Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Marquis von Marigny

zehnten, worin er bat, ihn mit der Widerlegung eines oder mehrerer der sieben¬
undfünfzig Anklagepunkte zu betraue". Von Tag zu Tag wartete er auf Ant¬
wort. Umsonst. Der Brief war wohl überhaupt nicht in die Heerde des Königs
gelangt. Noch einmal schreiben? Ach, das wäre unnütz gewesen! Die Zeit verrann,
verrann unaufhaltsam, und das Lebensschifflein des Angeklagten trieb immer schneller
stromabwärts -- dem empörten Meere zu, in dessen Brandung es scheitern mußte.

Jetzt kam die Nachricht nach Koblenz, daß am 26. Dezember, dem Tage, an
demi man in frühern Jahren die Geburt des Heilands gefeiert hatte, der Bürger
Capet zum zweitenmal vor die Schranken des Konvents gestellt worden sei. Und
seltsam! Man vernahm zugleich, daß um diese Zeit, wo alles Alte von einem
riesenhaften Strudel in die Tiefe gerissen zu werden schien, wo Rotten trunkner
Männer und Weiber Tag und Nacht an deu Stätten tanzten, deren Name mit
der Geschichte des Königtums in irgend einer Verbindung stand, und wo in den
Spelunken der Spielpächter Würfel und Karten nicht mehr zur Ruhe kamen,
Tausende und aber Tausende in wahnsinniger Angst in die Kirchen strömten, um,
vor den Gräbern der Heiligen in den Staub gestreckt, durch brünstige Gebete
das Schicksal abzuwenden, das furchtbar drohend über dem Haupte eines jeden
schwebte.

Ob die allgemeine Verwirrung in Paris wirklich so groß war, daß es einem
einzelnen Menschen gelingen würde, ohne angehalten zu werden, bis zu dem Kerker
des königlichen Märtyrers vorzudringen? Das war die Frage, die Marigny nun
ohne Unterlaß beschäftigte. Denn er wollte und mußte zum König, er hatte ein
Recht dazu, denn er trug die Kammerherrnschlüssel, und er glaubte die Zeit ge¬
kommen, manchen versäumten Dienst nachzuholen. Wie dies zu ermöglichen sei,
darüber war er freilich einstweilen noch im unklaren. Er würde damit zufrieden
sein, wenn er die Lage des Gefangnen auf irgend welche Weise erleichtern könnte,
er wollte sich gern mit dem Amt eines Kammerdieners begnügen, oder, noch lieber,
die Funktionen eines Kochs übernehmen. Daß Ludwig der Sechzehnte einen solchen
jetzt am dringendsten brauchte, stand für den alten Herrn felsenfest. Woher sollte
er die Festigkeit der Seele und die Beweglichkeit des Geistes nehmen, deren er
jetzt mehr als je zuvor bedürfte, wenn der Körper entkräftet war? Und dann: im
geheimen vertraute der Marquis darauf, vom Himmel zu einem Werkzeuge seiner
wunderbaren Pläne ausersehen zu sein. Er dachte an die griechische Fabel von
der Maus, die trotz ihrer Kleinheit befähigt war, den in des Jägers Netzen ver¬
strickten Löwen zu befreien.

So rüstete er sich denn zur Abreise. Er begann seine Vorbereitungen damit,
daß er zwei Leintücher auf den Dielen seines bisherigen Wohngeinachs ausbreitete
und auf jedem einen kleinen Berg von Kleidungsstücken und Gebrauchsgegenständen
sehr verschiedner Natur aufschichtete. Da kamen aus den Tiefen des gewaltigen
Kleiderschrankes, aus den Schiebladen der Kommoden, aus Koffern, Truhen und
Mantelsäcken alle die seltsamen Dinge wieder zum Vorschein, über die die Nach¬
mittagssonne des 19. Oktobers 1789 mit vollem Rechte so erstaunt gewesen war, die
Dominos aus schwarzem Tastet, die scharlachnen Westen, die Reitröcke und Jagdhabits,
die Hemden mit den Spitzenmanschetten, die Hcinrbeutel, die Galnnteriedcgen und die
betreßter Stantsröcke, da stellten sich, genan so wie damals, die Mschchen mit
van as lavimäiz und Blütenextrakteu, die Dosen und Büchschen mit Salben und
wohlriechenden Paften und die Futterale mit Schermesseru und Handspiegeln ein,
da gesellten sich wieder spanische Rohre mit goldnen Knöpfen, Pürschbüchsen und
Sonnenschirme zu Büchern, Nippesfigürchen, Hüten, Hirschfängern, Sätteln und
Teemaschinen. Ja, das Chaos schien gegen damals noch größer geworden zu sein,
denn von den Topfen und Tiegeln, Pfannen und Kasserollen, Bratrosten und Reib¬
eisen, Gewürzmühlen und Pasteteuformeu, die jetzt den Wirrwarr im Atelier des
seligen Herrn Haßlacher vermehrten, hatte die Oktobersonne des Jahres 1789 noch
nichts zu sehen bekommen.


Der Marquis von Marigny

zehnten, worin er bat, ihn mit der Widerlegung eines oder mehrerer der sieben¬
undfünfzig Anklagepunkte zu betraue«. Von Tag zu Tag wartete er auf Ant¬
wort. Umsonst. Der Brief war wohl überhaupt nicht in die Heerde des Königs
gelangt. Noch einmal schreiben? Ach, das wäre unnütz gewesen! Die Zeit verrann,
verrann unaufhaltsam, und das Lebensschifflein des Angeklagten trieb immer schneller
stromabwärts — dem empörten Meere zu, in dessen Brandung es scheitern mußte.

Jetzt kam die Nachricht nach Koblenz, daß am 26. Dezember, dem Tage, an
demi man in frühern Jahren die Geburt des Heilands gefeiert hatte, der Bürger
Capet zum zweitenmal vor die Schranken des Konvents gestellt worden sei. Und
seltsam! Man vernahm zugleich, daß um diese Zeit, wo alles Alte von einem
riesenhaften Strudel in die Tiefe gerissen zu werden schien, wo Rotten trunkner
Männer und Weiber Tag und Nacht an deu Stätten tanzten, deren Name mit
der Geschichte des Königtums in irgend einer Verbindung stand, und wo in den
Spelunken der Spielpächter Würfel und Karten nicht mehr zur Ruhe kamen,
Tausende und aber Tausende in wahnsinniger Angst in die Kirchen strömten, um,
vor den Gräbern der Heiligen in den Staub gestreckt, durch brünstige Gebete
das Schicksal abzuwenden, das furchtbar drohend über dem Haupte eines jeden
schwebte.

Ob die allgemeine Verwirrung in Paris wirklich so groß war, daß es einem
einzelnen Menschen gelingen würde, ohne angehalten zu werden, bis zu dem Kerker
des königlichen Märtyrers vorzudringen? Das war die Frage, die Marigny nun
ohne Unterlaß beschäftigte. Denn er wollte und mußte zum König, er hatte ein
Recht dazu, denn er trug die Kammerherrnschlüssel, und er glaubte die Zeit ge¬
kommen, manchen versäumten Dienst nachzuholen. Wie dies zu ermöglichen sei,
darüber war er freilich einstweilen noch im unklaren. Er würde damit zufrieden
sein, wenn er die Lage des Gefangnen auf irgend welche Weise erleichtern könnte,
er wollte sich gern mit dem Amt eines Kammerdieners begnügen, oder, noch lieber,
die Funktionen eines Kochs übernehmen. Daß Ludwig der Sechzehnte einen solchen
jetzt am dringendsten brauchte, stand für den alten Herrn felsenfest. Woher sollte
er die Festigkeit der Seele und die Beweglichkeit des Geistes nehmen, deren er
jetzt mehr als je zuvor bedürfte, wenn der Körper entkräftet war? Und dann: im
geheimen vertraute der Marquis darauf, vom Himmel zu einem Werkzeuge seiner
wunderbaren Pläne ausersehen zu sein. Er dachte an die griechische Fabel von
der Maus, die trotz ihrer Kleinheit befähigt war, den in des Jägers Netzen ver¬
strickten Löwen zu befreien.

So rüstete er sich denn zur Abreise. Er begann seine Vorbereitungen damit,
daß er zwei Leintücher auf den Dielen seines bisherigen Wohngeinachs ausbreitete
und auf jedem einen kleinen Berg von Kleidungsstücken und Gebrauchsgegenständen
sehr verschiedner Natur aufschichtete. Da kamen aus den Tiefen des gewaltigen
Kleiderschrankes, aus den Schiebladen der Kommoden, aus Koffern, Truhen und
Mantelsäcken alle die seltsamen Dinge wieder zum Vorschein, über die die Nach¬
mittagssonne des 19. Oktobers 1789 mit vollem Rechte so erstaunt gewesen war, die
Dominos aus schwarzem Tastet, die scharlachnen Westen, die Reitröcke und Jagdhabits,
die Hemden mit den Spitzenmanschetten, die Hcinrbeutel, die Galnnteriedcgen und die
betreßter Stantsröcke, da stellten sich, genan so wie damals, die Mschchen mit
van as lavimäiz und Blütenextrakteu, die Dosen und Büchschen mit Salben und
wohlriechenden Paften und die Futterale mit Schermesseru und Handspiegeln ein,
da gesellten sich wieder spanische Rohre mit goldnen Knöpfen, Pürschbüchsen und
Sonnenschirme zu Büchern, Nippesfigürchen, Hüten, Hirschfängern, Sätteln und
Teemaschinen. Ja, das Chaos schien gegen damals noch größer geworden zu sein,
denn von den Topfen und Tiegeln, Pfannen und Kasserollen, Bratrosten und Reib¬
eisen, Gewürzmühlen und Pasteteuformeu, die jetzt den Wirrwarr im Atelier des
seligen Herrn Haßlacher vermehrten, hatte die Oktobersonne des Jahres 1789 noch
nichts zu sehen bekommen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0246" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241460"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Marquis von Marigny</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_971" prev="#ID_970"> zehnten, worin er bat, ihn mit der Widerlegung eines oder mehrerer der sieben¬<lb/>
undfünfzig Anklagepunkte zu betraue«. Von Tag zu Tag wartete er auf Ant¬<lb/>
wort. Umsonst. Der Brief war wohl überhaupt nicht in die Heerde des Königs<lb/>
gelangt. Noch einmal schreiben? Ach, das wäre unnütz gewesen! Die Zeit verrann,<lb/>
verrann unaufhaltsam, und das Lebensschifflein des Angeklagten trieb immer schneller<lb/>
stromabwärts &#x2014; dem empörten Meere zu, in dessen Brandung es scheitern mußte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_972"> Jetzt kam die Nachricht nach Koblenz, daß am 26. Dezember, dem Tage, an<lb/>
demi man in frühern Jahren die Geburt des Heilands gefeiert hatte, der Bürger<lb/>
Capet zum zweitenmal vor die Schranken des Konvents gestellt worden sei. Und<lb/>
seltsam! Man vernahm zugleich, daß um diese Zeit, wo alles Alte von einem<lb/>
riesenhaften Strudel in die Tiefe gerissen zu werden schien, wo Rotten trunkner<lb/>
Männer und Weiber Tag und Nacht an deu Stätten tanzten, deren Name mit<lb/>
der Geschichte des Königtums in irgend einer Verbindung stand, und wo in den<lb/>
Spelunken der Spielpächter Würfel und Karten nicht mehr zur Ruhe kamen,<lb/>
Tausende und aber Tausende in wahnsinniger Angst in die Kirchen strömten, um,<lb/>
vor den Gräbern der Heiligen in den Staub gestreckt, durch brünstige Gebete<lb/>
das Schicksal abzuwenden, das furchtbar drohend über dem Haupte eines jeden<lb/>
schwebte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_973"> Ob die allgemeine Verwirrung in Paris wirklich so groß war, daß es einem<lb/>
einzelnen Menschen gelingen würde, ohne angehalten zu werden, bis zu dem Kerker<lb/>
des königlichen Märtyrers vorzudringen? Das war die Frage, die Marigny nun<lb/>
ohne Unterlaß beschäftigte. Denn er wollte und mußte zum König, er hatte ein<lb/>
Recht dazu, denn er trug die Kammerherrnschlüssel, und er glaubte die Zeit ge¬<lb/>
kommen, manchen versäumten Dienst nachzuholen. Wie dies zu ermöglichen sei,<lb/>
darüber war er freilich einstweilen noch im unklaren. Er würde damit zufrieden<lb/>
sein, wenn er die Lage des Gefangnen auf irgend welche Weise erleichtern könnte,<lb/>
er wollte sich gern mit dem Amt eines Kammerdieners begnügen, oder, noch lieber,<lb/>
die Funktionen eines Kochs übernehmen. Daß Ludwig der Sechzehnte einen solchen<lb/>
jetzt am dringendsten brauchte, stand für den alten Herrn felsenfest. Woher sollte<lb/>
er die Festigkeit der Seele und die Beweglichkeit des Geistes nehmen, deren er<lb/>
jetzt mehr als je zuvor bedürfte, wenn der Körper entkräftet war? Und dann: im<lb/>
geheimen vertraute der Marquis darauf, vom Himmel zu einem Werkzeuge seiner<lb/>
wunderbaren Pläne ausersehen zu sein. Er dachte an die griechische Fabel von<lb/>
der Maus, die trotz ihrer Kleinheit befähigt war, den in des Jägers Netzen ver¬<lb/>
strickten Löwen zu befreien.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_974"> So rüstete er sich denn zur Abreise. Er begann seine Vorbereitungen damit,<lb/>
daß er zwei Leintücher auf den Dielen seines bisherigen Wohngeinachs ausbreitete<lb/>
und auf jedem einen kleinen Berg von Kleidungsstücken und Gebrauchsgegenständen<lb/>
sehr verschiedner Natur aufschichtete. Da kamen aus den Tiefen des gewaltigen<lb/>
Kleiderschrankes, aus den Schiebladen der Kommoden, aus Koffern, Truhen und<lb/>
Mantelsäcken alle die seltsamen Dinge wieder zum Vorschein, über die die Nach¬<lb/>
mittagssonne des 19. Oktobers 1789 mit vollem Rechte so erstaunt gewesen war, die<lb/>
Dominos aus schwarzem Tastet, die scharlachnen Westen, die Reitröcke und Jagdhabits,<lb/>
die Hemden mit den Spitzenmanschetten, die Hcinrbeutel, die Galnnteriedcgen und die<lb/>
betreßter Stantsröcke, da stellten sich, genan so wie damals, die Mschchen mit<lb/>
van as lavimäiz und Blütenextrakteu, die Dosen und Büchschen mit Salben und<lb/>
wohlriechenden Paften und die Futterale mit Schermesseru und Handspiegeln ein,<lb/>
da gesellten sich wieder spanische Rohre mit goldnen Knöpfen, Pürschbüchsen und<lb/>
Sonnenschirme zu Büchern, Nippesfigürchen, Hüten, Hirschfängern, Sätteln und<lb/>
Teemaschinen. Ja, das Chaos schien gegen damals noch größer geworden zu sein,<lb/>
denn von den Topfen und Tiegeln, Pfannen und Kasserollen, Bratrosten und Reib¬<lb/>
eisen, Gewürzmühlen und Pasteteuformeu, die jetzt den Wirrwarr im Atelier des<lb/>
seligen Herrn Haßlacher vermehrten, hatte die Oktobersonne des Jahres 1789 noch<lb/>
nichts zu sehen bekommen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0246] Der Marquis von Marigny zehnten, worin er bat, ihn mit der Widerlegung eines oder mehrerer der sieben¬ undfünfzig Anklagepunkte zu betraue«. Von Tag zu Tag wartete er auf Ant¬ wort. Umsonst. Der Brief war wohl überhaupt nicht in die Heerde des Königs gelangt. Noch einmal schreiben? Ach, das wäre unnütz gewesen! Die Zeit verrann, verrann unaufhaltsam, und das Lebensschifflein des Angeklagten trieb immer schneller stromabwärts — dem empörten Meere zu, in dessen Brandung es scheitern mußte. Jetzt kam die Nachricht nach Koblenz, daß am 26. Dezember, dem Tage, an demi man in frühern Jahren die Geburt des Heilands gefeiert hatte, der Bürger Capet zum zweitenmal vor die Schranken des Konvents gestellt worden sei. Und seltsam! Man vernahm zugleich, daß um diese Zeit, wo alles Alte von einem riesenhaften Strudel in die Tiefe gerissen zu werden schien, wo Rotten trunkner Männer und Weiber Tag und Nacht an deu Stätten tanzten, deren Name mit der Geschichte des Königtums in irgend einer Verbindung stand, und wo in den Spelunken der Spielpächter Würfel und Karten nicht mehr zur Ruhe kamen, Tausende und aber Tausende in wahnsinniger Angst in die Kirchen strömten, um, vor den Gräbern der Heiligen in den Staub gestreckt, durch brünstige Gebete das Schicksal abzuwenden, das furchtbar drohend über dem Haupte eines jeden schwebte. Ob die allgemeine Verwirrung in Paris wirklich so groß war, daß es einem einzelnen Menschen gelingen würde, ohne angehalten zu werden, bis zu dem Kerker des königlichen Märtyrers vorzudringen? Das war die Frage, die Marigny nun ohne Unterlaß beschäftigte. Denn er wollte und mußte zum König, er hatte ein Recht dazu, denn er trug die Kammerherrnschlüssel, und er glaubte die Zeit ge¬ kommen, manchen versäumten Dienst nachzuholen. Wie dies zu ermöglichen sei, darüber war er freilich einstweilen noch im unklaren. Er würde damit zufrieden sein, wenn er die Lage des Gefangnen auf irgend welche Weise erleichtern könnte, er wollte sich gern mit dem Amt eines Kammerdieners begnügen, oder, noch lieber, die Funktionen eines Kochs übernehmen. Daß Ludwig der Sechzehnte einen solchen jetzt am dringendsten brauchte, stand für den alten Herrn felsenfest. Woher sollte er die Festigkeit der Seele und die Beweglichkeit des Geistes nehmen, deren er jetzt mehr als je zuvor bedürfte, wenn der Körper entkräftet war? Und dann: im geheimen vertraute der Marquis darauf, vom Himmel zu einem Werkzeuge seiner wunderbaren Pläne ausersehen zu sein. Er dachte an die griechische Fabel von der Maus, die trotz ihrer Kleinheit befähigt war, den in des Jägers Netzen ver¬ strickten Löwen zu befreien. So rüstete er sich denn zur Abreise. Er begann seine Vorbereitungen damit, daß er zwei Leintücher auf den Dielen seines bisherigen Wohngeinachs ausbreitete und auf jedem einen kleinen Berg von Kleidungsstücken und Gebrauchsgegenständen sehr verschiedner Natur aufschichtete. Da kamen aus den Tiefen des gewaltigen Kleiderschrankes, aus den Schiebladen der Kommoden, aus Koffern, Truhen und Mantelsäcken alle die seltsamen Dinge wieder zum Vorschein, über die die Nach¬ mittagssonne des 19. Oktobers 1789 mit vollem Rechte so erstaunt gewesen war, die Dominos aus schwarzem Tastet, die scharlachnen Westen, die Reitröcke und Jagdhabits, die Hemden mit den Spitzenmanschetten, die Hcinrbeutel, die Galnnteriedcgen und die betreßter Stantsröcke, da stellten sich, genan so wie damals, die Mschchen mit van as lavimäiz und Blütenextrakteu, die Dosen und Büchschen mit Salben und wohlriechenden Paften und die Futterale mit Schermesseru und Handspiegeln ein, da gesellten sich wieder spanische Rohre mit goldnen Knöpfen, Pürschbüchsen und Sonnenschirme zu Büchern, Nippesfigürchen, Hüten, Hirschfängern, Sätteln und Teemaschinen. Ja, das Chaos schien gegen damals noch größer geworden zu sein, denn von den Topfen und Tiegeln, Pfannen und Kasserollen, Bratrosten und Reib¬ eisen, Gewürzmühlen und Pasteteuformeu, die jetzt den Wirrwarr im Atelier des seligen Herrn Haßlacher vermehrten, hatte die Oktobersonne des Jahres 1789 noch nichts zu sehen bekommen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/246
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/246>, abgerufen am 01.09.2024.