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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Aus der Jugendzeit

Mutter fand ich die freundlichste Aufnahme. Im Hause der Großeltern wohnten
und verkehrten zahlreiche Studenten. Auch sie nahmen sich meiner um, und im
Butanischen Garten habe ich mit dem einen oder dem andern von ihnen Pferd
gespielt. Nach drei Wochen wurde ich eines Abends in ein Gasthaus vor der Stadt
gebracht und dort von dem Kaufmann Schinerwitz und seiner Frau, die von der
Leipziger Messe kamen und im eignen Wagen nach Quedlinburg zurückführen, in
Empfang genommen. Anderntags in der Frühe ging es zurück nach Hause. Für
einen vierjährigen Jungen war das eine Reise, vou der er etwas erzählen konnte.

Ich muß damals ein frischer und geweckter Knabe gewesen sein. Mein jetzt
kahler Kopf war mit einer Fülle natürlicher blonder Locken bedeckt. Gegen den
Widerspruch meines jeder Eitelkeit abholden Vaters ließ meine Mutter mich die
Locken lang tragen, und diese erregten die Bewunderung nicht nnr unsrer Dienst¬
mädchen, sondern auch aller Tanten und Basen. Vou den Schwestern meiner
Mutter wurde ich in Halle nicht wenig gehätschelt. Ich mußte thue" Lieder Vor¬
singen, die ich zuhause von den Dienstmägden gelernt hatte: "Fuchs, du hast die
Gans gestohlen," "Ich habe den Frühling gesehen," ein sentimentales Liebeslied,
und andre. Das mag im Munde eines vierjährigen Jungen drollig genng ge¬
klungen haben. Jedenfalls wurde ich dafür sehr gelobt und viel abgeküßt. Der
Großvater in Halle gab mir auch Schreibunterricht. Seine etwas geschnvrkelten
Buchstaben gefielen mir aber nicht.

Das unruhige Geschäftsleben in meinem Vaterhause war einfach, ohne jeden
Luxus und in meiner früheste" Jugend nicht ohne patriarchalischen Anstrich. Im
Hause waren verhältnismäßig viel Dienstboten. Neben dem Kutscher, der zugleich
die mit zwei Pferden betriebene Roszmühle besorgte, hatte ein Brcnnmeister für die
Brennerei und die damit verbundne Preßhcfenfabrikation zu sorgen. Zu seiner
Hilfe waren in der Brennerei zwei Mägde beschäftigt, denen zugleich die Wartung
des Mastviehs oblag. Im Haushalt halfen meiner Mutter ein Küchenmädchen und
ein Hausmädchen, zu denen spater noch ein Kindermädchen kam. Unser Haus hatte
eine große, durch zwei Stockwerke reichende, gepflasterte Hnnsflnr. Ans dieser ge¬
laugte man auf einer breiten, schönen Eichcnholztreppc von etwa zwölf oder vier¬
zehn Stufe" auf einen Vorplatz im Hochparterre, und von dort führte eine weitere
Treppe in zwei Absätzen ins° erste Stockwerk. Dort kam man zunächst auf einen
großen, mit Gipsanstrich nnsgcgvssenen Saal, um den herum eine Reihe von
Kammern und die beste Stube mit einer darau grenzenden Gastkammcr lagen.
Diese beiden gut möblierten Zimmer wurden aber nur selten gebraucht, wenn
Fremdenbesuch kam. der mit uns auf gleichem Fuße behandelt wurde, oder wenn
bei den Manövern Offiziere als Einquartierung ins Haus kamen. Vom Saale
aus führten Treppen zu den ungemein weitläufigen Hausboden, uns denen das für
die Brennerei benötigte Getreide und Malz in großen, sorgfältig znsammen-
geschippten Haufen lag. Das ganze Gehöft bildete ein großes Viereck, und die
Boden aller vier Flügel des Hauses standen untereinander in Verbindung. Wer
dort uicht Bescheid wußte, konnte sich gründlich verirren. An den Saal schloß sich
eine lange, offne Galerie, an der über der Brennerei unten uoch eine Reihe von
Kammern für die Dienstboten und andre häusliche Zwecke lagen. Das Leben der
Familie vollzog sich in den Räumen des Hochparterres. Dort lag nach vorn hinnus
d'e dreifenstrige sogenannte gute Stube mit der Aussicht auf die schnell fließende
Bode, auf die Lange Brücke und ans einen jenseits der Bode liegenden, von eungen
Wohnhäusern umsäumten und mit Bäumen bestandnen Platz. Links vom Vorplatz
lag die Wohn- und Eßstube, ans der eine Tür unmittelbar in die durch zwei
Stockwerke gehende Brennerei, das sogenannte Brennhaus, führte. Zwischen dieser
Wohnstube und der guten Stube lag in der Mitte die Küche, während die Waschküche
"nten neben der Noßmühle lag. Das Ganze bildete also mit dem auf zwei Seiten
Von Ställen und Boden umschlossenen Hofe ein ziemlich weitläufiges Anwesen.

An der Fenstcrscite der Wohnstube, deren Aussicht gleichfalls auf die Bode
""d einen gegenüber liegenden, lauschigen, grünen Gras- und Baumgarten ging,


Aus der Jugendzeit

Mutter fand ich die freundlichste Aufnahme. Im Hause der Großeltern wohnten
und verkehrten zahlreiche Studenten. Auch sie nahmen sich meiner um, und im
Butanischen Garten habe ich mit dem einen oder dem andern von ihnen Pferd
gespielt. Nach drei Wochen wurde ich eines Abends in ein Gasthaus vor der Stadt
gebracht und dort von dem Kaufmann Schinerwitz und seiner Frau, die von der
Leipziger Messe kamen und im eignen Wagen nach Quedlinburg zurückführen, in
Empfang genommen. Anderntags in der Frühe ging es zurück nach Hause. Für
einen vierjährigen Jungen war das eine Reise, vou der er etwas erzählen konnte.

Ich muß damals ein frischer und geweckter Knabe gewesen sein. Mein jetzt
kahler Kopf war mit einer Fülle natürlicher blonder Locken bedeckt. Gegen den
Widerspruch meines jeder Eitelkeit abholden Vaters ließ meine Mutter mich die
Locken lang tragen, und diese erregten die Bewunderung nicht nnr unsrer Dienst¬
mädchen, sondern auch aller Tanten und Basen. Vou den Schwestern meiner
Mutter wurde ich in Halle nicht wenig gehätschelt. Ich mußte thue» Lieder Vor¬
singen, die ich zuhause von den Dienstmägden gelernt hatte: „Fuchs, du hast die
Gans gestohlen," „Ich habe den Frühling gesehen," ein sentimentales Liebeslied,
und andre. Das mag im Munde eines vierjährigen Jungen drollig genng ge¬
klungen haben. Jedenfalls wurde ich dafür sehr gelobt und viel abgeküßt. Der
Großvater in Halle gab mir auch Schreibunterricht. Seine etwas geschnvrkelten
Buchstaben gefielen mir aber nicht.

Das unruhige Geschäftsleben in meinem Vaterhause war einfach, ohne jeden
Luxus und in meiner früheste» Jugend nicht ohne patriarchalischen Anstrich. Im
Hause waren verhältnismäßig viel Dienstboten. Neben dem Kutscher, der zugleich
die mit zwei Pferden betriebene Roszmühle besorgte, hatte ein Brcnnmeister für die
Brennerei und die damit verbundne Preßhcfenfabrikation zu sorgen. Zu seiner
Hilfe waren in der Brennerei zwei Mägde beschäftigt, denen zugleich die Wartung
des Mastviehs oblag. Im Haushalt halfen meiner Mutter ein Küchenmädchen und
ein Hausmädchen, zu denen spater noch ein Kindermädchen kam. Unser Haus hatte
eine große, durch zwei Stockwerke reichende, gepflasterte Hnnsflnr. Ans dieser ge¬
laugte man auf einer breiten, schönen Eichcnholztreppc von etwa zwölf oder vier¬
zehn Stufe» auf einen Vorplatz im Hochparterre, und von dort führte eine weitere
Treppe in zwei Absätzen ins° erste Stockwerk. Dort kam man zunächst auf einen
großen, mit Gipsanstrich nnsgcgvssenen Saal, um den herum eine Reihe von
Kammern und die beste Stube mit einer darau grenzenden Gastkammcr lagen.
Diese beiden gut möblierten Zimmer wurden aber nur selten gebraucht, wenn
Fremdenbesuch kam. der mit uns auf gleichem Fuße behandelt wurde, oder wenn
bei den Manövern Offiziere als Einquartierung ins Haus kamen. Vom Saale
aus führten Treppen zu den ungemein weitläufigen Hausboden, uns denen das für
die Brennerei benötigte Getreide und Malz in großen, sorgfältig znsammen-
geschippten Haufen lag. Das ganze Gehöft bildete ein großes Viereck, und die
Boden aller vier Flügel des Hauses standen untereinander in Verbindung. Wer
dort uicht Bescheid wußte, konnte sich gründlich verirren. An den Saal schloß sich
eine lange, offne Galerie, an der über der Brennerei unten uoch eine Reihe von
Kammern für die Dienstboten und andre häusliche Zwecke lagen. Das Leben der
Familie vollzog sich in den Räumen des Hochparterres. Dort lag nach vorn hinnus
d'e dreifenstrige sogenannte gute Stube mit der Aussicht auf die schnell fließende
Bode, auf die Lange Brücke und ans einen jenseits der Bode liegenden, von eungen
Wohnhäusern umsäumten und mit Bäumen bestandnen Platz. Links vom Vorplatz
lag die Wohn- und Eßstube, ans der eine Tür unmittelbar in die durch zwei
Stockwerke gehende Brennerei, das sogenannte Brennhaus, führte. Zwischen dieser
Wohnstube und der guten Stube lag in der Mitte die Küche, während die Waschküche
"nten neben der Noßmühle lag. Das Ganze bildete also mit dem auf zwei Seiten
Von Ställen und Boden umschlossenen Hofe ein ziemlich weitläufiges Anwesen.

An der Fenstcrscite der Wohnstube, deren Aussicht gleichfalls auf die Bode
""d einen gegenüber liegenden, lauschigen, grünen Gras- und Baumgarten ging,


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[0429] Aus der Jugendzeit Mutter fand ich die freundlichste Aufnahme. Im Hause der Großeltern wohnten und verkehrten zahlreiche Studenten. Auch sie nahmen sich meiner um, und im Butanischen Garten habe ich mit dem einen oder dem andern von ihnen Pferd gespielt. Nach drei Wochen wurde ich eines Abends in ein Gasthaus vor der Stadt gebracht und dort von dem Kaufmann Schinerwitz und seiner Frau, die von der Leipziger Messe kamen und im eignen Wagen nach Quedlinburg zurückführen, in Empfang genommen. Anderntags in der Frühe ging es zurück nach Hause. Für einen vierjährigen Jungen war das eine Reise, vou der er etwas erzählen konnte. Ich muß damals ein frischer und geweckter Knabe gewesen sein. Mein jetzt kahler Kopf war mit einer Fülle natürlicher blonder Locken bedeckt. Gegen den Widerspruch meines jeder Eitelkeit abholden Vaters ließ meine Mutter mich die Locken lang tragen, und diese erregten die Bewunderung nicht nnr unsrer Dienst¬ mädchen, sondern auch aller Tanten und Basen. Vou den Schwestern meiner Mutter wurde ich in Halle nicht wenig gehätschelt. Ich mußte thue» Lieder Vor¬ singen, die ich zuhause von den Dienstmägden gelernt hatte: „Fuchs, du hast die Gans gestohlen," „Ich habe den Frühling gesehen," ein sentimentales Liebeslied, und andre. Das mag im Munde eines vierjährigen Jungen drollig genng ge¬ klungen haben. Jedenfalls wurde ich dafür sehr gelobt und viel abgeküßt. Der Großvater in Halle gab mir auch Schreibunterricht. Seine etwas geschnvrkelten Buchstaben gefielen mir aber nicht. Das unruhige Geschäftsleben in meinem Vaterhause war einfach, ohne jeden Luxus und in meiner früheste» Jugend nicht ohne patriarchalischen Anstrich. Im Hause waren verhältnismäßig viel Dienstboten. Neben dem Kutscher, der zugleich die mit zwei Pferden betriebene Roszmühle besorgte, hatte ein Brcnnmeister für die Brennerei und die damit verbundne Preßhcfenfabrikation zu sorgen. Zu seiner Hilfe waren in der Brennerei zwei Mägde beschäftigt, denen zugleich die Wartung des Mastviehs oblag. Im Haushalt halfen meiner Mutter ein Küchenmädchen und ein Hausmädchen, zu denen spater noch ein Kindermädchen kam. Unser Haus hatte eine große, durch zwei Stockwerke reichende, gepflasterte Hnnsflnr. Ans dieser ge¬ laugte man auf einer breiten, schönen Eichcnholztreppc von etwa zwölf oder vier¬ zehn Stufe» auf einen Vorplatz im Hochparterre, und von dort führte eine weitere Treppe in zwei Absätzen ins° erste Stockwerk. Dort kam man zunächst auf einen großen, mit Gipsanstrich nnsgcgvssenen Saal, um den herum eine Reihe von Kammern und die beste Stube mit einer darau grenzenden Gastkammcr lagen. Diese beiden gut möblierten Zimmer wurden aber nur selten gebraucht, wenn Fremdenbesuch kam. der mit uns auf gleichem Fuße behandelt wurde, oder wenn bei den Manövern Offiziere als Einquartierung ins Haus kamen. Vom Saale aus führten Treppen zu den ungemein weitläufigen Hausboden, uns denen das für die Brennerei benötigte Getreide und Malz in großen, sorgfältig znsammen- geschippten Haufen lag. Das ganze Gehöft bildete ein großes Viereck, und die Boden aller vier Flügel des Hauses standen untereinander in Verbindung. Wer dort uicht Bescheid wußte, konnte sich gründlich verirren. An den Saal schloß sich eine lange, offne Galerie, an der über der Brennerei unten uoch eine Reihe von Kammern für die Dienstboten und andre häusliche Zwecke lagen. Das Leben der Familie vollzog sich in den Räumen des Hochparterres. Dort lag nach vorn hinnus d'e dreifenstrige sogenannte gute Stube mit der Aussicht auf die schnell fließende Bode, auf die Lange Brücke und ans einen jenseits der Bode liegenden, von eungen Wohnhäusern umsäumten und mit Bäumen bestandnen Platz. Links vom Vorplatz lag die Wohn- und Eßstube, ans der eine Tür unmittelbar in die durch zwei Stockwerke gehende Brennerei, das sogenannte Brennhaus, führte. Zwischen dieser Wohnstube und der guten Stube lag in der Mitte die Küche, während die Waschküche "nten neben der Noßmühle lag. Das Ganze bildete also mit dem auf zwei Seiten Von Ställen und Boden umschlossenen Hofe ein ziemlich weitläufiges Anwesen. An der Fenstcrscite der Wohnstube, deren Aussicht gleichfalls auf die Bode ""d einen gegenüber liegenden, lauschigen, grünen Gras- und Baumgarten ging,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/429>, abgerufen am 06.10.2024.