Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutsche" Sprache denkende Leser, aber für die Unmündigen sind sie keine bekömmliche Kost, und Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache L. Günther von in (Fortsetzung) ächst dem "Hängen" ist die für weniger schimpflich geltende Ent¬ . Gemeinschaftlich auf die Todesstrafe", des Hängens und des Enthnupteus Grenzboten III 1903 g2
Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutsche» Sprache denkende Leser, aber für die Unmündigen sind sie keine bekömmliche Kost, und Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache L. Günther von in (Fortsetzung) ächst dem „Hängen" ist die für weniger schimpflich geltende Ent¬ . Gemeinschaftlich auf die Todesstrafe», des Hängens und des Enthnupteus Grenzboten III 1903 g2
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0497" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241711"/> <fw type="header" place="top"> Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutsche» Sprache</fw><lb/> <p xml:id="ID_1973" prev="#ID_1972"> denkende Leser, aber für die Unmündigen sind sie keine bekömmliche Kost, und<lb/> wenn man neuerdings sogar Vvlksabcnde mit Lichtbildervortrügen über Ruskin<lb/> veranstaltet, so können wir das nur für eine der vielen Verirrungen unsrer<lb/> heutigen sogenannten Kunsterziehung halten. Die Erzieher mögen sich an einem<lb/> solchen Abend sehr weise vorkommen. Um so konfuser werden die Zöglinge<lb/> uach Hause gehn.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen<lb/> deutschen Sprache<lb/><note type="byline"> L. Günther</note> von in<lb/> (Fortsetzung)</head><lb/> <p xml:id="ID_1974"> ächst dem „Hängen" ist die für weniger schimpflich geltende Ent¬<lb/> hauptung (mit dem Schwerte) schon im Mittelalter, wo man sie<lb/> wohl als „Tod mit nasser oder blutiger Hand" dem „trocknen"<lb/> Tod am Galgen gegenüberstellte, eine der häufigsten Strafen am<lb/> Leben gewesen (vergl. z. B. Sachsenspiegel II, Art. 13, Z 5), die<lb/> namentlich für den — nicht durch besondre Umstände erschwerten —<lb/> Totschlag die Regel gebildet hat. Auch für diese Exekution aber finden sich in<lb/> ältern Gesetzen und gerichtlichen Urteilen — in diesen sogar vereinzelt bis ins<lb/> siebzehnte Jahrhundert hinein — allerlei den blutigen Vorgang teils umhüllende,<lb/> teils aber auch uoch plastischer ausmalende humoristische Umschreibungen, von<lb/> denen uns ebenfalls noch einzelne nach dein gegenwärtigen Sprachgebrauche<lb/> geläufig sind. So wissen wir z. B. noch recht gut, wenn wir hören, es sei je¬<lb/> mand „umeiuen Kopf" (früher wohl auch „umeineSpcmne") „kürzergemacht"<lb/> worden, daß es sich dabei um den eignen Kopf eines Hingerichteten oder Ge¬<lb/> töteten handelt, der „vom Nacken getrennt" wurde, ja wir verstehn sogar noch<lb/> den grausigen Humor, der in der Ellipse „einen über die Klinge springen<lb/> lassen" liegt. Deal auch diese Wendung bezieht sich nicht sowohl auf die<lb/> Person des Hingerichteten selbst, als auf dessen Kopf, der uach der Enthaup¬<lb/> tung zunächst in die Höhe zu springen pflegt, ehe er auf die Erde fällt.<lb/> Deutlich zeigt dies eine Stelle in einem Fastnachtsspiel des fünfzehnten Jahr¬<lb/> hunderts, wo es heißt: „cioin llcmpt innotZ nur übsr ein svvrtKlinMir llvMn."<lb/> (Ahnt, auch Luther: „Die ihn deu Kopf über eine kalte Klinge hatten hüpfen<lb/> lassen.")</p><lb/> <p xml:id="ID_1975" next="#ID_1976"> . Gemeinschaftlich auf die Todesstrafe», des Hängens und des Enthnupteus<lb/> w:rd man alle die Redewendungen beziehen dürfen, in denen noch heute der<lb/> "Hals" im Sinne von Kopf oder Leben (gleichsam als pars pro toto) vorkommt.<lb/> Wenn auch die Strafen „an Hals und Hand," das hochnotpeinliche „Hals-<lb/> gericht," die „Halsgerichtsbarkeit" und die „Halsgerichtsordnungen," die<lb/> mise gesetzlich anerkannte Bezeichnungen waren, jetzt veraltet erscheinen, so kann sich<lb/> doch ruiner noch jemand „um deu Hals reden," d.h. so ungeschickt vertei¬<lb/> digen, daß es ihm „den Hals (oder Kopf) kostet" oder „bricht" oder „an<lb/> °en Hals geht," sodaß er dann „(den Hals) herhalten" muß. Daß aber unsre<lb/> Erfahren in dem Verlust des Lebens immer eine genügende Sühne, auch für<lb/> me schwersten Freveltaten, gesehen zu haben scheinen, deutet das ebenfalls jetzt<lb/> was bekannte galgenphilosophische Bonmot an: „mit dem Halse bezahlt<lb/> w""r? ^" demselben Sinne wie Hals findet sich auch „Kragen" qe-<lb/> "rupe. ^er einem andern „den Kragen umgedreht" hat, den „nimmt"</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1903 g2</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0497]
Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutsche» Sprache
denkende Leser, aber für die Unmündigen sind sie keine bekömmliche Kost, und
wenn man neuerdings sogar Vvlksabcnde mit Lichtbildervortrügen über Ruskin
veranstaltet, so können wir das nur für eine der vielen Verirrungen unsrer
heutigen sogenannten Kunsterziehung halten. Die Erzieher mögen sich an einem
solchen Abend sehr weise vorkommen. Um so konfuser werden die Zöglinge
uach Hause gehn.
Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen
deutschen Sprache
L. Günther von in
(Fortsetzung)
ächst dem „Hängen" ist die für weniger schimpflich geltende Ent¬
hauptung (mit dem Schwerte) schon im Mittelalter, wo man sie
wohl als „Tod mit nasser oder blutiger Hand" dem „trocknen"
Tod am Galgen gegenüberstellte, eine der häufigsten Strafen am
Leben gewesen (vergl. z. B. Sachsenspiegel II, Art. 13, Z 5), die
namentlich für den — nicht durch besondre Umstände erschwerten —
Totschlag die Regel gebildet hat. Auch für diese Exekution aber finden sich in
ältern Gesetzen und gerichtlichen Urteilen — in diesen sogar vereinzelt bis ins
siebzehnte Jahrhundert hinein — allerlei den blutigen Vorgang teils umhüllende,
teils aber auch uoch plastischer ausmalende humoristische Umschreibungen, von
denen uns ebenfalls noch einzelne nach dein gegenwärtigen Sprachgebrauche
geläufig sind. So wissen wir z. B. noch recht gut, wenn wir hören, es sei je¬
mand „umeiuen Kopf" (früher wohl auch „umeineSpcmne") „kürzergemacht"
worden, daß es sich dabei um den eignen Kopf eines Hingerichteten oder Ge¬
töteten handelt, der „vom Nacken getrennt" wurde, ja wir verstehn sogar noch
den grausigen Humor, der in der Ellipse „einen über die Klinge springen
lassen" liegt. Deal auch diese Wendung bezieht sich nicht sowohl auf die
Person des Hingerichteten selbst, als auf dessen Kopf, der uach der Enthaup¬
tung zunächst in die Höhe zu springen pflegt, ehe er auf die Erde fällt.
Deutlich zeigt dies eine Stelle in einem Fastnachtsspiel des fünfzehnten Jahr¬
hunderts, wo es heißt: „cioin llcmpt innotZ nur übsr ein svvrtKlinMir llvMn."
(Ahnt, auch Luther: „Die ihn deu Kopf über eine kalte Klinge hatten hüpfen
lassen.")
. Gemeinschaftlich auf die Todesstrafe», des Hängens und des Enthnupteus
w:rd man alle die Redewendungen beziehen dürfen, in denen noch heute der
"Hals" im Sinne von Kopf oder Leben (gleichsam als pars pro toto) vorkommt.
Wenn auch die Strafen „an Hals und Hand," das hochnotpeinliche „Hals-
gericht," die „Halsgerichtsbarkeit" und die „Halsgerichtsordnungen," die
mise gesetzlich anerkannte Bezeichnungen waren, jetzt veraltet erscheinen, so kann sich
doch ruiner noch jemand „um deu Hals reden," d.h. so ungeschickt vertei¬
digen, daß es ihm „den Hals (oder Kopf) kostet" oder „bricht" oder „an
°en Hals geht," sodaß er dann „(den Hals) herhalten" muß. Daß aber unsre
Erfahren in dem Verlust des Lebens immer eine genügende Sühne, auch für
me schwersten Freveltaten, gesehen zu haben scheinen, deutet das ebenfalls jetzt
was bekannte galgenphilosophische Bonmot an: „mit dem Halse bezahlt
w""r? ^" demselben Sinne wie Hals findet sich auch „Kragen" qe-
"rupe. ^er einem andern „den Kragen umgedreht" hat, den „nimmt"
Grenzboten III 1903 g2
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