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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Deutsche Rechtsaltertinner in unsrer heutigen deutschen Sprache

"Landwirtschaftskammern"). Die Rechtsanwaltsordnung erwähnt an zahlreichen
Stellen die "Anwaltsknmmern," noch andre Gesetze sprechen von "Dis-
ziplinarkammern." Am bekanntesten sind endlich die nach französischem
Vorbilde (olmwbro clef äüputüs) geschaffnen, speziell wieder dem Staatsver-
fassnngsrecht angehörenden Ausdrücke "erste" und "zweite Kammer" für die
beiden zur Mitwirkung an der Gesetzgebung berufnen Körperschaften der Landes¬
vertretung, die freilich in manchen Bundesstaaten noch besondre althergebrachte
Namen führen. Unter diesen sind das preußische "Herrenhaus" und die
württembergische "Kammer der Standesherren" (im Gegensatze zum "Abge¬
ordnetenhaus" und der "Kärrner der Abgeordneten") für den Sprachforscher
insofern ebenfalls eine interessante Erscheinung, als sich in diesen Ausdrücken
noch das Wort "Herr" in seiner ursprünglichen, sonst heute schon fast völlig
abhanden gekommenen Bedeutung ("der Vornehme," Adlige) zu erhalten ver¬
mocht hat.

Kehren wir -- nach dieser Abschweifung -- zu den vier Hof- und Reichs¬
ämtern zurück, so siud zwar der "Schenk," zunächst nnr der Diener, der für die
Getränke zu sorgen hatte (spater etwa: Kellermeister), und der "Truchseß" (ahd.
trugstjs^sstj/.v), eigentlich der Diener, der die Speisen auftrug (dann etwa: Obcr-
küchenmeister), heute als Aintsbezeichnuugeu verloren gegangen, leben aber beide
noch fort in den Namen gewisser Adelsgeschlechter (Schenk zu Schweinsberg,
Truchseß zu Waldburg). Auch hatte sich die niederdeutsche Form für Truchseß,
"Droste," die ebenfalls als erblicher Familicntitel vorkommt (vergl. Droste-
Hülshoff, Droste zu Vischering) als Amtsumne noch bis vor kurzem zu er¬
halten vermocht in dem hannoverschen "Landdrost" (Vorsteher einer "Land-
drostei"), der bis zur neuen Kreiseinteilung der Provinz vom 1. April 1885
dort das Amt eines heutigen Regierungspräsidenten versah.

Während sich bei den bisher erwähnten Amtsbenennnngen durchweg eine
allmähliche Veränderung ihres Inhalts zum Vornehmern verfolgen läßt, enthält
die Sprachgeschichte mich umgekehrt Beispiele sozusagen für das Herabsteigen
mancher Amtstitel von der einstigen Höhe auf eine tiefere Stufe. Hierfür sei es
erlaubt, auf ein nicht rein deutsches, sondern aus dem Lateinischen in unsre
Sprache aufgenommues Wort hinzuweisen, weil man die Erscheinung an ihm
besonders deutlich wahrnehmen kann. Es ist der bekannte Nmtstitel "Re¬
ferendar" (Referendarius, Referendar), der in Preußen und vielen andern
deutschen Bundesstaaten jetzt nur uoch gebräuchlich ist für die nach Ablegung
der ersten Prüfung im Vorbereitungsdienst bei den Gerichten und Verwaltungs¬
behörden beschäftigten jungen Juristen (in Bayern: Nechtspraktikauten, in Hessen:
Aecessisten), obwohl in ältern Zeiten derselbe Name vielfach für sehr hohe Hof-
uud Staatsämter verwandt wurde. So begegnet dieser dem Rechte der römischen
Kaiserzeit entstammende Titel schon früh bei den Langobarden für den Vor¬
stand der königlichen Kanzlei, für den er auch unter den Frankenkönigen -- und
zwar schon in der merowingischen Zeit -- hauptsächlich vorkommt "(verdeutscht
also etwa: "Reichskanzler"). Seit dem spätern Mittelalter tritt er dann wieder,
namentlich für gewisse hohe Beamte am Reichsgericht, Reichshofrat und bei
der Neichshvfkanzlei, auf, während er in der neuern Zeit nur noch auf engerm
Gebiet (besonders in Baden und in Sachsen-Weimar) sein ursprünglich vornehmes
Gepräge zu wahren, jn teilweise noch zu steigern vermochte ("Geheimer Re¬
ferendar").

An eine Reihe andrer älterer Amtsbezeichnungen erinnern endlich in der
Gegenwart nur noch gewisse Familiennamen, wie z. B. Stöcker (Stöcker,
Stockmann), dessen Vorfahren einst die Amtsgeschäfte des (städtischen) Gefängnis¬
aufsehers (Stockwärter, ZtociWÄrtöjrj, Ltooicer, custos oixm) versehen haben dürften,
die zugleich mit denen des Nachrichters verbunden waren. Auch der Eigen¬
name Hcimbürge (nebst den Variationen Heimburg, Heimburger, bürger,


Deutsche Rechtsaltertinner in unsrer heutigen deutschen Sprache

„Landwirtschaftskammern"). Die Rechtsanwaltsordnung erwähnt an zahlreichen
Stellen die „Anwaltsknmmern," noch andre Gesetze sprechen von „Dis-
ziplinarkammern." Am bekanntesten sind endlich die nach französischem
Vorbilde (olmwbro clef äüputüs) geschaffnen, speziell wieder dem Staatsver-
fassnngsrecht angehörenden Ausdrücke „erste" und „zweite Kammer" für die
beiden zur Mitwirkung an der Gesetzgebung berufnen Körperschaften der Landes¬
vertretung, die freilich in manchen Bundesstaaten noch besondre althergebrachte
Namen führen. Unter diesen sind das preußische „Herrenhaus" und die
württembergische „Kammer der Standesherren" (im Gegensatze zum „Abge¬
ordnetenhaus" und der „Kärrner der Abgeordneten") für den Sprachforscher
insofern ebenfalls eine interessante Erscheinung, als sich in diesen Ausdrücken
noch das Wort „Herr" in seiner ursprünglichen, sonst heute schon fast völlig
abhanden gekommenen Bedeutung („der Vornehme," Adlige) zu erhalten ver¬
mocht hat.

Kehren wir — nach dieser Abschweifung — zu den vier Hof- und Reichs¬
ämtern zurück, so siud zwar der „Schenk," zunächst nnr der Diener, der für die
Getränke zu sorgen hatte (spater etwa: Kellermeister), und der „Truchseß" (ahd.
trugstjs^sstj/.v), eigentlich der Diener, der die Speisen auftrug (dann etwa: Obcr-
küchenmeister), heute als Aintsbezeichnuugeu verloren gegangen, leben aber beide
noch fort in den Namen gewisser Adelsgeschlechter (Schenk zu Schweinsberg,
Truchseß zu Waldburg). Auch hatte sich die niederdeutsche Form für Truchseß,
„Droste," die ebenfalls als erblicher Familicntitel vorkommt (vergl. Droste-
Hülshoff, Droste zu Vischering) als Amtsumne noch bis vor kurzem zu er¬
halten vermocht in dem hannoverschen „Landdrost" (Vorsteher einer „Land-
drostei"), der bis zur neuen Kreiseinteilung der Provinz vom 1. April 1885
dort das Amt eines heutigen Regierungspräsidenten versah.

Während sich bei den bisher erwähnten Amtsbenennnngen durchweg eine
allmähliche Veränderung ihres Inhalts zum Vornehmern verfolgen läßt, enthält
die Sprachgeschichte mich umgekehrt Beispiele sozusagen für das Herabsteigen
mancher Amtstitel von der einstigen Höhe auf eine tiefere Stufe. Hierfür sei es
erlaubt, auf ein nicht rein deutsches, sondern aus dem Lateinischen in unsre
Sprache aufgenommues Wort hinzuweisen, weil man die Erscheinung an ihm
besonders deutlich wahrnehmen kann. Es ist der bekannte Nmtstitel „Re¬
ferendar" (Referendarius, Referendar), der in Preußen und vielen andern
deutschen Bundesstaaten jetzt nur uoch gebräuchlich ist für die nach Ablegung
der ersten Prüfung im Vorbereitungsdienst bei den Gerichten und Verwaltungs¬
behörden beschäftigten jungen Juristen (in Bayern: Nechtspraktikauten, in Hessen:
Aecessisten), obwohl in ältern Zeiten derselbe Name vielfach für sehr hohe Hof-
uud Staatsämter verwandt wurde. So begegnet dieser dem Rechte der römischen
Kaiserzeit entstammende Titel schon früh bei den Langobarden für den Vor¬
stand der königlichen Kanzlei, für den er auch unter den Frankenkönigen — und
zwar schon in der merowingischen Zeit — hauptsächlich vorkommt "(verdeutscht
also etwa: „Reichskanzler"). Seit dem spätern Mittelalter tritt er dann wieder,
namentlich für gewisse hohe Beamte am Reichsgericht, Reichshofrat und bei
der Neichshvfkanzlei, auf, während er in der neuern Zeit nur noch auf engerm
Gebiet (besonders in Baden und in Sachsen-Weimar) sein ursprünglich vornehmes
Gepräge zu wahren, jn teilweise noch zu steigern vermochte („Geheimer Re¬
ferendar").

An eine Reihe andrer älterer Amtsbezeichnungen erinnern endlich in der
Gegenwart nur noch gewisse Familiennamen, wie z. B. Stöcker (Stöcker,
Stockmann), dessen Vorfahren einst die Amtsgeschäfte des (städtischen) Gefängnis¬
aufsehers (Stockwärter, ZtociWÄrtöjrj, Ltooicer, custos oixm) versehen haben dürften,
die zugleich mit denen des Nachrichters verbunden waren. Auch der Eigen¬
name Hcimbürge (nebst den Variationen Heimburg, Heimburger, bürger,


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[0102] Deutsche Rechtsaltertinner in unsrer heutigen deutschen Sprache „Landwirtschaftskammern"). Die Rechtsanwaltsordnung erwähnt an zahlreichen Stellen die „Anwaltsknmmern," noch andre Gesetze sprechen von „Dis- ziplinarkammern." Am bekanntesten sind endlich die nach französischem Vorbilde (olmwbro clef äüputüs) geschaffnen, speziell wieder dem Staatsver- fassnngsrecht angehörenden Ausdrücke „erste" und „zweite Kammer" für die beiden zur Mitwirkung an der Gesetzgebung berufnen Körperschaften der Landes¬ vertretung, die freilich in manchen Bundesstaaten noch besondre althergebrachte Namen führen. Unter diesen sind das preußische „Herrenhaus" und die württembergische „Kammer der Standesherren" (im Gegensatze zum „Abge¬ ordnetenhaus" und der „Kärrner der Abgeordneten") für den Sprachforscher insofern ebenfalls eine interessante Erscheinung, als sich in diesen Ausdrücken noch das Wort „Herr" in seiner ursprünglichen, sonst heute schon fast völlig abhanden gekommenen Bedeutung („der Vornehme," Adlige) zu erhalten ver¬ mocht hat. Kehren wir — nach dieser Abschweifung — zu den vier Hof- und Reichs¬ ämtern zurück, so siud zwar der „Schenk," zunächst nnr der Diener, der für die Getränke zu sorgen hatte (spater etwa: Kellermeister), und der „Truchseß" (ahd. trugstjs^sstj/.v), eigentlich der Diener, der die Speisen auftrug (dann etwa: Obcr- küchenmeister), heute als Aintsbezeichnuugeu verloren gegangen, leben aber beide noch fort in den Namen gewisser Adelsgeschlechter (Schenk zu Schweinsberg, Truchseß zu Waldburg). Auch hatte sich die niederdeutsche Form für Truchseß, „Droste," die ebenfalls als erblicher Familicntitel vorkommt (vergl. Droste- Hülshoff, Droste zu Vischering) als Amtsumne noch bis vor kurzem zu er¬ halten vermocht in dem hannoverschen „Landdrost" (Vorsteher einer „Land- drostei"), der bis zur neuen Kreiseinteilung der Provinz vom 1. April 1885 dort das Amt eines heutigen Regierungspräsidenten versah. Während sich bei den bisher erwähnten Amtsbenennnngen durchweg eine allmähliche Veränderung ihres Inhalts zum Vornehmern verfolgen läßt, enthält die Sprachgeschichte mich umgekehrt Beispiele sozusagen für das Herabsteigen mancher Amtstitel von der einstigen Höhe auf eine tiefere Stufe. Hierfür sei es erlaubt, auf ein nicht rein deutsches, sondern aus dem Lateinischen in unsre Sprache aufgenommues Wort hinzuweisen, weil man die Erscheinung an ihm besonders deutlich wahrnehmen kann. Es ist der bekannte Nmtstitel „Re¬ ferendar" (Referendarius, Referendar), der in Preußen und vielen andern deutschen Bundesstaaten jetzt nur uoch gebräuchlich ist für die nach Ablegung der ersten Prüfung im Vorbereitungsdienst bei den Gerichten und Verwaltungs¬ behörden beschäftigten jungen Juristen (in Bayern: Nechtspraktikauten, in Hessen: Aecessisten), obwohl in ältern Zeiten derselbe Name vielfach für sehr hohe Hof- uud Staatsämter verwandt wurde. So begegnet dieser dem Rechte der römischen Kaiserzeit entstammende Titel schon früh bei den Langobarden für den Vor¬ stand der königlichen Kanzlei, für den er auch unter den Frankenkönigen — und zwar schon in der merowingischen Zeit — hauptsächlich vorkommt "(verdeutscht also etwa: „Reichskanzler"). Seit dem spätern Mittelalter tritt er dann wieder, namentlich für gewisse hohe Beamte am Reichsgericht, Reichshofrat und bei der Neichshvfkanzlei, auf, während er in der neuern Zeit nur noch auf engerm Gebiet (besonders in Baden und in Sachsen-Weimar) sein ursprünglich vornehmes Gepräge zu wahren, jn teilweise noch zu steigern vermochte („Geheimer Re¬ ferendar"). An eine Reihe andrer älterer Amtsbezeichnungen erinnern endlich in der Gegenwart nur noch gewisse Familiennamen, wie z. B. Stöcker (Stöcker, Stockmann), dessen Vorfahren einst die Amtsgeschäfte des (städtischen) Gefängnis¬ aufsehers (Stockwärter, ZtociWÄrtöjrj, Ltooicer, custos oixm) versehen haben dürften, die zugleich mit denen des Nachrichters verbunden waren. Auch der Eigen¬ name Hcimbürge (nebst den Variationen Heimburg, Heimburger, bürger,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/102>, abgerufen am 01.09.2024.