Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Judentum und Christentum im Römischen Reiche

schcift 8 oder 9 Unfälle. Bergbau, Steinbrüche, Holzindustrie mit 12,1 bis
13 Unfällen stehn viel ungünstiger da. Andrerseits sind natürlich die Unfälle
mit tödlichem Ausgang in der Seeschiffahrt viel häufiger als im Durchschnitt.

Die Gesamtlage darf man so bezeichnen, daß sich die vorhandnen Schatten
durch die Untersuchung bis jetzt uicht als schwärzer erwiesen haben, als
vorher bekannt war, daß jedoch zur Besserung des Loses der Seeleute auf
dem erfolgreich beschrittneu Wege uoch viel mehr geschehn kann als bisher.




Judentum und Christentum im Römischen Reiche
(Schluß)

aß Adolf Harnack nicht zu den zerstörenden, sondern zu deu
aufbauenden Geistern gehört, beweist er wieder durch sein neuestes
Werk, das die Begründung und die Ausbreitung des Christen-
tums in den ersten drei Jahrhunderten darstellt, und das man
eine glänzende Apologie des Christentums nennen kann. Es hat
um verneinenden und auflösenden Elementen nicht gefehlt in der protestantischen
Theologie; sie sind besonders in der Bibelkritik tätig gewesen, und Harnack hat
sich von dem Vorurteil, das sie im Dienste einer Tendenz verbreitet haben,
uoch nicht ganz frei gemacht. Die Tendenz war: den Glanben an Gott und
an die Gottheit Christi zu zerstören, und darum wurde als unumstößliche
Wahrheit gepredigt: Spuren einer Einwirkung Gottes auf die Weltgeschichte
könne es nicht geben. Zu den deutlichsten Merkmalen einer solchen Einwirkung
gehören erfüllte Prophezeiungen, darum - ^ folgern diese "Voraussetzungslosen"--
müßten alle Schriften und Schriftsteller, die erfüllte Prophetien, klare Blicke
in die Zukunft enthalte", nach der Erfüllung gefälscht sein. Es ist wohl Nach¬
wirkung dieses Vorurteils,") wenn Harnack nicht glauben kauu, daß Jesus über
die Grenzen des Judentums hinausgeschaut und das Heil, das er verkündigte,
den Heiden zugedacht habe. Darum mag er die Gleichnisse, die die Pharisäer
und Schriftgelehrten so übel nahmen, wie das vou dein Weinberge, der den
bösen Winzern genommen und andern gegeben wird, uicht auf die Verwerfung
der Juden und die Erwählung der Heiden deuten; darum meint er, weil es
doch zur Zeit der Abfassung des ersten Evangeliums schon Heidenchristen gab,
habe sei" Verfasser den Befehl, in alle Welt zu gehn und allen Völkern zu
predigen, wenigstens dein Auferstanducn in den Mund legen müssen, da er
es den noch im Fleische Wandelnden nicht sprechen lassen konnte; darum zweifelt
er auch die Echtheit der Matthäusstelleu an, in denen das Wort Ekklesia vor-



^) Das war geschrieben, ehe im Mürzhcft der Preußischen Jahrbücher Harnacks Bemer¬
kungen zum Kaiserbriefe an Hollmann erschiene". Dieser Kundgebung nach, mit der übrigens
der Vorwärts noch lange nicht zufrieden ist, scheint sich doch das Negative in dem berühmten
Dogmenhistoriker nicht auf bloße Nachwirkungen zu beschränken, sondern der Ausfluß einer
zweiten, einer negativen Seele zu sein, die mitunter über die positive Schwester das Übergewicht
gewinnt.
Grenzboten II 1903 I"
Judentum und Christentum im Römischen Reiche

schcift 8 oder 9 Unfälle. Bergbau, Steinbrüche, Holzindustrie mit 12,1 bis
13 Unfällen stehn viel ungünstiger da. Andrerseits sind natürlich die Unfälle
mit tödlichem Ausgang in der Seeschiffahrt viel häufiger als im Durchschnitt.

Die Gesamtlage darf man so bezeichnen, daß sich die vorhandnen Schatten
durch die Untersuchung bis jetzt uicht als schwärzer erwiesen haben, als
vorher bekannt war, daß jedoch zur Besserung des Loses der Seeleute auf
dem erfolgreich beschrittneu Wege uoch viel mehr geschehn kann als bisher.




Judentum und Christentum im Römischen Reiche
(Schluß)

aß Adolf Harnack nicht zu den zerstörenden, sondern zu deu
aufbauenden Geistern gehört, beweist er wieder durch sein neuestes
Werk, das die Begründung und die Ausbreitung des Christen-
tums in den ersten drei Jahrhunderten darstellt, und das man
eine glänzende Apologie des Christentums nennen kann. Es hat
um verneinenden und auflösenden Elementen nicht gefehlt in der protestantischen
Theologie; sie sind besonders in der Bibelkritik tätig gewesen, und Harnack hat
sich von dem Vorurteil, das sie im Dienste einer Tendenz verbreitet haben,
uoch nicht ganz frei gemacht. Die Tendenz war: den Glanben an Gott und
an die Gottheit Christi zu zerstören, und darum wurde als unumstößliche
Wahrheit gepredigt: Spuren einer Einwirkung Gottes auf die Weltgeschichte
könne es nicht geben. Zu den deutlichsten Merkmalen einer solchen Einwirkung
gehören erfüllte Prophezeiungen, darum - ^ folgern diese „Voraussetzungslosen"—
müßten alle Schriften und Schriftsteller, die erfüllte Prophetien, klare Blicke
in die Zukunft enthalte», nach der Erfüllung gefälscht sein. Es ist wohl Nach¬
wirkung dieses Vorurteils,") wenn Harnack nicht glauben kauu, daß Jesus über
die Grenzen des Judentums hinausgeschaut und das Heil, das er verkündigte,
den Heiden zugedacht habe. Darum mag er die Gleichnisse, die die Pharisäer
und Schriftgelehrten so übel nahmen, wie das vou dein Weinberge, der den
bösen Winzern genommen und andern gegeben wird, uicht auf die Verwerfung
der Juden und die Erwählung der Heiden deuten; darum meint er, weil es
doch zur Zeit der Abfassung des ersten Evangeliums schon Heidenchristen gab,
habe sei» Verfasser den Befehl, in alle Welt zu gehn und allen Völkern zu
predigen, wenigstens dein Auferstanducn in den Mund legen müssen, da er
es den noch im Fleische Wandelnden nicht sprechen lassen konnte; darum zweifelt
er auch die Echtheit der Matthäusstelleu an, in denen das Wort Ekklesia vor-



^) Das war geschrieben, ehe im Mürzhcft der Preußischen Jahrbücher Harnacks Bemer¬
kungen zum Kaiserbriefe an Hollmann erschiene». Dieser Kundgebung nach, mit der übrigens
der Vorwärts noch lange nicht zufrieden ist, scheint sich doch das Negative in dem berühmten
Dogmenhistoriker nicht auf bloße Nachwirkungen zu beschränken, sondern der Ausfluß einer
zweiten, einer negativen Seele zu sein, die mitunter über die positive Schwester das Übergewicht
gewinnt.
Grenzboten II 1903 I»
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0081" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240463"/>
          <fw type="header" place="top"> Judentum und Christentum im Römischen Reiche</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_418" prev="#ID_417"> schcift 8 oder 9 Unfälle. Bergbau, Steinbrüche, Holzindustrie mit 12,1 bis<lb/>
13 Unfällen stehn viel ungünstiger da. Andrerseits sind natürlich die Unfälle<lb/>
mit tödlichem Ausgang in der Seeschiffahrt viel häufiger als im Durchschnitt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_419"> Die Gesamtlage darf man so bezeichnen, daß sich die vorhandnen Schatten<lb/>
durch die Untersuchung bis jetzt uicht als schwärzer erwiesen haben, als<lb/>
vorher bekannt war, daß jedoch zur Besserung des Loses der Seeleute auf<lb/>
dem erfolgreich beschrittneu Wege uoch viel mehr geschehn kann als bisher.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Judentum und Christentum im Römischen Reiche<lb/>
(Schluß) </head><lb/>
          <p xml:id="ID_420" next="#ID_421"> aß Adolf Harnack nicht zu den zerstörenden, sondern zu deu<lb/>
aufbauenden Geistern gehört, beweist er wieder durch sein neuestes<lb/>
Werk, das die Begründung und die Ausbreitung des Christen-<lb/>
tums in den ersten drei Jahrhunderten darstellt, und das man<lb/>
eine glänzende Apologie des Christentums nennen kann. Es hat<lb/>
um verneinenden und auflösenden Elementen nicht gefehlt in der protestantischen<lb/>
Theologie; sie sind besonders in der Bibelkritik tätig gewesen, und Harnack hat<lb/>
sich von dem Vorurteil, das sie im Dienste einer Tendenz verbreitet haben,<lb/>
uoch nicht ganz frei gemacht. Die Tendenz war: den Glanben an Gott und<lb/>
an die Gottheit Christi zu zerstören, und darum wurde als unumstößliche<lb/>
Wahrheit gepredigt: Spuren einer Einwirkung Gottes auf die Weltgeschichte<lb/>
könne es nicht geben. Zu den deutlichsten Merkmalen einer solchen Einwirkung<lb/>
gehören erfüllte Prophezeiungen, darum - ^ folgern diese &#x201E;Voraussetzungslosen"&#x2014;<lb/>
müßten alle Schriften und Schriftsteller, die erfüllte Prophetien, klare Blicke<lb/>
in die Zukunft enthalte», nach der Erfüllung gefälscht sein. Es ist wohl Nach¬<lb/>
wirkung dieses Vorurteils,") wenn Harnack nicht glauben kauu, daß Jesus über<lb/>
die Grenzen des Judentums hinausgeschaut und das Heil, das er verkündigte,<lb/>
den Heiden zugedacht habe. Darum mag er die Gleichnisse, die die Pharisäer<lb/>
und Schriftgelehrten so übel nahmen, wie das vou dein Weinberge, der den<lb/>
bösen Winzern genommen und andern gegeben wird, uicht auf die Verwerfung<lb/>
der Juden und die Erwählung der Heiden deuten; darum meint er, weil es<lb/>
doch zur Zeit der Abfassung des ersten Evangeliums schon Heidenchristen gab,<lb/>
habe sei» Verfasser den Befehl, in alle Welt zu gehn und allen Völkern zu<lb/>
predigen, wenigstens dein Auferstanducn in den Mund legen müssen, da er<lb/>
es den noch im Fleische Wandelnden nicht sprechen lassen konnte; darum zweifelt<lb/>
er auch die Echtheit der Matthäusstelleu an, in denen das Wort Ekklesia vor-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_9" place="foot"> ^) Das war geschrieben, ehe im Mürzhcft der Preußischen Jahrbücher Harnacks Bemer¬<lb/>
kungen zum Kaiserbriefe an Hollmann erschiene». Dieser Kundgebung nach, mit der übrigens<lb/>
der Vorwärts noch lange nicht zufrieden ist, scheint sich doch das Negative in dem berühmten<lb/>
Dogmenhistoriker nicht auf bloße Nachwirkungen zu beschränken, sondern der Ausfluß einer<lb/>
zweiten, einer negativen Seele zu sein, die mitunter über die positive Schwester das Übergewicht<lb/>
gewinnt.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1903 I»</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0081] Judentum und Christentum im Römischen Reiche schcift 8 oder 9 Unfälle. Bergbau, Steinbrüche, Holzindustrie mit 12,1 bis 13 Unfällen stehn viel ungünstiger da. Andrerseits sind natürlich die Unfälle mit tödlichem Ausgang in der Seeschiffahrt viel häufiger als im Durchschnitt. Die Gesamtlage darf man so bezeichnen, daß sich die vorhandnen Schatten durch die Untersuchung bis jetzt uicht als schwärzer erwiesen haben, als vorher bekannt war, daß jedoch zur Besserung des Loses der Seeleute auf dem erfolgreich beschrittneu Wege uoch viel mehr geschehn kann als bisher. Judentum und Christentum im Römischen Reiche (Schluß) aß Adolf Harnack nicht zu den zerstörenden, sondern zu deu aufbauenden Geistern gehört, beweist er wieder durch sein neuestes Werk, das die Begründung und die Ausbreitung des Christen- tums in den ersten drei Jahrhunderten darstellt, und das man eine glänzende Apologie des Christentums nennen kann. Es hat um verneinenden und auflösenden Elementen nicht gefehlt in der protestantischen Theologie; sie sind besonders in der Bibelkritik tätig gewesen, und Harnack hat sich von dem Vorurteil, das sie im Dienste einer Tendenz verbreitet haben, uoch nicht ganz frei gemacht. Die Tendenz war: den Glanben an Gott und an die Gottheit Christi zu zerstören, und darum wurde als unumstößliche Wahrheit gepredigt: Spuren einer Einwirkung Gottes auf die Weltgeschichte könne es nicht geben. Zu den deutlichsten Merkmalen einer solchen Einwirkung gehören erfüllte Prophezeiungen, darum - ^ folgern diese „Voraussetzungslosen"— müßten alle Schriften und Schriftsteller, die erfüllte Prophetien, klare Blicke in die Zukunft enthalte», nach der Erfüllung gefälscht sein. Es ist wohl Nach¬ wirkung dieses Vorurteils,") wenn Harnack nicht glauben kauu, daß Jesus über die Grenzen des Judentums hinausgeschaut und das Heil, das er verkündigte, den Heiden zugedacht habe. Darum mag er die Gleichnisse, die die Pharisäer und Schriftgelehrten so übel nahmen, wie das vou dein Weinberge, der den bösen Winzern genommen und andern gegeben wird, uicht auf die Verwerfung der Juden und die Erwählung der Heiden deuten; darum meint er, weil es doch zur Zeit der Abfassung des ersten Evangeliums schon Heidenchristen gab, habe sei» Verfasser den Befehl, in alle Welt zu gehn und allen Völkern zu predigen, wenigstens dein Auferstanducn in den Mund legen müssen, da er es den noch im Fleische Wandelnden nicht sprechen lassen konnte; darum zweifelt er auch die Echtheit der Matthäusstelleu an, in denen das Wort Ekklesia vor- ^) Das war geschrieben, ehe im Mürzhcft der Preußischen Jahrbücher Harnacks Bemer¬ kungen zum Kaiserbriefe an Hollmann erschiene». Dieser Kundgebung nach, mit der übrigens der Vorwärts noch lange nicht zufrieden ist, scheint sich doch das Negative in dem berühmten Dogmenhistoriker nicht auf bloße Nachwirkungen zu beschränken, sondern der Ausfluß einer zweiten, einer negativen Seele zu sein, die mitunter über die positive Schwester das Übergewicht gewinnt. Grenzboten II 1903 I»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/81
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/81>, abgerufen am 23.07.2024.