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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Der Marquis von Marigny

Dieser Gedanke verfolgte den alte" Herrn von jetzt an Tag und Nacht. Die
Plebejischen Messer und Gabeln beunruhigten fortan seine Träume, und mehr als
einmal fuhr er aus dem Schlummer empor, weil er den fettigen Dunst der Gar¬
küche einzuatmen glaubte. Immer aber schwebte über diesen Schreckgesichten das
verklärte Bild des armen kleinen Vikars, der als ein Märtyrer der Pflicht ge¬
storben war, und dessen ernstes Antlitz die Mahnung auf den Lippen zu tragen
schien: Folge mir nach!

Der Marquis empfand, daß er irgend etwas unternehmen müsse. Seine
jungen Standesgenossen hatten getan, was sie vermochte"; es war uicht ihre Schuld,
daß den Waffen der Verbündeten das Kriegsglück nicht hold gewesen war. Nun
mußten die Greise vor! Freilich, zum Fechten war der Arm des alten Edelmanns
nicht mehr gelenkig geung, aber mußte mau, um ein Held zu sein, den Degen
führen? Hatte der kleine Vikar etwa gekämpft? Verdient nicht der die größte Be¬
wunderung, der mit vollem Bewußtsein Leiden auf sich nimmt, gegen die es keinen
Widerstand gibt, und die nur der Tod endet? Ach, wie froh wäre Marigny
gewesen, wenn ihm jemand den Weg nach einem solchen Golgatha gezeigt hätte!

In den ersten Novembertagen rückten die Preußen wieder ein und mit ihnen
ein Teil der französischen Royalisten, die vor drei Monaten in zuversichtlicher Hoff¬
nung auf den Sieg der gerechten Sache von Koblenz Abschied genommen hatten.

Und wieder zogen unabsehbare Kolonne" über die Moselbrücke, aber wie hatte
sich das Aussehe" der Krieger verändert! Drei Monate hatte" ausgereicht, die
Regimenter, die mit dröhnenden Schritt über die vom Alter geschwärzten Stein¬
bogen marschiert waren, in eine Armee von bleichen, hohläugigen Gespenstern zu
verwandeln, denen die bis zu deu Epauletten hinauf mit Schlamm und Lehm
überzognen Uniformen um die Glieder schlotterten. Diese Männer hatte nicht der
Feind besiegt, sie waren höhern Mächten gewichen: ununterbrochne Regengüsse,
grundlose Wege, Nachtlager auf durchnäßter Erde, Mangel um Brot und Fleisch,
und nicht zuletzt der Genuß von rohem Gemüse und unreifen Weintrauben hatten
in ihren Reihen weit ärger gewütet, als es die fürchterlichste Kanonade, das hef¬
tigste Gewehrfeuer vermocht hätten.

Der Marquis vou Marigny versäumte die Ankunft keines Bataillons und
keiner Schwadron. Mit Luchsaugen musterte er Mann für Mann. Wenn sich
eine französische Uniform zeigte, wenn ein roter Mantel, wie ihn die Garden
d'Artois trüge", sichtbar wurde, begann sein Herz zu klopfen. Aber der, auf den
er wartete, kam uicht.

Drei oder vier "ni begegnete er bei seinen Gängen zur Moselbrücke der Tochter.
Sie vermied es geflissentlich, mit ihm zusammen zu treffe", und verschwand, sobald
sie seiner ansichtig wurde, in der dichtgescharteu Volksmenge.

Wenn er unter den Heimkehrenden einen Bekannten erblickte, so begrüßte er
ihn und begleitete ihn eine kurze Strecke, um ihn nach Villerois Verbleib zu
fragen. Den Namen seines Schwiegersohns sprach er zwar nie aus, aber die Ge¬
fragten verstanden trotzdem, wen er meinte, wußten jedoch niemals über das Schicksal
des jungen Landedelmanns, "der ein so geschickter Miniaturmaler gewesen war,"
Auskunft zu gebe". Der eine wollte ihn zuletzt im Lager zu Konz gesehen habe",
ein andrer behauptete, er habe ihn beim Regiment Hessen-Philippsthal bemerkt, der
dritte meinte, er sei bei Longwy noch gesund gewesen. Nach mehreren bangen
Tagen erfuhr der Marquis endlich etwas Näheres. Der Baron von Gramont,
der den Feldzug als Stabsoffizier des Generals Miran mitgemacht hatte, berichtete,
Villeroi sei am Abend von Valmy verwundet worden. Er habe aus einem Hinter¬
halt eiuen Schuß durch die rechte Hand erhalten. Ob die Verletzung ernster Natur
gewesen und ob vielleicht sogar die Amputation des verwundeten Glieds notwendig
geworden sei, wußte Gramont selbst nicht, anch konnte er nichts Geuauers darüber
angeben, wo sich der Blessierte zur Zeit befände. Er vermutete nur, daß er mit
den vou Trier aus auf Schiffen beförderten Krnnkeutrausporteu eintreffen würde.


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Der Marquis von Marigny

Dieser Gedanke verfolgte den alte» Herrn von jetzt an Tag und Nacht. Die
Plebejischen Messer und Gabeln beunruhigten fortan seine Träume, und mehr als
einmal fuhr er aus dem Schlummer empor, weil er den fettigen Dunst der Gar¬
küche einzuatmen glaubte. Immer aber schwebte über diesen Schreckgesichten das
verklärte Bild des armen kleinen Vikars, der als ein Märtyrer der Pflicht ge¬
storben war, und dessen ernstes Antlitz die Mahnung auf den Lippen zu tragen
schien: Folge mir nach!

Der Marquis empfand, daß er irgend etwas unternehmen müsse. Seine
jungen Standesgenossen hatten getan, was sie vermochte»; es war uicht ihre Schuld,
daß den Waffen der Verbündeten das Kriegsglück nicht hold gewesen war. Nun
mußten die Greise vor! Freilich, zum Fechten war der Arm des alten Edelmanns
nicht mehr gelenkig geung, aber mußte mau, um ein Held zu sein, den Degen
führen? Hatte der kleine Vikar etwa gekämpft? Verdient nicht der die größte Be¬
wunderung, der mit vollem Bewußtsein Leiden auf sich nimmt, gegen die es keinen
Widerstand gibt, und die nur der Tod endet? Ach, wie froh wäre Marigny
gewesen, wenn ihm jemand den Weg nach einem solchen Golgatha gezeigt hätte!

In den ersten Novembertagen rückten die Preußen wieder ein und mit ihnen
ein Teil der französischen Royalisten, die vor drei Monaten in zuversichtlicher Hoff¬
nung auf den Sieg der gerechten Sache von Koblenz Abschied genommen hatten.

Und wieder zogen unabsehbare Kolonne» über die Moselbrücke, aber wie hatte
sich das Aussehe» der Krieger verändert! Drei Monate hatte» ausgereicht, die
Regimenter, die mit dröhnenden Schritt über die vom Alter geschwärzten Stein¬
bogen marschiert waren, in eine Armee von bleichen, hohläugigen Gespenstern zu
verwandeln, denen die bis zu deu Epauletten hinauf mit Schlamm und Lehm
überzognen Uniformen um die Glieder schlotterten. Diese Männer hatte nicht der
Feind besiegt, sie waren höhern Mächten gewichen: ununterbrochne Regengüsse,
grundlose Wege, Nachtlager auf durchnäßter Erde, Mangel um Brot und Fleisch,
und nicht zuletzt der Genuß von rohem Gemüse und unreifen Weintrauben hatten
in ihren Reihen weit ärger gewütet, als es die fürchterlichste Kanonade, das hef¬
tigste Gewehrfeuer vermocht hätten.

Der Marquis vou Marigny versäumte die Ankunft keines Bataillons und
keiner Schwadron. Mit Luchsaugen musterte er Mann für Mann. Wenn sich
eine französische Uniform zeigte, wenn ein roter Mantel, wie ihn die Garden
d'Artois trüge», sichtbar wurde, begann sein Herz zu klopfen. Aber der, auf den
er wartete, kam uicht.

Drei oder vier »ni begegnete er bei seinen Gängen zur Moselbrücke der Tochter.
Sie vermied es geflissentlich, mit ihm zusammen zu treffe», und verschwand, sobald
sie seiner ansichtig wurde, in der dichtgescharteu Volksmenge.

Wenn er unter den Heimkehrenden einen Bekannten erblickte, so begrüßte er
ihn und begleitete ihn eine kurze Strecke, um ihn nach Villerois Verbleib zu
fragen. Den Namen seines Schwiegersohns sprach er zwar nie aus, aber die Ge¬
fragten verstanden trotzdem, wen er meinte, wußten jedoch niemals über das Schicksal
des jungen Landedelmanns, „der ein so geschickter Miniaturmaler gewesen war,"
Auskunft zu gebe». Der eine wollte ihn zuletzt im Lager zu Konz gesehen habe»,
ein andrer behauptete, er habe ihn beim Regiment Hessen-Philippsthal bemerkt, der
dritte meinte, er sei bei Longwy noch gesund gewesen. Nach mehreren bangen
Tagen erfuhr der Marquis endlich etwas Näheres. Der Baron von Gramont,
der den Feldzug als Stabsoffizier des Generals Miran mitgemacht hatte, berichtete,
Villeroi sei am Abend von Valmy verwundet worden. Er habe aus einem Hinter¬
halt eiuen Schuß durch die rechte Hand erhalten. Ob die Verletzung ernster Natur
gewesen und ob vielleicht sogar die Amputation des verwundeten Glieds notwendig
geworden sei, wußte Gramont selbst nicht, anch konnte er nichts Geuauers darüber
angeben, wo sich der Blessierte zur Zeit befände. Er vermutete nur, daß er mit
den vou Trier aus auf Schiffen beförderten Krnnkeutrausporteu eintreffen würde.


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[0185] Der Marquis von Marigny Dieser Gedanke verfolgte den alte» Herrn von jetzt an Tag und Nacht. Die Plebejischen Messer und Gabeln beunruhigten fortan seine Träume, und mehr als einmal fuhr er aus dem Schlummer empor, weil er den fettigen Dunst der Gar¬ küche einzuatmen glaubte. Immer aber schwebte über diesen Schreckgesichten das verklärte Bild des armen kleinen Vikars, der als ein Märtyrer der Pflicht ge¬ storben war, und dessen ernstes Antlitz die Mahnung auf den Lippen zu tragen schien: Folge mir nach! Der Marquis empfand, daß er irgend etwas unternehmen müsse. Seine jungen Standesgenossen hatten getan, was sie vermochte»; es war uicht ihre Schuld, daß den Waffen der Verbündeten das Kriegsglück nicht hold gewesen war. Nun mußten die Greise vor! Freilich, zum Fechten war der Arm des alten Edelmanns nicht mehr gelenkig geung, aber mußte mau, um ein Held zu sein, den Degen führen? Hatte der kleine Vikar etwa gekämpft? Verdient nicht der die größte Be¬ wunderung, der mit vollem Bewußtsein Leiden auf sich nimmt, gegen die es keinen Widerstand gibt, und die nur der Tod endet? Ach, wie froh wäre Marigny gewesen, wenn ihm jemand den Weg nach einem solchen Golgatha gezeigt hätte! In den ersten Novembertagen rückten die Preußen wieder ein und mit ihnen ein Teil der französischen Royalisten, die vor drei Monaten in zuversichtlicher Hoff¬ nung auf den Sieg der gerechten Sache von Koblenz Abschied genommen hatten. Und wieder zogen unabsehbare Kolonne» über die Moselbrücke, aber wie hatte sich das Aussehe» der Krieger verändert! Drei Monate hatte» ausgereicht, die Regimenter, die mit dröhnenden Schritt über die vom Alter geschwärzten Stein¬ bogen marschiert waren, in eine Armee von bleichen, hohläugigen Gespenstern zu verwandeln, denen die bis zu deu Epauletten hinauf mit Schlamm und Lehm überzognen Uniformen um die Glieder schlotterten. Diese Männer hatte nicht der Feind besiegt, sie waren höhern Mächten gewichen: ununterbrochne Regengüsse, grundlose Wege, Nachtlager auf durchnäßter Erde, Mangel um Brot und Fleisch, und nicht zuletzt der Genuß von rohem Gemüse und unreifen Weintrauben hatten in ihren Reihen weit ärger gewütet, als es die fürchterlichste Kanonade, das hef¬ tigste Gewehrfeuer vermocht hätten. Der Marquis vou Marigny versäumte die Ankunft keines Bataillons und keiner Schwadron. Mit Luchsaugen musterte er Mann für Mann. Wenn sich eine französische Uniform zeigte, wenn ein roter Mantel, wie ihn die Garden d'Artois trüge», sichtbar wurde, begann sein Herz zu klopfen. Aber der, auf den er wartete, kam uicht. Drei oder vier »ni begegnete er bei seinen Gängen zur Moselbrücke der Tochter. Sie vermied es geflissentlich, mit ihm zusammen zu treffe», und verschwand, sobald sie seiner ansichtig wurde, in der dichtgescharteu Volksmenge. Wenn er unter den Heimkehrenden einen Bekannten erblickte, so begrüßte er ihn und begleitete ihn eine kurze Strecke, um ihn nach Villerois Verbleib zu fragen. Den Namen seines Schwiegersohns sprach er zwar nie aus, aber die Ge¬ fragten verstanden trotzdem, wen er meinte, wußten jedoch niemals über das Schicksal des jungen Landedelmanns, „der ein so geschickter Miniaturmaler gewesen war," Auskunft zu gebe». Der eine wollte ihn zuletzt im Lager zu Konz gesehen habe», ein andrer behauptete, er habe ihn beim Regiment Hessen-Philippsthal bemerkt, der dritte meinte, er sei bei Longwy noch gesund gewesen. Nach mehreren bangen Tagen erfuhr der Marquis endlich etwas Näheres. Der Baron von Gramont, der den Feldzug als Stabsoffizier des Generals Miran mitgemacht hatte, berichtete, Villeroi sei am Abend von Valmy verwundet worden. Er habe aus einem Hinter¬ halt eiuen Schuß durch die rechte Hand erhalten. Ob die Verletzung ernster Natur gewesen und ob vielleicht sogar die Amputation des verwundeten Glieds notwendig geworden sei, wußte Gramont selbst nicht, anch konnte er nichts Geuauers darüber angeben, wo sich der Blessierte zur Zeit befände. Er vermutete nur, daß er mit den vou Trier aus auf Schiffen beförderten Krnnkeutrausporteu eintreffen würde. GrcnzboK'N UI 1908 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/185>, abgerufen am 01.09.2024.