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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Die Oorbereitungszeit des Freiherrn vom 5>dem
Veto Uaeininel von

Seethier und die Ostelbier spielen hente in unsern Zeitungen eine
große Rolle. Hütten wir noch ein lebendiges historisches Sprach¬
gefühl, so würden wir lieber Ostalbingien und Ostalbinger sagen,
wie man ja auch von Nordalbingern spricht. Aber der Ausdruck
ist nun einmal geprägt und wird leider oft mit einem gewissen
geringschätzigen Nebensiun, in der Vorstellung, das; diese Landschaften in
mancher Beziehung hinter andern deutschen zurückgeblieben seien, angewandt,
Milz besonders in West- und Süddeutschland, wo man von den Ländern jen¬
seits der Elbe im allgemeinen weder etwas Richtiges weiß noch wissen will.
-!^an ^ nationalen Interesse beklagen, daß zu dem alten Bewußtsein
starker Verschiedenheiten zwischen dem Norden und dein Süden noch das eines
gewissen Gegensatzes zwischen dem Westen und dem Osten Deutschlands ge¬
treten ist, immerhin hat diese Empfindung in: Grunde mehr Berechtigung als
oft künstlich aufgebauschte Vorstellung von einem Gegensatze zwischen Nord
und Süd. Denn nur der Westen bis zur Elbe und zur Saale im Norden, bis
Zum Böhmerwald und zur Enns ist altes deutsches Laud. Der ganze Osten
^t ein den Slawen erst seit dem nennten und zehnten Jahrhundert abgenom¬
menes, erst seit dem zwölftel? und dreizehnten Jahrhundert wenigstens zum
gißten Teil, obwohl noch immer nicht vollständig germanisiertes Erobernngs-
u>>d Kolvnialgebiet, dessen altgermanische, halbnvmadische Bevölkerung dort wenig
puren zurückgelassen hatte. Ohne diese große Erwerbung, auf das sogenannte'eine Deutschland beschränkt, zwischen Romanen und Slawen zusammen ge¬
langt, wären die Deutschen niemals zu einer großen selbständigen mächtigen
^ation geworden. Aber allerdings, der Osten blieb dem Westen gegenüber
vnmer ein verhältnismäßig junges Land, in seineu sozialen, wirtschaftlichen
und politischen Verhältnissen von der ältern und qereiftcrn Kultur des Westciw
verschieden.

Im Westen entwickelte sich früh das städtische Wesen, das vor allem ans
"verde und Handel beruhende, also geldwirtschaftliche Bürgertum zu großer
^edeutung neben dem Adel und dem Klerus. und diese beiden das frühere
^"ttelalter beherrschenden Stände besaßen selten geschlossene große Güter; ihr'


Grenzboten III 1908 73


Die Oorbereitungszeit des Freiherrn vom 5>dem
Veto Uaeininel von

Seethier und die Ostelbier spielen hente in unsern Zeitungen eine
große Rolle. Hütten wir noch ein lebendiges historisches Sprach¬
gefühl, so würden wir lieber Ostalbingien und Ostalbinger sagen,
wie man ja auch von Nordalbingern spricht. Aber der Ausdruck
ist nun einmal geprägt und wird leider oft mit einem gewissen
geringschätzigen Nebensiun, in der Vorstellung, das; diese Landschaften in
mancher Beziehung hinter andern deutschen zurückgeblieben seien, angewandt,
Milz besonders in West- und Süddeutschland, wo man von den Ländern jen¬
seits der Elbe im allgemeinen weder etwas Richtiges weiß noch wissen will.
-!^an ^ nationalen Interesse beklagen, daß zu dem alten Bewußtsein
starker Verschiedenheiten zwischen dem Norden und dein Süden noch das eines
gewissen Gegensatzes zwischen dem Westen und dem Osten Deutschlands ge¬
treten ist, immerhin hat diese Empfindung in: Grunde mehr Berechtigung als
oft künstlich aufgebauschte Vorstellung von einem Gegensatze zwischen Nord
und Süd. Denn nur der Westen bis zur Elbe und zur Saale im Norden, bis
Zum Böhmerwald und zur Enns ist altes deutsches Laud. Der ganze Osten
^t ein den Slawen erst seit dem nennten und zehnten Jahrhundert abgenom¬
menes, erst seit dem zwölftel? und dreizehnten Jahrhundert wenigstens zum
gißten Teil, obwohl noch immer nicht vollständig germanisiertes Erobernngs-
u>>d Kolvnialgebiet, dessen altgermanische, halbnvmadische Bevölkerung dort wenig
puren zurückgelassen hatte. Ohne diese große Erwerbung, auf das sogenannte'eine Deutschland beschränkt, zwischen Romanen und Slawen zusammen ge¬
langt, wären die Deutschen niemals zu einer großen selbständigen mächtigen
^ation geworden. Aber allerdings, der Osten blieb dem Westen gegenüber
vnmer ein verhältnismäßig junges Land, in seineu sozialen, wirtschaftlichen
und politischen Verhältnissen von der ältern und qereiftcrn Kultur des Westciw
verschieden.

Im Westen entwickelte sich früh das städtische Wesen, das vor allem ans
"verde und Handel beruhende, also geldwirtschaftliche Bürgertum zu großer
^edeutung neben dem Adel und dem Klerus. und diese beiden das frühere
^"ttelalter beherrschenden Stände besaßen selten geschlossene große Güter; ihr'


Grenzboten III 1908 73
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[0585] [Abbildung] Die Oorbereitungszeit des Freiherrn vom 5>dem Veto Uaeininel von Seethier und die Ostelbier spielen hente in unsern Zeitungen eine große Rolle. Hütten wir noch ein lebendiges historisches Sprach¬ gefühl, so würden wir lieber Ostalbingien und Ostalbinger sagen, wie man ja auch von Nordalbingern spricht. Aber der Ausdruck ist nun einmal geprägt und wird leider oft mit einem gewissen geringschätzigen Nebensiun, in der Vorstellung, das; diese Landschaften in mancher Beziehung hinter andern deutschen zurückgeblieben seien, angewandt, Milz besonders in West- und Süddeutschland, wo man von den Ländern jen¬ seits der Elbe im allgemeinen weder etwas Richtiges weiß noch wissen will. -!^an ^ nationalen Interesse beklagen, daß zu dem alten Bewußtsein starker Verschiedenheiten zwischen dem Norden und dein Süden noch das eines gewissen Gegensatzes zwischen dem Westen und dem Osten Deutschlands ge¬ treten ist, immerhin hat diese Empfindung in: Grunde mehr Berechtigung als oft künstlich aufgebauschte Vorstellung von einem Gegensatze zwischen Nord und Süd. Denn nur der Westen bis zur Elbe und zur Saale im Norden, bis Zum Böhmerwald und zur Enns ist altes deutsches Laud. Der ganze Osten ^t ein den Slawen erst seit dem nennten und zehnten Jahrhundert abgenom¬ menes, erst seit dem zwölftel? und dreizehnten Jahrhundert wenigstens zum gißten Teil, obwohl noch immer nicht vollständig germanisiertes Erobernngs- u>>d Kolvnialgebiet, dessen altgermanische, halbnvmadische Bevölkerung dort wenig puren zurückgelassen hatte. Ohne diese große Erwerbung, auf das sogenannte'eine Deutschland beschränkt, zwischen Romanen und Slawen zusammen ge¬ langt, wären die Deutschen niemals zu einer großen selbständigen mächtigen ^ation geworden. Aber allerdings, der Osten blieb dem Westen gegenüber vnmer ein verhältnismäßig junges Land, in seineu sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen von der ältern und qereiftcrn Kultur des Westciw verschieden. Im Westen entwickelte sich früh das städtische Wesen, das vor allem ans "verde und Handel beruhende, also geldwirtschaftliche Bürgertum zu großer ^edeutung neben dem Adel und dem Klerus. und diese beiden das frühere ^"ttelalter beherrschenden Stände besaßen selten geschlossene große Güter; ihr' Grenzboten III 1908 73

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/585>, abgerufen am 24.11.2024.