sich
verantworten," mithin erst als eine Erweiterung des ursprünglichen, rein juristischen
Begriffes erscheint.

Bei dieser Gelegenheit sei zugleich noch daran erinnert, daß der Ausdruck
"Tagfahrt," d. h. ursprünglich die Fahrt zur gerichtlichen Verhandlung, dann
diese selbst (vergl. das Holland. Dg^v-un-ä Landtag), für den "Termin" zu
einer Gerichtsverhandlung nach dein oberdeutschen Sprachgebrauche noch jetzt
ziemlich allgemein geläufig ist, während sich das einfache Wort "Tag" von
seiner engern Bedeutung "Gerichtstag," "Gerichtssitzung" in gewissen Zusammen¬
setzungen zu dem Begriffe "Sitzung" oder "Versammlung" überhaupt (so
z. B. "Juristen-, Philologen-, Ärztetag"), ja sogar zu einer Bezeichnung von


zugrunde bei den Zeitwörtern „dingen" (ausdingen, abdingen; ursprüng¬
lich — gerichtlich verhandeln, dann verhandeln überhaupt, feilschen, anwerben,
mieten), „(sich) verdingen," „bedingen" (ausbedingen), „jemand dingfest
machen" (— festnehmen zur gerichtlichen Untersuchung). Dasselbe gilt natür¬
lich von den Substantiven „Beding," „Bedingung," „Vcrdingung,"
„Gedinge" („Leibgedinge"). Aber auch in dem bekannten Spruche: „Ällesrj
guten Dinge sind drei" bedeutet Ding zunächst Gerichtsverhandlung oder
Gerichtstermin; er hatte also ursprünglich einen spezifisch juristischen Inhalt,
während wir ihn heute nur in einem ganz allgemeinen Sinne gebrauchen, „etwa
wie in Lessings Minna von Barnhelm der Wirt dies Sprüchlein bei Prüfung
des dritten Glases echten Dcmzigers dem zögernden Just in empfehlende Er¬
innerung bringt" (Cohn, Deutsches Recht im Munde des Volks usw., Heidel¬
berg 1888, S. 4). Wie die Zahl drei — eine mythische Zahl aller Natur¬
religionen — von jeher bei den Germanen als heilig gegolten und in Sage,
Religion, Sitte und Recht eine hervorragende Rolle gespielt hat, so „konnte
auch vor Gericht . . . keine Verurteilung in der Sache selbst ergehn, bevor
nicht eine dreimalige Vorladung des Verklagten stattgefunden, ... es mußten
eben der ordentlichen Gerichtsversannnlungen, der echten oder guten Dinge
sGegens.: gebotene Dinges drei sein" (Cohn, a. a. O.). Erst nach dreimaligem
Nichterscheinen konnte also gegen den Ausgebliebnen ein Kontumazialverfnhren
eingeleitet, und er dnriu verurteilt werden (vgl. z. B. Sachsensp. I I I, Art. 39, § 3),
wie er umgekehrt auch freigesprochen wurde bei dreimaligem Ausbleiben des
Klägers, „wenn dieser ein Gut mit. Beschlag belegt hatte" (vergl. Sachße
in d. Zeitschr. f. deutsches Recht, XVI 1856, 'S. 121/22).
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Auch unsre Ausdrücke „verteidigen, „Verteidigung und „Ver¬
teidiger," wie noch jetzt gesetzlich der Rechtsbeistand des Angeklagten im Straf¬
prozesse heißt, stehn in einem viel engern Zusammenhange mit dem „Ding"
des altdeutschen Rechtslebens, als man auf den ersten Blick vermutet. Da
nämlich bei den Germanen nach einem wohl alt-arischen Grundsätze die
Rechtspflege ruhen mußte, sobald „die Sonne zu Gnaden gegangen," oder mit
andern Worten jede Gerichtsverhandlung regelmäßig nur bei Tage (vor
Sonnenuntergang) geschehen durfte, so bezeichnete man sie auch wohl — statt
bloß als „Ding" — genauer als „Tageding" (eist. wAaäino, altsächs. clggÄ-
tlungi, clAAtlrinAi, niederd. ZeMäinZ). Daraus entstand dann zunächst das
ältere Wort „Taidiug" oder „Teiding" (schon ahd. wiclwc:, ttüäinA^ „gericht¬
liche Verhandlung, Unterhandlung," später auch „unnützes Geschwätz"; vergl.
„Narrenteidinge" — Narretei) und weiter durch Vermittlung des Zeitwortes
„tÄMclinAkir" (ahd. tÄAo,clinA0n, niederd. äciFeclinASn, cleAeäinß'ein, eigentlich:
eine sRechtsjsache während eines Tages- zu Ende bringen) oder „tkickisnjgcin/
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Jahrhundert auch „vortÄclisnsg'fre," uiederl. verclocliMm) unser neuhochdeutsches
„verteidigen" (und das Hauptwort „Verteidigung") sür die Tätigkeit des
Rechtsbeistandes vor Gericht (des „Verteidigers"), dessen jetziger Gebrnnch auch
für „sich wehren" im Kampfe mit der Waffe und dann überhaupt für „sich
verantworten," mithin erst als eine Erweiterung des ursprünglichen, rein juristischen
Begriffes erscheint.

Bei dieser Gelegenheit sei zugleich noch daran erinnert, daß der Ausdruck
„Tagfahrt," d. h. ursprünglich die Fahrt zur gerichtlichen Verhandlung, dann
diese selbst (vergl. das Holland. Dg^v-un-ä Landtag), für den „Termin" zu
einer Gerichtsverhandlung nach dein oberdeutschen Sprachgebrauche noch jetzt
ziemlich allgemein geläufig ist, während sich das einfache Wort „Tag" von
seiner engern Bedeutung „Gerichtstag," „Gerichtssitzung" in gewissen Zusammen¬
setzungen zu dem Begriffe „Sitzung" oder „Versammlung" überhaupt (so
z. B. „Juristen-, Philologen-, Ärztetag"), ja sogar zu einer Bezeichnung von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/686>, abgerufen am 01.09.2024.