Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

kratische Verfassung gefallen lassen müssen, die der Krone zu wenig Macht übrig laßt.
Wie leicht kann er da ausgleiten auf den blutbesudelten Stufen dieses Throns!

Es gäbe nur ein sichres Mittel, das tief erschütterte öffentliche Recht und
damit die Zukunft des serbischen Volks zu sicher": die Unterwerfung durch eine
europäische Großmacht, die nur Österreich sein könnte, wie es das unter Prinz
Eugen gewesen ist und heilte in Bosnien geworden ist, aber davon kann, wie die
Dinge heute liegen, keine Rede sein. Es gibt keinen Areopag, der über politische
Verbrechen wie das Belgrader richten könnte; dazu steht unser europäisches Ge¬
meingefühl zu tief und das Selbstbewußtsein der Völker zu hoch.

Die Großmächte werden vielmehr, wenn die Ruhe in Serbien erhalten bleibt,
nicht einschreiten, dafür bürgt schon das österreichisch-russische Einvernehmen; sie
werden alle auch den neuen König nach einiger Zeit anerkennen. Ihn persönlich zu
empfangen, werden sich allerdings die Höfe wohl Zeit nehmen, und wie ihre Heere
sich künftig zu den serbischen Offiziere" stellen werden, das kann man ihnen ruhig
überlasten. Aber das Interesse Europas sür das Serbenvolk, das Ranke vor mehr
als siebzig Jahren (1829) begeisterte, die Geschichte seiner Befreiung zu schreiben,
ist auf den Gefrierpunkt gesunken, und der großserbische Traum von einer Vereini¬
gung der Serben in Ungarn und in Bosnien mit dem Königreich wird nirgends
Teilnahme mehr finden außer etwa in Rußland. Man weiß ja ziemlich sicher, daß
ein Erlöschen der österreichischen Herrschaft über diese Gebiete das Signal zu einem
wütenden Bürger- und Religionskriege sein würde. Vollends das Experiment mit
der Gewährung auch nur einer halben Selbständigkeit für eine andre Provinz der
europäischen Türkei werden die Großmächte nach den jüngsten Erfahrungen schwerlich
zu wiederholen geneigt sein. Das Recht eines Volks auf ein selbständiges politisches
Dasein zu begründen, dazu reichen der Anspruch auf ein solches und eine gewisse
Tapferkeit nicht aus; dazu gehören auch gewisse sittliche Eigenschaften und eine
einigermaßen selbständige, wertvolle Kultur. Bon diesem Standpunkte ans haben
nach dem Urteil von Kennern unter allen Südslawen wahrscheinlich nur die Bulgaren
" eine politische Zukunft.


Das Diensteinkommengesetz der preußischen evangelischen Pfarrer

und die Not der Hilfsprediger.

Das vorstehend genannte Kirchengesetz vom
2. Juli 1898. sowie das Diensteinkonunengesetz für Volksschullehrer in Preußen
vom 3. März 1897 sind gegeben worden ans lautes und dringendes Verlangen
der betreffenden Kreise, scheinen aber das Gegenteil von dem bewirkt zu haben,
was sie bewirken sollten. Was die Lehrer anbetrifft, so kommt noch die Erfüllung
eines zweiten dringenden Wunsches hinzu, nämlich die Gewährung des freiwilligen
oder unfreiwilligen Militärdienstjahres. Die Folge davon ist ein nun schon mehrere
Jahre dauernder empfindlicher Lehrermangel. Und aus den Kreisen der Pastoren,
denen, wenn auch nicht in reichlicher Abmessung gewährt worden ist, was sie
dringend wünschten, erhebt sich ein Notschrei nach dem andern -- besonders in
der Provinz Sachsen und in Pommern. Wir wollen nicht vermuten, daß daran eine
gewisse Begehrlichkeit, die Nahrung erhalten hat, schuld ist, es sind Wirklich Not¬
stände entstanden, die vor der Erlassung der Besoldungsgesetze nicht in der Weise
zu spüren waren, und dies, nachdem der Staat und die Gemeinden viele Millionen
beigesteuert haben. Der Grund liegt in einer falsch eingerichteten Gehaltskaln.
Was die Lehrer anlangt, so ist der Endgehalt ausreichend, die Anfangsgehalte
sind jedoch völlig unzureichend. Ein einstweilig angestellter Lehrer erhält vier
Fünftel des Grundgehalts, also, den guten Durchschnitt mit 1000 Mark angenommen,
800 Mark. Das ist völlig unzureichend. Wird man verlangen können, daß sich
der einstweilig angestellte Lehrer auch einen provisorischen Magen einsauge? Der
Unterschied in der Besoldung der provisorisch und der endgiltig angestellten Lehrer
würde nur dann gerechtfertigt sein, wenn die zweite Stufe mehr als das Not¬
wendige gewährt, er ist aber nicht gerechtfertigt, wenn in dem ersten Falle unter


Grenzboten U 1903 10S
Maßgebliches und Unmaßgebliches

kratische Verfassung gefallen lassen müssen, die der Krone zu wenig Macht übrig laßt.
Wie leicht kann er da ausgleiten auf den blutbesudelten Stufen dieses Throns!

Es gäbe nur ein sichres Mittel, das tief erschütterte öffentliche Recht und
damit die Zukunft des serbischen Volks zu sicher»: die Unterwerfung durch eine
europäische Großmacht, die nur Österreich sein könnte, wie es das unter Prinz
Eugen gewesen ist und heilte in Bosnien geworden ist, aber davon kann, wie die
Dinge heute liegen, keine Rede sein. Es gibt keinen Areopag, der über politische
Verbrechen wie das Belgrader richten könnte; dazu steht unser europäisches Ge¬
meingefühl zu tief und das Selbstbewußtsein der Völker zu hoch.

Die Großmächte werden vielmehr, wenn die Ruhe in Serbien erhalten bleibt,
nicht einschreiten, dafür bürgt schon das österreichisch-russische Einvernehmen; sie
werden alle auch den neuen König nach einiger Zeit anerkennen. Ihn persönlich zu
empfangen, werden sich allerdings die Höfe wohl Zeit nehmen, und wie ihre Heere
sich künftig zu den serbischen Offiziere» stellen werden, das kann man ihnen ruhig
überlasten. Aber das Interesse Europas sür das Serbenvolk, das Ranke vor mehr
als siebzig Jahren (1829) begeisterte, die Geschichte seiner Befreiung zu schreiben,
ist auf den Gefrierpunkt gesunken, und der großserbische Traum von einer Vereini¬
gung der Serben in Ungarn und in Bosnien mit dem Königreich wird nirgends
Teilnahme mehr finden außer etwa in Rußland. Man weiß ja ziemlich sicher, daß
ein Erlöschen der österreichischen Herrschaft über diese Gebiete das Signal zu einem
wütenden Bürger- und Religionskriege sein würde. Vollends das Experiment mit
der Gewährung auch nur einer halben Selbständigkeit für eine andre Provinz der
europäischen Türkei werden die Großmächte nach den jüngsten Erfahrungen schwerlich
zu wiederholen geneigt sein. Das Recht eines Volks auf ein selbständiges politisches
Dasein zu begründen, dazu reichen der Anspruch auf ein solches und eine gewisse
Tapferkeit nicht aus; dazu gehören auch gewisse sittliche Eigenschaften und eine
einigermaßen selbständige, wertvolle Kultur. Bon diesem Standpunkte ans haben
nach dem Urteil von Kennern unter allen Südslawen wahrscheinlich nur die Bulgaren
" eine politische Zukunft.


Das Diensteinkommengesetz der preußischen evangelischen Pfarrer

und die Not der Hilfsprediger.

Das vorstehend genannte Kirchengesetz vom
2. Juli 1898. sowie das Diensteinkonunengesetz für Volksschullehrer in Preußen
vom 3. März 1897 sind gegeben worden ans lautes und dringendes Verlangen
der betreffenden Kreise, scheinen aber das Gegenteil von dem bewirkt zu haben,
was sie bewirken sollten. Was die Lehrer anbetrifft, so kommt noch die Erfüllung
eines zweiten dringenden Wunsches hinzu, nämlich die Gewährung des freiwilligen
oder unfreiwilligen Militärdienstjahres. Die Folge davon ist ein nun schon mehrere
Jahre dauernder empfindlicher Lehrermangel. Und aus den Kreisen der Pastoren,
denen, wenn auch nicht in reichlicher Abmessung gewährt worden ist, was sie
dringend wünschten, erhebt sich ein Notschrei nach dem andern — besonders in
der Provinz Sachsen und in Pommern. Wir wollen nicht vermuten, daß daran eine
gewisse Begehrlichkeit, die Nahrung erhalten hat, schuld ist, es sind Wirklich Not¬
stände entstanden, die vor der Erlassung der Besoldungsgesetze nicht in der Weise
zu spüren waren, und dies, nachdem der Staat und die Gemeinden viele Millionen
beigesteuert haben. Der Grund liegt in einer falsch eingerichteten Gehaltskaln.
Was die Lehrer anlangt, so ist der Endgehalt ausreichend, die Anfangsgehalte
sind jedoch völlig unzureichend. Ein einstweilig angestellter Lehrer erhält vier
Fünftel des Grundgehalts, also, den guten Durchschnitt mit 1000 Mark angenommen,
800 Mark. Das ist völlig unzureichend. Wird man verlangen können, daß sich
der einstweilig angestellte Lehrer auch einen provisorischen Magen einsauge? Der
Unterschied in der Besoldung der provisorisch und der endgiltig angestellten Lehrer
würde nur dann gerechtfertigt sein, wenn die zweite Stufe mehr als das Not¬
wendige gewährt, er ist aber nicht gerechtfertigt, wenn in dem ersten Falle unter


Grenzboten U 1903 10S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0817" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241199"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_3746" prev="#ID_3745"> kratische Verfassung gefallen lassen müssen, die der Krone zu wenig Macht übrig laßt.<lb/>
Wie leicht kann er da ausgleiten auf den blutbesudelten Stufen dieses Throns!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_3747"> Es gäbe nur ein sichres Mittel, das tief erschütterte öffentliche Recht und<lb/>
damit die Zukunft des serbischen Volks zu sicher»: die Unterwerfung durch eine<lb/>
europäische Großmacht, die nur Österreich sein könnte, wie es das unter Prinz<lb/>
Eugen gewesen ist und heilte in Bosnien geworden ist, aber davon kann, wie die<lb/>
Dinge heute liegen, keine Rede sein. Es gibt keinen Areopag, der über politische<lb/>
Verbrechen wie das Belgrader richten könnte; dazu steht unser europäisches Ge¬<lb/>
meingefühl zu tief und das Selbstbewußtsein der Völker zu hoch.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_3748"> Die Großmächte werden vielmehr, wenn die Ruhe in Serbien erhalten bleibt,<lb/>
nicht einschreiten, dafür bürgt schon das österreichisch-russische Einvernehmen; sie<lb/>
werden alle auch den neuen König nach einiger Zeit anerkennen. Ihn persönlich zu<lb/>
empfangen, werden sich allerdings die Höfe wohl Zeit nehmen, und wie ihre Heere<lb/>
sich künftig zu den serbischen Offiziere» stellen werden, das kann man ihnen ruhig<lb/>
überlasten. Aber das Interesse Europas sür das Serbenvolk, das Ranke vor mehr<lb/>
als siebzig Jahren (1829) begeisterte, die Geschichte seiner Befreiung zu schreiben,<lb/>
ist auf den Gefrierpunkt gesunken, und der großserbische Traum von einer Vereini¬<lb/>
gung der Serben in Ungarn und in Bosnien mit dem Königreich wird nirgends<lb/>
Teilnahme mehr finden außer etwa in Rußland. Man weiß ja ziemlich sicher, daß<lb/>
ein Erlöschen der österreichischen Herrschaft über diese Gebiete das Signal zu einem<lb/>
wütenden Bürger- und Religionskriege sein würde. Vollends das Experiment mit<lb/>
der Gewährung auch nur einer halben Selbständigkeit für eine andre Provinz der<lb/>
europäischen Türkei werden die Großmächte nach den jüngsten Erfahrungen schwerlich<lb/>
zu wiederholen geneigt sein. Das Recht eines Volks auf ein selbständiges politisches<lb/>
Dasein zu begründen, dazu reichen der Anspruch auf ein solches und eine gewisse<lb/>
Tapferkeit nicht aus; dazu gehören auch gewisse sittliche Eigenschaften und eine<lb/>
einigermaßen selbständige, wertvolle Kultur. Bon diesem Standpunkte ans haben<lb/>
nach dem Urteil von Kennern unter allen Südslawen wahrscheinlich nur die Bulgaren<lb/><note type="byline"> "</note> eine politische Zukunft. </p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Das Diensteinkommengesetz der preußischen evangelischen Pfarrer</head><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> und die Not der Hilfsprediger. </head>
            <p xml:id="ID_3749" next="#ID_3750"> Das vorstehend genannte Kirchengesetz vom<lb/>
2. Juli 1898. sowie das Diensteinkonunengesetz für Volksschullehrer in Preußen<lb/>
vom 3. März 1897 sind gegeben worden ans lautes und dringendes Verlangen<lb/>
der betreffenden Kreise, scheinen aber das Gegenteil von dem bewirkt zu haben,<lb/>
was sie bewirken sollten. Was die Lehrer anbetrifft, so kommt noch die Erfüllung<lb/>
eines zweiten dringenden Wunsches hinzu, nämlich die Gewährung des freiwilligen<lb/>
oder unfreiwilligen Militärdienstjahres. Die Folge davon ist ein nun schon mehrere<lb/>
Jahre dauernder empfindlicher Lehrermangel. Und aus den Kreisen der Pastoren,<lb/>
denen, wenn auch nicht in reichlicher Abmessung gewährt worden ist, was sie<lb/>
dringend wünschten, erhebt sich ein Notschrei nach dem andern &#x2014; besonders in<lb/>
der Provinz Sachsen und in Pommern. Wir wollen nicht vermuten, daß daran eine<lb/>
gewisse Begehrlichkeit, die Nahrung erhalten hat, schuld ist, es sind Wirklich Not¬<lb/>
stände entstanden, die vor der Erlassung der Besoldungsgesetze nicht in der Weise<lb/>
zu spüren waren, und dies, nachdem der Staat und die Gemeinden viele Millionen<lb/>
beigesteuert haben.  Der Grund liegt in einer falsch eingerichteten Gehaltskaln.<lb/>
Was die Lehrer anlangt, so ist der Endgehalt ausreichend, die Anfangsgehalte<lb/>
sind jedoch völlig unzureichend.  Ein einstweilig angestellter Lehrer erhält vier<lb/>
Fünftel des Grundgehalts, also, den guten Durchschnitt mit 1000 Mark angenommen,<lb/>
800 Mark.  Das ist völlig unzureichend.  Wird man verlangen können, daß sich<lb/>
der einstweilig angestellte Lehrer auch einen provisorischen Magen einsauge? Der<lb/>
Unterschied in der Besoldung der provisorisch und der endgiltig angestellten Lehrer<lb/>
würde nur dann gerechtfertigt sein, wenn die zweite Stufe mehr als das Not¬<lb/>
wendige gewährt, er ist aber nicht gerechtfertigt, wenn in dem ersten Falle unter</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten U 1903 10S</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0817] Maßgebliches und Unmaßgebliches kratische Verfassung gefallen lassen müssen, die der Krone zu wenig Macht übrig laßt. Wie leicht kann er da ausgleiten auf den blutbesudelten Stufen dieses Throns! Es gäbe nur ein sichres Mittel, das tief erschütterte öffentliche Recht und damit die Zukunft des serbischen Volks zu sicher»: die Unterwerfung durch eine europäische Großmacht, die nur Österreich sein könnte, wie es das unter Prinz Eugen gewesen ist und heilte in Bosnien geworden ist, aber davon kann, wie die Dinge heute liegen, keine Rede sein. Es gibt keinen Areopag, der über politische Verbrechen wie das Belgrader richten könnte; dazu steht unser europäisches Ge¬ meingefühl zu tief und das Selbstbewußtsein der Völker zu hoch. Die Großmächte werden vielmehr, wenn die Ruhe in Serbien erhalten bleibt, nicht einschreiten, dafür bürgt schon das österreichisch-russische Einvernehmen; sie werden alle auch den neuen König nach einiger Zeit anerkennen. Ihn persönlich zu empfangen, werden sich allerdings die Höfe wohl Zeit nehmen, und wie ihre Heere sich künftig zu den serbischen Offiziere» stellen werden, das kann man ihnen ruhig überlasten. Aber das Interesse Europas sür das Serbenvolk, das Ranke vor mehr als siebzig Jahren (1829) begeisterte, die Geschichte seiner Befreiung zu schreiben, ist auf den Gefrierpunkt gesunken, und der großserbische Traum von einer Vereini¬ gung der Serben in Ungarn und in Bosnien mit dem Königreich wird nirgends Teilnahme mehr finden außer etwa in Rußland. Man weiß ja ziemlich sicher, daß ein Erlöschen der österreichischen Herrschaft über diese Gebiete das Signal zu einem wütenden Bürger- und Religionskriege sein würde. Vollends das Experiment mit der Gewährung auch nur einer halben Selbständigkeit für eine andre Provinz der europäischen Türkei werden die Großmächte nach den jüngsten Erfahrungen schwerlich zu wiederholen geneigt sein. Das Recht eines Volks auf ein selbständiges politisches Dasein zu begründen, dazu reichen der Anspruch auf ein solches und eine gewisse Tapferkeit nicht aus; dazu gehören auch gewisse sittliche Eigenschaften und eine einigermaßen selbständige, wertvolle Kultur. Bon diesem Standpunkte ans haben nach dem Urteil von Kennern unter allen Südslawen wahrscheinlich nur die Bulgaren " eine politische Zukunft. Das Diensteinkommengesetz der preußischen evangelischen Pfarrer und die Not der Hilfsprediger. Das vorstehend genannte Kirchengesetz vom 2. Juli 1898. sowie das Diensteinkonunengesetz für Volksschullehrer in Preußen vom 3. März 1897 sind gegeben worden ans lautes und dringendes Verlangen der betreffenden Kreise, scheinen aber das Gegenteil von dem bewirkt zu haben, was sie bewirken sollten. Was die Lehrer anbetrifft, so kommt noch die Erfüllung eines zweiten dringenden Wunsches hinzu, nämlich die Gewährung des freiwilligen oder unfreiwilligen Militärdienstjahres. Die Folge davon ist ein nun schon mehrere Jahre dauernder empfindlicher Lehrermangel. Und aus den Kreisen der Pastoren, denen, wenn auch nicht in reichlicher Abmessung gewährt worden ist, was sie dringend wünschten, erhebt sich ein Notschrei nach dem andern — besonders in der Provinz Sachsen und in Pommern. Wir wollen nicht vermuten, daß daran eine gewisse Begehrlichkeit, die Nahrung erhalten hat, schuld ist, es sind Wirklich Not¬ stände entstanden, die vor der Erlassung der Besoldungsgesetze nicht in der Weise zu spüren waren, und dies, nachdem der Staat und die Gemeinden viele Millionen beigesteuert haben. Der Grund liegt in einer falsch eingerichteten Gehaltskaln. Was die Lehrer anlangt, so ist der Endgehalt ausreichend, die Anfangsgehalte sind jedoch völlig unzureichend. Ein einstweilig angestellter Lehrer erhält vier Fünftel des Grundgehalts, also, den guten Durchschnitt mit 1000 Mark angenommen, 800 Mark. Das ist völlig unzureichend. Wird man verlangen können, daß sich der einstweilig angestellte Lehrer auch einen provisorischen Magen einsauge? Der Unterschied in der Besoldung der provisorisch und der endgiltig angestellten Lehrer würde nur dann gerechtfertigt sein, wenn die zweite Stufe mehr als das Not¬ wendige gewährt, er ist aber nicht gerechtfertigt, wenn in dem ersten Falle unter Grenzboten U 1903 10S

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/817
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/817>, abgerufen am 24.08.2024.