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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Große Nachteile, die die Kartelle im Gefolge haben, sind namentlich die
Verteurung der notwendigsten Rohmaterialien, der Halbfabrikate und der Lebens-
mittel oft zu unbegründeter Höhe; ferner hohe Preise im Inland und wesentlich
billigere für das Ausland, wodurch unsre Exporttndustrie für Erzeugnisse wie z. B.
Maschinen, Dampfkessel, Werkzeuge, Fahrräder usw., deren Herstellung vielen
Arbeitern lohnende Beschäftigung gibt, erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht
wird, da ja ausländische Konkurrenten ihr Rohmaterial aus Deutschland zu billiger"
Preisen beziehn, als die hier ansässigen Industriellen. Es sei hier nur erinnert
an den Export von Kohlen, Eisen, Schienen und Blechen, die nach dem Auslande
bis zu 25 Prozent billiger geliefert werden als an deutsche Abnehmer. Diese
Schäden sind schwerlich durch ein Gesetz aus der Welt zu schaffen, denn sie sind mit
dem Kartellwesen unlösbar verbunden, und man kann kaum erwarten, daß einzelne
Interessentengruppen nach nationalökonomischen Grundsätzen Handel"; sie suchen für
ihre Produkte möglichst hohe Preise zu erreichen, unbekümmert um das Wohl des
Staates und der Allgemeinheit.

Nun läßt sich ja nicht leugnen, daß in dem Zusammenschließen der Produzenten
eiues Jndustriezweiges zu einem Kartell große Vorteile für diese liegen können.
Den Bedarf kann man übersehen, die Produktion danach regeln, die Überproduktion
hört auf, und die Preise können erhöht werden, soweit das Zoll und Frachten zu¬
lassen. Das ist aber nicht immer von Dauer, oft tritt schon nach kurzer Zeit ein
Rückschlag ein. Kartelle entstehn ja gewöhnlich dann, wenn bei einem Artikel Über¬
produktion eingetreten und seine Herstellung unrentabel geworden ist. Hat nun die
Kartellierung wieder gute Gewinne zur Folge, so entstehn sofort neue Werke, die
an dem Segen teilnehmen wollen. Das Kartell, das infolge von Überproduktion
hervorgerufen worden ist, erzeugt auf diese Weise wieder neue Produktionsstellen,
deren Anschluß an das Kartell oft sehr schwierig ist, da sie lieber unabhängig
bleiben als sich der Reglementierung und Quotierung dnrch das Kartell fügen
wollen. Diese Erscheinungen haben wir bet den Kohlen-, Zement-, Zucker-, Kali-
und andern Syndikaten beobachten können. Also sichere Heilmittel sind Kartelle
oder Syndikate für eine notleidende Industrie nicht; sie haben im Gegenteil oft
bedenkliche Nachteile für die Industrie selbst wie für die Allgemeinheit zur Folge"
Durch die Ansammlung von großen Kapitalien in wenig Händen, durch die scharfe
Konkurrenz infolge der Überproduktion fast auf allen Gebieten mögen die Kartelle
mehr oder weniger begründet sein; aber man kann sie nur als Übergangsstufe an¬
sehen, ihre Unvollkonlmenheit und ihre Nachteile sind zu groß, als daß sie auf die
Dauer bestehn könnten, und es ist nicht unmöglich, daß ihre Entwicklung zu Staats¬
monopolen führt. Staatsmonopole sind ja sehr unpopulär, und zweifellos war'
eine Selbständigkeit, wie sie noch vor dreißig Jahren ein unternehmender Kauf¬
mann oder Techniker mit geringem Kapital erlangen konnte, einer abhängigen
Beamtenstellung vorzuziehn. Das ist jedoch anders geworden. Heute liegt die
Großindustrie fast ausschließlich in den Händen der Aktiengesellschaften. Da gibt es
anch nur Beamte und Arbeiter, und ob sich diese wohler fühlen als in Staats¬
betrieben, ist mindestens zweifelhaft. Wir sind gewohnt, von zwei Übeln das kleinere
zu wählen, und vor die Frage gestellt: Kartell oder Staatsmonopol, wird mancher
das Staatsmonopol für das kleinere Übel ansehen. Schließlich ist ein staatliches
Jndnstriemvnopol, das die Aufgabe hat, alle Werke eines Jndustriezweiges zusammen¬
zufassen und höchst vollkommene Produkte in vorteilhaftester Weise herzustellen, "ut
das ohne direkte Vorteile für die Staatsfinanzen nur zur Hebung der Industrie
bestimmt ist, auch etwas andres als ein Finanzmonopol, das nur den Zweck ver¬
folgt, dem Staatssäckel große Überschüsse zu liefern. Allerdings liegt ja auch bei
Jndustriemouopoleu die Gefahr vor, daß sie der Staat bei seinen fortwährend
steigenden Bedürfnissen als bequeme Finanzquelle benutzt. Eine solche Ausnutzung
kaun aber sehr Wohl durch ein Gesetz ein für allemal ausgeschlossen werden.
Umwandlung einer Industrie in ein Staatsmonopol würde ja natürlich groß^


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Große Nachteile, die die Kartelle im Gefolge haben, sind namentlich die
Verteurung der notwendigsten Rohmaterialien, der Halbfabrikate und der Lebens-
mittel oft zu unbegründeter Höhe; ferner hohe Preise im Inland und wesentlich
billigere für das Ausland, wodurch unsre Exporttndustrie für Erzeugnisse wie z. B.
Maschinen, Dampfkessel, Werkzeuge, Fahrräder usw., deren Herstellung vielen
Arbeitern lohnende Beschäftigung gibt, erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht
wird, da ja ausländische Konkurrenten ihr Rohmaterial aus Deutschland zu billiger»
Preisen beziehn, als die hier ansässigen Industriellen. Es sei hier nur erinnert
an den Export von Kohlen, Eisen, Schienen und Blechen, die nach dem Auslande
bis zu 25 Prozent billiger geliefert werden als an deutsche Abnehmer. Diese
Schäden sind schwerlich durch ein Gesetz aus der Welt zu schaffen, denn sie sind mit
dem Kartellwesen unlösbar verbunden, und man kann kaum erwarten, daß einzelne
Interessentengruppen nach nationalökonomischen Grundsätzen Handel«; sie suchen für
ihre Produkte möglichst hohe Preise zu erreichen, unbekümmert um das Wohl des
Staates und der Allgemeinheit.

Nun läßt sich ja nicht leugnen, daß in dem Zusammenschließen der Produzenten
eiues Jndustriezweiges zu einem Kartell große Vorteile für diese liegen können.
Den Bedarf kann man übersehen, die Produktion danach regeln, die Überproduktion
hört auf, und die Preise können erhöht werden, soweit das Zoll und Frachten zu¬
lassen. Das ist aber nicht immer von Dauer, oft tritt schon nach kurzer Zeit ein
Rückschlag ein. Kartelle entstehn ja gewöhnlich dann, wenn bei einem Artikel Über¬
produktion eingetreten und seine Herstellung unrentabel geworden ist. Hat nun die
Kartellierung wieder gute Gewinne zur Folge, so entstehn sofort neue Werke, die
an dem Segen teilnehmen wollen. Das Kartell, das infolge von Überproduktion
hervorgerufen worden ist, erzeugt auf diese Weise wieder neue Produktionsstellen,
deren Anschluß an das Kartell oft sehr schwierig ist, da sie lieber unabhängig
bleiben als sich der Reglementierung und Quotierung dnrch das Kartell fügen
wollen. Diese Erscheinungen haben wir bet den Kohlen-, Zement-, Zucker-, Kali-
und andern Syndikaten beobachten können. Also sichere Heilmittel sind Kartelle
oder Syndikate für eine notleidende Industrie nicht; sie haben im Gegenteil oft
bedenkliche Nachteile für die Industrie selbst wie für die Allgemeinheit zur Folge«
Durch die Ansammlung von großen Kapitalien in wenig Händen, durch die scharfe
Konkurrenz infolge der Überproduktion fast auf allen Gebieten mögen die Kartelle
mehr oder weniger begründet sein; aber man kann sie nur als Übergangsstufe an¬
sehen, ihre Unvollkonlmenheit und ihre Nachteile sind zu groß, als daß sie auf die
Dauer bestehn könnten, und es ist nicht unmöglich, daß ihre Entwicklung zu Staats¬
monopolen führt. Staatsmonopole sind ja sehr unpopulär, und zweifellos war'
eine Selbständigkeit, wie sie noch vor dreißig Jahren ein unternehmender Kauf¬
mann oder Techniker mit geringem Kapital erlangen konnte, einer abhängigen
Beamtenstellung vorzuziehn. Das ist jedoch anders geworden. Heute liegt die
Großindustrie fast ausschließlich in den Händen der Aktiengesellschaften. Da gibt es
anch nur Beamte und Arbeiter, und ob sich diese wohler fühlen als in Staats¬
betrieben, ist mindestens zweifelhaft. Wir sind gewohnt, von zwei Übeln das kleinere
zu wählen, und vor die Frage gestellt: Kartell oder Staatsmonopol, wird mancher
das Staatsmonopol für das kleinere Übel ansehen. Schließlich ist ein staatliches
Jndnstriemvnopol, das die Aufgabe hat, alle Werke eines Jndustriezweiges zusammen¬
zufassen und höchst vollkommene Produkte in vorteilhaftester Weise herzustellen, »ut
das ohne direkte Vorteile für die Staatsfinanzen nur zur Hebung der Industrie
bestimmt ist, auch etwas andres als ein Finanzmonopol, das nur den Zweck ver¬
folgt, dem Staatssäckel große Überschüsse zu liefern. Allerdings liegt ja auch bei
Jndustriemouopoleu die Gefahr vor, daß sie der Staat bei seinen fortwährend
steigenden Bedürfnissen als bequeme Finanzquelle benutzt. Eine solche Ausnutzung
kaun aber sehr Wohl durch ein Gesetz ein für allemal ausgeschlossen werden.
Umwandlung einer Industrie in ein Staatsmonopol würde ja natürlich groß^


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[0622] Maßgebliches und Unmaßgebliches Große Nachteile, die die Kartelle im Gefolge haben, sind namentlich die Verteurung der notwendigsten Rohmaterialien, der Halbfabrikate und der Lebens- mittel oft zu unbegründeter Höhe; ferner hohe Preise im Inland und wesentlich billigere für das Ausland, wodurch unsre Exporttndustrie für Erzeugnisse wie z. B. Maschinen, Dampfkessel, Werkzeuge, Fahrräder usw., deren Herstellung vielen Arbeitern lohnende Beschäftigung gibt, erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht wird, da ja ausländische Konkurrenten ihr Rohmaterial aus Deutschland zu billiger» Preisen beziehn, als die hier ansässigen Industriellen. Es sei hier nur erinnert an den Export von Kohlen, Eisen, Schienen und Blechen, die nach dem Auslande bis zu 25 Prozent billiger geliefert werden als an deutsche Abnehmer. Diese Schäden sind schwerlich durch ein Gesetz aus der Welt zu schaffen, denn sie sind mit dem Kartellwesen unlösbar verbunden, und man kann kaum erwarten, daß einzelne Interessentengruppen nach nationalökonomischen Grundsätzen Handel«; sie suchen für ihre Produkte möglichst hohe Preise zu erreichen, unbekümmert um das Wohl des Staates und der Allgemeinheit. Nun läßt sich ja nicht leugnen, daß in dem Zusammenschließen der Produzenten eiues Jndustriezweiges zu einem Kartell große Vorteile für diese liegen können. Den Bedarf kann man übersehen, die Produktion danach regeln, die Überproduktion hört auf, und die Preise können erhöht werden, soweit das Zoll und Frachten zu¬ lassen. Das ist aber nicht immer von Dauer, oft tritt schon nach kurzer Zeit ein Rückschlag ein. Kartelle entstehn ja gewöhnlich dann, wenn bei einem Artikel Über¬ produktion eingetreten und seine Herstellung unrentabel geworden ist. Hat nun die Kartellierung wieder gute Gewinne zur Folge, so entstehn sofort neue Werke, die an dem Segen teilnehmen wollen. Das Kartell, das infolge von Überproduktion hervorgerufen worden ist, erzeugt auf diese Weise wieder neue Produktionsstellen, deren Anschluß an das Kartell oft sehr schwierig ist, da sie lieber unabhängig bleiben als sich der Reglementierung und Quotierung dnrch das Kartell fügen wollen. Diese Erscheinungen haben wir bet den Kohlen-, Zement-, Zucker-, Kali- und andern Syndikaten beobachten können. Also sichere Heilmittel sind Kartelle oder Syndikate für eine notleidende Industrie nicht; sie haben im Gegenteil oft bedenkliche Nachteile für die Industrie selbst wie für die Allgemeinheit zur Folge« Durch die Ansammlung von großen Kapitalien in wenig Händen, durch die scharfe Konkurrenz infolge der Überproduktion fast auf allen Gebieten mögen die Kartelle mehr oder weniger begründet sein; aber man kann sie nur als Übergangsstufe an¬ sehen, ihre Unvollkonlmenheit und ihre Nachteile sind zu groß, als daß sie auf die Dauer bestehn könnten, und es ist nicht unmöglich, daß ihre Entwicklung zu Staats¬ monopolen führt. Staatsmonopole sind ja sehr unpopulär, und zweifellos war' eine Selbständigkeit, wie sie noch vor dreißig Jahren ein unternehmender Kauf¬ mann oder Techniker mit geringem Kapital erlangen konnte, einer abhängigen Beamtenstellung vorzuziehn. Das ist jedoch anders geworden. Heute liegt die Großindustrie fast ausschließlich in den Händen der Aktiengesellschaften. Da gibt es anch nur Beamte und Arbeiter, und ob sich diese wohler fühlen als in Staats¬ betrieben, ist mindestens zweifelhaft. Wir sind gewohnt, von zwei Übeln das kleinere zu wählen, und vor die Frage gestellt: Kartell oder Staatsmonopol, wird mancher das Staatsmonopol für das kleinere Übel ansehen. Schließlich ist ein staatliches Jndnstriemvnopol, das die Aufgabe hat, alle Werke eines Jndustriezweiges zusammen¬ zufassen und höchst vollkommene Produkte in vorteilhaftester Weise herzustellen, »ut das ohne direkte Vorteile für die Staatsfinanzen nur zur Hebung der Industrie bestimmt ist, auch etwas andres als ein Finanzmonopol, das nur den Zweck ver¬ folgt, dem Staatssäckel große Überschüsse zu liefern. Allerdings liegt ja auch bei Jndustriemouopoleu die Gefahr vor, daß sie der Staat bei seinen fortwährend steigenden Bedürfnissen als bequeme Finanzquelle benutzt. Eine solche Ausnutzung kaun aber sehr Wohl durch ein Gesetz ein für allemal ausgeschlossen werden. Umwandlung einer Industrie in ein Staatsmonopol würde ja natürlich groß^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/622>, abgerufen am 23.07.2024.