Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.parlamentarische Experimentaljnrisprudenz und verwertet, sodaß mein in diesen Begründungen an manchen Stellen selb¬ Diese Entwürfe und ihre Begründungen werden nun dem Reichstage Aus der Anerkennung der oben geschilderten Vorzüge der Entwürfe folgt parlamentarische Experimentaljnrisprudenz und verwertet, sodaß mein in diesen Begründungen an manchen Stellen selb¬ Diese Entwürfe und ihre Begründungen werden nun dem Reichstage Aus der Anerkennung der oben geschilderten Vorzüge der Entwürfe folgt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0699" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/241081"/> <fw type="header" place="top"> parlamentarische Experimentaljnrisprudenz</fw><lb/> <p xml:id="ID_3311" prev="#ID_3310"> und verwertet, sodaß mein in diesen Begründungen an manchen Stellen selb¬<lb/> ständige rechtswissenschaftliche und sozialpolitische Abhandlungen, gehaltvolle<lb/> juristische und wirtschaftliche Sonderaufsntze über das behandelte Rechtsgebiet<lb/> vor sich zu haben glaubt.</p><lb/> <p xml:id="ID_3312"> Diese Entwürfe und ihre Begründungen werden nun dem Reichstage<lb/> vorgelegt. Diese Volksvertretung hat ungefähr noch einmal soviel Mitglieder,<lb/> als dazu nötig wären, die Interessen des Volks zu vertreten, und auch wenn<lb/> die Versammlung nur die Hälfte, also nur etwa 200 Mitglieder Hütte, so wäre<lb/> es doch völlig unmöglich, die Entwürfe in ihren Einzelheiten vor dem Hause<lb/> selbst („im Plenum") durchzuberaten. Zunächst geht den allermeisten Abgeord¬<lb/> neten das Verständnis für die Einzelheiten eines die Rechtspflege betreffenden<lb/> Gesetzes völlig ab. So wenig man von einem Abgeordneten, der Jurist ist,<lb/> verlangen kann, daß er sich in die Gründe für und gegen die Einführung des<lb/> Quebracholeders vertiefe oder in die sonstigen Geheimnisse jeder einzelnen heiß<lb/> umstrittenen Nummer des Zolltarifs oder eines die Bekämpfung der Neblaus<lb/> oder eines nur ein bestimmtes inländisches Gewerbe angehenden Staats¬<lb/> vertrags hineinarbeiten soll, ebenso wenig ist es doch einem Abgeordneten, der<lb/> Landwirt, Geistlicher oder Geschäftsmann ist, zuzumuten, daß er sich in die<lb/> Einzelheiten der Gesetze einarbeite, die die Rechtspflege betreffen. Solche<lb/> Gesetze bieten nur vereinzelte Bestimmungen, die der Abgeordnete von Partei<lb/> wegen in diesem oder jenem Sinne zu entscheiden eingeschworen wird; weitaus<lb/> die allermeisten Bestimmungen, also die Einzelheiten des Gesetzes haben mit<lb/> der Pcirteistcllung nichts zu tun und nur für die „Juristen des Hauses"<lb/> Interesse; deshalb fällt bei diesen die Rechtspflege betreffenden Gesetzen in<lb/> noch höherm Maße als bei andern Gesetzen die Hauptarbeit den „Kom¬<lb/> missionen" zu. Im vollen Hause bringen die Redner der Parteien nur<lb/> allgemeine Redensarten vor: die Führer der Regierungsparteien versichern ihre<lb/> volle Übereinstimmung mit dein Negierungsentwurf; die Führer der Gegen¬<lb/> parteien finden von ihrem parteipolitischer Standpunkt aus, daß mancher<lb/> Grundgedanke agrarisch, plutokratisch oder bureaukratisch sei; der Sprecher des<lb/> Zentrums weiß einzelne Bestimmungen vom kirchlichen Standpunkt aus zu<lb/> tadeln; gelegentlich tadelt ein Redner wohl auch die kasuistische Fassung der<lb/> Bestimmungen des Entwurfs und preist (wie es bei der Beratung des Rcichs-<lb/> gesetzes über die Freiwillige Gerichtsbarkeit vorkam) alle die glücklich, die die<lb/> juristischen Prüfungen bestanden haben und darum ihr Gedächtnis nicht mit<lb/> einem solchen Ballast zu belasten brauchen. Aber alle diese Erörterungen sind<lb/> ganz allgemeiner Natur; Einzelheiten des Entwurfs werden kaum gestreift;<lb/> denn deren Beratung gehört in die Kommission. In diesen Ausschuß werden<lb/> von den Parteien etwa einundzwanzig Abgeordnete entsandt, die nach dem<lb/> Vorgetragnen eigentlich nur Juristen sein sollten, weil diese allein für die<lb/> Einzelheiten des Gesetzentwurfs Verständnis haben. Doch vermeidet man ein<lb/> solches Bekenntnis, sodaß sich die Kommission aus Abgeordneten verschiedner<lb/> Berufe zusammensetzt, wenn auch Juristen hierbei den Ton angeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_3313" next="#ID_3314"> Aus der Anerkennung der oben geschilderten Vorzüge der Entwürfe folgt<lb/> nun selbstverständlich nicht die Verpflichtung der Abgeordneten, bei der Beratung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0699]
parlamentarische Experimentaljnrisprudenz
und verwertet, sodaß mein in diesen Begründungen an manchen Stellen selb¬
ständige rechtswissenschaftliche und sozialpolitische Abhandlungen, gehaltvolle
juristische und wirtschaftliche Sonderaufsntze über das behandelte Rechtsgebiet
vor sich zu haben glaubt.
Diese Entwürfe und ihre Begründungen werden nun dem Reichstage
vorgelegt. Diese Volksvertretung hat ungefähr noch einmal soviel Mitglieder,
als dazu nötig wären, die Interessen des Volks zu vertreten, und auch wenn
die Versammlung nur die Hälfte, also nur etwa 200 Mitglieder Hütte, so wäre
es doch völlig unmöglich, die Entwürfe in ihren Einzelheiten vor dem Hause
selbst („im Plenum") durchzuberaten. Zunächst geht den allermeisten Abgeord¬
neten das Verständnis für die Einzelheiten eines die Rechtspflege betreffenden
Gesetzes völlig ab. So wenig man von einem Abgeordneten, der Jurist ist,
verlangen kann, daß er sich in die Gründe für und gegen die Einführung des
Quebracholeders vertiefe oder in die sonstigen Geheimnisse jeder einzelnen heiß
umstrittenen Nummer des Zolltarifs oder eines die Bekämpfung der Neblaus
oder eines nur ein bestimmtes inländisches Gewerbe angehenden Staats¬
vertrags hineinarbeiten soll, ebenso wenig ist es doch einem Abgeordneten, der
Landwirt, Geistlicher oder Geschäftsmann ist, zuzumuten, daß er sich in die
Einzelheiten der Gesetze einarbeite, die die Rechtspflege betreffen. Solche
Gesetze bieten nur vereinzelte Bestimmungen, die der Abgeordnete von Partei
wegen in diesem oder jenem Sinne zu entscheiden eingeschworen wird; weitaus
die allermeisten Bestimmungen, also die Einzelheiten des Gesetzes haben mit
der Pcirteistcllung nichts zu tun und nur für die „Juristen des Hauses"
Interesse; deshalb fällt bei diesen die Rechtspflege betreffenden Gesetzen in
noch höherm Maße als bei andern Gesetzen die Hauptarbeit den „Kom¬
missionen" zu. Im vollen Hause bringen die Redner der Parteien nur
allgemeine Redensarten vor: die Führer der Regierungsparteien versichern ihre
volle Übereinstimmung mit dein Negierungsentwurf; die Führer der Gegen¬
parteien finden von ihrem parteipolitischer Standpunkt aus, daß mancher
Grundgedanke agrarisch, plutokratisch oder bureaukratisch sei; der Sprecher des
Zentrums weiß einzelne Bestimmungen vom kirchlichen Standpunkt aus zu
tadeln; gelegentlich tadelt ein Redner wohl auch die kasuistische Fassung der
Bestimmungen des Entwurfs und preist (wie es bei der Beratung des Rcichs-
gesetzes über die Freiwillige Gerichtsbarkeit vorkam) alle die glücklich, die die
juristischen Prüfungen bestanden haben und darum ihr Gedächtnis nicht mit
einem solchen Ballast zu belasten brauchen. Aber alle diese Erörterungen sind
ganz allgemeiner Natur; Einzelheiten des Entwurfs werden kaum gestreift;
denn deren Beratung gehört in die Kommission. In diesen Ausschuß werden
von den Parteien etwa einundzwanzig Abgeordnete entsandt, die nach dem
Vorgetragnen eigentlich nur Juristen sein sollten, weil diese allein für die
Einzelheiten des Gesetzentwurfs Verständnis haben. Doch vermeidet man ein
solches Bekenntnis, sodaß sich die Kommission aus Abgeordneten verschiedner
Berufe zusammensetzt, wenn auch Juristen hierbei den Ton angeben.
Aus der Anerkennung der oben geschilderten Vorzüge der Entwürfe folgt
nun selbstverständlich nicht die Verpflichtung der Abgeordneten, bei der Beratung
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