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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Der Marquis von Marigny

Vaters vorgeführt zu werden, und so bat sie ihn denn eines Tages, er möge
dafür sorgen, daß diese Besuche möglichst unterblieben. Die Unterhaltung mit
Leuten, die sie gar nicht oder doch nur sehr oberflächlich kenne, und die ihr herzlich
gleichgiltig seien -- hier machte der Marquis ein langes Gesicht --, ermüde sie
noch allzusehr; wolle er ihr jedoch eine Freude bereiten, so möge er die Baronin
von Gramvnt bitten, ihr häufiger als bisher Gesellschaft zu leiste".

Der Marquis, froh, seiner Tochter einen Wunsch erfüllen zu können, machte
sich sogleich auf den Weg, um die Baronin davon zu benachrichtigen, wie sehnlich
Marguerite nach ihrem Besuche verlange.

Die Bekanntschaft der beiden Damen datierte von ihrem Aufenthalt in Sainte-
Madeleine her. Frau von Grnmont, oder wie sie damals noch hieß: Marie von
Louvois, war allerdings einige Jahre älter als Marguerite und hatte dieser, wie
es sich für eine vorgeschrittnere Schülerin ja von selbst verstand, im Kloster kaum
Beachtung geschenkt. Jedoch hier in der Fremde reichten die gemeinsamen Er¬
innerungen aus, die beiden einander näher zu bringen und eine Art von Freund¬
schaft -- wenn man bei Marguerites kühlem Wesen von Freundschaft reden durfte --
zwischen ihnen zu begründen. Und so war Frau von Gramont in der Tot die
einzige unter den vielen damals in Koblenz wohnenden Landsmänninnen, die sich
um das junge Mädchen während seiner Krankheit gekümmert hatte, und die mit
ihrer unverwüstlichen Heiterkeit auf die Nekonvnleszentin den heilsamsten Einfluß
ausübte. Wie treffend wußte sie jede einzelne der frommen Schwestern von Sainte-
Madeleine zu charakterisieren! Von der hochwürdigen Mutter Äbtissin an, die
stets vom Schnupfen geplagt wurde, weil sie ganze Nächte lang am offnen Fenster
astrologische Studien trieb, bis hinab zu der Schwester Pförtnerin, die an der fixen
Idee litt, sie sei die Braut des heiligen Petrus, und die für ein Stückchen Pflaumen¬
kuchen jedem die Zusicherung gab, sie werde ihn einst, wenn sie erst bei der Ver¬
waltung des himmlischen Pfortneramts ein Wörtchen mitzureden habe, ohne weitere
Förmlichkeiten einlassen. Und Schwester Celestine, die gegen andre so streng und
gegen sich selbst so nachsichtig war, und Schwester Claudia, die eine so große
Schwäche für Parfümerien hatte, daß man mit Hilfe der Nase ihre Spur durch
das ganze Haus und sogar durch den Garten verfolgen konnte, und die kleine
bucklige Schwester Portiuncula, die immer behauptete, sie gliche der heiligen Ma¬
deleine auf dem Altarbilde der Klosterkirche!

Frau von Gramont ließ nicht lange auf sich warten. Sie wäre auch ohne
besondre Mahnung heute noch gekommen, sagte sie. Sie habe eine Neuigkeit, und
Neuigkeiten lauge bei sich zu behalten, sei ihre Sache nicht. Wenn Herr von
Marigny Geschäfte habe -- der Marquis war nämlich, als die Besucherin erschien,
gerade im Garten --, so möge er sich nur ja nicht durch sie zurückhalten lassen;
ihre Visite gelte lediglich Marguerite. Das war ein Wink, der an Deutlichkeit
nichts zu wünschen übrig ließ, und der alte Herr mußte sich wohl oder übel zurück-
ziehn, obgleich er gar zu gern von der Gesellschaft der hübschen und lebhaften jungen
Frau profitiert hätte.

Nun -- und Ihre Neuigkeit, Frau Baronin? fragte Marguerite, als sie das
Garteupförtcheu hinter dem Vater ins Schloß fallen horte.

El, meine Liebe, wer wird so entsetzlich neugierig sein! Unsre Neuigkeit läuft
uns nicht davon. Lassen Sie mich erst einmal die berühmten Blütenbäume sehen,
von denen Ihr Herr Vater nicht müde wurde, mir vorzuschwärmen.

Das Mädchen wies lächelnd nach oben.

Mein Gott -- das ist alles? fuhr die Baronin fort, indem sie mit dem Auge
der angedeuteten Richtung folgte; offen gestanden, ich hatte mir weit mehr darunter
vorgestellt. In Paris würde nun über so etwas kein Wort verlieren. Ich muß
übrigens zu meiner Schande gestehn, daß ich vergessen habe, wie der Herr Marquis
diese Sorte von Bäumen nannte.

Sie trat in das chinesische Sommerhäuschen, um sich einen Schemel zu holen,


Der Marquis von Marigny

Vaters vorgeführt zu werden, und so bat sie ihn denn eines Tages, er möge
dafür sorgen, daß diese Besuche möglichst unterblieben. Die Unterhaltung mit
Leuten, die sie gar nicht oder doch nur sehr oberflächlich kenne, und die ihr herzlich
gleichgiltig seien — hier machte der Marquis ein langes Gesicht —, ermüde sie
noch allzusehr; wolle er ihr jedoch eine Freude bereiten, so möge er die Baronin
von Gramvnt bitten, ihr häufiger als bisher Gesellschaft zu leiste».

Der Marquis, froh, seiner Tochter einen Wunsch erfüllen zu können, machte
sich sogleich auf den Weg, um die Baronin davon zu benachrichtigen, wie sehnlich
Marguerite nach ihrem Besuche verlange.

Die Bekanntschaft der beiden Damen datierte von ihrem Aufenthalt in Sainte-
Madeleine her. Frau von Grnmont, oder wie sie damals noch hieß: Marie von
Louvois, war allerdings einige Jahre älter als Marguerite und hatte dieser, wie
es sich für eine vorgeschrittnere Schülerin ja von selbst verstand, im Kloster kaum
Beachtung geschenkt. Jedoch hier in der Fremde reichten die gemeinsamen Er¬
innerungen aus, die beiden einander näher zu bringen und eine Art von Freund¬
schaft — wenn man bei Marguerites kühlem Wesen von Freundschaft reden durfte —
zwischen ihnen zu begründen. Und so war Frau von Gramont in der Tot die
einzige unter den vielen damals in Koblenz wohnenden Landsmänninnen, die sich
um das junge Mädchen während seiner Krankheit gekümmert hatte, und die mit
ihrer unverwüstlichen Heiterkeit auf die Nekonvnleszentin den heilsamsten Einfluß
ausübte. Wie treffend wußte sie jede einzelne der frommen Schwestern von Sainte-
Madeleine zu charakterisieren! Von der hochwürdigen Mutter Äbtissin an, die
stets vom Schnupfen geplagt wurde, weil sie ganze Nächte lang am offnen Fenster
astrologische Studien trieb, bis hinab zu der Schwester Pförtnerin, die an der fixen
Idee litt, sie sei die Braut des heiligen Petrus, und die für ein Stückchen Pflaumen¬
kuchen jedem die Zusicherung gab, sie werde ihn einst, wenn sie erst bei der Ver¬
waltung des himmlischen Pfortneramts ein Wörtchen mitzureden habe, ohne weitere
Förmlichkeiten einlassen. Und Schwester Celestine, die gegen andre so streng und
gegen sich selbst so nachsichtig war, und Schwester Claudia, die eine so große
Schwäche für Parfümerien hatte, daß man mit Hilfe der Nase ihre Spur durch
das ganze Haus und sogar durch den Garten verfolgen konnte, und die kleine
bucklige Schwester Portiuncula, die immer behauptete, sie gliche der heiligen Ma¬
deleine auf dem Altarbilde der Klosterkirche!

Frau von Gramont ließ nicht lange auf sich warten. Sie wäre auch ohne
besondre Mahnung heute noch gekommen, sagte sie. Sie habe eine Neuigkeit, und
Neuigkeiten lauge bei sich zu behalten, sei ihre Sache nicht. Wenn Herr von
Marigny Geschäfte habe — der Marquis war nämlich, als die Besucherin erschien,
gerade im Garten —, so möge er sich nur ja nicht durch sie zurückhalten lassen;
ihre Visite gelte lediglich Marguerite. Das war ein Wink, der an Deutlichkeit
nichts zu wünschen übrig ließ, und der alte Herr mußte sich wohl oder übel zurück-
ziehn, obgleich er gar zu gern von der Gesellschaft der hübschen und lebhaften jungen
Frau profitiert hätte.

Nun — und Ihre Neuigkeit, Frau Baronin? fragte Marguerite, als sie das
Garteupförtcheu hinter dem Vater ins Schloß fallen horte.

El, meine Liebe, wer wird so entsetzlich neugierig sein! Unsre Neuigkeit läuft
uns nicht davon. Lassen Sie mich erst einmal die berühmten Blütenbäume sehen,
von denen Ihr Herr Vater nicht müde wurde, mir vorzuschwärmen.

Das Mädchen wies lächelnd nach oben.

Mein Gott — das ist alles? fuhr die Baronin fort, indem sie mit dem Auge
der angedeuteten Richtung folgte; offen gestanden, ich hatte mir weit mehr darunter
vorgestellt. In Paris würde nun über so etwas kein Wort verlieren. Ich muß
übrigens zu meiner Schande gestehn, daß ich vergessen habe, wie der Herr Marquis
diese Sorte von Bäumen nannte.

Sie trat in das chinesische Sommerhäuschen, um sich einen Schemel zu holen,


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[0742] Der Marquis von Marigny Vaters vorgeführt zu werden, und so bat sie ihn denn eines Tages, er möge dafür sorgen, daß diese Besuche möglichst unterblieben. Die Unterhaltung mit Leuten, die sie gar nicht oder doch nur sehr oberflächlich kenne, und die ihr herzlich gleichgiltig seien — hier machte der Marquis ein langes Gesicht —, ermüde sie noch allzusehr; wolle er ihr jedoch eine Freude bereiten, so möge er die Baronin von Gramvnt bitten, ihr häufiger als bisher Gesellschaft zu leiste». Der Marquis, froh, seiner Tochter einen Wunsch erfüllen zu können, machte sich sogleich auf den Weg, um die Baronin davon zu benachrichtigen, wie sehnlich Marguerite nach ihrem Besuche verlange. Die Bekanntschaft der beiden Damen datierte von ihrem Aufenthalt in Sainte- Madeleine her. Frau von Grnmont, oder wie sie damals noch hieß: Marie von Louvois, war allerdings einige Jahre älter als Marguerite und hatte dieser, wie es sich für eine vorgeschrittnere Schülerin ja von selbst verstand, im Kloster kaum Beachtung geschenkt. Jedoch hier in der Fremde reichten die gemeinsamen Er¬ innerungen aus, die beiden einander näher zu bringen und eine Art von Freund¬ schaft — wenn man bei Marguerites kühlem Wesen von Freundschaft reden durfte — zwischen ihnen zu begründen. Und so war Frau von Gramont in der Tot die einzige unter den vielen damals in Koblenz wohnenden Landsmänninnen, die sich um das junge Mädchen während seiner Krankheit gekümmert hatte, und die mit ihrer unverwüstlichen Heiterkeit auf die Nekonvnleszentin den heilsamsten Einfluß ausübte. Wie treffend wußte sie jede einzelne der frommen Schwestern von Sainte- Madeleine zu charakterisieren! Von der hochwürdigen Mutter Äbtissin an, die stets vom Schnupfen geplagt wurde, weil sie ganze Nächte lang am offnen Fenster astrologische Studien trieb, bis hinab zu der Schwester Pförtnerin, die an der fixen Idee litt, sie sei die Braut des heiligen Petrus, und die für ein Stückchen Pflaumen¬ kuchen jedem die Zusicherung gab, sie werde ihn einst, wenn sie erst bei der Ver¬ waltung des himmlischen Pfortneramts ein Wörtchen mitzureden habe, ohne weitere Förmlichkeiten einlassen. Und Schwester Celestine, die gegen andre so streng und gegen sich selbst so nachsichtig war, und Schwester Claudia, die eine so große Schwäche für Parfümerien hatte, daß man mit Hilfe der Nase ihre Spur durch das ganze Haus und sogar durch den Garten verfolgen konnte, und die kleine bucklige Schwester Portiuncula, die immer behauptete, sie gliche der heiligen Ma¬ deleine auf dem Altarbilde der Klosterkirche! Frau von Gramont ließ nicht lange auf sich warten. Sie wäre auch ohne besondre Mahnung heute noch gekommen, sagte sie. Sie habe eine Neuigkeit, und Neuigkeiten lauge bei sich zu behalten, sei ihre Sache nicht. Wenn Herr von Marigny Geschäfte habe — der Marquis war nämlich, als die Besucherin erschien, gerade im Garten —, so möge er sich nur ja nicht durch sie zurückhalten lassen; ihre Visite gelte lediglich Marguerite. Das war ein Wink, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ, und der alte Herr mußte sich wohl oder übel zurück- ziehn, obgleich er gar zu gern von der Gesellschaft der hübschen und lebhaften jungen Frau profitiert hätte. Nun — und Ihre Neuigkeit, Frau Baronin? fragte Marguerite, als sie das Garteupförtcheu hinter dem Vater ins Schloß fallen horte. El, meine Liebe, wer wird so entsetzlich neugierig sein! Unsre Neuigkeit läuft uns nicht davon. Lassen Sie mich erst einmal die berühmten Blütenbäume sehen, von denen Ihr Herr Vater nicht müde wurde, mir vorzuschwärmen. Das Mädchen wies lächelnd nach oben. Mein Gott — das ist alles? fuhr die Baronin fort, indem sie mit dem Auge der angedeuteten Richtung folgte; offen gestanden, ich hatte mir weit mehr darunter vorgestellt. In Paris würde nun über so etwas kein Wort verlieren. Ich muß übrigens zu meiner Schande gestehn, daß ich vergessen habe, wie der Herr Marquis diese Sorte von Bäumen nannte. Sie trat in das chinesische Sommerhäuschen, um sich einen Schemel zu holen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/742>, abgerufen am 25.08.2024.