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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Der Marquis von Marigny

einem Dörfchen zwischen der Stadt und dem Lagerplätze, glaubte, das goldne Zeit¬
alter sei angebrochen.

Unzufrieden war nur einer: der Herzog von Braunschweig. Seinen Kriegs¬
plan, zunächst die Maasfestungen zu nehmen und hier in gesicherten Stellungen die
gute Jahreszeit abzuwarten, hatte der König im letzten Augenblick verworfen, indem
er geradeswegs auf Paris zu marschieren befahl. Daran war niemand anders schuld
als die Emigranten, deren Rachedurst nicht früh genug gestillt werden konnte. Und
nun mußte der Herzog noch erleben, daß ihm achttausend dieser Leute zugewiesen
wurden! Er empfing sie mit schlecht verhehltem Ingrimm und beobachtete mit Zähne-
knirschen, wie sie, die weder zu befehlen noch zu gehorche" verstanden, sich uuter
seinen murrenden Kriegern breit machten, allerorten Händel anfingen und mit ihrer
Bagage die Lngergassen versperrten. Wie erstaunte er aber erst, als er bei der
Revue erfuhr, daß mehr als die Hälfte dieser royalistischen Streitmacht aus Weibern,
Kammerdienern, Köchen und Friseuren bestand!

Unter den in Koblenz zurückgebliebnen Franzosen, die dem Abmarsch des Heeres
beiwohnen wollten und in den Morgenstunden des 30. Juli die staubige Straße
zur Rübenacher Hochebne hinaufwanderten, war auch der Marquis vo" Marigny.
Er hatte sich dem Grafen von Cayla angeschlossen, dessen Sohn mit den Preußen
ins Feld rückte. Marigny glaubte zu bemerken, daß ihnen auf ihrem Wege zwei
Männer in immer gleichem Abstände folgten, halt machten, wenn sie stehn blieben,
und wenn sie rascher gingen, auch ihre Schritte beschleunigten. Er machte seinen
Gefährten hierauf aufmerksam und gab der Vermutung Ausdruck, daß die beiden
nchts gutes im Schilde führten und möglicherweise ein paar der von Bigot de
Se. Croix bezahlten Aufpasser seien. Aber der Graf beruhigte ihn bald, indem er
in> ? Keine Sorge, mein Freund! Diebeiden dort sind die harmlosesten
Mer,eben von der Welt. Ich habe mich an ihre Begleitung so gewöhnt, daß ich
ste ungern entbehren möchte.

Und wer sind sie? fragte der Marquis verwundert.

^er paar Bursche, die sich in den Kopf gesetzt haben, über meine Sicherheit
Lalu V"'^ ""^ ""s den Augen zu lassen. Der eine ist Lndendiener bei
ti^ in,..""d Lacomparte. der andre Hausknecht im Knrtrierischen Hofe. Kann man
" "°"en Gäste weiter treiben?

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Lager ^ s^"^^^ der freiwilligen Leibgarde gelangten die beiden Herren ins
knechte Rosse ^ bahnten sie sich dnrch das Gewühl der Soldaten, Pack¬
wenn 'ein s/ ^" ^ren Weg. Mehr als einmal mußten sie zur Seite flüchte",
geruht sie . , ^^Sö"^^''^ Pferd ihnen eutgegeustürmte oder ein stürzendes Zelt-
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/" drohte. Nach langen vergeblichem Suchen fand mau den
tückischem Ben^!>? ^""Wschlissencn Menschen mit schlaffen Zügen und knabenhaft
über nlle Man kam überei", in einer Weinbude, die mit Landsleuten
Bescheid ,1 "° ^vschiedsbouteille nuszustechen. Der junge Graf schien hier schon
einem ? ^ ^" ""^ empfahl seinem Vater den Leistenwein von 1783 als den
daß der n . ^" TM'fin- Als es aber ans Bezahlen ging, stellte es sich heraus,
für ita 5 ^"^ ""de bei sich hatte. Da der Sohn keine Miene machte,
sich . ^"öusprmgen, wollte Mariguy die Begleichung der Zeche übernehme", was
und , ^ ^ ""5 das entschiedenste verbat. Dieser verließ hierauf das Zelt
ruMe "ach wenig Minuten mit dem nötigen Gelde zurück.
'

^te haben wohl einen Freund getroffen? fragte der Marquis.

Mueu Freund? Wie kommen Sie darauf?

um, weil Sie Geld erhalten haben,

belästigt? " ^ ""^ ^ Menschen, der seine Freunde mit solchen Bagatellen

Wer es muß Ihnen doch jemand den Betrag vorgeschossen haben?

Gewiß.

Ein Fremder also?


Der Marquis von Marigny

einem Dörfchen zwischen der Stadt und dem Lagerplätze, glaubte, das goldne Zeit¬
alter sei angebrochen.

Unzufrieden war nur einer: der Herzog von Braunschweig. Seinen Kriegs¬
plan, zunächst die Maasfestungen zu nehmen und hier in gesicherten Stellungen die
gute Jahreszeit abzuwarten, hatte der König im letzten Augenblick verworfen, indem
er geradeswegs auf Paris zu marschieren befahl. Daran war niemand anders schuld
als die Emigranten, deren Rachedurst nicht früh genug gestillt werden konnte. Und
nun mußte der Herzog noch erleben, daß ihm achttausend dieser Leute zugewiesen
wurden! Er empfing sie mit schlecht verhehltem Ingrimm und beobachtete mit Zähne-
knirschen, wie sie, die weder zu befehlen noch zu gehorche» verstanden, sich uuter
seinen murrenden Kriegern breit machten, allerorten Händel anfingen und mit ihrer
Bagage die Lngergassen versperrten. Wie erstaunte er aber erst, als er bei der
Revue erfuhr, daß mehr als die Hälfte dieser royalistischen Streitmacht aus Weibern,
Kammerdienern, Köchen und Friseuren bestand!

Unter den in Koblenz zurückgebliebnen Franzosen, die dem Abmarsch des Heeres
beiwohnen wollten und in den Morgenstunden des 30. Juli die staubige Straße
zur Rübenacher Hochebne hinaufwanderten, war auch der Marquis vo» Marigny.
Er hatte sich dem Grafen von Cayla angeschlossen, dessen Sohn mit den Preußen
ins Feld rückte. Marigny glaubte zu bemerken, daß ihnen auf ihrem Wege zwei
Männer in immer gleichem Abstände folgten, halt machten, wenn sie stehn blieben,
und wenn sie rascher gingen, auch ihre Schritte beschleunigten. Er machte seinen
Gefährten hierauf aufmerksam und gab der Vermutung Ausdruck, daß die beiden
nchts gutes im Schilde führten und möglicherweise ein paar der von Bigot de
Se. Croix bezahlten Aufpasser seien. Aber der Graf beruhigte ihn bald, indem er
in> ? Keine Sorge, mein Freund! Diebeiden dort sind die harmlosesten
Mer,eben von der Welt. Ich habe mich an ihre Begleitung so gewöhnt, daß ich
ste ungern entbehren möchte.

Und wer sind sie? fragte der Marquis verwundert.

^er paar Bursche, die sich in den Kopf gesetzt haben, über meine Sicherheit
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" "°"en Gäste weiter treiben?

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knechte Rosse ^ bahnten sie sich dnrch das Gewühl der Soldaten, Pack¬
wenn 'ein s/ ^" ^ren Weg. Mehr als einmal mußten sie zur Seite flüchte»,
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einem ? ^ ^" ""^ empfahl seinem Vater den Leistenwein von 1783 als den
daß der n . ^" TM'fin- Als es aber ans Bezahlen ging, stellte es sich heraus,
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^te haben wohl einen Freund getroffen? fragte der Marquis.

Mueu Freund? Wie kommen Sie darauf?

um, weil Sie Geld erhalten haben,

belästigt? " ^ ""^ ^ Menschen, der seine Freunde mit solchen Bagatellen

Wer es muß Ihnen doch jemand den Betrag vorgeschossen haben?

Gewiß.

Ein Fremder also?


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[0119] Der Marquis von Marigny einem Dörfchen zwischen der Stadt und dem Lagerplätze, glaubte, das goldne Zeit¬ alter sei angebrochen. Unzufrieden war nur einer: der Herzog von Braunschweig. Seinen Kriegs¬ plan, zunächst die Maasfestungen zu nehmen und hier in gesicherten Stellungen die gute Jahreszeit abzuwarten, hatte der König im letzten Augenblick verworfen, indem er geradeswegs auf Paris zu marschieren befahl. Daran war niemand anders schuld als die Emigranten, deren Rachedurst nicht früh genug gestillt werden konnte. Und nun mußte der Herzog noch erleben, daß ihm achttausend dieser Leute zugewiesen wurden! Er empfing sie mit schlecht verhehltem Ingrimm und beobachtete mit Zähne- knirschen, wie sie, die weder zu befehlen noch zu gehorche» verstanden, sich uuter seinen murrenden Kriegern breit machten, allerorten Händel anfingen und mit ihrer Bagage die Lngergassen versperrten. Wie erstaunte er aber erst, als er bei der Revue erfuhr, daß mehr als die Hälfte dieser royalistischen Streitmacht aus Weibern, Kammerdienern, Köchen und Friseuren bestand! Unter den in Koblenz zurückgebliebnen Franzosen, die dem Abmarsch des Heeres beiwohnen wollten und in den Morgenstunden des 30. Juli die staubige Straße zur Rübenacher Hochebne hinaufwanderten, war auch der Marquis vo» Marigny. Er hatte sich dem Grafen von Cayla angeschlossen, dessen Sohn mit den Preußen ins Feld rückte. Marigny glaubte zu bemerken, daß ihnen auf ihrem Wege zwei Männer in immer gleichem Abstände folgten, halt machten, wenn sie stehn blieben, und wenn sie rascher gingen, auch ihre Schritte beschleunigten. Er machte seinen Gefährten hierauf aufmerksam und gab der Vermutung Ausdruck, daß die beiden nchts gutes im Schilde führten und möglicherweise ein paar der von Bigot de Se. Croix bezahlten Aufpasser seien. Aber der Graf beruhigte ihn bald, indem er in> ? Keine Sorge, mein Freund! Diebeiden dort sind die harmlosesten Mer,eben von der Welt. Ich habe mich an ihre Begleitung so gewöhnt, daß ich ste ungern entbehren möchte. Und wer sind sie? fragte der Marquis verwundert. ^er paar Bursche, die sich in den Kopf gesetzt haben, über meine Sicherheit Lalu V"'^ ""^ ""s den Augen zu lassen. Der eine ist Lndendiener bei ti^ in,..""d Lacomparte. der andre Hausknecht im Knrtrierischen Hofe. Kann man " "°"en Gäste weiter treiben? ute Lager ^ s^"^^^ der freiwilligen Leibgarde gelangten die beiden Herren ins knechte Rosse ^ bahnten sie sich dnrch das Gewühl der Soldaten, Pack¬ wenn 'ein s/ ^" ^ren Weg. Mehr als einmal mußten sie zur Seite flüchte», geruht sie . , ^^Sö"^^''^ Pferd ihnen eutgegeustürmte oder ein stürzendes Zelt- jnnaen Caw» ^^"S, /" drohte. Nach langen vergeblichem Suchen fand mau den tückischem Ben^!>? ^""Wschlissencn Menschen mit schlaffen Zügen und knabenhaft über nlle Man kam überei», in einer Weinbude, die mit Landsleuten Bescheid ,1 "° ^vschiedsbouteille nuszustechen. Der junge Graf schien hier schon einem ? ^ ^" ""^ empfahl seinem Vater den Leistenwein von 1783 als den daß der n . ^" TM'fin- Als es aber ans Bezahlen ging, stellte es sich heraus, für ita 5 ^"^ ""de bei sich hatte. Da der Sohn keine Miene machte, sich . ^"öusprmgen, wollte Mariguy die Begleichung der Zeche übernehme», was und , ^ ^ ""5 das entschiedenste verbat. Dieser verließ hierauf das Zelt ruMe „ach wenig Minuten mit dem nötigen Gelde zurück. ' ^te haben wohl einen Freund getroffen? fragte der Marquis. Mueu Freund? Wie kommen Sie darauf? um, weil Sie Geld erhalten haben, belästigt? " ^ ""^ ^ Menschen, der seine Freunde mit solchen Bagatellen Wer es muß Ihnen doch jemand den Betrag vorgeschossen haben? Gewiß. Ein Fremder also?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/119>, abgerufen am 25.11.2024.