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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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--berger usw.) war einst (am längsten noch in Hessen und im Elsaß) die amt¬
liche Bezeichnung für einen Ortsvorsteher oder den (gewählten) Vorsteher länd¬
licher Gemeindeversammluugen und des Dorfgerichts (Ireimbur^o, Bauermeister,
Greoe usw.). Der heute für dieses Amt gebräuchlichere Ausdruck "Schulze"
(Dorfschulze) ist bekanntlich ebenfalls zugleich eiuer der verbreitetsten Familien¬
namen. Titel wie Name aber gehn zurück auf den altdeutschen "Schultheiß"
(althd. soulllloi/.o, svulcllieitM, ahd. soKrüclireiW, niederd. 8ob.ullo fsoliulllletej,
alae. souläusius, 8vu1lini8n8), worunter ursprünglich wirklich der "Schultheischer,"
d. h. der Beamte zu verstehn ivar, "der die Schuldigkeit zu leisten befiehlt, die
Schuld eintreibt." Später hatte das Amt einen sehr mannigfachen, auch nach
den verschiednen Gegenden wechselnden Inhalt, bis sich dann in der Neuzeit
der Sprachgebrauch allmählich in der schon angegebnen Weise befestigt hat.
Übrigens kommt die Amtsbezeichnung vereinzelt, nämlich in Württemberg, heute
auch für die Vorsteher der Verwaltung von Städten, sogar größern Umfangs,
vor, soociß hier der "Stadtschultheiß" soviel bedeutet wie anderswo der
"Bürgermeister," der uns als "Burgemeister" (burerneistc-r, d. h. Meister der
Burg, Stadt) ebenfalls schon früh in Gesetzen und Urkunden entgegentritt.

Im Mittelalter hatte aber jede einigermaßen bedeutende Stadt nicht nur
-- wie heute -- ihre eigne Verfassung und Verwaltung, sondern auch ihr
eignes Recht, das Stadtrecht, das nach einer wichtigen Parömie das "Land¬
recht" ebenso brechen sollte, wie dieses das "gemeine Recht," sodaß es jeder¬
zeit an erster Stelle zu Rate gezogen werden mußte. Für dieses "Stadt¬
recht" findet sich seit dem zwölften Jahrhundert namentlich in nord- und
mitteldeutschen Nechtsaufzeichnnngen -- seltner auch im Süden -- als technisch-
juristische Bezeichnung ein auch, in unsrer modernen Sprache noch erhaltner
Ausdruck, deu wir nnr freilich in einem viel allgemeinern Sinne gebrauchen.
Es ist das interessante Wort "Weichbild" (ahd. vviMleäö, viobilcte, vloll-
mläg, --IiMv u. a. in), über dessen Etymologie die Gelehrten lauge Zeit
recht uneinig gewesen sind. Jetzt darf man wohl mit R. Schröder^) annehmen,
daß der erste Bestandteil das im Niederdeutschen weitverbreitete one (got. veibs,
lat. viens, griech. o/xc-s) ist, das sich in manchen Ortsnamen noch rein erhalten
hat (wie in Bcirdowieck bei Lüneburg, d. h. ursprünglich Lnngobardeuort, ferner
in Osterwilejck in Westfalen und im Harz, Wiek auf Ritgen, Putziger Wiek,
Wik am Kieler Hafen, Whk auf der Insel Föhr), während die zweite Silbe das
Wort dnn in der Bedeutung "Recht" enthält, das entweder abzuleiten ist von
einem althochdeutscher diliclg. oder -- wahrscheinlicher -- von unserm Bild
(iiNÄM, übt. viliäi, altsächs. bilitlri), das schon früh im Sinne von "Vorbild,"
"Gemäßheit" vorkommt (vgl. biläe-ut, villlou, das heutige "billig" und rm-
diläv, "Unbill"). Danach'muß die Grundbedeutung des Wortes "Ortsrecht,"
,,Stadtrecht," "Marktrecht" gewesen sein, und das wird auch gleich durch
das älteste Zeugnis, die Grttndungsurkuude der Stadt Leipzig aus den Jahren
1156 bis 1170 bestätigt, wonach der neue "suo IlgllsnÄ "t, Na,Aä<zbur^M8i
furo" errichtete Ort vier Stadtkreuze als Sinnbild des Stadtrechts ("M'i" srmni
ciuoä vviodilczäe äiviwr siMum") erhielt. So tritt denn "Weichbild" bald
dem Landrecht als ein Gegensatz gegenüber, dann aber erweitert es sich -- ähnlich
wie das Wort "Bann" früher'nicht nur Gericht und gerichtliche Gewalt, sondern
mich Gerichts bezirk bezeichnet hat -- vom Stadtrechte zum "Stadtrechts gebt et"
oder "Stadtgebiet," wofür es schon am Anfang des dreizehnten Jahrhunderts
vorkommt. Allmählich wurde "Weichbild" ferner auch wohl geradezu zur Be¬
zeichnung von "Stadt" (namentlich kleinern Umfangs, Märkte und Flecken) ver-



*) Ein Wörterbuch der ältern deutschen Rechtssprache, in der Festschrift für den 26. Deutschen
Juristcntcig, Berlin 1902, S. 89 ff. und besonders S. 93 ff. Dort (S. 120) auch ausführliche
Literaturanaaben. Vgl. auch Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 4, Aufl., Leipzig
l902, S, 641, Anm! 83.

—berger usw.) war einst (am längsten noch in Hessen und im Elsaß) die amt¬
liche Bezeichnung für einen Ortsvorsteher oder den (gewählten) Vorsteher länd¬
licher Gemeindeversammluugen und des Dorfgerichts (Ireimbur^o, Bauermeister,
Greoe usw.). Der heute für dieses Amt gebräuchlichere Ausdruck „Schulze"
(Dorfschulze) ist bekanntlich ebenfalls zugleich eiuer der verbreitetsten Familien¬
namen. Titel wie Name aber gehn zurück auf den altdeutschen „Schultheiß"
(althd. soulllloi/.o, svulcllieitM, ahd. soKrüclireiW, niederd. 8ob.ullo fsoliulllletej,
alae. souläusius, 8vu1lini8n8), worunter ursprünglich wirklich der „Schultheischer,"
d. h. der Beamte zu verstehn ivar, „der die Schuldigkeit zu leisten befiehlt, die
Schuld eintreibt." Später hatte das Amt einen sehr mannigfachen, auch nach
den verschiednen Gegenden wechselnden Inhalt, bis sich dann in der Neuzeit
der Sprachgebrauch allmählich in der schon angegebnen Weise befestigt hat.
Übrigens kommt die Amtsbezeichnung vereinzelt, nämlich in Württemberg, heute
auch für die Vorsteher der Verwaltung von Städten, sogar größern Umfangs,
vor, soociß hier der „Stadtschultheiß" soviel bedeutet wie anderswo der
„Bürgermeister," der uns als „Burgemeister" (burerneistc-r, d. h. Meister der
Burg, Stadt) ebenfalls schon früh in Gesetzen und Urkunden entgegentritt.

Im Mittelalter hatte aber jede einigermaßen bedeutende Stadt nicht nur
— wie heute — ihre eigne Verfassung und Verwaltung, sondern auch ihr
eignes Recht, das Stadtrecht, das nach einer wichtigen Parömie das „Land¬
recht" ebenso brechen sollte, wie dieses das „gemeine Recht," sodaß es jeder¬
zeit an erster Stelle zu Rate gezogen werden mußte. Für dieses „Stadt¬
recht" findet sich seit dem zwölften Jahrhundert namentlich in nord- und
mitteldeutschen Nechtsaufzeichnnngen — seltner auch im Süden — als technisch-
juristische Bezeichnung ein auch, in unsrer modernen Sprache noch erhaltner
Ausdruck, deu wir nnr freilich in einem viel allgemeinern Sinne gebrauchen.
Es ist das interessante Wort „Weichbild" (ahd. vviMleäö, viobilcte, vloll-
mläg, —IiMv u. a. in), über dessen Etymologie die Gelehrten lauge Zeit
recht uneinig gewesen sind. Jetzt darf man wohl mit R. Schröder^) annehmen,
daß der erste Bestandteil das im Niederdeutschen weitverbreitete one (got. veibs,
lat. viens, griech. o/xc-s) ist, das sich in manchen Ortsnamen noch rein erhalten
hat (wie in Bcirdowieck bei Lüneburg, d. h. ursprünglich Lnngobardeuort, ferner
in Osterwilejck in Westfalen und im Harz, Wiek auf Ritgen, Putziger Wiek,
Wik am Kieler Hafen, Whk auf der Insel Föhr), während die zweite Silbe das
Wort dnn in der Bedeutung „Recht" enthält, das entweder abzuleiten ist von
einem althochdeutscher diliclg. oder — wahrscheinlicher — von unserm Bild
(iiNÄM, übt. viliäi, altsächs. bilitlri), das schon früh im Sinne von „Vorbild,"
„Gemäßheit" vorkommt (vgl. biläe-ut, villlou, das heutige „billig" und rm-
diläv, „Unbill"). Danach'muß die Grundbedeutung des Wortes „Ortsrecht,"
,,Stadtrecht," „Marktrecht" gewesen sein, und das wird auch gleich durch
das älteste Zeugnis, die Grttndungsurkuude der Stadt Leipzig aus den Jahren
1156 bis 1170 bestätigt, wonach der neue „suo IlgllsnÄ «t, Na,Aä<zbur^M8i
furo" errichtete Ort vier Stadtkreuze als Sinnbild des Stadtrechts („M'i» srmni
ciuoä vviodilczäe äiviwr siMum") erhielt. So tritt denn „Weichbild" bald
dem Landrecht als ein Gegensatz gegenüber, dann aber erweitert es sich — ähnlich
wie das Wort „Bann" früher'nicht nur Gericht und gerichtliche Gewalt, sondern
mich Gerichts bezirk bezeichnet hat — vom Stadtrechte zum „Stadtrechts gebt et"
oder „Stadtgebiet," wofür es schon am Anfang des dreizehnten Jahrhunderts
vorkommt. Allmählich wurde „Weichbild" ferner auch wohl geradezu zur Be¬
zeichnung von „Stadt" (namentlich kleinern Umfangs, Märkte und Flecken) ver-



*) Ein Wörterbuch der ältern deutschen Rechtssprache, in der Festschrift für den 26. Deutschen
Juristcntcig, Berlin 1902, S. 89 ff. und besonders S. 93 ff. Dort (S. 120) auch ausführliche
Literaturanaaben. Vgl. auch Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 4, Aufl., Leipzig
l902, S, 641, Anm! 83.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/103>, abgerufen am 25.11.2024.