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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Rußland in Vorderasien

Wenn uns so bei der Betrachtung Rußlands in Turkestan ganz wesent¬
lich die Erfolge seiner Tätigkeit entgegentreten, wenn wir deu Eindruck ge¬
winnen, daß'diese Arbeit durchaus im Dienste bedeutender ^dem steht, so
finden wir keinen dieser Erfolge westlich vom Kaspischen Meere, in Trans-
kaukasien. Ich habe schon kurz die Grunde erwähut. die hier von Aufang an
einer kolonisatorisch erfolgreichen Tätigkeit entgegentraten.

Ein großer Teil Transkaukasiens besteht ans dem wenig fruchtbaren
armenischen Hochlande, das zum Anbau von Kulturpflanzen, die für Rußland
vou besondern! NuKen sein konnten. zu kalt ist. In der Ebene des Rion und
der Kura wäre das Klima allerdings heiß genug, hier aber sitzt eme Be¬
völkerung, die zu jeder Kulturarbeit uuverwendbar ist: westlich von Tiflis die
Georgier, faul und indolent, dabei von einem dummen Hochmut erfüllt, östlich
von Tiflis an der untern Knra nomadische Tataren, deren absolute Bedürfms-
losigkeit der schlimmste Feind jeder größern Tätigkeit ist. Das einzige, was
russische Initiative geschaffen hat. sind die Kohlenbergwerke bei Kudus. Sonst
sind die massenhaften SclMc des Bodens entweder unausgebeutet oder werden
von Ausländern erschlossen,' wie die Kupfererze von Alexcmdropol und Kedabcg.
die Naphthareichtümer von Baku. Alles intensive Streben der Russen in
Transkaukasien gilt der Vorbereitung, ihre Grenzen gegen die asiatische Türkei
zu verschieben. Es ist dasselbe Streben, das sie auf ihrer ganzen asiatischen
Front, vom Schwarzen Meer bis zum Stillen Ozean, verfolgen.

Sie suchen zunächst, durch Eisenbahn- und Straßenbauten, durch Gruppierung
ihrer Streitkräfte an den Hauptvormarschstraßen die Bedingungen für die Er¬
öffnung des Feldzugs günstig zu gestalten. In weit höherm Grade als in
unseru Kulturländern bewegt sich in weniger kultivierten Gebieten aller Ver¬
kehr in bestimmten, oft jahrtausendealten Richtungen. In ihnen kommt die
Summe der Erfahrungen über Wegsmnkeit und Verpflegungsmittel, ins¬
besondre über das Vorhandensein von Wasser zum Ausdruck, Erfahrungen,
die sich die militärische Operation zunutze machen muß in demselben Maße,
wie die Wanderungen der Stämme seit den ältesten Zeiten, wie noch heute
täglich der Weg der Karawanen von ihnen bestimmt wird. Wohl kann hier
und da die militärische Notwendigkeit zur Nichtachtung dieser Wege zwingen,
aber die große Operation ist mit unbedingter Bestimmtheit an sie gebunden.
Mit viel höherer Sicherheit also als in West- und in Mitteleuropa kann man
in diefen Gebieten aus dein Wegenetz Schlüsse auf deu Verlauf der einleitenden
Operationen und dn, wo sich sein Ausbau in gewissen Richtungen verfolgen
üHt. auch auf die Absichten der Heeresleitung ziehn.

(Schluß folgt)




Rußland in Vorderasien

Wenn uns so bei der Betrachtung Rußlands in Turkestan ganz wesent¬
lich die Erfolge seiner Tätigkeit entgegentreten, wenn wir deu Eindruck ge¬
winnen, daß'diese Arbeit durchaus im Dienste bedeutender ^dem steht, so
finden wir keinen dieser Erfolge westlich vom Kaspischen Meere, in Trans-
kaukasien. Ich habe schon kurz die Grunde erwähut. die hier von Aufang an
einer kolonisatorisch erfolgreichen Tätigkeit entgegentraten.

Ein großer Teil Transkaukasiens besteht ans dem wenig fruchtbaren
armenischen Hochlande, das zum Anbau von Kulturpflanzen, die für Rußland
vou besondern! NuKen sein konnten. zu kalt ist. In der Ebene des Rion und
der Kura wäre das Klima allerdings heiß genug, hier aber sitzt eme Be¬
völkerung, die zu jeder Kulturarbeit uuverwendbar ist: westlich von Tiflis die
Georgier, faul und indolent, dabei von einem dummen Hochmut erfüllt, östlich
von Tiflis an der untern Knra nomadische Tataren, deren absolute Bedürfms-
losigkeit der schlimmste Feind jeder größern Tätigkeit ist. Das einzige, was
russische Initiative geschaffen hat. sind die Kohlenbergwerke bei Kudus. Sonst
sind die massenhaften SclMc des Bodens entweder unausgebeutet oder werden
von Ausländern erschlossen,' wie die Kupfererze von Alexcmdropol und Kedabcg.
die Naphthareichtümer von Baku. Alles intensive Streben der Russen in
Transkaukasien gilt der Vorbereitung, ihre Grenzen gegen die asiatische Türkei
zu verschieben. Es ist dasselbe Streben, das sie auf ihrer ganzen asiatischen
Front, vom Schwarzen Meer bis zum Stillen Ozean, verfolgen.

Sie suchen zunächst, durch Eisenbahn- und Straßenbauten, durch Gruppierung
ihrer Streitkräfte an den Hauptvormarschstraßen die Bedingungen für die Er¬
öffnung des Feldzugs günstig zu gestalten. In weit höherm Grade als in
unseru Kulturländern bewegt sich in weniger kultivierten Gebieten aller Ver¬
kehr in bestimmten, oft jahrtausendealten Richtungen. In ihnen kommt die
Summe der Erfahrungen über Wegsmnkeit und Verpflegungsmittel, ins¬
besondre über das Vorhandensein von Wasser zum Ausdruck, Erfahrungen,
die sich die militärische Operation zunutze machen muß in demselben Maße,
wie die Wanderungen der Stämme seit den ältesten Zeiten, wie noch heute
täglich der Weg der Karawanen von ihnen bestimmt wird. Wohl kann hier
und da die militärische Notwendigkeit zur Nichtachtung dieser Wege zwingen,
aber die große Operation ist mit unbedingter Bestimmtheit an sie gebunden.
Mit viel höherer Sicherheit also als in West- und in Mitteleuropa kann man
in diefen Gebieten aus dein Wegenetz Schlüsse auf deu Verlauf der einleitenden
Operationen und dn, wo sich sein Ausbau in gewissen Richtungen verfolgen
üHt. auch auf die Absichten der Heeresleitung ziehn.

(Schluß folgt)




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[0527] Rußland in Vorderasien Wenn uns so bei der Betrachtung Rußlands in Turkestan ganz wesent¬ lich die Erfolge seiner Tätigkeit entgegentreten, wenn wir deu Eindruck ge¬ winnen, daß'diese Arbeit durchaus im Dienste bedeutender ^dem steht, so finden wir keinen dieser Erfolge westlich vom Kaspischen Meere, in Trans- kaukasien. Ich habe schon kurz die Grunde erwähut. die hier von Aufang an einer kolonisatorisch erfolgreichen Tätigkeit entgegentraten. Ein großer Teil Transkaukasiens besteht ans dem wenig fruchtbaren armenischen Hochlande, das zum Anbau von Kulturpflanzen, die für Rußland vou besondern! NuKen sein konnten. zu kalt ist. In der Ebene des Rion und der Kura wäre das Klima allerdings heiß genug, hier aber sitzt eme Be¬ völkerung, die zu jeder Kulturarbeit uuverwendbar ist: westlich von Tiflis die Georgier, faul und indolent, dabei von einem dummen Hochmut erfüllt, östlich von Tiflis an der untern Knra nomadische Tataren, deren absolute Bedürfms- losigkeit der schlimmste Feind jeder größern Tätigkeit ist. Das einzige, was russische Initiative geschaffen hat. sind die Kohlenbergwerke bei Kudus. Sonst sind die massenhaften SclMc des Bodens entweder unausgebeutet oder werden von Ausländern erschlossen,' wie die Kupfererze von Alexcmdropol und Kedabcg. die Naphthareichtümer von Baku. Alles intensive Streben der Russen in Transkaukasien gilt der Vorbereitung, ihre Grenzen gegen die asiatische Türkei zu verschieben. Es ist dasselbe Streben, das sie auf ihrer ganzen asiatischen Front, vom Schwarzen Meer bis zum Stillen Ozean, verfolgen. Sie suchen zunächst, durch Eisenbahn- und Straßenbauten, durch Gruppierung ihrer Streitkräfte an den Hauptvormarschstraßen die Bedingungen für die Er¬ öffnung des Feldzugs günstig zu gestalten. In weit höherm Grade als in unseru Kulturländern bewegt sich in weniger kultivierten Gebieten aller Ver¬ kehr in bestimmten, oft jahrtausendealten Richtungen. In ihnen kommt die Summe der Erfahrungen über Wegsmnkeit und Verpflegungsmittel, ins¬ besondre über das Vorhandensein von Wasser zum Ausdruck, Erfahrungen, die sich die militärische Operation zunutze machen muß in demselben Maße, wie die Wanderungen der Stämme seit den ältesten Zeiten, wie noch heute täglich der Weg der Karawanen von ihnen bestimmt wird. Wohl kann hier und da die militärische Notwendigkeit zur Nichtachtung dieser Wege zwingen, aber die große Operation ist mit unbedingter Bestimmtheit an sie gebunden. Mit viel höherer Sicherheit also als in West- und in Mitteleuropa kann man in diefen Gebieten aus dein Wegenetz Schlüsse auf deu Verlauf der einleitenden Operationen und dn, wo sich sein Ausbau in gewissen Richtungen verfolgen üHt. auch auf die Absichten der Heeresleitung ziehn. (Schluß folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/527>, abgerufen am 01.09.2024.