s ist begreiflich, daß sich die politischen Parteien, denen schon das Privateigentum, wie es durch das bürgerliche Recht an¬ erkannt und gewährleistet wird, vielfach als verwerfliche Be¬ schränkung des allgemeinen Nutzungsrechts erscheint, noch weit weniger mit gesetzlichen Bestimmungen befreunden können, wodurch Großgruudbesitzern unter gewissen Bedingungen die Möglichkeit geboten werden soll, Grundeigentum samt dazu geschlagner Kapitalien und Mobilien nicht bloß von ihrem Vermögen als unveräußerliches und unvcrschnldbares Sondcr- vermögeu abzutrennen, sondern anch für unabsehbare Zeiten über dessen Ver¬ erbung durch Einzelfolge innerhalb einer bestimmten Familie in rechtsverbind¬ licher Weise zu verfügen, Proudhons Anhänger, denen jedes Eigentum als Diebstahl an der Gesamtheit erscheint, zum Eintreten für das Familieu- fideikvmmis; zu bekehren, ist uuter allen Umständen aussichtslos, auch wenn hierbei gebührendermaßen berücksichtigt wird, daß nur eiuzelue Fanatiker den Proudhonschen Satz uneingeschränkt verfechten, während ihn die Sozialdemokratie durch allerhand Einschränkungen zu mildern bemüht ist, deren Dehnbarkeit allen denen erwünschte Hintertürchen offen läßt, die sich für ihre Person eines be¬ häbigen Besitzes erfreuen und dessen Erhaltung und Mehrung nicht bedroht zu scheu wünschen.
Aber auch in deu Kreisen derer, denen es um eine dauernde Entwicklung der bestehenden Staats- und Gcsellschaftsverhältuisse zu tun ist, bekommt man, wenn von Familicnfideikommissen, insbesondre deutschrechtlichen, die Rede ist, zweierlei Meinung zu hören. Die einen sind für, die andern gegen solche Stiftungen eingenommen. Wer dagegen ist, glaubt, daß durch sie die Land¬ wirtschaft oder Handel und Wandel oder gar die bürgerliche Freiheit und Gleich¬ heit gefährdet seien, wer dafür ist, geht davon aus, daß die Familieufideitoimuissc um des Staates und des königlichen Dienstes willen nicht wohl entbehrt werden könnten, da nur durch sie umfänglicher Familienbesitz vor Zersplitterung und Verschuldung bewahrt werden könne, während andrerseits der von der Sorge um das tägliche Brot befreite Besitzer zur Übernahme von Ehrenämtern und zur Führung wichtiger Staatsämter nicht bloß finanziell freie Hand erhalte,
Grenzboten III 1903 81
Familienfideikommisse
s ist begreiflich, daß sich die politischen Parteien, denen schon das Privateigentum, wie es durch das bürgerliche Recht an¬ erkannt und gewährleistet wird, vielfach als verwerfliche Be¬ schränkung des allgemeinen Nutzungsrechts erscheint, noch weit weniger mit gesetzlichen Bestimmungen befreunden können, wodurch Großgruudbesitzern unter gewissen Bedingungen die Möglichkeit geboten werden soll, Grundeigentum samt dazu geschlagner Kapitalien und Mobilien nicht bloß von ihrem Vermögen als unveräußerliches und unvcrschnldbares Sondcr- vermögeu abzutrennen, sondern anch für unabsehbare Zeiten über dessen Ver¬ erbung durch Einzelfolge innerhalb einer bestimmten Familie in rechtsverbind¬ licher Weise zu verfügen, Proudhons Anhänger, denen jedes Eigentum als Diebstahl an der Gesamtheit erscheint, zum Eintreten für das Familieu- fideikvmmis; zu bekehren, ist uuter allen Umständen aussichtslos, auch wenn hierbei gebührendermaßen berücksichtigt wird, daß nur eiuzelue Fanatiker den Proudhonschen Satz uneingeschränkt verfechten, während ihn die Sozialdemokratie durch allerhand Einschränkungen zu mildern bemüht ist, deren Dehnbarkeit allen denen erwünschte Hintertürchen offen läßt, die sich für ihre Person eines be¬ häbigen Besitzes erfreuen und dessen Erhaltung und Mehrung nicht bedroht zu scheu wünschen.
Aber auch in deu Kreisen derer, denen es um eine dauernde Entwicklung der bestehenden Staats- und Gcsellschaftsverhältuisse zu tun ist, bekommt man, wenn von Familicnfideikommissen, insbesondre deutschrechtlichen, die Rede ist, zweierlei Meinung zu hören. Die einen sind für, die andern gegen solche Stiftungen eingenommen. Wer dagegen ist, glaubt, daß durch sie die Land¬ wirtschaft oder Handel und Wandel oder gar die bürgerliche Freiheit und Gleich¬ heit gefährdet seien, wer dafür ist, geht davon aus, daß die Familieufideitoimuissc um des Staates und des königlichen Dienstes willen nicht wohl entbehrt werden könnten, da nur durch sie umfänglicher Familienbesitz vor Zersplitterung und Verschuldung bewahrt werden könne, während andrerseits der von der Sorge um das tägliche Brot befreite Besitzer zur Übernahme von Ehrenämtern und zur Führung wichtiger Staatsämter nicht bloß finanziell freie Hand erhalte,
Grenzboten III 1903 81
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Familienfideikommisse
s ist begreiflich, daß sich die politischen Parteien, denen schon
das Privateigentum, wie es durch das bürgerliche Recht an¬
erkannt und gewährleistet wird, vielfach als verwerfliche Be¬
schränkung des allgemeinen Nutzungsrechts erscheint, noch weit
weniger mit gesetzlichen Bestimmungen befreunden können, wodurch
Großgruudbesitzern unter gewissen Bedingungen die Möglichkeit geboten werden
soll, Grundeigentum samt dazu geschlagner Kapitalien und Mobilien nicht
bloß von ihrem Vermögen als unveräußerliches und unvcrschnldbares Sondcr-
vermögeu abzutrennen, sondern anch für unabsehbare Zeiten über dessen Ver¬
erbung durch Einzelfolge innerhalb einer bestimmten Familie in rechtsverbind¬
licher Weise zu verfügen, Proudhons Anhänger, denen jedes Eigentum als
Diebstahl an der Gesamtheit erscheint, zum Eintreten für das Familieu-
fideikvmmis; zu bekehren, ist uuter allen Umständen aussichtslos, auch wenn
hierbei gebührendermaßen berücksichtigt wird, daß nur eiuzelue Fanatiker den
Proudhonschen Satz uneingeschränkt verfechten, während ihn die Sozialdemokratie
durch allerhand Einschränkungen zu mildern bemüht ist, deren Dehnbarkeit allen
denen erwünschte Hintertürchen offen läßt, die sich für ihre Person eines be¬
häbigen Besitzes erfreuen und dessen Erhaltung und Mehrung nicht bedroht zu
scheu wünschen.
Aber auch in deu Kreisen derer, denen es um eine dauernde Entwicklung der
bestehenden Staats- und Gcsellschaftsverhältuisse zu tun ist, bekommt man,
wenn von Familicnfideikommissen, insbesondre deutschrechtlichen, die Rede ist,
zweierlei Meinung zu hören. Die einen sind für, die andern gegen solche
Stiftungen eingenommen. Wer dagegen ist, glaubt, daß durch sie die Land¬
wirtschaft oder Handel und Wandel oder gar die bürgerliche Freiheit und Gleich¬
heit gefährdet seien, wer dafür ist, geht davon aus, daß die Familieufideitoimuissc
um des Staates und des königlichen Dienstes willen nicht wohl entbehrt werden
könnten, da nur durch sie umfänglicher Familienbesitz vor Zersplitterung und
Verschuldung bewahrt werden könne, während andrerseits der von der Sorge
um das tägliche Brot befreite Besitzer zur Übernahme von Ehrenämtern und
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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/649>, abgerufen am 24.11.2024.
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