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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Der Marquis von Marigny

bewegten die Apfelbäume leise, leise ihre Zweige und ließen ihre zarten rosig an¬
gehauchten Blütenblättchen auf die Träumende niederfallen, bis sie anschaute und
ihre Augen an den Wolken von Blüten weidete, über denen sich ein Himmel aus¬
spannte, reiner und blauer, als sie ihn je gesehen zu haben glaubte.

Gewöhnlich blieb jedoch Marguerite nicht allzu auge allem Die Wittib für
die es in dieser Jahreszeit genug zu tun gab. da sie den Garten selbst bestellte
ließ von Zeit zu Zeit ihre Erbsenbeete und Bohnenreihen un Stich, wusch
sich die Hände in der Gießkanne, trocknete sie oberflächlich an der Schurze ab und
sah einmal nach, ob sie ..ihrer" Demoiselle irgend eine Handreichung leisten konnte,
oder ob die Kissen aufgeschüttelt und zurechtgerückt werden mußten.

Manchmal stellte sich auch der Vater draußen im Garten ein erkundigte sich
bei Madame Haßlacher, ob sie dieses oder jenes Gemüse ziehe, das me Alte nicht
einmal dem Namen nach kannte, oder sammelte in eigner Person die fetten
Weinbergschnecken, die ein warmer Frühlingsregen ans ihren Wmtergraberu her¬
vorgelockt hatte, und die nnn. ihren Sargdeckel aus weißem Kalk vor sich her¬
schiebend, zu neuem Leben wieder auferstanden, einem Leben, das allerdings nur
zu bald in den Marignyschen Kochtöpfen auf ewig enden sollte.

Wenn zufällig einmal der Marquis und seine Wirtin in der Nahe des chine¬
sischen Sonnnerhäuschens zusammentrafen, schauten sie gewöhnlich beide zu Mar¬
guerite hinüber und nickten sich mit vielsagendem Lächeln zu. Dann hob Madame
Hnßlacher Wohl anch ihre Gießkanne empor und schüttelte sie daß das Wähler an
die blechernen Wände plätscherte, um durch diese Symbolik bei dem alten Herrn
i" Erinnerung zu bringen, welchem Heilmittel man es zu danken habe, wenn das
Fräulein jetzt als Rekonvaleszentin hier im Garten sitze. Aber Marigny war meh
geneigt, sich Verdienste streitig machen zu lassen, auf die er sich mit Neckst viel
einbildete, und deshalb hielt er Umschau am Himmel, bis er einen Fing feldernder
Tauben entdeckte, auf die er daun mit dem Ausdruck triumphierender Über¬
legenheit hinwies.'

^-Hin und wieder brachte der Marquis auch Vekauute -- natürlich Lands¬
leute -- mit in den Garde", die er seiner Tochter dann unter dem Vorgeben daß
sie gekommen seien, um sich die Blütenpracht anzusehen, vorstellte. Das Merk¬
würdige dabei war jedoch, daß sich unter den vielen französischen Aristokraten nur
Herren und unter diesen nur die unverheirateten und heiratsfähigen f>ir Natur-
schönheiten zu interessieren schienen, und ebenso seltsam war es, daß sie die doch
der Bäume wegen den Spaziergang vors Tor unternommen hatten, am Ziele ihrer
Wanderung angelangt, den Bäumen selbst nicht die geringste Beachtung schenkten.
sondern sich mit dem winzigen Spiegelbild der Blütenwolken begnügten, das man
bei genauem Zusehen in Marguerites schönen Augen wahrnehmen konnt

Jedem der Besucher erzählte Marigny höchst umständlich die Krankheits¬
geschichte seiner Tochter und ließ dabei durchblicken, daß von den Ärzten nicht viel
zu halten sei. wogegen er, als ein Laie, sich anheischig mache, mit seinen Medika¬
menten, zumut mit Tauben ü, 1s, xrinossso Rotuiu und ähnlichen leicht verdaulichen
Dingen jede noch so schwere Krankheit zu heben. Und dann fügte er unter allerlei
spitzen Bemerkungen über den Leibmedikus Haupt noch hinzu: Ja ja, er hatte
vollkommen Recht! Sie wäre wie ein Lämpchen verlöscht, aber warum, meine
Herren? Warum? Weil kein Öl mehr auf dem Lttmpchen war. Und weshalb
'se sie am Leben geblieben? Weil sie das Glück hatte, einen Vater zu habe", der
über ein ausreichendes Maß von gesundem Menschenverstand verfügte, um einzu¬
sehen, daß es an der Zeit sei. frisches Öl auszufüllen. Also, meine Herren wenn
Sie einmal krank sein sollten, was ich Ihnen nicht wünschen will, ,v schicken dz-le
'"ehe gleich zum Arzt, sondern versuchen Sie es zuerst einmal mit Tauben ii la,
vrinoessg Lobau. Sie werden mir für diesen Rat Dank wissen!

Marguerite war nicht gerade davon erbaut, in dieser Weise dem "auswärtigen
Frankreich" als Demvnstrationsobjekt für die medizinischen Anschnnnngen ihres


Der Marquis von Marigny

bewegten die Apfelbäume leise, leise ihre Zweige und ließen ihre zarten rosig an¬
gehauchten Blütenblättchen auf die Träumende niederfallen, bis sie anschaute und
ihre Augen an den Wolken von Blüten weidete, über denen sich ein Himmel aus¬
spannte, reiner und blauer, als sie ihn je gesehen zu haben glaubte.

Gewöhnlich blieb jedoch Marguerite nicht allzu auge allem Die Wittib für
die es in dieser Jahreszeit genug zu tun gab. da sie den Garten selbst bestellte
ließ von Zeit zu Zeit ihre Erbsenbeete und Bohnenreihen un Stich, wusch
sich die Hände in der Gießkanne, trocknete sie oberflächlich an der Schurze ab und
sah einmal nach, ob sie ..ihrer" Demoiselle irgend eine Handreichung leisten konnte,
oder ob die Kissen aufgeschüttelt und zurechtgerückt werden mußten.

Manchmal stellte sich auch der Vater draußen im Garten ein erkundigte sich
bei Madame Haßlacher, ob sie dieses oder jenes Gemüse ziehe, das me Alte nicht
einmal dem Namen nach kannte, oder sammelte in eigner Person die fetten
Weinbergschnecken, die ein warmer Frühlingsregen ans ihren Wmtergraberu her¬
vorgelockt hatte, und die nnn. ihren Sargdeckel aus weißem Kalk vor sich her¬
schiebend, zu neuem Leben wieder auferstanden, einem Leben, das allerdings nur
zu bald in den Marignyschen Kochtöpfen auf ewig enden sollte.

Wenn zufällig einmal der Marquis und seine Wirtin in der Nahe des chine¬
sischen Sonnnerhäuschens zusammentrafen, schauten sie gewöhnlich beide zu Mar¬
guerite hinüber und nickten sich mit vielsagendem Lächeln zu. Dann hob Madame
Hnßlacher Wohl anch ihre Gießkanne empor und schüttelte sie daß das Wähler an
die blechernen Wände plätscherte, um durch diese Symbolik bei dem alten Herrn
i» Erinnerung zu bringen, welchem Heilmittel man es zu danken habe, wenn das
Fräulein jetzt als Rekonvaleszentin hier im Garten sitze. Aber Marigny war meh
geneigt, sich Verdienste streitig machen zu lassen, auf die er sich mit Neckst viel
einbildete, und deshalb hielt er Umschau am Himmel, bis er einen Fing feldernder
Tauben entdeckte, auf die er daun mit dem Ausdruck triumphierender Über¬
legenheit hinwies.'

^-Hin und wieder brachte der Marquis auch Vekauute — natürlich Lands¬
leute — mit in den Garde», die er seiner Tochter dann unter dem Vorgeben daß
sie gekommen seien, um sich die Blütenpracht anzusehen, vorstellte. Das Merk¬
würdige dabei war jedoch, daß sich unter den vielen französischen Aristokraten nur
Herren und unter diesen nur die unverheirateten und heiratsfähigen f>ir Natur-
schönheiten zu interessieren schienen, und ebenso seltsam war es, daß sie die doch
der Bäume wegen den Spaziergang vors Tor unternommen hatten, am Ziele ihrer
Wanderung angelangt, den Bäumen selbst nicht die geringste Beachtung schenkten.
sondern sich mit dem winzigen Spiegelbild der Blütenwolken begnügten, das man
bei genauem Zusehen in Marguerites schönen Augen wahrnehmen konnt

Jedem der Besucher erzählte Marigny höchst umständlich die Krankheits¬
geschichte seiner Tochter und ließ dabei durchblicken, daß von den Ärzten nicht viel
zu halten sei. wogegen er, als ein Laie, sich anheischig mache, mit seinen Medika¬
menten, zumut mit Tauben ü, 1s, xrinossso Rotuiu und ähnlichen leicht verdaulichen
Dingen jede noch so schwere Krankheit zu heben. Und dann fügte er unter allerlei
spitzen Bemerkungen über den Leibmedikus Haupt noch hinzu: Ja ja, er hatte
vollkommen Recht! Sie wäre wie ein Lämpchen verlöscht, aber warum, meine
Herren? Warum? Weil kein Öl mehr auf dem Lttmpchen war. Und weshalb
'se sie am Leben geblieben? Weil sie das Glück hatte, einen Vater zu habe», der
über ein ausreichendes Maß von gesundem Menschenverstand verfügte, um einzu¬
sehen, daß es an der Zeit sei. frisches Öl auszufüllen. Also, meine Herren wenn
Sie einmal krank sein sollten, was ich Ihnen nicht wünschen will, ,v schicken dz-le
'"ehe gleich zum Arzt, sondern versuchen Sie es zuerst einmal mit Tauben ii la,
vrinoessg Lobau. Sie werden mir für diesen Rat Dank wissen!

Marguerite war nicht gerade davon erbaut, in dieser Weise dem „auswärtigen
Frankreich" als Demvnstrationsobjekt für die medizinischen Anschnnnngen ihres


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[0741] Der Marquis von Marigny bewegten die Apfelbäume leise, leise ihre Zweige und ließen ihre zarten rosig an¬ gehauchten Blütenblättchen auf die Träumende niederfallen, bis sie anschaute und ihre Augen an den Wolken von Blüten weidete, über denen sich ein Himmel aus¬ spannte, reiner und blauer, als sie ihn je gesehen zu haben glaubte. Gewöhnlich blieb jedoch Marguerite nicht allzu auge allem Die Wittib für die es in dieser Jahreszeit genug zu tun gab. da sie den Garten selbst bestellte ließ von Zeit zu Zeit ihre Erbsenbeete und Bohnenreihen un Stich, wusch sich die Hände in der Gießkanne, trocknete sie oberflächlich an der Schurze ab und sah einmal nach, ob sie ..ihrer" Demoiselle irgend eine Handreichung leisten konnte, oder ob die Kissen aufgeschüttelt und zurechtgerückt werden mußten. Manchmal stellte sich auch der Vater draußen im Garten ein erkundigte sich bei Madame Haßlacher, ob sie dieses oder jenes Gemüse ziehe, das me Alte nicht einmal dem Namen nach kannte, oder sammelte in eigner Person die fetten Weinbergschnecken, die ein warmer Frühlingsregen ans ihren Wmtergraberu her¬ vorgelockt hatte, und die nnn. ihren Sargdeckel aus weißem Kalk vor sich her¬ schiebend, zu neuem Leben wieder auferstanden, einem Leben, das allerdings nur zu bald in den Marignyschen Kochtöpfen auf ewig enden sollte. Wenn zufällig einmal der Marquis und seine Wirtin in der Nahe des chine¬ sischen Sonnnerhäuschens zusammentrafen, schauten sie gewöhnlich beide zu Mar¬ guerite hinüber und nickten sich mit vielsagendem Lächeln zu. Dann hob Madame Hnßlacher Wohl anch ihre Gießkanne empor und schüttelte sie daß das Wähler an die blechernen Wände plätscherte, um durch diese Symbolik bei dem alten Herrn i» Erinnerung zu bringen, welchem Heilmittel man es zu danken habe, wenn das Fräulein jetzt als Rekonvaleszentin hier im Garten sitze. Aber Marigny war meh geneigt, sich Verdienste streitig machen zu lassen, auf die er sich mit Neckst viel einbildete, und deshalb hielt er Umschau am Himmel, bis er einen Fing feldernder Tauben entdeckte, auf die er daun mit dem Ausdruck triumphierender Über¬ legenheit hinwies.' ^-Hin und wieder brachte der Marquis auch Vekauute — natürlich Lands¬ leute — mit in den Garde», die er seiner Tochter dann unter dem Vorgeben daß sie gekommen seien, um sich die Blütenpracht anzusehen, vorstellte. Das Merk¬ würdige dabei war jedoch, daß sich unter den vielen französischen Aristokraten nur Herren und unter diesen nur die unverheirateten und heiratsfähigen f>ir Natur- schönheiten zu interessieren schienen, und ebenso seltsam war es, daß sie die doch der Bäume wegen den Spaziergang vors Tor unternommen hatten, am Ziele ihrer Wanderung angelangt, den Bäumen selbst nicht die geringste Beachtung schenkten. sondern sich mit dem winzigen Spiegelbild der Blütenwolken begnügten, das man bei genauem Zusehen in Marguerites schönen Augen wahrnehmen konnt Jedem der Besucher erzählte Marigny höchst umständlich die Krankheits¬ geschichte seiner Tochter und ließ dabei durchblicken, daß von den Ärzten nicht viel zu halten sei. wogegen er, als ein Laie, sich anheischig mache, mit seinen Medika¬ menten, zumut mit Tauben ü, 1s, xrinossso Rotuiu und ähnlichen leicht verdaulichen Dingen jede noch so schwere Krankheit zu heben. Und dann fügte er unter allerlei spitzen Bemerkungen über den Leibmedikus Haupt noch hinzu: Ja ja, er hatte vollkommen Recht! Sie wäre wie ein Lämpchen verlöscht, aber warum, meine Herren? Warum? Weil kein Öl mehr auf dem Lttmpchen war. Und weshalb 'se sie am Leben geblieben? Weil sie das Glück hatte, einen Vater zu habe», der über ein ausreichendes Maß von gesundem Menschenverstand verfügte, um einzu¬ sehen, daß es an der Zeit sei. frisches Öl auszufüllen. Also, meine Herren wenn Sie einmal krank sein sollten, was ich Ihnen nicht wünschen will, ,v schicken dz-le '"ehe gleich zum Arzt, sondern versuchen Sie es zuerst einmal mit Tauben ii la, vrinoessg Lobau. Sie werden mir für diesen Rat Dank wissen! Marguerite war nicht gerade davon erbaut, in dieser Weise dem „auswärtigen Frankreich" als Demvnstrationsobjekt für die medizinischen Anschnnnngen ihres

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/741>, abgerufen am 02.10.2024.