Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.Versicherungsschutz und Schutz gegen Versicherung hat. Auf einen Kausalnexus zwischen der Falschheit der Anzeige und einem Der Versicherte dagegen denkt vornehmlich daran, daß er, vielleicht H 1. Die Versicherten haben pünktlich die Prämien zu entrichten. !? 2. Irgendwelche Rechte erwachsen ihnen daraus nicht. 3 Der Richter, der diesen Widerstreit der Anschauungen schlichten soll, ist Versicherungsschutz und Schutz gegen Versicherung hat. Auf einen Kausalnexus zwischen der Falschheit der Anzeige und einem Der Versicherte dagegen denkt vornehmlich daran, daß er, vielleicht H 1. Die Versicherten haben pünktlich die Prämien zu entrichten. !? 2. Irgendwelche Rechte erwachsen ihnen daraus nicht. 3 Der Richter, der diesen Widerstreit der Anschauungen schlichten soll, ist <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0670" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241886"/> <fw type="header" place="top"> Versicherungsschutz und Schutz gegen Versicherung</fw><lb/> <p xml:id="ID_2761" prev="#ID_2760"> hat. Auf einen Kausalnexus zwischen der Falschheit der Anzeige und einem<lb/> eingetretnen Schaden kommt es nicht an, da die Erfüllung der Anzeigepflicht<lb/> als Voraussetzung des Willens des Versicherers anzusehen ist, sich auf den<lb/> Vertrag überhaupt einzulassen, Auch Änderungen der Gefahrumstäude haben<lb/> dieselbe Bedeutung und Wirkung auf den Fortbestand der Versicherung. Jede<lb/> Verletzung der Anzeigepflicht muß deshalb folgerichtig die Unwirksamkeit des<lb/> ganzen Vcrsichernngsvertrags herbeiführen, d. h. für den Versicherten den<lb/> Wegfall des Anspruchs auf die Entschädigung. Dieselbe Wirkung ist — zum<lb/> Vorteil des glatten Rechnungswesens bei den Versichernngsanstalten, zur Ver¬<lb/> meidung jeder Berdunklungsgefcihr und in dem volkswirtschaftlichen Interesse<lb/> eines möglichst raschen Schadenersatzes — einer Verletzung der Anzeigepflicht nach<lb/> dem Versicheruugsfall oder dem Ablauf der in den Bedingungen festgesetzten<lb/> Frist zur gerichtlichen Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs beizumessen.<lb/> Wenn sich der betroffne Versicherte dadurch beschwert glaubt, mag er die<lb/> Schuld sich selber beimessen — wer verhindert ihn daran, richtige Angaben zu<lb/> machen, die Bedingungen zu studieren und ihre Formvorschriften zu erfüllen!</p><lb/> <p xml:id="ID_2762"> Der Versicherte dagegen denkt vornehmlich daran, daß er, vielleicht<lb/> jahrelang, seine Prämie ohne eine greifbare Gegenleistung gezahlt hat. Nun<lb/> tritt der Versicheruugsfall ein, und die Entschädigung wird ihm streitig gemacht,<lb/> weil er bei dem Versicherungsanträge, eine Nebensächlichkeit nicht richtig an¬<lb/> gegeben, eine Anzeige verbummelt oder eine Frist versäumt hat — alles, ohne<lb/> daß irgend ein Zusammenhang mit dein Unglücksfall oder seinem Entschädigungs¬<lb/> ansprüche ihm erkennbar oder überhaupt vorhanden wäre. Kein Wunder, daß<lb/> er die Versicherungsbedingungen, die zu lesen ihm nie eingefallen ist, für eine<lb/> Sammlung von Fallstricken erklärt, die sich in zwei kurze Sätze zusammen-<lb/> fassen ließen:</p><lb/> <list> <item> H 1. Die Versicherten haben pünktlich die Prämien zu entrichten.</item> <item> !? 2. Irgendwelche Rechte erwachsen ihnen daraus nicht.</item> </list><lb/> </div> <div n="2"> <head> 3</head><lb/> <p xml:id="ID_2763" next="#ID_2764"> Der Richter, der diesen Widerstreit der Anschauungen schlichten soll, ist<lb/> dem gegenüber in einer Übeln Lage. Er kaun nicht verkennen, daß jede der<lb/> beiden Parteien von ihrem Standpunkt aus durchaus nicht Unrecht hat.<lb/> Wenn er nun auch sonst fast immer vou vornherein darauf verzichten muß,<lb/> es beiden Parteien recht zu machen, so ist doch gerade hier kaum eine Ent¬<lb/> scheidung zu vermeiden, die von der einen oder von der andern Seite geradezu<lb/> als ungerecht und der einleuchtenden Billigkeit ins Gesicht schlagend ge¬<lb/> scholten werden kann. Die Versicherungsgesellschaften werfen in einer der er¬<lb/> wähnten Eingaben mit dürren Worten den Gerichten „eine den Gesellschaften<lb/> viel zu feindselige Tendenz der Rechtsprechung" vor; sie behaupten, es sei<lb/> „denn anch vielfach recht schwer gefallen, die betreffenden Entscheidungen<lb/> juristisch zu begründen, und mau habe zu diesem Zwecke zu Begriffen seine<lb/> Zuflucht nehmen müssen, die eine rechtliche Grundlage nicht mehr gehabt<lb/> hatten." Das ist nun freilich Ansichtsnche und kann ohne weiteres als Über¬<lb/> treibung zurückgewiesen werden; im übrigen ist es nicht mehr und nicht minder</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0670]
Versicherungsschutz und Schutz gegen Versicherung
hat. Auf einen Kausalnexus zwischen der Falschheit der Anzeige und einem
eingetretnen Schaden kommt es nicht an, da die Erfüllung der Anzeigepflicht
als Voraussetzung des Willens des Versicherers anzusehen ist, sich auf den
Vertrag überhaupt einzulassen, Auch Änderungen der Gefahrumstäude haben
dieselbe Bedeutung und Wirkung auf den Fortbestand der Versicherung. Jede
Verletzung der Anzeigepflicht muß deshalb folgerichtig die Unwirksamkeit des
ganzen Vcrsichernngsvertrags herbeiführen, d. h. für den Versicherten den
Wegfall des Anspruchs auf die Entschädigung. Dieselbe Wirkung ist — zum
Vorteil des glatten Rechnungswesens bei den Versichernngsanstalten, zur Ver¬
meidung jeder Berdunklungsgefcihr und in dem volkswirtschaftlichen Interesse
eines möglichst raschen Schadenersatzes — einer Verletzung der Anzeigepflicht nach
dem Versicheruugsfall oder dem Ablauf der in den Bedingungen festgesetzten
Frist zur gerichtlichen Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs beizumessen.
Wenn sich der betroffne Versicherte dadurch beschwert glaubt, mag er die
Schuld sich selber beimessen — wer verhindert ihn daran, richtige Angaben zu
machen, die Bedingungen zu studieren und ihre Formvorschriften zu erfüllen!
Der Versicherte dagegen denkt vornehmlich daran, daß er, vielleicht
jahrelang, seine Prämie ohne eine greifbare Gegenleistung gezahlt hat. Nun
tritt der Versicheruugsfall ein, und die Entschädigung wird ihm streitig gemacht,
weil er bei dem Versicherungsanträge, eine Nebensächlichkeit nicht richtig an¬
gegeben, eine Anzeige verbummelt oder eine Frist versäumt hat — alles, ohne
daß irgend ein Zusammenhang mit dein Unglücksfall oder seinem Entschädigungs¬
ansprüche ihm erkennbar oder überhaupt vorhanden wäre. Kein Wunder, daß
er die Versicherungsbedingungen, die zu lesen ihm nie eingefallen ist, für eine
Sammlung von Fallstricken erklärt, die sich in zwei kurze Sätze zusammen-
fassen ließen:
H 1. Die Versicherten haben pünktlich die Prämien zu entrichten.
!? 2. Irgendwelche Rechte erwachsen ihnen daraus nicht.
3
Der Richter, der diesen Widerstreit der Anschauungen schlichten soll, ist
dem gegenüber in einer Übeln Lage. Er kaun nicht verkennen, daß jede der
beiden Parteien von ihrem Standpunkt aus durchaus nicht Unrecht hat.
Wenn er nun auch sonst fast immer vou vornherein darauf verzichten muß,
es beiden Parteien recht zu machen, so ist doch gerade hier kaum eine Ent¬
scheidung zu vermeiden, die von der einen oder von der andern Seite geradezu
als ungerecht und der einleuchtenden Billigkeit ins Gesicht schlagend ge¬
scholten werden kann. Die Versicherungsgesellschaften werfen in einer der er¬
wähnten Eingaben mit dürren Worten den Gerichten „eine den Gesellschaften
viel zu feindselige Tendenz der Rechtsprechung" vor; sie behaupten, es sei
„denn anch vielfach recht schwer gefallen, die betreffenden Entscheidungen
juristisch zu begründen, und mau habe zu diesem Zwecke zu Begriffen seine
Zuflucht nehmen müssen, die eine rechtliche Grundlage nicht mehr gehabt
hatten." Das ist nun freilich Ansichtsnche und kann ohne weiteres als Über¬
treibung zurückgewiesen werden; im übrigen ist es nicht mehr und nicht minder
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |