Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.Rußland in Vorderasien er Versuch, in dem engen Rahmen dieser Abhandlung die Stellung ^'es Werde ganz absehen von der Frage, wie die heutigen Dinge historisch Grenzboten III 1903 65
Rußland in Vorderasien er Versuch, in dem engen Rahmen dieser Abhandlung die Stellung ^'es Werde ganz absehen von der Frage, wie die heutigen Dinge historisch Grenzboten III 1903 65
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[Abbildung]
Rußland in Vorderasien
er Versuch, in dem engen Rahmen dieser Abhandlung die Stellung
Rußlands in Vorderasien zu charakterisieren, muß sich darauf be¬
schränken, in Umrissen die wesentlichen Ziele seiner Tätigkeit und
die Grundbedingungen seines Vorschreitens hervorzuheben. Ich
werde dabei die Eindrücke zugrunde legen, die ich auf laugen
Streifziigm in dem Gebiete gewonnen habe, das sich vom Schwarzen Meere
Zu den Hängen des Thinnschan und des Pamir, vom Kaukasus zum hohen
^ran^und zur syrischen Küste erstreckt.
^'es Werde ganz absehen von der Frage, wie die heutigen Dinge historisch
geworden sind. Nur auf das eine darf ich kurz hinweisen, wie seit den Tagen
Peters des Großen die Politik Rußlands in den Bahnen geblieben ist, die
Peter ihr gewiesen hat: sie drängt nach Westen, sie beeinflußt den Westen, sie
empfängt vom Westen freundliche und feindliche Gegenwirkung. So geht der
große Zug russischer Politik bis in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts
vorwiegend nach Westen. Endlich aber begann mit Naturgewalt eine kräftige
Umkehr von der bisherigen Richtung. Sie folgte zuerst dem Drängen weiter
und einflußreicher Schichten der russischen Gesellschaft; in der Gegenwart ist
sie der Grundgedanke der russischen Politik. Diese Politik ist getragen von
der innern Stimmung der ganzen Nation, soweit sie überhaupt an politischen
fragen teilnimmt. Immer mächtiger wird in dem russischen Volke die Über-
Zeugung, „Rußlands Hand über ganz Asien" sei das von Gott selbst dem
russischen Volke gesetzte Ziel. So erscheint uns die Kolonisation der Russen
w dem Teile Asiens, der heute ihrer Herrschaft gehorcht, nicht als Selbst-
Zweck. Nußland besitzt die Kolonien nicht um des wirtschaftlichen Erfolges
onem, sie sind ihm nur das Mittel, seine große Politik durchzuführen: das
gewonnene Gebiet soll als neue Provinz dein Reiche angegliedert, mit seinem
lsherigcn Bestände eng verschmolzen werden. Nur dann kann es die feste
rnndlage bilden, auf der sich die weitere Vorschiebung der Grenzen aufzu-
. alten hat. Diesen Gedanken hat ein russischer Politiker vor wenig Jahren
w die Worte gekleidet: „Jede Scholle, die an russischen Stiefelabsätzen hangen
lewt, ist kein Kolonialboden, sondern Rußland selbst. Rußland hat keine
Atomen und will keine Kolonien, es will in Asien nur Rußland. Wo ein
Grenzboten III 1903 65
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