Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Marquis von Mcirigny

Soll hier musiziere oder Schach gespielt werden?

Er entschuldigte sich mit einigen nicht gerade glücklich gewählte" Redensarten,
deren Wirkung überdies noch dadurch beeinträchtigt werden mochte, daß er in dem¬
selben Augenblicke Marignys Dame schlug. Damit war das Spiel für den Marquis
aussichtslos geworden. Sein. Partner glaubte es dem nlteu Herrn schuldig zu sein,
ihn über die unvermeidliche Niederlage zu trösten.

Ich durchschaue Ihre Absicht, sagte er lachend, Sie entäußern sich Ihrer
Figuren, um den König fremden Einflüssen zu entzieh" und mir dann den Beweis
zu liefern, daß ein Autokrat von rechtem Schrot und Korn zum Regieren weder
eines eignen Kopfes noch der Köpfe seiner Ratgeber bedarf.

Das war der Tropfen, der das Gefäß Marignyscher Langmut zum Überlaufen
brachte. Der Alte sprang empor, fegte mit einer einzigen Handbewegung das
Schachbrett samt den Figuren vom Tisch, riß sich, als sei er dem Ersticken nahe,
die Halsbinde ab und rief: Jetzt ists genug! Kein Wort mehr! Ich muß Sie
ersuchen, mich wenigstens in meiner eignen Behausung mit Ihren Kränkungen zu
verschonen. Wenn Sie revolutionäre Reden halten wollen, so gehn Sie doch nach
Paris und lassen Sie sich durch Ihre Gesinnungsgenossen, die Herren Lameth,
Duport und Barnave, in die Nationalversammlung einführen. Dort werden Sie
an Ihrem Platze sein. Oder noch besser, ziehn Sie mit dem Pöbel vor die
Tuilerien, den besten aller Fürsten zu verhöhnen; ich bin überzeugt, Sie dürften
ein dankbares Publikum finden. Aber hier in meiner Wohnung dulde ich nicht,
daß man die geheiligte Person Ludwigs mit Schmutz bewirft. Lange genug habe
ich geschwiegen. Ich konnte nicht glauben, daß es eine Viper war, die ich an
meinem Busen genährt hatte. Ich hätte es ahnen können. Der Geist der Wider¬
setzlichkeit ist Ihr böser Dämon gewesen von Ihrer frühesten Jugend an, ihm haben
Sie es zu danken, daß man Sie aus Ihrem Regiment ausstieß --

Herr Marquis! rief Henri jetzt auffahrend, sagen Sie alles, was Ihnen in
den Sinn kommt, aber sagen Sie das nicht! Man hat mich nicht aus dem Re¬
giment ausgestoßen, ich habe vielmehr aus eignem Antriebe meinen Abschied ge¬
nommen!

Weil Sie Ihrer Ausstoßung zuvorkommen wollten, weil Sie wußten, daß Ihr
Maß voll war --

Mag sein, gab Henri zurück, aber das berechtigt Sie nicht, die Tatsachen zu
entstellen. Man soll auch im Zorne nichts Unwahres reden.

Wollen Sie mich der Lüge zeihen? Sie -- dessen ganzes Dasein eine
Lüge ist?

Mein ganzes Dasein eine Lüge? Was heißt das?

Villeroi hatte sich erhoben und stand dem Marquis Auge in Auge gegen¬
über. Nur der Tisch trennte als schmale Schranke die Streitenden. Da fühlte der
junge Edelmann, wie sich zwei Hände auf seine Schultern legten und ihn mit sanftem
Druck auf seinen Sitz uiederzuzwingen versuchten.

Marguerite, geh hinaus! Laß uns allein! schrie der Marquis, über die Ein¬
mischung der Tochter jetzt noch mehr aufgebracht als über den Widerstand Henris.

Nein, gab das Mädchen mit großer Bestimmtheit zurück, ich bleibe. Die Par¬
teien sind allzu ungleich. Die Jugend und der Starrsinn unsers Freundes sind
ein paar Anwälte, die sich mit der Erfahrung der reifern Jahre und der Kunst
der Selbstbeherrschung, die Ihnen, mein Vater, zu Gebote stehn, nicht messen
können. Da halte ich es für meine Pflicht, ihm ein "venig von meiner Ruhe mit¬
zuteilen. Und ihre Hände blieben auf Villervis Schultern liegen. Aber von der
beruhigenden Wirkung dieser Maßnahme war wenig zu spüren.

Sie sind mir noch eine Aufklärung darüber schuldig, weshalb mein Dasein
eine Lüge sei, sagte er mit blitzenden Augen.

Weil Sie ein andrer sind, als Sie zu sein vorgeben. Sie spielen den Aristo¬
kraten und sind dabei ein Revolutionär. Wären Sie ehrlich, so trügen Sie aus


Der Marquis von Mcirigny

Soll hier musiziere oder Schach gespielt werden?

Er entschuldigte sich mit einigen nicht gerade glücklich gewählte« Redensarten,
deren Wirkung überdies noch dadurch beeinträchtigt werden mochte, daß er in dem¬
selben Augenblicke Marignys Dame schlug. Damit war das Spiel für den Marquis
aussichtslos geworden. Sein. Partner glaubte es dem nlteu Herrn schuldig zu sein,
ihn über die unvermeidliche Niederlage zu trösten.

Ich durchschaue Ihre Absicht, sagte er lachend, Sie entäußern sich Ihrer
Figuren, um den König fremden Einflüssen zu entzieh» und mir dann den Beweis
zu liefern, daß ein Autokrat von rechtem Schrot und Korn zum Regieren weder
eines eignen Kopfes noch der Köpfe seiner Ratgeber bedarf.

Das war der Tropfen, der das Gefäß Marignyscher Langmut zum Überlaufen
brachte. Der Alte sprang empor, fegte mit einer einzigen Handbewegung das
Schachbrett samt den Figuren vom Tisch, riß sich, als sei er dem Ersticken nahe,
die Halsbinde ab und rief: Jetzt ists genug! Kein Wort mehr! Ich muß Sie
ersuchen, mich wenigstens in meiner eignen Behausung mit Ihren Kränkungen zu
verschonen. Wenn Sie revolutionäre Reden halten wollen, so gehn Sie doch nach
Paris und lassen Sie sich durch Ihre Gesinnungsgenossen, die Herren Lameth,
Duport und Barnave, in die Nationalversammlung einführen. Dort werden Sie
an Ihrem Platze sein. Oder noch besser, ziehn Sie mit dem Pöbel vor die
Tuilerien, den besten aller Fürsten zu verhöhnen; ich bin überzeugt, Sie dürften
ein dankbares Publikum finden. Aber hier in meiner Wohnung dulde ich nicht,
daß man die geheiligte Person Ludwigs mit Schmutz bewirft. Lange genug habe
ich geschwiegen. Ich konnte nicht glauben, daß es eine Viper war, die ich an
meinem Busen genährt hatte. Ich hätte es ahnen können. Der Geist der Wider¬
setzlichkeit ist Ihr böser Dämon gewesen von Ihrer frühesten Jugend an, ihm haben
Sie es zu danken, daß man Sie aus Ihrem Regiment ausstieß —

Herr Marquis! rief Henri jetzt auffahrend, sagen Sie alles, was Ihnen in
den Sinn kommt, aber sagen Sie das nicht! Man hat mich nicht aus dem Re¬
giment ausgestoßen, ich habe vielmehr aus eignem Antriebe meinen Abschied ge¬
nommen!

Weil Sie Ihrer Ausstoßung zuvorkommen wollten, weil Sie wußten, daß Ihr
Maß voll war —

Mag sein, gab Henri zurück, aber das berechtigt Sie nicht, die Tatsachen zu
entstellen. Man soll auch im Zorne nichts Unwahres reden.

Wollen Sie mich der Lüge zeihen? Sie — dessen ganzes Dasein eine
Lüge ist?

Mein ganzes Dasein eine Lüge? Was heißt das?

Villeroi hatte sich erhoben und stand dem Marquis Auge in Auge gegen¬
über. Nur der Tisch trennte als schmale Schranke die Streitenden. Da fühlte der
junge Edelmann, wie sich zwei Hände auf seine Schultern legten und ihn mit sanftem
Druck auf seinen Sitz uiederzuzwingen versuchten.

Marguerite, geh hinaus! Laß uns allein! schrie der Marquis, über die Ein¬
mischung der Tochter jetzt noch mehr aufgebracht als über den Widerstand Henris.

Nein, gab das Mädchen mit großer Bestimmtheit zurück, ich bleibe. Die Par¬
teien sind allzu ungleich. Die Jugend und der Starrsinn unsers Freundes sind
ein paar Anwälte, die sich mit der Erfahrung der reifern Jahre und der Kunst
der Selbstbeherrschung, die Ihnen, mein Vater, zu Gebote stehn, nicht messen
können. Da halte ich es für meine Pflicht, ihm ein »venig von meiner Ruhe mit¬
zuteilen. Und ihre Hände blieben auf Villervis Schultern liegen. Aber von der
beruhigenden Wirkung dieser Maßnahme war wenig zu spüren.

Sie sind mir noch eine Aufklärung darüber schuldig, weshalb mein Dasein
eine Lüge sei, sagte er mit blitzenden Augen.

Weil Sie ein andrer sind, als Sie zu sein vorgeben. Sie spielen den Aristo¬
kraten und sind dabei ein Revolutionär. Wären Sie ehrlich, so trügen Sie aus


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0616" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240998"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Marquis von Mcirigny</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2911"> Soll hier musiziere oder Schach gespielt werden?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2912"> Er entschuldigte sich mit einigen nicht gerade glücklich gewählte« Redensarten,<lb/>
deren Wirkung überdies noch dadurch beeinträchtigt werden mochte, daß er in dem¬<lb/>
selben Augenblicke Marignys Dame schlug. Damit war das Spiel für den Marquis<lb/>
aussichtslos geworden. Sein. Partner glaubte es dem nlteu Herrn schuldig zu sein,<lb/>
ihn über die unvermeidliche Niederlage zu trösten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2913"> Ich durchschaue Ihre Absicht, sagte er lachend, Sie entäußern sich Ihrer<lb/>
Figuren, um den König fremden Einflüssen zu entzieh» und mir dann den Beweis<lb/>
zu liefern, daß ein Autokrat von rechtem Schrot und Korn zum Regieren weder<lb/>
eines eignen Kopfes noch der Köpfe seiner Ratgeber bedarf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2914"> Das war der Tropfen, der das Gefäß Marignyscher Langmut zum Überlaufen<lb/>
brachte. Der Alte sprang empor, fegte mit einer einzigen Handbewegung das<lb/>
Schachbrett samt den Figuren vom Tisch, riß sich, als sei er dem Ersticken nahe,<lb/>
die Halsbinde ab und rief: Jetzt ists genug! Kein Wort mehr! Ich muß Sie<lb/>
ersuchen, mich wenigstens in meiner eignen Behausung mit Ihren Kränkungen zu<lb/>
verschonen. Wenn Sie revolutionäre Reden halten wollen, so gehn Sie doch nach<lb/>
Paris und lassen Sie sich durch Ihre Gesinnungsgenossen, die Herren Lameth,<lb/>
Duport und Barnave, in die Nationalversammlung einführen. Dort werden Sie<lb/>
an Ihrem Platze sein. Oder noch besser, ziehn Sie mit dem Pöbel vor die<lb/>
Tuilerien, den besten aller Fürsten zu verhöhnen; ich bin überzeugt, Sie dürften<lb/>
ein dankbares Publikum finden. Aber hier in meiner Wohnung dulde ich nicht,<lb/>
daß man die geheiligte Person Ludwigs mit Schmutz bewirft. Lange genug habe<lb/>
ich geschwiegen. Ich konnte nicht glauben, daß es eine Viper war, die ich an<lb/>
meinem Busen genährt hatte. Ich hätte es ahnen können. Der Geist der Wider¬<lb/>
setzlichkeit ist Ihr böser Dämon gewesen von Ihrer frühesten Jugend an, ihm haben<lb/>
Sie es zu danken, daß man Sie aus Ihrem Regiment ausstieß &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2915"> Herr Marquis! rief Henri jetzt auffahrend, sagen Sie alles, was Ihnen in<lb/>
den Sinn kommt, aber sagen Sie das nicht! Man hat mich nicht aus dem Re¬<lb/>
giment ausgestoßen, ich habe vielmehr aus eignem Antriebe meinen Abschied ge¬<lb/>
nommen!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2916"> Weil Sie Ihrer Ausstoßung zuvorkommen wollten, weil Sie wußten, daß Ihr<lb/>
Maß voll war &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2917"> Mag sein, gab Henri zurück, aber das berechtigt Sie nicht, die Tatsachen zu<lb/>
entstellen. Man soll auch im Zorne nichts Unwahres reden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2918"> Wollen Sie mich der Lüge zeihen? Sie &#x2014; dessen ganzes Dasein eine<lb/>
Lüge ist?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2919"> Mein ganzes Dasein eine Lüge? Was heißt das?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2920"> Villeroi hatte sich erhoben und stand dem Marquis Auge in Auge gegen¬<lb/>
über. Nur der Tisch trennte als schmale Schranke die Streitenden. Da fühlte der<lb/>
junge Edelmann, wie sich zwei Hände auf seine Schultern legten und ihn mit sanftem<lb/>
Druck auf seinen Sitz uiederzuzwingen versuchten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2921"> Marguerite, geh hinaus! Laß uns allein! schrie der Marquis, über die Ein¬<lb/>
mischung der Tochter jetzt noch mehr aufgebracht als über den Widerstand Henris.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2922"> Nein, gab das Mädchen mit großer Bestimmtheit zurück, ich bleibe. Die Par¬<lb/>
teien sind allzu ungleich. Die Jugend und der Starrsinn unsers Freundes sind<lb/>
ein paar Anwälte, die sich mit der Erfahrung der reifern Jahre und der Kunst<lb/>
der Selbstbeherrschung, die Ihnen, mein Vater, zu Gebote stehn, nicht messen<lb/>
können. Da halte ich es für meine Pflicht, ihm ein »venig von meiner Ruhe mit¬<lb/>
zuteilen. Und ihre Hände blieben auf Villervis Schultern liegen. Aber von der<lb/>
beruhigenden Wirkung dieser Maßnahme war wenig zu spüren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2923"> Sie sind mir noch eine Aufklärung darüber schuldig, weshalb mein Dasein<lb/>
eine Lüge sei, sagte er mit blitzenden Augen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2924" next="#ID_2925"> Weil Sie ein andrer sind, als Sie zu sein vorgeben. Sie spielen den Aristo¬<lb/>
kraten und sind dabei ein Revolutionär.  Wären Sie ehrlich, so trügen Sie aus</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0616] Der Marquis von Mcirigny Soll hier musiziere oder Schach gespielt werden? Er entschuldigte sich mit einigen nicht gerade glücklich gewählte« Redensarten, deren Wirkung überdies noch dadurch beeinträchtigt werden mochte, daß er in dem¬ selben Augenblicke Marignys Dame schlug. Damit war das Spiel für den Marquis aussichtslos geworden. Sein. Partner glaubte es dem nlteu Herrn schuldig zu sein, ihn über die unvermeidliche Niederlage zu trösten. Ich durchschaue Ihre Absicht, sagte er lachend, Sie entäußern sich Ihrer Figuren, um den König fremden Einflüssen zu entzieh» und mir dann den Beweis zu liefern, daß ein Autokrat von rechtem Schrot und Korn zum Regieren weder eines eignen Kopfes noch der Köpfe seiner Ratgeber bedarf. Das war der Tropfen, der das Gefäß Marignyscher Langmut zum Überlaufen brachte. Der Alte sprang empor, fegte mit einer einzigen Handbewegung das Schachbrett samt den Figuren vom Tisch, riß sich, als sei er dem Ersticken nahe, die Halsbinde ab und rief: Jetzt ists genug! Kein Wort mehr! Ich muß Sie ersuchen, mich wenigstens in meiner eignen Behausung mit Ihren Kränkungen zu verschonen. Wenn Sie revolutionäre Reden halten wollen, so gehn Sie doch nach Paris und lassen Sie sich durch Ihre Gesinnungsgenossen, die Herren Lameth, Duport und Barnave, in die Nationalversammlung einführen. Dort werden Sie an Ihrem Platze sein. Oder noch besser, ziehn Sie mit dem Pöbel vor die Tuilerien, den besten aller Fürsten zu verhöhnen; ich bin überzeugt, Sie dürften ein dankbares Publikum finden. Aber hier in meiner Wohnung dulde ich nicht, daß man die geheiligte Person Ludwigs mit Schmutz bewirft. Lange genug habe ich geschwiegen. Ich konnte nicht glauben, daß es eine Viper war, die ich an meinem Busen genährt hatte. Ich hätte es ahnen können. Der Geist der Wider¬ setzlichkeit ist Ihr böser Dämon gewesen von Ihrer frühesten Jugend an, ihm haben Sie es zu danken, daß man Sie aus Ihrem Regiment ausstieß — Herr Marquis! rief Henri jetzt auffahrend, sagen Sie alles, was Ihnen in den Sinn kommt, aber sagen Sie das nicht! Man hat mich nicht aus dem Re¬ giment ausgestoßen, ich habe vielmehr aus eignem Antriebe meinen Abschied ge¬ nommen! Weil Sie Ihrer Ausstoßung zuvorkommen wollten, weil Sie wußten, daß Ihr Maß voll war — Mag sein, gab Henri zurück, aber das berechtigt Sie nicht, die Tatsachen zu entstellen. Man soll auch im Zorne nichts Unwahres reden. Wollen Sie mich der Lüge zeihen? Sie — dessen ganzes Dasein eine Lüge ist? Mein ganzes Dasein eine Lüge? Was heißt das? Villeroi hatte sich erhoben und stand dem Marquis Auge in Auge gegen¬ über. Nur der Tisch trennte als schmale Schranke die Streitenden. Da fühlte der junge Edelmann, wie sich zwei Hände auf seine Schultern legten und ihn mit sanftem Druck auf seinen Sitz uiederzuzwingen versuchten. Marguerite, geh hinaus! Laß uns allein! schrie der Marquis, über die Ein¬ mischung der Tochter jetzt noch mehr aufgebracht als über den Widerstand Henris. Nein, gab das Mädchen mit großer Bestimmtheit zurück, ich bleibe. Die Par¬ teien sind allzu ungleich. Die Jugend und der Starrsinn unsers Freundes sind ein paar Anwälte, die sich mit der Erfahrung der reifern Jahre und der Kunst der Selbstbeherrschung, die Ihnen, mein Vater, zu Gebote stehn, nicht messen können. Da halte ich es für meine Pflicht, ihm ein »venig von meiner Ruhe mit¬ zuteilen. Und ihre Hände blieben auf Villervis Schultern liegen. Aber von der beruhigenden Wirkung dieser Maßnahme war wenig zu spüren. Sie sind mir noch eine Aufklärung darüber schuldig, weshalb mein Dasein eine Lüge sei, sagte er mit blitzenden Augen. Weil Sie ein andrer sind, als Sie zu sein vorgeben. Sie spielen den Aristo¬ kraten und sind dabei ein Revolutionär. Wären Sie ehrlich, so trügen Sie aus

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/616
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/616>, abgerufen am 23.07.2024.