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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Der Marquis von Marigny

danke ein eine völlige Beseitigung des Königtums laut, anfangs zaghaft und ver¬
blümt und ohne daß man seiner Tragweite bewußt war, denn immer deutlicher
und herausfordernder. Der Pöbel, der vor allem neuen znerst erschrickt, ihm bald
darauf aber um so begeisterter huldigt, griff die Idee einer Republik um so be¬
gieriger auf, als sich die Journale, die jetzt wie Pilze emporschössen, zur vor¬
nehmsten Aufgabe machten, auf die Zeiten der römischen Republik als eine Periode
der allgemeinen Glückseligkeit, der Menschlichkeit und der Tugend hinzuweisen.
Und weil das Volk im dunkeln Bewußtsein seiner Urteilslosigkeit des Glaubens an
Autoritäten bedarf und sich bei seinem Tun gern an Namen klammert, mit denen
es einen unklaren Begriff verbindet, so beschloß es die feierliche Überführung der
Gebeine Voltaires aus der stillen Gruft von Seellieres nach dem Pantheon. Der
Staub des großen Spötters, aufgebahrt im Heiligtum der Revolution, sollte dem
Kampfe gegen Despotismus und Hierarchie die Weihe der Philosophie geben. Nicht
als ob die Fanatiker der Freiheit und der Gleichheit einer Rechtfertigung vor sich
selbst bedurft hätte"! Aber sie sahen die Augen der ganzen Welt auf sich gerichtet
und hielten es für nötig, die Völker durch Entfaltung eines theatralischen Pompes
zu blenden und für die neuen Ideen zu gewinnen. Im Auslande freilich hatte sich
längst ein Wechsel der Anschauungen vollzogen; auch dort, wo man die Anfange
der Revolution mit teilnehmender Begeisterung begrüßt hatte, war inzwischen die
Überzeugung durchgedrungen, daß die von Paris cmsgegangne Bewegung ihren
anfänglichen Zielen untreu geworden und auf dem besten Wege sei, das Übel der
Despotie durch das tausendmal schlimmere und widerlichere der Demagogie zu
ersetzen.

Die Monarchen Europas, durch die Ereignisse des 20. und 21. Juni unsanft
aus ihrem Schlummer aufgerüttelt, lumen langsam -- ganz langsam -- zu der
Einsicht, daß das, was ihrem allerchristlichsten Bruder von Frankreich zugestoßen
war, auch ihnen selbst einmal drohen könnte, wenn sie sich nicht bald entschlössen,
einen kalten Wasserstrahl in den Pariser Feuerbrand zu senden. Und in der all¬
gemeinen Not vergaßen sie ihre kleinen Zwistigkeiten und trafen Anstalten zu
gemeinsamem Vorgehn. Sogar zwischen Preußen und Österreich wurde ein Bündnis
vorbereitet, dessen Verwirklichung sich bei der grundsätzlichen Meinungsverschieden¬
heit der Monarchen über die zu gebrauchenden Mittel und bei der Schwerfälligkeit
der beiderseitigen Kabinette freilich sehr verzögerte und in der schwächlichen Deklaration
von Pillnitz zunächst seinen Abschluß fand. Am tatkräftigsten zeigte sich noch der
König von Schweden: er erschien in eigner Person in Aachen, um mit dem nach
Luxemburg geflüchteten General BouilllZ einen Kriegsplan zu entwerfen.

In Frankreich war man für diese Vorgänge nicht blind. Man schrieb sie den
Einwirkungen der Emigranten zu, obgleich diese um den Höfen keinen nennenswerten
Einfluß hatten und überall mit Mißtrauen aufgenommen wurden. Ludwig der
Sechzehnte selbst, in andern Dingen weniger scharfsichtig, sah nicht mit Unrecht in
den Flüchtlingen und ihrem Verhalten eine ernstliche Gefahr für sich und seine
Sache und bemühte sich -- freilich erfolglos --, seine Brüder und ihren Anhang
zur Rückkehr zu bewegen. Die Nationalversammlung ging gegen das "auswärtige
Frankreich" mit aller ihr zu Gebote flehenden Strenge vor, sie bedrohte alle
Aristokraten, die bis zum 1. Januar des kommenden Jahres nicht zurückgekehrt
sein würde", mit der Todesstrafe und stellte die Prinzen und ihre Ratgeber unter
Anklage des Hochverrats.

Diese Maßnahmen steigerten den Haß und die Wild der Emigranten ins Un¬
gemessene und führten sie zu einer Überschätzung ihrer politischen und militärischen
Bedeutung. Seit der Graf von der Provence, der ältere der beiden Brüder des
Königs, ebenfalls in Koblenz Aufenthalt genommen und den fremden Mächten
gegenüber jede Negierungshandlung Ludwigs des Sechzehnten für unverbindlich er¬
klärt hatte, war die kurfürstliche Residenz zu einem kleinen Versailles geworden.
In demselben Maße, wie die Mittel der Prinzen zusammenschmolzen, vergrößerte


Der Marquis von Marigny

danke ein eine völlige Beseitigung des Königtums laut, anfangs zaghaft und ver¬
blümt und ohne daß man seiner Tragweite bewußt war, denn immer deutlicher
und herausfordernder. Der Pöbel, der vor allem neuen znerst erschrickt, ihm bald
darauf aber um so begeisterter huldigt, griff die Idee einer Republik um so be¬
gieriger auf, als sich die Journale, die jetzt wie Pilze emporschössen, zur vor¬
nehmsten Aufgabe machten, auf die Zeiten der römischen Republik als eine Periode
der allgemeinen Glückseligkeit, der Menschlichkeit und der Tugend hinzuweisen.
Und weil das Volk im dunkeln Bewußtsein seiner Urteilslosigkeit des Glaubens an
Autoritäten bedarf und sich bei seinem Tun gern an Namen klammert, mit denen
es einen unklaren Begriff verbindet, so beschloß es die feierliche Überführung der
Gebeine Voltaires aus der stillen Gruft von Seellieres nach dem Pantheon. Der
Staub des großen Spötters, aufgebahrt im Heiligtum der Revolution, sollte dem
Kampfe gegen Despotismus und Hierarchie die Weihe der Philosophie geben. Nicht
als ob die Fanatiker der Freiheit und der Gleichheit einer Rechtfertigung vor sich
selbst bedurft hätte«! Aber sie sahen die Augen der ganzen Welt auf sich gerichtet
und hielten es für nötig, die Völker durch Entfaltung eines theatralischen Pompes
zu blenden und für die neuen Ideen zu gewinnen. Im Auslande freilich hatte sich
längst ein Wechsel der Anschauungen vollzogen; auch dort, wo man die Anfange
der Revolution mit teilnehmender Begeisterung begrüßt hatte, war inzwischen die
Überzeugung durchgedrungen, daß die von Paris cmsgegangne Bewegung ihren
anfänglichen Zielen untreu geworden und auf dem besten Wege sei, das Übel der
Despotie durch das tausendmal schlimmere und widerlichere der Demagogie zu
ersetzen.

Die Monarchen Europas, durch die Ereignisse des 20. und 21. Juni unsanft
aus ihrem Schlummer aufgerüttelt, lumen langsam — ganz langsam — zu der
Einsicht, daß das, was ihrem allerchristlichsten Bruder von Frankreich zugestoßen
war, auch ihnen selbst einmal drohen könnte, wenn sie sich nicht bald entschlössen,
einen kalten Wasserstrahl in den Pariser Feuerbrand zu senden. Und in der all¬
gemeinen Not vergaßen sie ihre kleinen Zwistigkeiten und trafen Anstalten zu
gemeinsamem Vorgehn. Sogar zwischen Preußen und Österreich wurde ein Bündnis
vorbereitet, dessen Verwirklichung sich bei der grundsätzlichen Meinungsverschieden¬
heit der Monarchen über die zu gebrauchenden Mittel und bei der Schwerfälligkeit
der beiderseitigen Kabinette freilich sehr verzögerte und in der schwächlichen Deklaration
von Pillnitz zunächst seinen Abschluß fand. Am tatkräftigsten zeigte sich noch der
König von Schweden: er erschien in eigner Person in Aachen, um mit dem nach
Luxemburg geflüchteten General BouilllZ einen Kriegsplan zu entwerfen.

In Frankreich war man für diese Vorgänge nicht blind. Man schrieb sie den
Einwirkungen der Emigranten zu, obgleich diese um den Höfen keinen nennenswerten
Einfluß hatten und überall mit Mißtrauen aufgenommen wurden. Ludwig der
Sechzehnte selbst, in andern Dingen weniger scharfsichtig, sah nicht mit Unrecht in
den Flüchtlingen und ihrem Verhalten eine ernstliche Gefahr für sich und seine
Sache und bemühte sich — freilich erfolglos —, seine Brüder und ihren Anhang
zur Rückkehr zu bewegen. Die Nationalversammlung ging gegen das „auswärtige
Frankreich" mit aller ihr zu Gebote flehenden Strenge vor, sie bedrohte alle
Aristokraten, die bis zum 1. Januar des kommenden Jahres nicht zurückgekehrt
sein würde», mit der Todesstrafe und stellte die Prinzen und ihre Ratgeber unter
Anklage des Hochverrats.

Diese Maßnahmen steigerten den Haß und die Wild der Emigranten ins Un¬
gemessene und führten sie zu einer Überschätzung ihrer politischen und militärischen
Bedeutung. Seit der Graf von der Provence, der ältere der beiden Brüder des
Königs, ebenfalls in Koblenz Aufenthalt genommen und den fremden Mächten
gegenüber jede Negierungshandlung Ludwigs des Sechzehnten für unverbindlich er¬
klärt hatte, war die kurfürstliche Residenz zu einem kleinen Versailles geworden.
In demselben Maße, wie die Mittel der Prinzen zusammenschmolzen, vergrößerte


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[0052] Der Marquis von Marigny danke ein eine völlige Beseitigung des Königtums laut, anfangs zaghaft und ver¬ blümt und ohne daß man seiner Tragweite bewußt war, denn immer deutlicher und herausfordernder. Der Pöbel, der vor allem neuen znerst erschrickt, ihm bald darauf aber um so begeisterter huldigt, griff die Idee einer Republik um so be¬ gieriger auf, als sich die Journale, die jetzt wie Pilze emporschössen, zur vor¬ nehmsten Aufgabe machten, auf die Zeiten der römischen Republik als eine Periode der allgemeinen Glückseligkeit, der Menschlichkeit und der Tugend hinzuweisen. Und weil das Volk im dunkeln Bewußtsein seiner Urteilslosigkeit des Glaubens an Autoritäten bedarf und sich bei seinem Tun gern an Namen klammert, mit denen es einen unklaren Begriff verbindet, so beschloß es die feierliche Überführung der Gebeine Voltaires aus der stillen Gruft von Seellieres nach dem Pantheon. Der Staub des großen Spötters, aufgebahrt im Heiligtum der Revolution, sollte dem Kampfe gegen Despotismus und Hierarchie die Weihe der Philosophie geben. Nicht als ob die Fanatiker der Freiheit und der Gleichheit einer Rechtfertigung vor sich selbst bedurft hätte«! Aber sie sahen die Augen der ganzen Welt auf sich gerichtet und hielten es für nötig, die Völker durch Entfaltung eines theatralischen Pompes zu blenden und für die neuen Ideen zu gewinnen. Im Auslande freilich hatte sich längst ein Wechsel der Anschauungen vollzogen; auch dort, wo man die Anfange der Revolution mit teilnehmender Begeisterung begrüßt hatte, war inzwischen die Überzeugung durchgedrungen, daß die von Paris cmsgegangne Bewegung ihren anfänglichen Zielen untreu geworden und auf dem besten Wege sei, das Übel der Despotie durch das tausendmal schlimmere und widerlichere der Demagogie zu ersetzen. Die Monarchen Europas, durch die Ereignisse des 20. und 21. Juni unsanft aus ihrem Schlummer aufgerüttelt, lumen langsam — ganz langsam — zu der Einsicht, daß das, was ihrem allerchristlichsten Bruder von Frankreich zugestoßen war, auch ihnen selbst einmal drohen könnte, wenn sie sich nicht bald entschlössen, einen kalten Wasserstrahl in den Pariser Feuerbrand zu senden. Und in der all¬ gemeinen Not vergaßen sie ihre kleinen Zwistigkeiten und trafen Anstalten zu gemeinsamem Vorgehn. Sogar zwischen Preußen und Österreich wurde ein Bündnis vorbereitet, dessen Verwirklichung sich bei der grundsätzlichen Meinungsverschieden¬ heit der Monarchen über die zu gebrauchenden Mittel und bei der Schwerfälligkeit der beiderseitigen Kabinette freilich sehr verzögerte und in der schwächlichen Deklaration von Pillnitz zunächst seinen Abschluß fand. Am tatkräftigsten zeigte sich noch der König von Schweden: er erschien in eigner Person in Aachen, um mit dem nach Luxemburg geflüchteten General BouilllZ einen Kriegsplan zu entwerfen. In Frankreich war man für diese Vorgänge nicht blind. Man schrieb sie den Einwirkungen der Emigranten zu, obgleich diese um den Höfen keinen nennenswerten Einfluß hatten und überall mit Mißtrauen aufgenommen wurden. Ludwig der Sechzehnte selbst, in andern Dingen weniger scharfsichtig, sah nicht mit Unrecht in den Flüchtlingen und ihrem Verhalten eine ernstliche Gefahr für sich und seine Sache und bemühte sich — freilich erfolglos —, seine Brüder und ihren Anhang zur Rückkehr zu bewegen. Die Nationalversammlung ging gegen das „auswärtige Frankreich" mit aller ihr zu Gebote flehenden Strenge vor, sie bedrohte alle Aristokraten, die bis zum 1. Januar des kommenden Jahres nicht zurückgekehrt sein würde», mit der Todesstrafe und stellte die Prinzen und ihre Ratgeber unter Anklage des Hochverrats. Diese Maßnahmen steigerten den Haß und die Wild der Emigranten ins Un¬ gemessene und führten sie zu einer Überschätzung ihrer politischen und militärischen Bedeutung. Seit der Graf von der Provence, der ältere der beiden Brüder des Königs, ebenfalls in Koblenz Aufenthalt genommen und den fremden Mächten gegenüber jede Negierungshandlung Ludwigs des Sechzehnten für unverbindlich er¬ klärt hatte, war die kurfürstliche Residenz zu einem kleinen Versailles geworden. In demselben Maße, wie die Mittel der Prinzen zusammenschmolzen, vergrößerte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/52>, abgerufen am 09.11.2024.