Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache Personen handelt. Sprachgeschichtlich interessant sind zunächst schon fast sämt¬ Um mit dem Ausdrucke "Hochzeit (ahd. IiSodÄt) als dem verhältnis¬ Weniger bedeutsam, aber immerhin eigentümlich erscheint der allmähliche Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache Personen handelt. Sprachgeschichtlich interessant sind zunächst schon fast sämt¬ Um mit dem Ausdrucke „Hochzeit (ahd. IiSodÄt) als dem verhältnis¬ Weniger bedeutsam, aber immerhin eigentümlich erscheint der allmähliche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0237" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241451"/> <fw type="header" place="top"> Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache</fw><lb/> <p xml:id="ID_946" prev="#ID_945"> Personen handelt. Sprachgeschichtlich interessant sind zunächst schon fast sämt¬<lb/> liche jetzt noch fiir den rechtskräftigen, auf Lebenszeit geschlossenen Bund zwischen<lb/> Mann und Weil, sowie auch fiir den feierlichen Akt seiner Eingehung gebräuchlichen<lb/> Worte wie „Ehe," „Heirat," „Vermählung" und „Hochzeit," da sie alle<lb/> ursprünglich in einem andern, und zwar weitern Sinne gebraucht worden find.<lb/> "</p><lb/> <p xml:id="ID_947"> Um mit dem Ausdrucke „Hochzeit (ahd. IiSodÄt) als dem verhältnis¬<lb/> mäßig einfachsten zu beginnen, so bedeutete er zunächst ganz allgemein jede<lb/> „hohe," d, h. festliche Zeit, Festzeit, Fest, Feierlichkeit, besonders auch Gelage<lb/> bei Hofe (vgl. die „UüobM/nehm" aus dem Anfange des Nibelungenliedes) und<lb/> wurde erst allmählich (etwa seit 1200) auf die festlichen Vorgänge bei der Ver¬<lb/> mählung beschränkt. Obwohl das Wort schon von Luther nur noch so gebraucht<lb/> wird, hat es sich doch vereinzelt noch bis ins siebzehnte Jahrhundert anch in<lb/> dem frühern Sinne zu erhalten vermocht. Noch auffälliger erscheint die<lb/> Begriffsvercngcrnng, die im Laufe der Zeiten das Wort „Ehe" (ahd. c^vu.,<lb/> altsächs. Zo, ahd, Z, seltener ovo) erfahren hat. Denn seine Wurzel findet man<lb/> bei fast allen germanischen Stämme,: (mit Ausnahme nur der Nordländer) als<lb/> die uralte Bezeichnung der „Friedens- und Rechtsordnung im objektiven Sinne"<lb/> (Gesetz, gesetzliche Ordnung, Vertrag! vergl, das latein. a-vPirun). Noch das<lb/> Volksrecht der sogenannten chmnavischen Franken hieß „!K>vt>. OIul,rum.voi'um."<lb/> Im modernen Sinne soll „Ehe" zuerst von dem Se, Galler Mönche Notker<lb/> Labeo (gestorben 1022) gebraucht wordeu sein, aber noch bis Luthers Zeit<lb/> war es allgemein üblich, damit auch das Alte und das Neue Testament (Bund,<lb/> Zeugnis) zu bezeichnen (so u. a, in Strickers „Pfaffe Amis," v. 362 „von<lb/> ckor nnnvc» ß" und im Sachsenspiegel II, Art. 66, H 2), ja sogar in der<lb/> Neuzeit erinnern uns noch einige Ausdrücke an den Grundbegriff. Diesen kann<lb/> man z. B. noch erkennen in dem Personennamen „Ewald" oder „Eward"<lb/> (ez^u't, d. i. der Hüter des Rechts, des Gesetzes), ferner in unserm Eigenschafts¬<lb/> wort „echt" (zusammengezogen aus dem niederd. vu^c-In, ahd. izlreckt), das zu¬<lb/> nächst nur soviel wie „gesetzmäßig" bedeutete, worauf mich das „echte Ding"<lb/> und die „echte Not" des altdeutschen Prozeßrechts (ein juristischer Kunstausdruck<lb/> für ein gesetzliches Hindernis des Nichterscheinens vor Gericht) sowie die „Echt-<lb/> losigkeit" (von „echtlos," ahd. «zcmwio« oder sin«), d. h. der Zustand des<lb/> Friedlosen oder Geächteten, hinweisen. Die mittelhochdeutsche Form Ala.i't (wo¬<lb/> von „die Ehehaften" — rechtsgiltiges Hindernis und „Ehaftrecht" oder<lb/> „Ehafttaiding" als Bezeichnung für ländliche Ncchtsanfzeichnnngen, Wcistümer)<lb/> erscheint heute allerdings schon gänzlich veraltet, dagegen find die „Ehehalter,"<lb/> eigentlich mir „die, die ein gesetzliches Verhältnis wahren," namentlich im<lb/> bayrisch-österreichischen Dialekt fiir die Gesamtheit des Gesindes, die Dienstboten,<lb/> noch bis in die neuste Zeit im Gebrauche geblieben. Nicht ganz sicher ist es,<lb/> ob auch das Adjektiv „ewig" (vou ahd. Zwo ^ Ewigkeit, vergl. das verwandte<lb/> lat. a-kvrmr und das griech. und as,') auf das althochdeutsche „v^g," zurück¬<lb/> geführt werden darf. Die Hypothese wäre sonst sehr verführerisch, da man<lb/> daraus schließen könnte, daß gerade die Germanen der Menschheit eine neue<lb/> sittliche Auffassung der Ehe gebracht hätten, insofern ihnen in höherm Sinn als<lb/> andern Völkern die Ehe als unauflöslich, ewig gegolten habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_948" next="#ID_949"> Weniger bedeutsam, aber immerhin eigentümlich erscheint der allmähliche<lb/> Bedeutungswechsel, den das Wort „Heirat" (ahd. und ahd. turnt), zusammen¬<lb/> gesetzt aus dein ahd. In>v», Gatte, Knecht (vgl. UrwÄ, Gattin, und got. hol^Ä,<lb/> Haus. Haushaltung), und iÄt, Rat in der ältern Bedeutung: „das, was jemand<lb/> all Mitteln zur Befriedigung seiner Bedürfnisse zu Gebote steht" (wie uoch in<lb/> Vorrat, Hausrat, Unrath vgl. auch Gerät, zu Rate halten. Rat schaffen u. a. in.),<lb/> durchgemacht hat, indem es von dem einstigen weitem Begriff „Haushaltungs¬<lb/> vorrat," „Hausbesorguug," „Hauswesen eiuer Familie" zu dem des „Ehestands,"<lb/> dann besonders zur „Schließung einer Ehe" übergegangen ist. Bei dem Aus¬<lb/> drucke „Vermählung" (von vermählen, spütmhd. voriuslisIcM, gewöhnlicher</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0237]
Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache
Personen handelt. Sprachgeschichtlich interessant sind zunächst schon fast sämt¬
liche jetzt noch fiir den rechtskräftigen, auf Lebenszeit geschlossenen Bund zwischen
Mann und Weil, sowie auch fiir den feierlichen Akt seiner Eingehung gebräuchlichen
Worte wie „Ehe," „Heirat," „Vermählung" und „Hochzeit," da sie alle
ursprünglich in einem andern, und zwar weitern Sinne gebraucht worden find.
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Um mit dem Ausdrucke „Hochzeit (ahd. IiSodÄt) als dem verhältnis¬
mäßig einfachsten zu beginnen, so bedeutete er zunächst ganz allgemein jede
„hohe," d, h. festliche Zeit, Festzeit, Fest, Feierlichkeit, besonders auch Gelage
bei Hofe (vgl. die „UüobM/nehm" aus dem Anfange des Nibelungenliedes) und
wurde erst allmählich (etwa seit 1200) auf die festlichen Vorgänge bei der Ver¬
mählung beschränkt. Obwohl das Wort schon von Luther nur noch so gebraucht
wird, hat es sich doch vereinzelt noch bis ins siebzehnte Jahrhundert anch in
dem frühern Sinne zu erhalten vermocht. Noch auffälliger erscheint die
Begriffsvercngcrnng, die im Laufe der Zeiten das Wort „Ehe" (ahd. c^vu.,
altsächs. Zo, ahd, Z, seltener ovo) erfahren hat. Denn seine Wurzel findet man
bei fast allen germanischen Stämme,: (mit Ausnahme nur der Nordländer) als
die uralte Bezeichnung der „Friedens- und Rechtsordnung im objektiven Sinne"
(Gesetz, gesetzliche Ordnung, Vertrag! vergl, das latein. a-vPirun). Noch das
Volksrecht der sogenannten chmnavischen Franken hieß „!K>vt>. OIul,rum.voi'um."
Im modernen Sinne soll „Ehe" zuerst von dem Se, Galler Mönche Notker
Labeo (gestorben 1022) gebraucht wordeu sein, aber noch bis Luthers Zeit
war es allgemein üblich, damit auch das Alte und das Neue Testament (Bund,
Zeugnis) zu bezeichnen (so u. a, in Strickers „Pfaffe Amis," v. 362 „von
ckor nnnvc» ß" und im Sachsenspiegel II, Art. 66, H 2), ja sogar in der
Neuzeit erinnern uns noch einige Ausdrücke an den Grundbegriff. Diesen kann
man z. B. noch erkennen in dem Personennamen „Ewald" oder „Eward"
(ez^u't, d. i. der Hüter des Rechts, des Gesetzes), ferner in unserm Eigenschafts¬
wort „echt" (zusammengezogen aus dem niederd. vu^c-In, ahd. izlreckt), das zu¬
nächst nur soviel wie „gesetzmäßig" bedeutete, worauf mich das „echte Ding"
und die „echte Not" des altdeutschen Prozeßrechts (ein juristischer Kunstausdruck
für ein gesetzliches Hindernis des Nichterscheinens vor Gericht) sowie die „Echt-
losigkeit" (von „echtlos," ahd. «zcmwio« oder sin«), d. h. der Zustand des
Friedlosen oder Geächteten, hinweisen. Die mittelhochdeutsche Form Ala.i't (wo¬
von „die Ehehaften" — rechtsgiltiges Hindernis und „Ehaftrecht" oder
„Ehafttaiding" als Bezeichnung für ländliche Ncchtsanfzeichnnngen, Wcistümer)
erscheint heute allerdings schon gänzlich veraltet, dagegen find die „Ehehalter,"
eigentlich mir „die, die ein gesetzliches Verhältnis wahren," namentlich im
bayrisch-österreichischen Dialekt fiir die Gesamtheit des Gesindes, die Dienstboten,
noch bis in die neuste Zeit im Gebrauche geblieben. Nicht ganz sicher ist es,
ob auch das Adjektiv „ewig" (vou ahd. Zwo ^ Ewigkeit, vergl. das verwandte
lat. a-kvrmr und das griech. und as,') auf das althochdeutsche „v^g," zurück¬
geführt werden darf. Die Hypothese wäre sonst sehr verführerisch, da man
daraus schließen könnte, daß gerade die Germanen der Menschheit eine neue
sittliche Auffassung der Ehe gebracht hätten, insofern ihnen in höherm Sinn als
andern Völkern die Ehe als unauflöslich, ewig gegolten habe.
Weniger bedeutsam, aber immerhin eigentümlich erscheint der allmähliche
Bedeutungswechsel, den das Wort „Heirat" (ahd. und ahd. turnt), zusammen¬
gesetzt aus dein ahd. In>v», Gatte, Knecht (vgl. UrwÄ, Gattin, und got. hol^Ä,
Haus. Haushaltung), und iÄt, Rat in der ältern Bedeutung: „das, was jemand
all Mitteln zur Befriedigung seiner Bedürfnisse zu Gebote steht" (wie uoch in
Vorrat, Hausrat, Unrath vgl. auch Gerät, zu Rate halten. Rat schaffen u. a. in.),
durchgemacht hat, indem es von dem einstigen weitem Begriff „Haushaltungs¬
vorrat," „Hausbesorguug," „Hauswesen eiuer Familie" zu dem des „Ehestands,"
dann besonders zur „Schließung einer Ehe" übergegangen ist. Bei dem Aus¬
drucke „Vermählung" (von vermählen, spütmhd. voriuslisIcM, gewöhnlicher
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