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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Prozeßverschleppungen
(Schluß)

brachten wir nun die Statistik der Rechtsanwälte, so finden
wir, daß in den drei erwähnten Bezirken neben Braunschweig
weitaus die meiste" Rechtsnuwälte, die bei Amtsgerichten zu¬
gelassen waren, deren Sitz nicht mit dem eines Landgerichts zu¬
sammenfällt, auch bei dem übergeordneten Landgerichte zugelassen
gewesen find. So waren am 1. Januar 1899 in den Bezirken Karlsruhe von
200 Lnndgerichtsanwälten 55, Stuttgart von 193 Landgerichtsanwälten 48
und Dresden von 551 Landgerichtsanwälten 147 oder 27,5 Prozent, 24,8
und 2(>,(; Prozent zugleich bei auswärtigen Amtsgerichten zugelassen. I"
andern Bezirken, Braunschweig ausgenommen, wo der Prozentsatz der bei aus¬
wärtigen Amtsgerichten zugelassenen Landgerichtscmwülte zu derselben Zeit
33,3 betrug, ist in den übrigen Landgerichtsbezirken dieser Prozentsatz be¬
deutend niedriger. Insbesondre gilt das für Preußen und für Bayern, deren
Berichte für die Prvzeßdauer im allgemeinen weit ungünstigere Zahlen auszu¬
werfen haben, und wo in der Regel keine auswärtigen Amtsgerichtsanwälte
"el den übergeordneten Landgerichten zugelassen sind. Namentlich gibt die
bayrische Pfalz ein sprechendes Beispiel dafür, wie sehr durch das Unwesen
der Korrespvndenzmandatare, wofür in der Regel die beim Landgerichte nicht
Zugelassenen auswärtigen Amtsgcrichtsanwälte für die Landgerichtssachen ihres
Bezirks angesehen werden müssen, die Prozesse verschleppt werden. Bekanntlich
sind die meisten landgerichtlichen Prvzeßrückstäude im Bezirk Zweibrücken. So
waren am 1. Januar 1901 am Landgericht Frankenthal dreizehn Anwälte, ba¬
ngen allein an den Amtsgerichten dieses Bezirks in Ludwigshafen zwölf,
Neustadt a. H. fünf, Speyer und Dürkheim je ein Anwalt zugelassen. Ähnlich
liegen die Dinge beim Landgericht Zweibrücken; an den Amtsgerichten des
Bezirks waren in Pirmasens drei, und in Se. Ingbert ein Anwalt uur an
diesem Gerichte zu derselben Zeit zugelassen. Kämen diese Anwälte ans Land¬
gericht, so würden sie aufhören, Korrespvndenzmaudatare ihrer dortigen Kollegen
Zu sein, sie würden die aus ihrem Amtsgerichtsbezirk stammenden Sachen eben
selbst plädieren, eine größere Verteilung der Praxis und damit eine raschere
Erledigung der Prozesse wäre die notwendige Folge. Es fragt sich nnn weiter:
besteht zwischen der relativ raschen Prozeßerlediguug in Baden, Württemberg
und Sachsen und den dort bestehende,: zahlreichen Simnltauzulassungen aus¬
wärtiger Amtsgerichtsanwältc ein innerer Zusammenhang? Braunschweig kommt
'Acht in Betracht, weil dort andre Gründe, die in diesen Staaten nicht bestehn,
euier raschen Abwicklung der Prozesse hinderlich sind, von denen weiter unten
le Rede sein wird; es handelt sich also hier um eine Ausnahme, die die
Regel bestätigt.




Prozeßverschleppungen
(Schluß)

brachten wir nun die Statistik der Rechtsanwälte, so finden
wir, daß in den drei erwähnten Bezirken neben Braunschweig
weitaus die meiste» Rechtsnuwälte, die bei Amtsgerichten zu¬
gelassen waren, deren Sitz nicht mit dem eines Landgerichts zu¬
sammenfällt, auch bei dem übergeordneten Landgerichte zugelassen
gewesen find. So waren am 1. Januar 1899 in den Bezirken Karlsruhe von
200 Lnndgerichtsanwälten 55, Stuttgart von 193 Landgerichtsanwälten 48
und Dresden von 551 Landgerichtsanwälten 147 oder 27,5 Prozent, 24,8
und 2(>,(; Prozent zugleich bei auswärtigen Amtsgerichten zugelassen. I»
andern Bezirken, Braunschweig ausgenommen, wo der Prozentsatz der bei aus¬
wärtigen Amtsgerichten zugelassenen Landgerichtscmwülte zu derselben Zeit
33,3 betrug, ist in den übrigen Landgerichtsbezirken dieser Prozentsatz be¬
deutend niedriger. Insbesondre gilt das für Preußen und für Bayern, deren
Berichte für die Prvzeßdauer im allgemeinen weit ungünstigere Zahlen auszu¬
werfen haben, und wo in der Regel keine auswärtigen Amtsgerichtsanwälte
"el den übergeordneten Landgerichten zugelassen sind. Namentlich gibt die
bayrische Pfalz ein sprechendes Beispiel dafür, wie sehr durch das Unwesen
der Korrespvndenzmandatare, wofür in der Regel die beim Landgerichte nicht
Zugelassenen auswärtigen Amtsgcrichtsanwälte für die Landgerichtssachen ihres
Bezirks angesehen werden müssen, die Prozesse verschleppt werden. Bekanntlich
sind die meisten landgerichtlichen Prvzeßrückstäude im Bezirk Zweibrücken. So
waren am 1. Januar 1901 am Landgericht Frankenthal dreizehn Anwälte, ba¬
ngen allein an den Amtsgerichten dieses Bezirks in Ludwigshafen zwölf,
Neustadt a. H. fünf, Speyer und Dürkheim je ein Anwalt zugelassen. Ähnlich
liegen die Dinge beim Landgericht Zweibrücken; an den Amtsgerichten des
Bezirks waren in Pirmasens drei, und in Se. Ingbert ein Anwalt uur an
diesem Gerichte zu derselben Zeit zugelassen. Kämen diese Anwälte ans Land¬
gericht, so würden sie aufhören, Korrespvndenzmaudatare ihrer dortigen Kollegen
Zu sein, sie würden die aus ihrem Amtsgerichtsbezirk stammenden Sachen eben
selbst plädieren, eine größere Verteilung der Praxis und damit eine raschere
Erledigung der Prozesse wäre die notwendige Folge. Es fragt sich nnn weiter:
besteht zwischen der relativ raschen Prozeßerlediguug in Baden, Württemberg
und Sachsen und den dort bestehende,: zahlreichen Simnltauzulassungen aus¬
wärtiger Amtsgerichtsanwältc ein innerer Zusammenhang? Braunschweig kommt
'Acht in Betracht, weil dort andre Gründe, die in diesen Staaten nicht bestehn,
euier raschen Abwicklung der Prozesse hinderlich sind, von denen weiter unten
le Rede sein wird; es handelt sich also hier um eine Ausnahme, die die
Regel bestätigt.


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[0605] [Abbildung] Prozeßverschleppungen (Schluß) brachten wir nun die Statistik der Rechtsanwälte, so finden wir, daß in den drei erwähnten Bezirken neben Braunschweig weitaus die meiste» Rechtsnuwälte, die bei Amtsgerichten zu¬ gelassen waren, deren Sitz nicht mit dem eines Landgerichts zu¬ sammenfällt, auch bei dem übergeordneten Landgerichte zugelassen gewesen find. So waren am 1. Januar 1899 in den Bezirken Karlsruhe von 200 Lnndgerichtsanwälten 55, Stuttgart von 193 Landgerichtsanwälten 48 und Dresden von 551 Landgerichtsanwälten 147 oder 27,5 Prozent, 24,8 und 2(>,(; Prozent zugleich bei auswärtigen Amtsgerichten zugelassen. I» andern Bezirken, Braunschweig ausgenommen, wo der Prozentsatz der bei aus¬ wärtigen Amtsgerichten zugelassenen Landgerichtscmwülte zu derselben Zeit 33,3 betrug, ist in den übrigen Landgerichtsbezirken dieser Prozentsatz be¬ deutend niedriger. Insbesondre gilt das für Preußen und für Bayern, deren Berichte für die Prvzeßdauer im allgemeinen weit ungünstigere Zahlen auszu¬ werfen haben, und wo in der Regel keine auswärtigen Amtsgerichtsanwälte "el den übergeordneten Landgerichten zugelassen sind. Namentlich gibt die bayrische Pfalz ein sprechendes Beispiel dafür, wie sehr durch das Unwesen der Korrespvndenzmandatare, wofür in der Regel die beim Landgerichte nicht Zugelassenen auswärtigen Amtsgcrichtsanwälte für die Landgerichtssachen ihres Bezirks angesehen werden müssen, die Prozesse verschleppt werden. Bekanntlich sind die meisten landgerichtlichen Prvzeßrückstäude im Bezirk Zweibrücken. So waren am 1. Januar 1901 am Landgericht Frankenthal dreizehn Anwälte, ba¬ ngen allein an den Amtsgerichten dieses Bezirks in Ludwigshafen zwölf, Neustadt a. H. fünf, Speyer und Dürkheim je ein Anwalt zugelassen. Ähnlich liegen die Dinge beim Landgericht Zweibrücken; an den Amtsgerichten des Bezirks waren in Pirmasens drei, und in Se. Ingbert ein Anwalt uur an diesem Gerichte zu derselben Zeit zugelassen. Kämen diese Anwälte ans Land¬ gericht, so würden sie aufhören, Korrespvndenzmaudatare ihrer dortigen Kollegen Zu sein, sie würden die aus ihrem Amtsgerichtsbezirk stammenden Sachen eben selbst plädieren, eine größere Verteilung der Praxis und damit eine raschere Erledigung der Prozesse wäre die notwendige Folge. Es fragt sich nnn weiter: besteht zwischen der relativ raschen Prozeßerlediguug in Baden, Württemberg und Sachsen und den dort bestehende,: zahlreichen Simnltauzulassungen aus¬ wärtiger Amtsgerichtsanwältc ein innerer Zusammenhang? Braunschweig kommt 'Acht in Betracht, weil dort andre Gründe, die in diesen Staaten nicht bestehn, euier raschen Abwicklung der Prozesse hinderlich sind, von denen weiter unten le Rede sein wird; es handelt sich also hier um eine Ausnahme, die die Regel bestätigt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/605>, abgerufen am 23.11.2024.