Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.Judentum und Christentum im Römischen Reiche Der Islam ist in Arabien entstanden und überall arabische Religion geblieben; Und diese Unterscheidung war eine Lebensfrage! Weil der kleinste Rest Die Christen vergalten nun zwar nicht die Verleumdung mit Verleumdung, Judentum und Christentum im Römischen Reiche Der Islam ist in Arabien entstanden und überall arabische Religion geblieben; Und diese Unterscheidung war eine Lebensfrage! Weil der kleinste Rest Die Christen vergalten nun zwar nicht die Verleumdung mit Verleumdung, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240467"/> <fw type="header" place="top"> Judentum und Christentum im Römischen Reiche</fw><lb/> <p xml:id="ID_428" prev="#ID_427"> Der Islam ist in Arabien entstanden und überall arabische Religion geblieben;<lb/> die Kraft seiner Jngend war mich die Kraft seines Mannesalters. Die christ¬<lb/> liche Religion ist fast unmittelbar nach ihrer Geburt aus dem Volke vertrieben<lb/> worden, dem sie angehörte snuzugehören schien!j. Sie mußte sogleich anfangs<lb/> unterscheiden lernen, Ums Kern und was Schale sei."</p><lb/> <p xml:id="ID_429"> Und diese Unterscheidung war eine Lebensfrage! Weil der kleinste Rest<lb/> jüdischen Volkstums das Christentum unfähig gemacht hätte, Weltreligion zu<lb/> werden, mußte die Scheidung durch einen scharfen Schnitt so vollzogen werden,<lb/> daß jeder Zusammenhang gelöst wurde. Mutter und Tochter mußten einander<lb/> hassen. Wir haben die weltgeschichtliche Notwendigkeit des Hasses für Neu¬<lb/> bildungen zu ihrem Schutz vor Zurückbildnug schon zweimal hervorgehoben:<lb/> in Beziehung ans den Protestantismus in seiner Jugendzeit, und in Beziehung<lb/> auf die junge Kirche dem Hellcnentum gegenüber. Für deren Verhältnis zum<lb/> Judentum gilt nun dasselbe. Dieses hat denn auch das Notwendige gründlich<lb/> geleistet, wie jederman aus den paulinischen Briefen und aus der Apostel¬<lb/> geschichte weiß; besonders charakteristisch ist die Geschichte der Gefangennehmung<lb/> des Paulus im 22. Kapitel der Acta, und hier wieder besonders der 22. und<lb/> 23. Vers. Weil er erzählt, Gott habe ihn zu den Heiden gesandt, schreien<lb/> sie: „Weg von der Erde mit einem solchen; es ist nicht in der Ordnung, daß<lb/> er noch lebt." Und weil sie die römische Wache an den Mann, den sie zer¬<lb/> reißen möchten, nicht heranläßt, so reißen sie sich selbst in ihrer Raserei die<lb/> Kleider vom Leibe und werfen Staub in die Luft. Sie haben, schreibt Harnack<lb/> S. 40, „das Werk des Paulus unter den Heiden ans Schritt und Tritt zu<lb/> hemmen gesucht; sie haben die Massen und die Obrigkeit in allen Ländern<lb/> aufgehetzt; sie haben die furchtbaren Vorwürfe gegen die Christen, die schon<lb/> im Zeitalter Trajans eine Rolle spielten, systematisch und offiziell in die Welt<lb/> gesetzt und die Verleumdungen über Jesus aufgebracht; sie haben den heid¬<lb/> nischen Christenfciudeu das literarische Material geliefert; sie haben, wenn<lb/> nicht alles täuscht, die ncronische Christcnhetzc inspiriert jdns wiederholt Hnrnack<lb/> S. 381j und fast überall bei den spätern blutigen Verfolgungen im Hinter-<lb/> grunde oder im Vordergründe der Aktion gestanden." Ihre Synagogen und<lb/> Patriarchen sandten „Apostel" mit Hetz- und Vcrlcumdungsbriefen, auch mit<lb/> Vollmachten zu Gewalttaten in alle Lande ans, sodaß also, wie Harnack<lb/> S. 41 und S. 239 bemerkt, Paulus, der ans seine Bitte vom Hohenpriester<lb/> mit solchen Briefen nach Damaskus geschickt wurde (Apostelgeschichte 9, 2),<lb/> vor seiner Berufung zum christlichen Apostvlat ein Judcnapostcl gewesen ist.<lb/> In der Christenverfolgung mögen die Juden einen Teil des Grimms entladen<lb/> haben, den die gegen sie selbst in Umlauf gesetzten Verleumdungen erzeugt<lb/> haben müssen. Wer Hausrnths neutestamentliche Zeitgeschichte gelesen hat,<lb/> der weiß, daß der Judenhaß im Römischen Reiche viel allgemeiner verbreitet<lb/> war als heute der Antisemitismus, und daß die heute mehr theoretisch ge¬<lb/> pflegte als im Leben wirksame arische Nasseunbneiguug gegen die Semiten<lb/> harmlos erscheint im Vergleich mit dem intensiven Widerwillen und der tiefen<lb/> Verachtung gegen die Juden, die damals das Volk überall ungescheut kundgab.</p><lb/> <p xml:id="ID_430" next="#ID_431"> Die Christen vergalten nun zwar nicht die Verleumdung mit Verleumdung,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
Judentum und Christentum im Römischen Reiche
Der Islam ist in Arabien entstanden und überall arabische Religion geblieben;
die Kraft seiner Jngend war mich die Kraft seines Mannesalters. Die christ¬
liche Religion ist fast unmittelbar nach ihrer Geburt aus dem Volke vertrieben
worden, dem sie angehörte snuzugehören schien!j. Sie mußte sogleich anfangs
unterscheiden lernen, Ums Kern und was Schale sei."
Und diese Unterscheidung war eine Lebensfrage! Weil der kleinste Rest
jüdischen Volkstums das Christentum unfähig gemacht hätte, Weltreligion zu
werden, mußte die Scheidung durch einen scharfen Schnitt so vollzogen werden,
daß jeder Zusammenhang gelöst wurde. Mutter und Tochter mußten einander
hassen. Wir haben die weltgeschichtliche Notwendigkeit des Hasses für Neu¬
bildungen zu ihrem Schutz vor Zurückbildnug schon zweimal hervorgehoben:
in Beziehung ans den Protestantismus in seiner Jugendzeit, und in Beziehung
auf die junge Kirche dem Hellcnentum gegenüber. Für deren Verhältnis zum
Judentum gilt nun dasselbe. Dieses hat denn auch das Notwendige gründlich
geleistet, wie jederman aus den paulinischen Briefen und aus der Apostel¬
geschichte weiß; besonders charakteristisch ist die Geschichte der Gefangennehmung
des Paulus im 22. Kapitel der Acta, und hier wieder besonders der 22. und
23. Vers. Weil er erzählt, Gott habe ihn zu den Heiden gesandt, schreien
sie: „Weg von der Erde mit einem solchen; es ist nicht in der Ordnung, daß
er noch lebt." Und weil sie die römische Wache an den Mann, den sie zer¬
reißen möchten, nicht heranläßt, so reißen sie sich selbst in ihrer Raserei die
Kleider vom Leibe und werfen Staub in die Luft. Sie haben, schreibt Harnack
S. 40, „das Werk des Paulus unter den Heiden ans Schritt und Tritt zu
hemmen gesucht; sie haben die Massen und die Obrigkeit in allen Ländern
aufgehetzt; sie haben die furchtbaren Vorwürfe gegen die Christen, die schon
im Zeitalter Trajans eine Rolle spielten, systematisch und offiziell in die Welt
gesetzt und die Verleumdungen über Jesus aufgebracht; sie haben den heid¬
nischen Christenfciudeu das literarische Material geliefert; sie haben, wenn
nicht alles täuscht, die ncronische Christcnhetzc inspiriert jdns wiederholt Hnrnack
S. 381j und fast überall bei den spätern blutigen Verfolgungen im Hinter-
grunde oder im Vordergründe der Aktion gestanden." Ihre Synagogen und
Patriarchen sandten „Apostel" mit Hetz- und Vcrlcumdungsbriefen, auch mit
Vollmachten zu Gewalttaten in alle Lande ans, sodaß also, wie Harnack
S. 41 und S. 239 bemerkt, Paulus, der ans seine Bitte vom Hohenpriester
mit solchen Briefen nach Damaskus geschickt wurde (Apostelgeschichte 9, 2),
vor seiner Berufung zum christlichen Apostvlat ein Judcnapostcl gewesen ist.
In der Christenverfolgung mögen die Juden einen Teil des Grimms entladen
haben, den die gegen sie selbst in Umlauf gesetzten Verleumdungen erzeugt
haben müssen. Wer Hausrnths neutestamentliche Zeitgeschichte gelesen hat,
der weiß, daß der Judenhaß im Römischen Reiche viel allgemeiner verbreitet
war als heute der Antisemitismus, und daß die heute mehr theoretisch ge¬
pflegte als im Leben wirksame arische Nasseunbneiguug gegen die Semiten
harmlos erscheint im Vergleich mit dem intensiven Widerwillen und der tiefen
Verachtung gegen die Juden, die damals das Volk überall ungescheut kundgab.
Die Christen vergalten nun zwar nicht die Verleumdung mit Verleumdung,
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