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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Villa Glori
Veto llaemmel von

MMer in Rom von der hohen zweitürmigen französischen National¬
kirche Scmtissima Trinita bei Monti her, die majestätisch die
prächtige Spanische Treppe überragt, nach den Anlagen des Monte
Pincio geht, dem fällt an einer Erweiterung des Wegs eine
^ etwa lebensgroße höchst realistische Vrvuzegnippc in die Augen,
Einen zu Tode gctrofsnen sinkenden Mann hält ein andrer in dem Arme, ihn
zugleich mit seinem Leibe deckend, und heftigste Erregung in den scharfgeschnittncn
Züge", deu gespannten Revolver dem Feinde entgegenhaltend. Es ist ein ganz
modernes Denkmal der italienischen Einheitskriege. Denn gegenüber der über¬
wältigenden Größe der antiken und der päpstlichen Monumente, die zusammen
die Geschichte von zweiundeinhalb Jahrtausenden erzählen, empfindet das moderne
königliche Italien das natürliche Bedürfnis, auch seine kurze Geschichte ans einem
Boden, wo nichts an sie erinnert, in Denkmälern zu vergegenwärtigen. Schon
^hebt sich ans dem höchsten Punkte Roms, auf dem Rücken des Jcmienlums,
das Reiterstandbild Garibaldis, und an der Nordkuppe des Kapitolinischen
Hügels wachsen die riesigen Unterbauten empor, deren prachtvolle Trcwertin-
"natern das Nationaldenkmal des "Befreiers," Königs Viktor Emanuels des
Zweiten, tragen sollen, ein Werk, auf das dieses so oft als arm bespöttelte
Italien vierundzwanzig Millionen Lire verwenden will, während es bei uns noch
uicht gelungen ist, die paar Millionen für das Leipziger Völkerschlachtdenkmal
Zllsanunenzubriugeu, denn wir Deutsche sind noch immer nicht reich genug, unsern
Nuhm zu bezahlen. In die Reihe jeuer nationalen Monumente gehört die
Gruppe auf dem Pincio als das bescheidenste. Der Meister, Ercole Rohr, hat
hier die beiden Brüder Enrico und Giovanni Cairoli dargestellt, die am
23- Oktober 1867 als Vorläufer Garibaldis auf seinem letzten Zuge gegen Rom
"el Villa Glori wenig Kilometer nördlich von der Stadt in verzweifeltem
Kampfe Me päpstlichen Söldnern der eine tot, der andre schwer verwundet
Wien. Wegen des Geistes, der die kleine Schar beseelte, hat der Patriotismus
er Italiener das militärisch unbedeutende Ereignis mit strahlendem Ruhmes-
ichunmer umgeben, Kunst und Dichtung haben es verherrlicht, und auch die
legende hat es mit bunten Fäden umsponnen, deren es nicht bedurft hätte,
^ ruhmwürdig zu machen. Sogar ein so ernster und tüchtiger Historiker wie
-pletro Orsi in Padua hat der Lcgcndenbildung ein unbilliges Zugeständnis
gemacht, wenn er in seiner Darstellung des Feldzugs "alle siebzig" tot oder
^ron^e^lieu läßt.'-)



I^ItM", moäsrn-i.. Deutsch von F. Goetz unter dem Titel: Das moderne Italien,
"schichte der letzten 1S0 Jahre bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Leipzig,
^ G. Teubner, 1902.


Villa Glori
Veto llaemmel von

MMer in Rom von der hohen zweitürmigen französischen National¬
kirche Scmtissima Trinita bei Monti her, die majestätisch die
prächtige Spanische Treppe überragt, nach den Anlagen des Monte
Pincio geht, dem fällt an einer Erweiterung des Wegs eine
^ etwa lebensgroße höchst realistische Vrvuzegnippc in die Augen,
Einen zu Tode gctrofsnen sinkenden Mann hält ein andrer in dem Arme, ihn
zugleich mit seinem Leibe deckend, und heftigste Erregung in den scharfgeschnittncn
Züge«, deu gespannten Revolver dem Feinde entgegenhaltend. Es ist ein ganz
modernes Denkmal der italienischen Einheitskriege. Denn gegenüber der über¬
wältigenden Größe der antiken und der päpstlichen Monumente, die zusammen
die Geschichte von zweiundeinhalb Jahrtausenden erzählen, empfindet das moderne
königliche Italien das natürliche Bedürfnis, auch seine kurze Geschichte ans einem
Boden, wo nichts an sie erinnert, in Denkmälern zu vergegenwärtigen. Schon
^hebt sich ans dem höchsten Punkte Roms, auf dem Rücken des Jcmienlums,
das Reiterstandbild Garibaldis, und an der Nordkuppe des Kapitolinischen
Hügels wachsen die riesigen Unterbauten empor, deren prachtvolle Trcwertin-
"natern das Nationaldenkmal des „Befreiers," Königs Viktor Emanuels des
Zweiten, tragen sollen, ein Werk, auf das dieses so oft als arm bespöttelte
Italien vierundzwanzig Millionen Lire verwenden will, während es bei uns noch
uicht gelungen ist, die paar Millionen für das Leipziger Völkerschlachtdenkmal
Zllsanunenzubriugeu, denn wir Deutsche sind noch immer nicht reich genug, unsern
Nuhm zu bezahlen. In die Reihe jeuer nationalen Monumente gehört die
Gruppe auf dem Pincio als das bescheidenste. Der Meister, Ercole Rohr, hat
hier die beiden Brüder Enrico und Giovanni Cairoli dargestellt, die am
23- Oktober 1867 als Vorläufer Garibaldis auf seinem letzten Zuge gegen Rom
"el Villa Glori wenig Kilometer nördlich von der Stadt in verzweifeltem
Kampfe Me päpstlichen Söldnern der eine tot, der andre schwer verwundet
Wien. Wegen des Geistes, der die kleine Schar beseelte, hat der Patriotismus
er Italiener das militärisch unbedeutende Ereignis mit strahlendem Ruhmes-
ichunmer umgeben, Kunst und Dichtung haben es verherrlicht, und auch die
legende hat es mit bunten Fäden umsponnen, deren es nicht bedurft hätte,
^ ruhmwürdig zu machen. Sogar ein so ernster und tüchtiger Historiker wie
-pletro Orsi in Padua hat der Lcgcndenbildung ein unbilliges Zugeständnis
gemacht, wenn er in seiner Darstellung des Feldzugs „alle siebzig" tot oder
^ron^e^lieu läßt.'-)



I^ItM«, moäsrn-i.. Deutsch von F. Goetz unter dem Titel: Das moderne Italien,
«schichte der letzten 1S0 Jahre bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Leipzig,
^ G. Teubner, 1902.
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[0707] [Abbildung] Villa Glori Veto llaemmel von MMer in Rom von der hohen zweitürmigen französischen National¬ kirche Scmtissima Trinita bei Monti her, die majestätisch die prächtige Spanische Treppe überragt, nach den Anlagen des Monte Pincio geht, dem fällt an einer Erweiterung des Wegs eine ^ etwa lebensgroße höchst realistische Vrvuzegnippc in die Augen, Einen zu Tode gctrofsnen sinkenden Mann hält ein andrer in dem Arme, ihn zugleich mit seinem Leibe deckend, und heftigste Erregung in den scharfgeschnittncn Züge«, deu gespannten Revolver dem Feinde entgegenhaltend. Es ist ein ganz modernes Denkmal der italienischen Einheitskriege. Denn gegenüber der über¬ wältigenden Größe der antiken und der päpstlichen Monumente, die zusammen die Geschichte von zweiundeinhalb Jahrtausenden erzählen, empfindet das moderne königliche Italien das natürliche Bedürfnis, auch seine kurze Geschichte ans einem Boden, wo nichts an sie erinnert, in Denkmälern zu vergegenwärtigen. Schon ^hebt sich ans dem höchsten Punkte Roms, auf dem Rücken des Jcmienlums, das Reiterstandbild Garibaldis, und an der Nordkuppe des Kapitolinischen Hügels wachsen die riesigen Unterbauten empor, deren prachtvolle Trcwertin- "natern das Nationaldenkmal des „Befreiers," Königs Viktor Emanuels des Zweiten, tragen sollen, ein Werk, auf das dieses so oft als arm bespöttelte Italien vierundzwanzig Millionen Lire verwenden will, während es bei uns noch uicht gelungen ist, die paar Millionen für das Leipziger Völkerschlachtdenkmal Zllsanunenzubriugeu, denn wir Deutsche sind noch immer nicht reich genug, unsern Nuhm zu bezahlen. In die Reihe jeuer nationalen Monumente gehört die Gruppe auf dem Pincio als das bescheidenste. Der Meister, Ercole Rohr, hat hier die beiden Brüder Enrico und Giovanni Cairoli dargestellt, die am 23- Oktober 1867 als Vorläufer Garibaldis auf seinem letzten Zuge gegen Rom "el Villa Glori wenig Kilometer nördlich von der Stadt in verzweifeltem Kampfe Me päpstlichen Söldnern der eine tot, der andre schwer verwundet Wien. Wegen des Geistes, der die kleine Schar beseelte, hat der Patriotismus er Italiener das militärisch unbedeutende Ereignis mit strahlendem Ruhmes- ichunmer umgeben, Kunst und Dichtung haben es verherrlicht, und auch die legende hat es mit bunten Fäden umsponnen, deren es nicht bedurft hätte, ^ ruhmwürdig zu machen. Sogar ein so ernster und tüchtiger Historiker wie -pletro Orsi in Padua hat der Lcgcndenbildung ein unbilliges Zugeständnis gemacht, wenn er in seiner Darstellung des Feldzugs „alle siebzig" tot oder ^ron^e^lieu läßt.'-) I^ItM«, moäsrn-i.. Deutsch von F. Goetz unter dem Titel: Das moderne Italien, «schichte der letzten 1S0 Jahre bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Leipzig, ^ G. Teubner, 1902.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/707>, abgerufen am 25.07.2024.