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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Haftpflichtversiäiermig

zwei große Gesellschaften liquidierten. Demgegenüber ernt der Generaldirektor
des Stuttgarter Vereins, Kommerzienrat Moll, der noch heute an dessen Spitze
steht, auf, indem er zuerst die Überzeugung aussprach, dnsz "man der Hilfe
und Mitwirkung der Privatversicherung auch nach Einführung der öffentlichen
Versicherung nicht werde entraten können." Schon im Jahre 1884 richtete
der Stuttgarter Verein seinen Betrieb ans neuer Grundlage ein, indem er an
die "Haftpflichtreste," die das Nnfallversichernngsgesetz gelassen hatte, an¬
knüpfte, die Versicherung auf weitere Haftpslichtfülle, auch wegen Sachschaden
und Vermögensbeschädignng ausdehnte und auf diesem Wege nicht nur selbst
zu immer größerer Blüte gelangte, sondern much dem gesamten Haftpflicht-
geschüft neues Leben einhauchte. Wie schwer die Krise war, die die staatliche
Unfallversicherung der Haftpflichtversicherung brachte, und wie Recht dagegen
Moll hatte, daß er den Betrieb des voll ihm geleiteten Vereins den verän¬
derten Verhältnissen anpaßte, zeigt folgende bei Manes Seite 35 abgedruckte

Tabelle:

Einnahmen
der Gesellschaften in den Jahren
1884 1887
Mark Mark
1. Prometheus...... 440313 170492 -- 369821
2. Nhenania....... 1S68368 395 911 -- 1152 547
3. Leipzig........ 2727608 in Liquidation
4. Magdeburg...... 2235391 684396 -- 1550995
5. Stuttgart....... 555963 553857 -- 2106
6. Chemnitz ....... 858531 in Liquidation

Während also von den hier angeführten Gesellschaften zwei in Liquidation
traten, bei zweien die Verluste in die Millionen, bei einer in die Hundert-
tausende gingen, verlor der Stuttgarter Verein nur 2106 Mark! Einen größern
Aufschwung nahm das Haftpflichtgeschäft erst seit dem Beginn der neunziger Jahre,
sodaß Anfang 1900 über zwanzig Aktiengesellschaften, zwei größere Gegen¬
seitigkeitsvereine und eine Reihe lokaler Verbände die Haftpflichtversichernng
betrieben. Dazu trat uoch die Konkurrenz des Auslandes, insbesondre die der
Schweiz. Freilich hat die große Konkurrenz, die sich unter anderen anch in
Prämienuntcrbietnngen äußert, in neuster Zeit einen Rückgang des Haftpflicht¬
geschäfts zur Folge gehabt. Dazu kommt, daß die Unfallversicherungsgesetze
in der Fassung vom 5. Juli 1900 uicht nur den Kreis der staatlich Ver¬
sicherungspflichtigen Personen erweiterte, sondern auch den Berufsgenossen¬
schaften erlaubte, ihre Angehörigen gegen Haftpflicht zu versichern. Es ist das
eine ganz unglückliche Schöpfung. Die Berufsgenossenschaften verlangen auf
der einen Seite von den Unternehmern Ersatz für alle Aufwendungen, die sie
infolge des von den Unternehmern in vorsätzlicher oder qualifiziert fahrlässiger
Weise herbeigeführten Unfalls hatten, während sie ihnen auf der andern Seite
zwei Drittel des ihnen wegen qualifizierter Fahrlässigkeit geschuldeten Betrags
auf Grund der Haftpflichtversichernng ersetzen. Das ist ein Widerspruch in
sich. Man kam: nicht mit der einen Hand nehmen und zugleich mit der
andern geben.*) Die Berufsgenossenschaften versichern ihre Angehörigen aber



') Näheres über diese Frage bei Moll, Zur .Haftpflichtversicherung. 2. Auflage. Stuttgart 1901.
Haftpflichtversiäiermig

zwei große Gesellschaften liquidierten. Demgegenüber ernt der Generaldirektor
des Stuttgarter Vereins, Kommerzienrat Moll, der noch heute an dessen Spitze
steht, auf, indem er zuerst die Überzeugung aussprach, dnsz „man der Hilfe
und Mitwirkung der Privatversicherung auch nach Einführung der öffentlichen
Versicherung nicht werde entraten können." Schon im Jahre 1884 richtete
der Stuttgarter Verein seinen Betrieb ans neuer Grundlage ein, indem er an
die „Haftpflichtreste," die das Nnfallversichernngsgesetz gelassen hatte, an¬
knüpfte, die Versicherung auf weitere Haftpslichtfülle, auch wegen Sachschaden
und Vermögensbeschädignng ausdehnte und auf diesem Wege nicht nur selbst
zu immer größerer Blüte gelangte, sondern much dem gesamten Haftpflicht-
geschüft neues Leben einhauchte. Wie schwer die Krise war, die die staatliche
Unfallversicherung der Haftpflichtversicherung brachte, und wie Recht dagegen
Moll hatte, daß er den Betrieb des voll ihm geleiteten Vereins den verän¬
derten Verhältnissen anpaßte, zeigt folgende bei Manes Seite 35 abgedruckte

Tabelle:

Einnahmen
der Gesellschaften in den Jahren
1884 1887
Mark Mark
1. Prometheus...... 440313 170492 — 369821
2. Nhenania....... 1S68368 395 911 — 1152 547
3. Leipzig........ 2727608 in Liquidation
4. Magdeburg...... 2235391 684396 — 1550995
5. Stuttgart....... 555963 553857 — 2106
6. Chemnitz ....... 858531 in Liquidation

Während also von den hier angeführten Gesellschaften zwei in Liquidation
traten, bei zweien die Verluste in die Millionen, bei einer in die Hundert-
tausende gingen, verlor der Stuttgarter Verein nur 2106 Mark! Einen größern
Aufschwung nahm das Haftpflichtgeschäft erst seit dem Beginn der neunziger Jahre,
sodaß Anfang 1900 über zwanzig Aktiengesellschaften, zwei größere Gegen¬
seitigkeitsvereine und eine Reihe lokaler Verbände die Haftpflichtversichernng
betrieben. Dazu trat uoch die Konkurrenz des Auslandes, insbesondre die der
Schweiz. Freilich hat die große Konkurrenz, die sich unter anderen anch in
Prämienuntcrbietnngen äußert, in neuster Zeit einen Rückgang des Haftpflicht¬
geschäfts zur Folge gehabt. Dazu kommt, daß die Unfallversicherungsgesetze
in der Fassung vom 5. Juli 1900 uicht nur den Kreis der staatlich Ver¬
sicherungspflichtigen Personen erweiterte, sondern auch den Berufsgenossen¬
schaften erlaubte, ihre Angehörigen gegen Haftpflicht zu versichern. Es ist das
eine ganz unglückliche Schöpfung. Die Berufsgenossenschaften verlangen auf
der einen Seite von den Unternehmern Ersatz für alle Aufwendungen, die sie
infolge des von den Unternehmern in vorsätzlicher oder qualifiziert fahrlässiger
Weise herbeigeführten Unfalls hatten, während sie ihnen auf der andern Seite
zwei Drittel des ihnen wegen qualifizierter Fahrlässigkeit geschuldeten Betrags
auf Grund der Haftpflichtversichernng ersetzen. Das ist ein Widerspruch in
sich. Man kam: nicht mit der einen Hand nehmen und zugleich mit der
andern geben.*) Die Berufsgenossenschaften versichern ihre Angehörigen aber



') Näheres über diese Frage bei Moll, Zur .Haftpflichtversicherung. 2. Auflage. Stuttgart 1901.
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[0770] Haftpflichtversiäiermig zwei große Gesellschaften liquidierten. Demgegenüber ernt der Generaldirektor des Stuttgarter Vereins, Kommerzienrat Moll, der noch heute an dessen Spitze steht, auf, indem er zuerst die Überzeugung aussprach, dnsz „man der Hilfe und Mitwirkung der Privatversicherung auch nach Einführung der öffentlichen Versicherung nicht werde entraten können." Schon im Jahre 1884 richtete der Stuttgarter Verein seinen Betrieb ans neuer Grundlage ein, indem er an die „Haftpflichtreste," die das Nnfallversichernngsgesetz gelassen hatte, an¬ knüpfte, die Versicherung auf weitere Haftpslichtfülle, auch wegen Sachschaden und Vermögensbeschädignng ausdehnte und auf diesem Wege nicht nur selbst zu immer größerer Blüte gelangte, sondern much dem gesamten Haftpflicht- geschüft neues Leben einhauchte. Wie schwer die Krise war, die die staatliche Unfallversicherung der Haftpflichtversicherung brachte, und wie Recht dagegen Moll hatte, daß er den Betrieb des voll ihm geleiteten Vereins den verän¬ derten Verhältnissen anpaßte, zeigt folgende bei Manes Seite 35 abgedruckte Tabelle: Einnahmen der Gesellschaften in den Jahren 1884 1887 Mark Mark 1. Prometheus...... 440313 170492 — 369821 2. Nhenania....... 1S68368 395 911 — 1152 547 3. Leipzig........ 2727608 in Liquidation 4. Magdeburg...... 2235391 684396 — 1550995 5. Stuttgart....... 555963 553857 — 2106 6. Chemnitz ....... 858531 in Liquidation Während also von den hier angeführten Gesellschaften zwei in Liquidation traten, bei zweien die Verluste in die Millionen, bei einer in die Hundert- tausende gingen, verlor der Stuttgarter Verein nur 2106 Mark! Einen größern Aufschwung nahm das Haftpflichtgeschäft erst seit dem Beginn der neunziger Jahre, sodaß Anfang 1900 über zwanzig Aktiengesellschaften, zwei größere Gegen¬ seitigkeitsvereine und eine Reihe lokaler Verbände die Haftpflichtversichernng betrieben. Dazu trat uoch die Konkurrenz des Auslandes, insbesondre die der Schweiz. Freilich hat die große Konkurrenz, die sich unter anderen anch in Prämienuntcrbietnngen äußert, in neuster Zeit einen Rückgang des Haftpflicht¬ geschäfts zur Folge gehabt. Dazu kommt, daß die Unfallversicherungsgesetze in der Fassung vom 5. Juli 1900 uicht nur den Kreis der staatlich Ver¬ sicherungspflichtigen Personen erweiterte, sondern auch den Berufsgenossen¬ schaften erlaubte, ihre Angehörigen gegen Haftpflicht zu versichern. Es ist das eine ganz unglückliche Schöpfung. Die Berufsgenossenschaften verlangen auf der einen Seite von den Unternehmern Ersatz für alle Aufwendungen, die sie infolge des von den Unternehmern in vorsätzlicher oder qualifiziert fahrlässiger Weise herbeigeführten Unfalls hatten, während sie ihnen auf der andern Seite zwei Drittel des ihnen wegen qualifizierter Fahrlässigkeit geschuldeten Betrags auf Grund der Haftpflichtversichernng ersetzen. Das ist ein Widerspruch in sich. Man kam: nicht mit der einen Hand nehmen und zugleich mit der andern geben.*) Die Berufsgenossenschaften versichern ihre Angehörigen aber ') Näheres über diese Frage bei Moll, Zur .Haftpflichtversicherung. 2. Auflage. Stuttgart 1901.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/770>, abgerufen am 25.08.2024.