Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

feierlicher Weise zugesicherten Gelder nicht da sind, und daß das Gesetz nicht voll
ausgeführt werden kaun. Die Sache ist zweimal im Landtage und einmal ini
Herrenhause zur Sprache gebracht worden, aber der Vertreter der Regierung stellte
sich kühl auf den formalen Standpunkt und erklärte: Ihr habt bekommen, was ihr
gefordert habt, mehr gibt es nicht. Und die hohe Staatsregierung hielt sich mit
Entschlossenheit die Taschen zu -- in denen nämlich nichts war.

In Pommern -- auch in andern Provinzen, jedoch nicht in demselben Maße
wie dort -- ist ein besondrer Notstand hervorgetreten, nämlich der, unter dem die
Hilfsprediger leiden. Dafür, daß es einen Überschuß von Kandidaten der Theologie
gibt, und daß mauche warten müssen, bis sie im eigentlichsten Sinne des Wortes
grau geworden find, dafür kann weder der Staat noch die Kirche verantwortlich
gemacht werden. Es ist übrigens dem Kandidaten ganz heilsam, wenn ihm, ehe
er ins Amt tritt, im Schuldienste oder in Hauslehrerstellen Gelegenheit gegeben
wird, die Welt mit eignen Augen und nicht dnrch Vermittlung des Druckpapiers
oder unter pastoralen Gesichtswinkel kennen zu lernen. Kam er nnn spät ins Amt,
so hatte er zwar einige Jahre verloren, aber der Verlust wirkte nicht auf die Zu¬
kunft. Es war ihm, da jede Stelle selbständig war, und die Altersgrenzen für die
Bewerbung weit gesteckt waren, immer noch möglich, in hohe Stellen einzurücken.
Jetzt ist es ihm bei normalem Verlaufe nicht mehr möglich, da eine Dienstnlters-
skala besteht, und jedes Jahr, das vor dem Antritt des Amtes verloren geht,
nicht wieder eingebracht werden kann. Es drängt also alles ins Pfarramt; Haus¬
lehrer find kaum noch zu haben. Das Konsistorium in Stettin hat nun eingesehen,
daß der Nachteil des Dieustaltersgesetzes bei der großen Zahl der Kandidaten da¬
durch einigermaßen ausgeglichen werden kann, daß möglichst viel Hilfsprediger
ordiniert werden. Damit übernimmt aber die kirchliche Behörde die Verantwortung
für ihre Hilfspredigcr, ja schon dadurch, daß sie einen Kandidaten ans einer zu¬
länglicher Schulstelle abberuft und ihn zur Vertretung einer Vakanz oder zur Hilfe
für einen Geistlichen verwendet.

Nun beginnt für den armen Kandidaten oder Hilfsprediger eine schwere Zeit,
denn die für Hilfsprediger ausgeworfnen Beträge sind in Pommern geringer als
in andern Provinzen und völlig unzureichend. Mau versendet von Stettin aus
eine Sammlung von Auszügen aus Briefen einer großen Anzahl von Hilfspredigern,
die zeigen, daß ihre Lage in der Tat unhaltbar ist. Zu dem geringen'Einkommen kommt
noch hinzu der Umstand, daß alle Kandidaten, die nicht von Haus aus Mittel
besitzen oder sich als Hauslehrer auf guten Stellen Geld verdient haben, mit Schulden
ins Amt kommen. Die gestundeten Honorare von der Universität her im Betrage
von 300 bis 400 Mark müssen bezahlt werden, wozu noch 1000 Mark und mehr
kommen, die für den Militärdienst verwandt worden sind und haben geborgt werden
müssen. Es kommt ferner hinzu, daß mauche der Hilfsprediger heiraten, nachdem
der Brautstand eine lange Reihe von Jahren gedauert hat, oder weil es nicht
möglich ist, in einem entlegnen Winkel der Provinz und auf dem Lande ohne eignen
Hausstand zu leben. Man heiratet also auch auf Stellen, die nur kommissarisch
verwaltet werde". Als im vorigen Herbst in Stettin auf dem Deutschen Pfarrer-
Vereinstage diese Umstände in Gegenwart eines Mitgliedes des Konsistorii zur
Sprache gebracht wurden, mußte dieses Mitglied aus eigner Kenntnis mitteilen,
daß gerade damals drei Hilfsprediger mit ihren Frauen, die in gesegneten Umständen
waren, auf der Straße lagen. Und wenn es auch nicht soweit kommt, 1500 Mark,
1200 Mark sind für einen Geistlichen und seine Familie nicht ausreichend. Oder
wenn ein Hilfsprediger bei freier Station 25 Mark monatlich erhält, so kann er
sich davon noch nicht einmal anständig kleiden. Oder wenn er bei Vertretung einer
Vakanz im leeren Pfarrhause wohnen muß und Trattement vom Gutshöfe zu beziehn
hat und später die Amtswohnung in einem außerhalb des Dorfes liegenden bau¬
fälligen Chausseehause angewiesen bekommt -- und solcher Fälle weeren eine ganze
Reihe auszuführen --, so ist das unwürdig. Es ist unmöglich, daß bei einem solchen


Maßgebliches und Unmaßgebliches

feierlicher Weise zugesicherten Gelder nicht da sind, und daß das Gesetz nicht voll
ausgeführt werden kaun. Die Sache ist zweimal im Landtage und einmal ini
Herrenhause zur Sprache gebracht worden, aber der Vertreter der Regierung stellte
sich kühl auf den formalen Standpunkt und erklärte: Ihr habt bekommen, was ihr
gefordert habt, mehr gibt es nicht. Und die hohe Staatsregierung hielt sich mit
Entschlossenheit die Taschen zu — in denen nämlich nichts war.

In Pommern — auch in andern Provinzen, jedoch nicht in demselben Maße
wie dort — ist ein besondrer Notstand hervorgetreten, nämlich der, unter dem die
Hilfsprediger leiden. Dafür, daß es einen Überschuß von Kandidaten der Theologie
gibt, und daß mauche warten müssen, bis sie im eigentlichsten Sinne des Wortes
grau geworden find, dafür kann weder der Staat noch die Kirche verantwortlich
gemacht werden. Es ist übrigens dem Kandidaten ganz heilsam, wenn ihm, ehe
er ins Amt tritt, im Schuldienste oder in Hauslehrerstellen Gelegenheit gegeben
wird, die Welt mit eignen Augen und nicht dnrch Vermittlung des Druckpapiers
oder unter pastoralen Gesichtswinkel kennen zu lernen. Kam er nnn spät ins Amt,
so hatte er zwar einige Jahre verloren, aber der Verlust wirkte nicht auf die Zu¬
kunft. Es war ihm, da jede Stelle selbständig war, und die Altersgrenzen für die
Bewerbung weit gesteckt waren, immer noch möglich, in hohe Stellen einzurücken.
Jetzt ist es ihm bei normalem Verlaufe nicht mehr möglich, da eine Dienstnlters-
skala besteht, und jedes Jahr, das vor dem Antritt des Amtes verloren geht,
nicht wieder eingebracht werden kann. Es drängt also alles ins Pfarramt; Haus¬
lehrer find kaum noch zu haben. Das Konsistorium in Stettin hat nun eingesehen,
daß der Nachteil des Dieustaltersgesetzes bei der großen Zahl der Kandidaten da¬
durch einigermaßen ausgeglichen werden kann, daß möglichst viel Hilfsprediger
ordiniert werden. Damit übernimmt aber die kirchliche Behörde die Verantwortung
für ihre Hilfspredigcr, ja schon dadurch, daß sie einen Kandidaten ans einer zu¬
länglicher Schulstelle abberuft und ihn zur Vertretung einer Vakanz oder zur Hilfe
für einen Geistlichen verwendet.

Nun beginnt für den armen Kandidaten oder Hilfsprediger eine schwere Zeit,
denn die für Hilfsprediger ausgeworfnen Beträge sind in Pommern geringer als
in andern Provinzen und völlig unzureichend. Mau versendet von Stettin aus
eine Sammlung von Auszügen aus Briefen einer großen Anzahl von Hilfspredigern,
die zeigen, daß ihre Lage in der Tat unhaltbar ist. Zu dem geringen'Einkommen kommt
noch hinzu der Umstand, daß alle Kandidaten, die nicht von Haus aus Mittel
besitzen oder sich als Hauslehrer auf guten Stellen Geld verdient haben, mit Schulden
ins Amt kommen. Die gestundeten Honorare von der Universität her im Betrage
von 300 bis 400 Mark müssen bezahlt werden, wozu noch 1000 Mark und mehr
kommen, die für den Militärdienst verwandt worden sind und haben geborgt werden
müssen. Es kommt ferner hinzu, daß mauche der Hilfsprediger heiraten, nachdem
der Brautstand eine lange Reihe von Jahren gedauert hat, oder weil es nicht
möglich ist, in einem entlegnen Winkel der Provinz und auf dem Lande ohne eignen
Hausstand zu leben. Man heiratet also auch auf Stellen, die nur kommissarisch
verwaltet werde». Als im vorigen Herbst in Stettin auf dem Deutschen Pfarrer-
Vereinstage diese Umstände in Gegenwart eines Mitgliedes des Konsistorii zur
Sprache gebracht wurden, mußte dieses Mitglied aus eigner Kenntnis mitteilen,
daß gerade damals drei Hilfsprediger mit ihren Frauen, die in gesegneten Umständen
waren, auf der Straße lagen. Und wenn es auch nicht soweit kommt, 1500 Mark,
1200 Mark sind für einen Geistlichen und seine Familie nicht ausreichend. Oder
wenn ein Hilfsprediger bei freier Station 25 Mark monatlich erhält, so kann er
sich davon noch nicht einmal anständig kleiden. Oder wenn er bei Vertretung einer
Vakanz im leeren Pfarrhause wohnen muß und Trattement vom Gutshöfe zu beziehn
hat und später die Amtswohnung in einem außerhalb des Dorfes liegenden bau¬
fälligen Chausseehause angewiesen bekommt — und solcher Fälle weeren eine ganze
Reihe auszuführen —, so ist das unwürdig. Es ist unmöglich, daß bei einem solchen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0819" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241201"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_3755" prev="#ID_3754"> feierlicher Weise zugesicherten Gelder nicht da sind, und daß das Gesetz nicht voll<lb/>
ausgeführt werden kaun. Die Sache ist zweimal im Landtage und einmal ini<lb/>
Herrenhause zur Sprache gebracht worden, aber der Vertreter der Regierung stellte<lb/>
sich kühl auf den formalen Standpunkt und erklärte: Ihr habt bekommen, was ihr<lb/>
gefordert habt, mehr gibt es nicht. Und die hohe Staatsregierung hielt sich mit<lb/>
Entschlossenheit die Taschen zu &#x2014; in denen nämlich nichts war.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_3756"> In Pommern &#x2014; auch in andern Provinzen, jedoch nicht in demselben Maße<lb/>
wie dort &#x2014; ist ein besondrer Notstand hervorgetreten, nämlich der, unter dem die<lb/>
Hilfsprediger leiden. Dafür, daß es einen Überschuß von Kandidaten der Theologie<lb/>
gibt, und daß mauche warten müssen, bis sie im eigentlichsten Sinne des Wortes<lb/>
grau geworden find, dafür kann weder der Staat noch die Kirche verantwortlich<lb/>
gemacht werden. Es ist übrigens dem Kandidaten ganz heilsam, wenn ihm, ehe<lb/>
er ins Amt tritt, im Schuldienste oder in Hauslehrerstellen Gelegenheit gegeben<lb/>
wird, die Welt mit eignen Augen und nicht dnrch Vermittlung des Druckpapiers<lb/>
oder unter pastoralen Gesichtswinkel kennen zu lernen. Kam er nnn spät ins Amt,<lb/>
so hatte er zwar einige Jahre verloren, aber der Verlust wirkte nicht auf die Zu¬<lb/>
kunft. Es war ihm, da jede Stelle selbständig war, und die Altersgrenzen für die<lb/>
Bewerbung weit gesteckt waren, immer noch möglich, in hohe Stellen einzurücken.<lb/>
Jetzt ist es ihm bei normalem Verlaufe nicht mehr möglich, da eine Dienstnlters-<lb/>
skala besteht, und jedes Jahr, das vor dem Antritt des Amtes verloren geht,<lb/>
nicht wieder eingebracht werden kann. Es drängt also alles ins Pfarramt; Haus¬<lb/>
lehrer find kaum noch zu haben. Das Konsistorium in Stettin hat nun eingesehen,<lb/>
daß der Nachteil des Dieustaltersgesetzes bei der großen Zahl der Kandidaten da¬<lb/>
durch einigermaßen ausgeglichen werden kann, daß möglichst viel Hilfsprediger<lb/>
ordiniert werden. Damit übernimmt aber die kirchliche Behörde die Verantwortung<lb/>
für ihre Hilfspredigcr, ja schon dadurch, daß sie einen Kandidaten ans einer zu¬<lb/>
länglicher Schulstelle abberuft und ihn zur Vertretung einer Vakanz oder zur Hilfe<lb/>
für einen Geistlichen verwendet.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_3757" next="#ID_3758"> Nun beginnt für den armen Kandidaten oder Hilfsprediger eine schwere Zeit,<lb/>
denn die für Hilfsprediger ausgeworfnen Beträge sind in Pommern geringer als<lb/>
in andern Provinzen und völlig unzureichend. Mau versendet von Stettin aus<lb/>
eine Sammlung von Auszügen aus Briefen einer großen Anzahl von Hilfspredigern,<lb/>
die zeigen, daß ihre Lage in der Tat unhaltbar ist. Zu dem geringen'Einkommen kommt<lb/>
noch hinzu der Umstand, daß alle Kandidaten, die nicht von Haus aus Mittel<lb/>
besitzen oder sich als Hauslehrer auf guten Stellen Geld verdient haben, mit Schulden<lb/>
ins Amt kommen. Die gestundeten Honorare von der Universität her im Betrage<lb/>
von 300 bis 400 Mark müssen bezahlt werden, wozu noch 1000 Mark und mehr<lb/>
kommen, die für den Militärdienst verwandt worden sind und haben geborgt werden<lb/>
müssen. Es kommt ferner hinzu, daß mauche der Hilfsprediger heiraten, nachdem<lb/>
der Brautstand eine lange Reihe von Jahren gedauert hat, oder weil es nicht<lb/>
möglich ist, in einem entlegnen Winkel der Provinz und auf dem Lande ohne eignen<lb/>
Hausstand zu leben. Man heiratet also auch auf Stellen, die nur kommissarisch<lb/>
verwaltet werde». Als im vorigen Herbst in Stettin auf dem Deutschen Pfarrer-<lb/>
Vereinstage diese Umstände in Gegenwart eines Mitgliedes des Konsistorii zur<lb/>
Sprache gebracht wurden, mußte dieses Mitglied aus eigner Kenntnis mitteilen,<lb/>
daß gerade damals drei Hilfsprediger mit ihren Frauen, die in gesegneten Umständen<lb/>
waren, auf der Straße lagen. Und wenn es auch nicht soweit kommt, 1500 Mark,<lb/>
1200 Mark sind für einen Geistlichen und seine Familie nicht ausreichend. Oder<lb/>
wenn ein Hilfsprediger bei freier Station 25 Mark monatlich erhält, so kann er<lb/>
sich davon noch nicht einmal anständig kleiden. Oder wenn er bei Vertretung einer<lb/>
Vakanz im leeren Pfarrhause wohnen muß und Trattement vom Gutshöfe zu beziehn<lb/>
hat und später die Amtswohnung in einem außerhalb des Dorfes liegenden bau¬<lb/>
fälligen Chausseehause angewiesen bekommt &#x2014; und solcher Fälle weeren eine ganze<lb/>
Reihe auszuführen &#x2014;, so ist das unwürdig. Es ist unmöglich, daß bei einem solchen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0819] Maßgebliches und Unmaßgebliches feierlicher Weise zugesicherten Gelder nicht da sind, und daß das Gesetz nicht voll ausgeführt werden kaun. Die Sache ist zweimal im Landtage und einmal ini Herrenhause zur Sprache gebracht worden, aber der Vertreter der Regierung stellte sich kühl auf den formalen Standpunkt und erklärte: Ihr habt bekommen, was ihr gefordert habt, mehr gibt es nicht. Und die hohe Staatsregierung hielt sich mit Entschlossenheit die Taschen zu — in denen nämlich nichts war. In Pommern — auch in andern Provinzen, jedoch nicht in demselben Maße wie dort — ist ein besondrer Notstand hervorgetreten, nämlich der, unter dem die Hilfsprediger leiden. Dafür, daß es einen Überschuß von Kandidaten der Theologie gibt, und daß mauche warten müssen, bis sie im eigentlichsten Sinne des Wortes grau geworden find, dafür kann weder der Staat noch die Kirche verantwortlich gemacht werden. Es ist übrigens dem Kandidaten ganz heilsam, wenn ihm, ehe er ins Amt tritt, im Schuldienste oder in Hauslehrerstellen Gelegenheit gegeben wird, die Welt mit eignen Augen und nicht dnrch Vermittlung des Druckpapiers oder unter pastoralen Gesichtswinkel kennen zu lernen. Kam er nnn spät ins Amt, so hatte er zwar einige Jahre verloren, aber der Verlust wirkte nicht auf die Zu¬ kunft. Es war ihm, da jede Stelle selbständig war, und die Altersgrenzen für die Bewerbung weit gesteckt waren, immer noch möglich, in hohe Stellen einzurücken. Jetzt ist es ihm bei normalem Verlaufe nicht mehr möglich, da eine Dienstnlters- skala besteht, und jedes Jahr, das vor dem Antritt des Amtes verloren geht, nicht wieder eingebracht werden kann. Es drängt also alles ins Pfarramt; Haus¬ lehrer find kaum noch zu haben. Das Konsistorium in Stettin hat nun eingesehen, daß der Nachteil des Dieustaltersgesetzes bei der großen Zahl der Kandidaten da¬ durch einigermaßen ausgeglichen werden kann, daß möglichst viel Hilfsprediger ordiniert werden. Damit übernimmt aber die kirchliche Behörde die Verantwortung für ihre Hilfspredigcr, ja schon dadurch, daß sie einen Kandidaten ans einer zu¬ länglicher Schulstelle abberuft und ihn zur Vertretung einer Vakanz oder zur Hilfe für einen Geistlichen verwendet. Nun beginnt für den armen Kandidaten oder Hilfsprediger eine schwere Zeit, denn die für Hilfsprediger ausgeworfnen Beträge sind in Pommern geringer als in andern Provinzen und völlig unzureichend. Mau versendet von Stettin aus eine Sammlung von Auszügen aus Briefen einer großen Anzahl von Hilfspredigern, die zeigen, daß ihre Lage in der Tat unhaltbar ist. Zu dem geringen'Einkommen kommt noch hinzu der Umstand, daß alle Kandidaten, die nicht von Haus aus Mittel besitzen oder sich als Hauslehrer auf guten Stellen Geld verdient haben, mit Schulden ins Amt kommen. Die gestundeten Honorare von der Universität her im Betrage von 300 bis 400 Mark müssen bezahlt werden, wozu noch 1000 Mark und mehr kommen, die für den Militärdienst verwandt worden sind und haben geborgt werden müssen. Es kommt ferner hinzu, daß mauche der Hilfsprediger heiraten, nachdem der Brautstand eine lange Reihe von Jahren gedauert hat, oder weil es nicht möglich ist, in einem entlegnen Winkel der Provinz und auf dem Lande ohne eignen Hausstand zu leben. Man heiratet also auch auf Stellen, die nur kommissarisch verwaltet werde». Als im vorigen Herbst in Stettin auf dem Deutschen Pfarrer- Vereinstage diese Umstände in Gegenwart eines Mitgliedes des Konsistorii zur Sprache gebracht wurden, mußte dieses Mitglied aus eigner Kenntnis mitteilen, daß gerade damals drei Hilfsprediger mit ihren Frauen, die in gesegneten Umständen waren, auf der Straße lagen. Und wenn es auch nicht soweit kommt, 1500 Mark, 1200 Mark sind für einen Geistlichen und seine Familie nicht ausreichend. Oder wenn ein Hilfsprediger bei freier Station 25 Mark monatlich erhält, so kann er sich davon noch nicht einmal anständig kleiden. Oder wenn er bei Vertretung einer Vakanz im leeren Pfarrhause wohnen muß und Trattement vom Gutshöfe zu beziehn hat und später die Amtswohnung in einem außerhalb des Dorfes liegenden bau¬ fälligen Chausseehause angewiesen bekommt — und solcher Fälle weeren eine ganze Reihe auszuführen —, so ist das unwürdig. Es ist unmöglich, daß bei einem solchen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/819
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/819>, abgerufen am 24.08.2024.