Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.Die englische Strafrechtspflege Diese schon von den Angelsachsen geschaffne Grundlage ging meist ohne Schwere Straffälle waren schon in angelsächsischer Zeit dem königlichen So entstand im vierzehnten Jahrhundert das Amt der Friedensrichter. Die englische Strafrechtspflege Diese schon von den Angelsachsen geschaffne Grundlage ging meist ohne Schwere Straffälle waren schon in angelsächsischer Zeit dem königlichen So entstand im vierzehnten Jahrhundert das Amt der Friedensrichter. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0516" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240898"/> <fw type="header" place="top"> Die englische Strafrechtspflege</fw><lb/> <p xml:id="ID_2542"> Diese schon von den Angelsachsen geschaffne Grundlage ging meist ohne<lb/> Änderung in die Normannenzeit hinüber. Bloß normannische Herren traten<lb/> an die Stelle der angelsächsischen Thaue. Aber obwohl die angelsächsische<lb/> Rechtsverfassung beibehalten blieb und die sogenannten Gesetze Edwards wieder<lb/> und wieder bestätigt wurden, war das normannische Königtum doch ein andres<lb/> als das des Hauses Cerdics, und um seiner selbst wie um der Reichseinheit<lb/> willen mußte es die Zügel straff ziehn. Die Strafgewalt der Herrschaftgerichte<lb/> wurde eingeschränkt, bis sie auf ein nichts zusanunengeschrumpft war, und das¬<lb/> selbe Schicksal teilte der Sheriff, der nnter dem Namen eines viosooiuss in<lb/> Wirklichkeit ein Vizekönig seiner Grafschaft war. Die gesamte Verwaltung<lb/> und Rechtspflege lag in der Hand des Sheriffs. Er hatte die Grafschaft<lb/> vom König in Pacht und war vor allem darauf bedacht, seinen Beutel zu<lb/> füllen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2543"> Schwere Straffälle waren schon in angelsächsischer Zeit dem königlichen<lb/> Hofgerichte vorbehalten gewesen, aber doch oft den Grafschaftgerichten über¬<lb/> lassen worden. Aber seit Heinrich dem Zweiten wirkte die königliche Gerichts¬<lb/> gewalt unmittelbar, und besondre Beauftragte wurden in die Grafschaften ge¬<lb/> sandt, bürgerliche Streitigkeiten und Straffälle zu entscheiden. Damit sollte<lb/> dem Zwiespalts begegnet werden, der überall in der Strafrechtspflege bestand.<lb/> Die Strafgewalt des Sheriffs war infolge seiner Spvrtelsncht und Parteilich¬<lb/> keit beim Volke äußerst unbeliebt, aber eine Erweiterung der Herrschaftgerichte,<lb/> die schon die kleinern Freisassen unter ihren Bann gezwungen hatten und den<lb/> Hundertschaftgerichten den Atem nahmen, konnte wieder dem Königtum nicht<lb/> genehm sein, und so erschien es als das beste, beide, Sheriff und Herrschaft¬<lb/> gericht, einzuschränken. Aber die reisenden Richter reichten nicht aus für eine<lb/> schnelle Entscheidung, die besonders bei kleinern Strafsachen nötig war. Nur<lb/> ortsansässige Richter, die mit den Verhältnissen vertraut waren, konnten wirk¬<lb/> lich den Anforderungen genügen. Verschiedne Versuche wurden gemacht, die<lb/> Polizeigerichtsbarkeit durch gewühlte Beamte ausüben zu lassen; doch keiner<lb/> glückte, und endlich erwies sich als einzige Lösung die Ernennung durch den<lb/> König.</p><lb/> <p xml:id="ID_2544" next="#ID_2545"> So entstand im vierzehnten Jahrhundert das Amt der Friedensrichter.<lb/> Die ursprüngliche Aufgabe der Friedensrichter war, den Königsfrieden inner¬<lb/> halb ihrer Grafschaft All wahren. Dafür hatten sie die Vollmacht, alle Über¬<lb/> tretungen gegen die Gesetze und Verordnungen zu bestrafen. Eine reinliche<lb/> Scheidung zwischen Rechtsprechung und Verwaltung kannte aber das Mittel¬<lb/> alter noch nicht, kennt auch das England von hente nicht. Deshalb fiel den<lb/> Friedensrichtern schon von Anfang an ein Teil der Verwaltung zu auf Kosten<lb/> des Sheriffs, der erst die Polizeigewalt an fie abgeben mußte und dann<lb/> immer mehr in den Hintergrund gedrängt wurde. Die Neuordnung des<lb/> Staates unter den Tudors legte^ die Ausführung und Handhabung der neuen<lb/> Gesetze den Friedensrichtern auf, und diesem Beispiele folgten dann alle spätern<lb/> Regierungen. Der Oberbefehl über das bewaffnete Aufgebot der Grafschaft<lb/> ging vom Sheriff auf den Lordleutnant über, der als anso« rotrckorum die<lb/> Spitze der Friedensrichter wurde. Das Amt des Sheriffs war nunmehr in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0516]
Die englische Strafrechtspflege
Diese schon von den Angelsachsen geschaffne Grundlage ging meist ohne
Änderung in die Normannenzeit hinüber. Bloß normannische Herren traten
an die Stelle der angelsächsischen Thaue. Aber obwohl die angelsächsische
Rechtsverfassung beibehalten blieb und die sogenannten Gesetze Edwards wieder
und wieder bestätigt wurden, war das normannische Königtum doch ein andres
als das des Hauses Cerdics, und um seiner selbst wie um der Reichseinheit
willen mußte es die Zügel straff ziehn. Die Strafgewalt der Herrschaftgerichte
wurde eingeschränkt, bis sie auf ein nichts zusanunengeschrumpft war, und das¬
selbe Schicksal teilte der Sheriff, der nnter dem Namen eines viosooiuss in
Wirklichkeit ein Vizekönig seiner Grafschaft war. Die gesamte Verwaltung
und Rechtspflege lag in der Hand des Sheriffs. Er hatte die Grafschaft
vom König in Pacht und war vor allem darauf bedacht, seinen Beutel zu
füllen.
Schwere Straffälle waren schon in angelsächsischer Zeit dem königlichen
Hofgerichte vorbehalten gewesen, aber doch oft den Grafschaftgerichten über¬
lassen worden. Aber seit Heinrich dem Zweiten wirkte die königliche Gerichts¬
gewalt unmittelbar, und besondre Beauftragte wurden in die Grafschaften ge¬
sandt, bürgerliche Streitigkeiten und Straffälle zu entscheiden. Damit sollte
dem Zwiespalts begegnet werden, der überall in der Strafrechtspflege bestand.
Die Strafgewalt des Sheriffs war infolge seiner Spvrtelsncht und Parteilich¬
keit beim Volke äußerst unbeliebt, aber eine Erweiterung der Herrschaftgerichte,
die schon die kleinern Freisassen unter ihren Bann gezwungen hatten und den
Hundertschaftgerichten den Atem nahmen, konnte wieder dem Königtum nicht
genehm sein, und so erschien es als das beste, beide, Sheriff und Herrschaft¬
gericht, einzuschränken. Aber die reisenden Richter reichten nicht aus für eine
schnelle Entscheidung, die besonders bei kleinern Strafsachen nötig war. Nur
ortsansässige Richter, die mit den Verhältnissen vertraut waren, konnten wirk¬
lich den Anforderungen genügen. Verschiedne Versuche wurden gemacht, die
Polizeigerichtsbarkeit durch gewühlte Beamte ausüben zu lassen; doch keiner
glückte, und endlich erwies sich als einzige Lösung die Ernennung durch den
König.
So entstand im vierzehnten Jahrhundert das Amt der Friedensrichter.
Die ursprüngliche Aufgabe der Friedensrichter war, den Königsfrieden inner¬
halb ihrer Grafschaft All wahren. Dafür hatten sie die Vollmacht, alle Über¬
tretungen gegen die Gesetze und Verordnungen zu bestrafen. Eine reinliche
Scheidung zwischen Rechtsprechung und Verwaltung kannte aber das Mittel¬
alter noch nicht, kennt auch das England von hente nicht. Deshalb fiel den
Friedensrichtern schon von Anfang an ein Teil der Verwaltung zu auf Kosten
des Sheriffs, der erst die Polizeigewalt an fie abgeben mußte und dann
immer mehr in den Hintergrund gedrängt wurde. Die Neuordnung des
Staates unter den Tudors legte^ die Ausführung und Handhabung der neuen
Gesetze den Friedensrichtern auf, und diesem Beispiele folgten dann alle spätern
Regierungen. Der Oberbefehl über das bewaffnete Aufgebot der Grafschaft
ging vom Sheriff auf den Lordleutnant über, der als anso« rotrckorum die
Spitze der Friedensrichter wurde. Das Amt des Sheriffs war nunmehr in
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