Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.Leipziger Dramaturgie oder denkt sie mir: doppelt genäht hält besser? Wenn der Juden des Ehrgeizes Negierte Recht, so läget Ihr vor mir ^übt für einen Augenblick ans, die unglückliche Maria, die es mit dieser eisernen ^ Wie wenig mitunter auch der glühende Eifer, es recht schön zu machen, genügt, Geh, falsche, gleisnerische Königin! "Ut stolzer Verachtung und verhaltener Stimme fallen zu lassen, schleuderte er sie lieb ,^nzige Art, wie Leicesters Rolle dem Zuschauer möglich und wcchrscheiu- Leipziger Dramaturgie oder denkt sie mir: doppelt genäht hält besser? Wenn der Juden des Ehrgeizes Negierte Recht, so läget Ihr vor mir ^übt für einen Augenblick ans, die unglückliche Maria, die es mit dieser eisernen ^ Wie wenig mitunter auch der glühende Eifer, es recht schön zu machen, genügt, Geh, falsche, gleisnerische Königin! "Ut stolzer Verachtung und verhaltener Stimme fallen zu lassen, schleuderte er sie lieb ,^nzige Art, wie Leicesters Rolle dem Zuschauer möglich und wcchrscheiu- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0547" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240929"/> <fw type="header" place="top"> Leipziger Dramaturgie</fw><lb/> <p xml:id="ID_2634" prev="#ID_2633"> oder denkt sie mir: doppelt genäht hält besser? Wenn der Juden des Ehrgeizes<lb/> weisst, soll dann nach ihrem Plan der der Liebe noch halten? Ich habe wenig<lb/> Königinnen Elisabeth gesehen, die mir recht genügt hätten: ich denke, der Grund<lb/> davon liegt an der Rolle, die eine Intrigantin von imponierender Erscheinung und<lb/> unnidenartiger Verstellungskunst und Versatilitcit erheischt. Eine hornalte, deren<lb/> beginnende Verknöcherung jede Möglichkeit einer zartern Regung in ihrem und<lb/> in Leicesters Busen auszuschließen schien, ist mir unvergeßlich. Die Furcht, die<lb/> Man vor ihr hatte — ich Ware an Graf Leicesters Stelle lieber zu den zoologischen<lb/> Bären in deren Grube, als zu ihr auf die Bühne gestiegen —, kam ihr sehr zu<lb/> statten, namentlich in der Parkszene mit Maria, wo man jeden Augenblick gewärtig<lb/> ^air, daß sie die Gegnerin erdrosseln und wie einen toten Balg ins Orchester<lb/> Werfen würde. Auch der Abgang dieser Erinnhe sah durchaus nicht wie eine Nieder¬<lb/> lage aus; man hörte auch bei der Stelle:</p><lb/> <quote> Negierte Recht, so läget Ihr vor mir<lb/> Im Staube jetzt, denn ich Sir euer König,</quote><lb/> <p xml:id="ID_2635"> ^übt für einen Augenblick ans, die unglückliche Maria, die es mit dieser eisernen<lb/> ^ungfrcin aufgenommen hatte, zu bedauern, und am Ende des Akts ruhte das<lb/> -Publikum nicht, bis beide Königinnen erschienen. Beide, auch die verknöcherte: daß<lb/> Man um'l, sie rief, entsprang, denke ich, demselben Grausen, das die Äghpter an¬<lb/> trieb, das Krokodil zu verehren.</p><lb/> <p xml:id="ID_2636"> ^ Wie wenig mitunter auch der glühende Eifer, es recht schön zu machen, genügt,<lb/> ewies ^ ebenfalls von mir gefürchtete Leipziger Mortimer am Anfang des<lb/> '^hölen Auftritts (des zweiten Auszugs). Statt die Worte:</p><lb/> <quote> Geh, falsche, gleisnerische Königin!</quote><lb/> <p xml:id="ID_2637"> "Ut stolzer Verachtung und verhaltener Stimme fallen zu lassen, schleuderte er sie<lb/> r in ihr Zimmer gegangnen Königin mit einem solchen Aufwande von Stimme<lb/> ^orghesischer Fechterstellung nach, daß der unmögliche Frevel an der geheiligten<lb/> Me der königlichen Gemächer in einem Hoftheater nicht bloß die sogenannten Hof-<lb/> .^uZen, die als Zuschauer in den Logen anwesend gewesen wären, sondern mich<lb/> ^ ^ ^rdisten und Grenadiere umgerissen haben würde, die je auch nur auf den<lb/> d„ > ^ Ruhe der Majestät in ein Reich tiefsten Schweigens verwandelten Korri-<lb/> tri^" Posten gestanden hätten. „Diesem Mortimer," wie er in dem einen Auf-<lb/> ^ ^' dem sechsten des vierten Akts, fünfmal genannt wird, möchte man den falsch<lb/> ^ Dickten Gefühlsansbrnch noch verzeihen, weil man ohnehin mit ihm den Em-<lb/> der übergroßer Sprengladung bedachten Mine nicht los wird, aber daß<lb/> ö'fleur, ^>„„ ^. ^„ einem behaglichen Platze im Hanse aus einer der<lb/> ge/ ^ ^"'^ det' ersten Vorstellungen beigewohnt hat, nicht ans den Gedanken<lb/> ouuuen ist, brüllen sei in diesem Falle nicht das Rechte, nimmt einen wunder.<lb/> '</p><lb/> <p xml:id="ID_2638" next="#ID_2639"> lieb ,^nzige Art, wie Leicesters Rolle dem Zuschauer möglich und wcchrscheiu-<lb/> Stell^"'"^ werden kann, ist, daß sie mit dem blendenden Schimmer des auf seine<lb/> Ais» ^ pichenden Günstlings und des für Elisabeths Herz verführerischen Mannes<lb/> llefr s '""'d. Daß das alles hohl ist wie eine vom Meister Wurm leer¬<lb/> es ^"^ versteht sich vou selbst, und dem. der das übersehen könnte, setzt<lb/> der w^s^ ""^ ^ ausführlichste auseinander. Aber das tut nichts: wen»<lb/> sich ^ "LMsige Seiltänzer gewandt ist und einen vornehmen Anstrich hat, so läßt<lb/> die^.,.^ Publikum schon etwas bieten. Ich möchte sogar glauben, daß es sich in<lb/> w ein ^""6 ö" Schillers Zeiten in Weimar mehr bieten ließ als heutzutage<lb/> doch i örößeru Handelsstadt. So schwer es einem wird, es zu sagen, so ist es<lb/> ^et hö ' uns Leicester nicht durch einen falschen Schein von Rltterlich-<lb/> Mä»s>>k — ""^ ^'"^ Ritterlichkeit hat er genau soviel wie eine alte, nur vom<lb/> dn^^/, ^''^"^cbeiide Katze — so ist er einfach zum Anspucken. Je mehr er sich<lb/> l beschränkt, ein sogenannter Beau zu sein, um so tieferdrückt er die Königin</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0547]
Leipziger Dramaturgie
oder denkt sie mir: doppelt genäht hält besser? Wenn der Juden des Ehrgeizes
weisst, soll dann nach ihrem Plan der der Liebe noch halten? Ich habe wenig
Königinnen Elisabeth gesehen, die mir recht genügt hätten: ich denke, der Grund
davon liegt an der Rolle, die eine Intrigantin von imponierender Erscheinung und
unnidenartiger Verstellungskunst und Versatilitcit erheischt. Eine hornalte, deren
beginnende Verknöcherung jede Möglichkeit einer zartern Regung in ihrem und
in Leicesters Busen auszuschließen schien, ist mir unvergeßlich. Die Furcht, die
Man vor ihr hatte — ich Ware an Graf Leicesters Stelle lieber zu den zoologischen
Bären in deren Grube, als zu ihr auf die Bühne gestiegen —, kam ihr sehr zu
statten, namentlich in der Parkszene mit Maria, wo man jeden Augenblick gewärtig
^air, daß sie die Gegnerin erdrosseln und wie einen toten Balg ins Orchester
Werfen würde. Auch der Abgang dieser Erinnhe sah durchaus nicht wie eine Nieder¬
lage aus; man hörte auch bei der Stelle:
Negierte Recht, so läget Ihr vor mir
Im Staube jetzt, denn ich Sir euer König,
^übt für einen Augenblick ans, die unglückliche Maria, die es mit dieser eisernen
^ungfrcin aufgenommen hatte, zu bedauern, und am Ende des Akts ruhte das
-Publikum nicht, bis beide Königinnen erschienen. Beide, auch die verknöcherte: daß
Man um'l, sie rief, entsprang, denke ich, demselben Grausen, das die Äghpter an¬
trieb, das Krokodil zu verehren.
^ Wie wenig mitunter auch der glühende Eifer, es recht schön zu machen, genügt,
ewies ^ ebenfalls von mir gefürchtete Leipziger Mortimer am Anfang des
'^hölen Auftritts (des zweiten Auszugs). Statt die Worte:
Geh, falsche, gleisnerische Königin!
"Ut stolzer Verachtung und verhaltener Stimme fallen zu lassen, schleuderte er sie
r in ihr Zimmer gegangnen Königin mit einem solchen Aufwande von Stimme
^orghesischer Fechterstellung nach, daß der unmögliche Frevel an der geheiligten
Me der königlichen Gemächer in einem Hoftheater nicht bloß die sogenannten Hof-
.^uZen, die als Zuschauer in den Logen anwesend gewesen wären, sondern mich
^ ^ ^rdisten und Grenadiere umgerissen haben würde, die je auch nur auf den
d„ > ^ Ruhe der Majestät in ein Reich tiefsten Schweigens verwandelten Korri-
tri^" Posten gestanden hätten. „Diesem Mortimer," wie er in dem einen Auf-
^ ^' dem sechsten des vierten Akts, fünfmal genannt wird, möchte man den falsch
^ Dickten Gefühlsansbrnch noch verzeihen, weil man ohnehin mit ihm den Em-
der übergroßer Sprengladung bedachten Mine nicht los wird, aber daß
ö'fleur, ^>„„ ^. ^„ einem behaglichen Platze im Hanse aus einer der
ge/ ^ ^"'^ det' ersten Vorstellungen beigewohnt hat, nicht ans den Gedanken
ouuuen ist, brüllen sei in diesem Falle nicht das Rechte, nimmt einen wunder.
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lieb ,^nzige Art, wie Leicesters Rolle dem Zuschauer möglich und wcchrscheiu-
Stell^"'"^ werden kann, ist, daß sie mit dem blendenden Schimmer des auf seine
Ais» ^ pichenden Günstlings und des für Elisabeths Herz verführerischen Mannes
llefr s '""'d. Daß das alles hohl ist wie eine vom Meister Wurm leer¬
es ^"^ versteht sich vou selbst, und dem. der das übersehen könnte, setzt
der w^s^ ""^ ^ ausführlichste auseinander. Aber das tut nichts: wen»
sich ^ "LMsige Seiltänzer gewandt ist und einen vornehmen Anstrich hat, so läßt
die^.,.^ Publikum schon etwas bieten. Ich möchte sogar glauben, daß es sich in
w ein ^""6 ö" Schillers Zeiten in Weimar mehr bieten ließ als heutzutage
doch i örößeru Handelsstadt. So schwer es einem wird, es zu sagen, so ist es
^et hö ' uns Leicester nicht durch einen falschen Schein von Rltterlich-
Mä»s>>k — ""^ ^'"^ Ritterlichkeit hat er genau soviel wie eine alte, nur vom
dn^^/, ^''^"^cbeiide Katze — so ist er einfach zum Anspucken. Je mehr er sich
l beschränkt, ein sogenannter Beau zu sein, um so tieferdrückt er die Königin
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