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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

neben Gabriele empfängt, weist ihr unbewußt den Weg in den neuen Tätigkeits¬
kreis der freien medizinischen Praxis. Wenn man sich aber frägt, ob die Diako¬
nissen-Probeschwester anch dann ihren selbstgewählten Beruf verlassen hätte, wenn
sie Ärztin und Diakonissin zugleich hätte sein können, wird die Antwort "Nein"
lauten müssen. Gabrielens Widerspruch gegen die Einrichtungen des Mutterhauses
wird hauptsächlich durch ihre Befürchtung rege erhalten und immer mehr gesteigert,
daß die Erziehung der Diakonissen auf die Vernichtung der Persönlichkeit, statt auf
ihre Heiligung und Entwicklung ziele. Dürfen sich aber die Menschen Gottes
Pädagogik anmaßen? Den äußern Anlaß zum Ausscheiden gibt Gabrielens lauter
Widerspruch gegen den Riß, den sie zwischen den Entsagungslehren des Diakonissen¬
pfarrers und seiner weltlichen Lebensführung klaffen sieht. Mit dem Bibelwort
"Wehe euch Schriftgelehrten! Denn ihr beladet die Menschen mit unerträglichen
Lasten, und ihr rührt sie nicht mit einem Finger an" tritt sie ihm entgegen und --
tritt aus.

Die meisten Leser und Leserinnen werden in diesem fesselnden Buch eine
Tendenzschrift gegen das Klösterliche der Diakonissen Häuser sehen; das ist ja schon
in manchen Besprechungen lant geworden. Viele billigen auch sicherlich die Handlungs¬
weise der jungen Probeschwester. Wir möchte" uns aber nicht ohne weiteres auf
ihre Seite stellen, denn sie ist Partei und vertritt nur eine Art oder Richtung des
Diakonissenwesens.

Gabrielen fehlt die mystische Anlage, und da sie aus einem ganz weltlichen
Hause stammt, anch die religiöse Erziehung, die schon die junge Seele befähigt,
so hoch zu fliegen, daß sie das Leben nur noch in seinen großen Zügen und Zielen
sieht. Sie ist bei aller Gläubigkeit eine praktische weltliche Natur. Sie will "ein
schönes, freies Menschentum" festhalten; das ist im Grunde doch nur die bekannte
Forderung des Sichauslebeus, wenn auch in edler Gesinnung. Aber gerade die
schönste Partie dieser Erzählung, nämlich die Schilderung ihres Lebens und Wirkens
im Mutterhaus und im Krankenhaus, zeigt klar, daß auch nicht die tiefste Menschen¬
liebe dazu hinreicht, alles das zu leisten, was die ernste Pflege der Kranken, die
ja nicht bloß leiblich sein kann, fordert. Der ganze Mensch muß da in jedem
Augenblick eingesetzt werden, das ganze Wollen muß nur noch den schwersten Pflichten
gehören, die demütige Hingebung muß unbedingt sein. Dazu passen aber nur
Seelen, die mit Entschlossenheit alle Forderungen an das Weltleben hinter sich ge¬
worfen haben. Gabriele tritt nach einer Krisis des äußern Lebens in das Mutter¬
haus; die Krisis des innern Lebens, die einen neuen, rücksichtslos opferbereiten
Menschen schafft, dem Not und Tod das gewisseste in der Welt sind, hat sie nicht
erlebt. Sie gehört innerlich beständig der Welt an, ihre anderthalb Jahre Dinko-
nissenleben bleiben im Grunde auch nur ein äußeres Erlebnis; sie geht nur hin¬
durch. Darum können wir uns auch an den Schilderungen des Diakonissenlebens
nicht so rückhaltlos freuen, denn es ist in ihnen ein Zug weltlicher Kritik, die gar zu
oft an Einzelheiten, Kleinigkeiten haftet, wenn sie auch wieder manchen große" Zug
fromm und freudig anerkennt.

Es wäre wohl auch mancherlei gegen die Komposition der Erzählung zu sagen,
besonders wegen der allzu großen Deutlichkeit der Fäden, an denen die Menschen,
die da auftreten, auseinander und zusammengeführt werden. Wir ziehen es aber
vor, einem so ernsthaften Buche, mehr Bekenntnis als Buch, gegenüber keine Kritik
technischer Mängel zu versuchen, sondern jedem Leser und besonders jeder Leserin der
Grenzboten zu empfehlen, es selbst zur Hand zu nehmen. Es ist ein Buch, das fesselt
und vertieft. Es führt uus an einen Strom von religiösem Empfinden, der, vielen
unbewußt, mitten durch unser Leben wallt und rechts und links befruchtet; es lohnt
sich, auch nur die Hände darin genetzt, ja, es lohnt sich, ihn leuchten gesehen zu
-j---- haben.




.herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Mnrgnnrt in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

neben Gabriele empfängt, weist ihr unbewußt den Weg in den neuen Tätigkeits¬
kreis der freien medizinischen Praxis. Wenn man sich aber frägt, ob die Diako¬
nissen-Probeschwester anch dann ihren selbstgewählten Beruf verlassen hätte, wenn
sie Ärztin und Diakonissin zugleich hätte sein können, wird die Antwort „Nein"
lauten müssen. Gabrielens Widerspruch gegen die Einrichtungen des Mutterhauses
wird hauptsächlich durch ihre Befürchtung rege erhalten und immer mehr gesteigert,
daß die Erziehung der Diakonissen auf die Vernichtung der Persönlichkeit, statt auf
ihre Heiligung und Entwicklung ziele. Dürfen sich aber die Menschen Gottes
Pädagogik anmaßen? Den äußern Anlaß zum Ausscheiden gibt Gabrielens lauter
Widerspruch gegen den Riß, den sie zwischen den Entsagungslehren des Diakonissen¬
pfarrers und seiner weltlichen Lebensführung klaffen sieht. Mit dem Bibelwort
„Wehe euch Schriftgelehrten! Denn ihr beladet die Menschen mit unerträglichen
Lasten, und ihr rührt sie nicht mit einem Finger an" tritt sie ihm entgegen und —
tritt aus.

Die meisten Leser und Leserinnen werden in diesem fesselnden Buch eine
Tendenzschrift gegen das Klösterliche der Diakonissen Häuser sehen; das ist ja schon
in manchen Besprechungen lant geworden. Viele billigen auch sicherlich die Handlungs¬
weise der jungen Probeschwester. Wir möchte» uns aber nicht ohne weiteres auf
ihre Seite stellen, denn sie ist Partei und vertritt nur eine Art oder Richtung des
Diakonissenwesens.

Gabrielen fehlt die mystische Anlage, und da sie aus einem ganz weltlichen
Hause stammt, anch die religiöse Erziehung, die schon die junge Seele befähigt,
so hoch zu fliegen, daß sie das Leben nur noch in seinen großen Zügen und Zielen
sieht. Sie ist bei aller Gläubigkeit eine praktische weltliche Natur. Sie will „ein
schönes, freies Menschentum" festhalten; das ist im Grunde doch nur die bekannte
Forderung des Sichauslebeus, wenn auch in edler Gesinnung. Aber gerade die
schönste Partie dieser Erzählung, nämlich die Schilderung ihres Lebens und Wirkens
im Mutterhaus und im Krankenhaus, zeigt klar, daß auch nicht die tiefste Menschen¬
liebe dazu hinreicht, alles das zu leisten, was die ernste Pflege der Kranken, die
ja nicht bloß leiblich sein kann, fordert. Der ganze Mensch muß da in jedem
Augenblick eingesetzt werden, das ganze Wollen muß nur noch den schwersten Pflichten
gehören, die demütige Hingebung muß unbedingt sein. Dazu passen aber nur
Seelen, die mit Entschlossenheit alle Forderungen an das Weltleben hinter sich ge¬
worfen haben. Gabriele tritt nach einer Krisis des äußern Lebens in das Mutter¬
haus; die Krisis des innern Lebens, die einen neuen, rücksichtslos opferbereiten
Menschen schafft, dem Not und Tod das gewisseste in der Welt sind, hat sie nicht
erlebt. Sie gehört innerlich beständig der Welt an, ihre anderthalb Jahre Dinko-
nissenleben bleiben im Grunde auch nur ein äußeres Erlebnis; sie geht nur hin¬
durch. Darum können wir uns auch an den Schilderungen des Diakonissenlebens
nicht so rückhaltlos freuen, denn es ist in ihnen ein Zug weltlicher Kritik, die gar zu
oft an Einzelheiten, Kleinigkeiten haftet, wenn sie auch wieder manchen große» Zug
fromm und freudig anerkennt.

Es wäre wohl auch mancherlei gegen die Komposition der Erzählung zu sagen,
besonders wegen der allzu großen Deutlichkeit der Fäden, an denen die Menschen,
die da auftreten, auseinander und zusammengeführt werden. Wir ziehen es aber
vor, einem so ernsthaften Buche, mehr Bekenntnis als Buch, gegenüber keine Kritik
technischer Mängel zu versuchen, sondern jedem Leser und besonders jeder Leserin der
Grenzboten zu empfehlen, es selbst zur Hand zu nehmen. Es ist ein Buch, das fesselt
und vertieft. Es führt uus an einen Strom von religiösem Empfinden, der, vielen
unbewußt, mitten durch unser Leben wallt und rechts und links befruchtet; es lohnt
sich, auch nur die Hände darin genetzt, ja, es lohnt sich, ihn leuchten gesehen zu
-j---- haben.




.herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Karl Mnrgnnrt in Leipzig
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[0064] Maßgebliches und Unmaßgebliches neben Gabriele empfängt, weist ihr unbewußt den Weg in den neuen Tätigkeits¬ kreis der freien medizinischen Praxis. Wenn man sich aber frägt, ob die Diako¬ nissen-Probeschwester anch dann ihren selbstgewählten Beruf verlassen hätte, wenn sie Ärztin und Diakonissin zugleich hätte sein können, wird die Antwort „Nein" lauten müssen. Gabrielens Widerspruch gegen die Einrichtungen des Mutterhauses wird hauptsächlich durch ihre Befürchtung rege erhalten und immer mehr gesteigert, daß die Erziehung der Diakonissen auf die Vernichtung der Persönlichkeit, statt auf ihre Heiligung und Entwicklung ziele. Dürfen sich aber die Menschen Gottes Pädagogik anmaßen? Den äußern Anlaß zum Ausscheiden gibt Gabrielens lauter Widerspruch gegen den Riß, den sie zwischen den Entsagungslehren des Diakonissen¬ pfarrers und seiner weltlichen Lebensführung klaffen sieht. Mit dem Bibelwort „Wehe euch Schriftgelehrten! Denn ihr beladet die Menschen mit unerträglichen Lasten, und ihr rührt sie nicht mit einem Finger an" tritt sie ihm entgegen und — tritt aus. Die meisten Leser und Leserinnen werden in diesem fesselnden Buch eine Tendenzschrift gegen das Klösterliche der Diakonissen Häuser sehen; das ist ja schon in manchen Besprechungen lant geworden. Viele billigen auch sicherlich die Handlungs¬ weise der jungen Probeschwester. Wir möchte» uns aber nicht ohne weiteres auf ihre Seite stellen, denn sie ist Partei und vertritt nur eine Art oder Richtung des Diakonissenwesens. Gabrielen fehlt die mystische Anlage, und da sie aus einem ganz weltlichen Hause stammt, anch die religiöse Erziehung, die schon die junge Seele befähigt, so hoch zu fliegen, daß sie das Leben nur noch in seinen großen Zügen und Zielen sieht. Sie ist bei aller Gläubigkeit eine praktische weltliche Natur. Sie will „ein schönes, freies Menschentum" festhalten; das ist im Grunde doch nur die bekannte Forderung des Sichauslebeus, wenn auch in edler Gesinnung. Aber gerade die schönste Partie dieser Erzählung, nämlich die Schilderung ihres Lebens und Wirkens im Mutterhaus und im Krankenhaus, zeigt klar, daß auch nicht die tiefste Menschen¬ liebe dazu hinreicht, alles das zu leisten, was die ernste Pflege der Kranken, die ja nicht bloß leiblich sein kann, fordert. Der ganze Mensch muß da in jedem Augenblick eingesetzt werden, das ganze Wollen muß nur noch den schwersten Pflichten gehören, die demütige Hingebung muß unbedingt sein. Dazu passen aber nur Seelen, die mit Entschlossenheit alle Forderungen an das Weltleben hinter sich ge¬ worfen haben. Gabriele tritt nach einer Krisis des äußern Lebens in das Mutter¬ haus; die Krisis des innern Lebens, die einen neuen, rücksichtslos opferbereiten Menschen schafft, dem Not und Tod das gewisseste in der Welt sind, hat sie nicht erlebt. Sie gehört innerlich beständig der Welt an, ihre anderthalb Jahre Dinko- nissenleben bleiben im Grunde auch nur ein äußeres Erlebnis; sie geht nur hin¬ durch. Darum können wir uns auch an den Schilderungen des Diakonissenlebens nicht so rückhaltlos freuen, denn es ist in ihnen ein Zug weltlicher Kritik, die gar zu oft an Einzelheiten, Kleinigkeiten haftet, wenn sie auch wieder manchen große» Zug fromm und freudig anerkennt. Es wäre wohl auch mancherlei gegen die Komposition der Erzählung zu sagen, besonders wegen der allzu großen Deutlichkeit der Fäden, an denen die Menschen, die da auftreten, auseinander und zusammengeführt werden. Wir ziehen es aber vor, einem so ernsthaften Buche, mehr Bekenntnis als Buch, gegenüber keine Kritik technischer Mängel zu versuchen, sondern jedem Leser und besonders jeder Leserin der Grenzboten zu empfehlen, es selbst zur Hand zu nehmen. Es ist ein Buch, das fesselt und vertieft. Es führt uus an einen Strom von religiösem Empfinden, der, vielen unbewußt, mitten durch unser Leben wallt und rechts und links befruchtet; es lohnt sich, auch nur die Hände darin genetzt, ja, es lohnt sich, ihn leuchten gesehen zu -j---- haben. .herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Karl Mnrgnnrt in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/64>, abgerufen am 23.07.2024.