Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.Koloniale Spiegelbilder mit besondrer Berücksichtigung Samoas Das ist kein Fehler im Sinne unsrer nationalen Kolonialwirtschaft, die von Samoa ist geeignet, eine Ausnahme zu schaffen, und verleitet dazu, wie Das Interesse für die kleine Inselgruppe ist seit vierzig Jahren groß, Daß entsprechende Unternehmungen deutschen Ursprungs zunächst noch Koloniale Spiegelbilder mit besondrer Berücksichtigung Samoas Das ist kein Fehler im Sinne unsrer nationalen Kolonialwirtschaft, die von Samoa ist geeignet, eine Ausnahme zu schaffen, und verleitet dazu, wie Das Interesse für die kleine Inselgruppe ist seit vierzig Jahren groß, Daß entsprechende Unternehmungen deutschen Ursprungs zunächst noch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0470" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241684"/> <fw type="header" place="top"> Koloniale Spiegelbilder mit besondrer Berücksichtigung Samoas</fw><lb/> <p xml:id="ID_1892" prev="#ID_1891"> Das ist kein Fehler im Sinne unsrer nationalen Kolonialwirtschaft, die von<lb/> jeher nicht auf heute und morgen, sondern auf die Zukunft gebaut hat und<lb/> bauen soll.</p><lb/> <p xml:id="ID_1893"> Samoa ist geeignet, eine Ausnahme zu schaffen, und verleitet dazu, wie<lb/> die Zahl der begeisterten kolvnisativnslustigen Landsleute und Interessenten<lb/> beweist. Auch die bisherige deutsche Verwaltung der Inseln ist, wenn auch<lb/> ohne entsprechende staatliche Unterstützung, auf eine schnelle Erschließung des<lb/> Gebiets gerichtet gewesen. Das ist objektiv sehr anzuerkennen, besonders<lb/> wegen der mit energischem Nachdruck unternommenen Verbesserung ländlicher<lb/> Verkehrsverhältnisse durch Wegebauten sowie durch eine bis jetzt erfolgreiche<lb/> Organisation und Beruhigung der Eingebornen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1894"> Das Interesse für die kleine Inselgruppe ist seit vierzig Jahren groß,<lb/> seit zwanzig Jahren sehr groß und seit zehn Jahren — zu groß, wie die<lb/> Weltgeschichte lehrt. Das ist ein gutes Zeichen für die Inseln; das beste<lb/> Kriterium für ihren Wert liegt in der großen, keineswegs erloschnen Liebe<lb/> Englands und vor allein der englisch-australischen und pacifischen Kolonien<lb/> für Samoa. Diese, man kann sagen, internationale Sympathie für das<lb/> kleine Gebiet ist der mit wirtschaftlichem Ruin drohende Unstern für dieses<lb/> gewesen, dem die beteiligten Mächte ihre zwecklosen Millionenverluste danken,<lb/> ganz abgesehen von sonstigen Opfern. Daß das nichtdentsche Interesse für<lb/> Deutsch-Samoa auch heute noch besteht, ergibt sich unter anderm auch aus<lb/> der Tatsache, daß nach dem Abschluß des deutsch-englisch-amerikanischen<lb/> Teiluugsvertrags vou englischer Seite die ersten Kolonisationsspekulatiouen<lb/> und Pflanzungsunternchmungen angeregt und auch gegründet wurden. Die<lb/> politische Bedeutung dieser Erscheinung wird hoffentlich an maßgebender<lb/> deutscher Stelle nicht unterschätzt; sie findet einen Stützpunkt, um nicht zu<lb/> sagen ein Agens, in dem Übergewicht der einst gewichtigen englischen Mission<lb/> auf Samoa.</p><lb/> <p xml:id="ID_1895" next="#ID_1896"> Daß entsprechende Unternehmungen deutschen Ursprungs zunächst noch<lb/> rückständig geblieben sind, könnte dem gegenüber verwundern; auch das ist<lb/> aber erklärlich und findet wohl zum Teil seinen Grund in den eingangs er¬<lb/> wähnten falschen Vorstellungen über Kolonialpolitik, d. h. in dem Mangel<lb/> großer Erfolge der deutsch-kolonialen Pflanzungs- und Handelsgesellschaften,<lb/> deren Mitglieder oder Teilhaber sich selbst und die Unternehmungen durch<lb/> allzugroße Erwartungen geschädigt haben. Man dachte schon zu ernten, wo<lb/> die Saat kaum bestellt sein konnte usw. Durch solche in objektiver Würdigung<lb/> völlig unberechtigte Enttäuschungen hat erklärlicherweise auch das Vertrauen<lb/> des Publikums gelitten; und den Gesellschaften kann man den Vorwurf nicht<lb/> ganz ersparen, daß sie oder doch die maßgebenden Personen dabei eine gewisse<lb/> Rolle gespielt haben, indem sie selbst die Verhältnisse zu optimistisch beur¬<lb/> teilten und darstellten, weil ihnen das richtige Urteil und die praktische Erfahrung<lb/> fehlten. Enttäuschungen sind eben eine schlimme und vielfach unterschätzte Folge<lb/> auch guter Absichten; sie möglichst zu verhüten ist eine wichtige Aufgabe der<lb/> Kolonialpolitik und nicht minder der Kolonialgesellschaft. Die Devise Dr. von<lb/> Wißmanns in bezug auf die Arbeiterfrage „Geduld und keine Überstürzung"</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0470]
Koloniale Spiegelbilder mit besondrer Berücksichtigung Samoas
Das ist kein Fehler im Sinne unsrer nationalen Kolonialwirtschaft, die von
jeher nicht auf heute und morgen, sondern auf die Zukunft gebaut hat und
bauen soll.
Samoa ist geeignet, eine Ausnahme zu schaffen, und verleitet dazu, wie
die Zahl der begeisterten kolvnisativnslustigen Landsleute und Interessenten
beweist. Auch die bisherige deutsche Verwaltung der Inseln ist, wenn auch
ohne entsprechende staatliche Unterstützung, auf eine schnelle Erschließung des
Gebiets gerichtet gewesen. Das ist objektiv sehr anzuerkennen, besonders
wegen der mit energischem Nachdruck unternommenen Verbesserung ländlicher
Verkehrsverhältnisse durch Wegebauten sowie durch eine bis jetzt erfolgreiche
Organisation und Beruhigung der Eingebornen.
Das Interesse für die kleine Inselgruppe ist seit vierzig Jahren groß,
seit zwanzig Jahren sehr groß und seit zehn Jahren — zu groß, wie die
Weltgeschichte lehrt. Das ist ein gutes Zeichen für die Inseln; das beste
Kriterium für ihren Wert liegt in der großen, keineswegs erloschnen Liebe
Englands und vor allein der englisch-australischen und pacifischen Kolonien
für Samoa. Diese, man kann sagen, internationale Sympathie für das
kleine Gebiet ist der mit wirtschaftlichem Ruin drohende Unstern für dieses
gewesen, dem die beteiligten Mächte ihre zwecklosen Millionenverluste danken,
ganz abgesehen von sonstigen Opfern. Daß das nichtdentsche Interesse für
Deutsch-Samoa auch heute noch besteht, ergibt sich unter anderm auch aus
der Tatsache, daß nach dem Abschluß des deutsch-englisch-amerikanischen
Teiluugsvertrags vou englischer Seite die ersten Kolonisationsspekulatiouen
und Pflanzungsunternchmungen angeregt und auch gegründet wurden. Die
politische Bedeutung dieser Erscheinung wird hoffentlich an maßgebender
deutscher Stelle nicht unterschätzt; sie findet einen Stützpunkt, um nicht zu
sagen ein Agens, in dem Übergewicht der einst gewichtigen englischen Mission
auf Samoa.
Daß entsprechende Unternehmungen deutschen Ursprungs zunächst noch
rückständig geblieben sind, könnte dem gegenüber verwundern; auch das ist
aber erklärlich und findet wohl zum Teil seinen Grund in den eingangs er¬
wähnten falschen Vorstellungen über Kolonialpolitik, d. h. in dem Mangel
großer Erfolge der deutsch-kolonialen Pflanzungs- und Handelsgesellschaften,
deren Mitglieder oder Teilhaber sich selbst und die Unternehmungen durch
allzugroße Erwartungen geschädigt haben. Man dachte schon zu ernten, wo
die Saat kaum bestellt sein konnte usw. Durch solche in objektiver Würdigung
völlig unberechtigte Enttäuschungen hat erklärlicherweise auch das Vertrauen
des Publikums gelitten; und den Gesellschaften kann man den Vorwurf nicht
ganz ersparen, daß sie oder doch die maßgebenden Personen dabei eine gewisse
Rolle gespielt haben, indem sie selbst die Verhältnisse zu optimistisch beur¬
teilten und darstellten, weil ihnen das richtige Urteil und die praktische Erfahrung
fehlten. Enttäuschungen sind eben eine schlimme und vielfach unterschätzte Folge
auch guter Absichten; sie möglichst zu verhüten ist eine wichtige Aufgabe der
Kolonialpolitik und nicht minder der Kolonialgesellschaft. Die Devise Dr. von
Wißmanns in bezug auf die Arbeiterfrage „Geduld und keine Überstürzung"
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