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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Gibraltar und Marokko

Ich habe um aber schon erwähnt, daß Gibraltar seine frühere Bedeutung
und Stärke nicht mehr hat. England hat deshalb schon seinen Wunsch, seine
Position an der Meerenge von Gibraltar durch den Erwerb von Punkten an
der marokkanischen Küste zu verstärke", wiederholt recht deutlich zu versteh"
gegeben. Aber weder Spanien noch Frankreich würden deren Überlassung an
England zugeben. Und wollte sie England erzwingen, so würde das nur
durch einen siegreichen Krieg zu erreichen sein, wobei dann Gibraltar die
Probe seines Wertes ablegen müßte.

Gibraltar liegt auf einer etwa 4,6 .Kilometer langen, sich von Norden
nach Süden erstreckenden bis zu 1,8 Kilometern breiten Landzunge. Auf dieser
erhebt sich bis zu einer Hohe von 425 Metern der mächtige Felsen von
Gibraltar, der auf der Ostseite fast senkrecht zum Mittelländischen Meere, im
Norden nahezu ebenso steil zu dem sich kaum mehr als einen Meter über den
Meeresspiegel erhebenden etwa zwei Kilometer breiten und drei Kilometer langen
sandigen Tiefland abfällt, durch das die Halbinsel mit dem Festland" zusammen¬
hängt. Die Süd- und die Westseite weisen -- allerdings nicht sehr breite --
Terrassen auf, die für Befestigungen und Wohnräume Platz geben. Am Fuß
der Westseite verbleibt ein schmaler Raum für die langgestreckte Stadt mit
nnr wenig Parallelstraßen. Sie ist eng und unregelmäßig gebaut, hat etwa
25000 Einwohner und eine Garnison von 5000 Mann und ist mit Festungs¬
anlagen aus allen Zeitaltern versehen.

Westlich von der Halbinsel ist die bis zu acht Kilometern breite und sich
zehn Kilometer weit uach Norden erstreckende Bucht von Algesiras, die auch
auf ihrem westliche" und nördlichen User von hohen, felsigen Bergen uni-
sänint wird.

Die große strategische Bedeutung Gibraltars hat man schon in den
frühesten Zeiten erkannt. Im Jahre 742 wurde es vou dem arabischen Feld¬
herrn Taret besetzt und seit dieser Zeit Dschebel al Tnrik genannt. Unmittelbar
nach der Besetzung der Halbinsel wurde die Stadt Gibraltar gegründet und
stark befestigt. ° Bis zum Jahre 1302 blieb die Feste im Besitz der Mauren.
In diesem Jahre wurde sie von Ferdinand dem Zweiten vou Kastilien er¬
obert, fiel aber schon 1333 wieder in die Hände der Maurer, bis sie 1462
von Heinrich dem Vierte" vou Kastilien genommen wurde.

Die maurischen Werke ließ Karl der Fünfte in der ersten Hälfte des
sechzehnten Jahrhunderts nach den damaligen Grundsätzen vom Festungsbau-
meister Speckle umbauen.

Im Jahre 1704 eroberten die Engländer im Spanischen Erbfolgekriege
Gibraltar, und sie blieben seitdem in dessen Besitz. Alle Bemühungen, die
Engländer, deren Anwesenheit von den Spaniern als eine dauernde Beleidigung
ihres Nntivncilstolzes empfunden wurde, zu vertreiben, mißlänge". Vo" 1779
bis 1782 belagerten Spanier und Franzosen Gibraltar zu Laude und zu Wasser.
Doch der zähe englische Kommandant, General Elliot, verlor den Mut nicht
und hielt wacker aus bis zur Ankunft einer starken englischen Flotte nnter
Admiral Howe, die die Belagerer schlag und zur Aufhebung der Belagerung
zwang'.


Gibraltar und Marokko

Ich habe um aber schon erwähnt, daß Gibraltar seine frühere Bedeutung
und Stärke nicht mehr hat. England hat deshalb schon seinen Wunsch, seine
Position an der Meerenge von Gibraltar durch den Erwerb von Punkten an
der marokkanischen Küste zu verstärke», wiederholt recht deutlich zu versteh»
gegeben. Aber weder Spanien noch Frankreich würden deren Überlassung an
England zugeben. Und wollte sie England erzwingen, so würde das nur
durch einen siegreichen Krieg zu erreichen sein, wobei dann Gibraltar die
Probe seines Wertes ablegen müßte.

Gibraltar liegt auf einer etwa 4,6 .Kilometer langen, sich von Norden
nach Süden erstreckenden bis zu 1,8 Kilometern breiten Landzunge. Auf dieser
erhebt sich bis zu einer Hohe von 425 Metern der mächtige Felsen von
Gibraltar, der auf der Ostseite fast senkrecht zum Mittelländischen Meere, im
Norden nahezu ebenso steil zu dem sich kaum mehr als einen Meter über den
Meeresspiegel erhebenden etwa zwei Kilometer breiten und drei Kilometer langen
sandigen Tiefland abfällt, durch das die Halbinsel mit dem Festland« zusammen¬
hängt. Die Süd- und die Westseite weisen — allerdings nicht sehr breite —
Terrassen auf, die für Befestigungen und Wohnräume Platz geben. Am Fuß
der Westseite verbleibt ein schmaler Raum für die langgestreckte Stadt mit
nnr wenig Parallelstraßen. Sie ist eng und unregelmäßig gebaut, hat etwa
25000 Einwohner und eine Garnison von 5000 Mann und ist mit Festungs¬
anlagen aus allen Zeitaltern versehen.

Westlich von der Halbinsel ist die bis zu acht Kilometern breite und sich
zehn Kilometer weit uach Norden erstreckende Bucht von Algesiras, die auch
auf ihrem westliche« und nördlichen User von hohen, felsigen Bergen uni-
sänint wird.

Die große strategische Bedeutung Gibraltars hat man schon in den
frühesten Zeiten erkannt. Im Jahre 742 wurde es vou dem arabischen Feld¬
herrn Taret besetzt und seit dieser Zeit Dschebel al Tnrik genannt. Unmittelbar
nach der Besetzung der Halbinsel wurde die Stadt Gibraltar gegründet und
stark befestigt. ° Bis zum Jahre 1302 blieb die Feste im Besitz der Mauren.
In diesem Jahre wurde sie von Ferdinand dem Zweiten vou Kastilien er¬
obert, fiel aber schon 1333 wieder in die Hände der Maurer, bis sie 1462
von Heinrich dem Vierte» vou Kastilien genommen wurde.

Die maurischen Werke ließ Karl der Fünfte in der ersten Hälfte des
sechzehnten Jahrhunderts nach den damaligen Grundsätzen vom Festungsbau-
meister Speckle umbauen.

Im Jahre 1704 eroberten die Engländer im Spanischen Erbfolgekriege
Gibraltar, und sie blieben seitdem in dessen Besitz. Alle Bemühungen, die
Engländer, deren Anwesenheit von den Spaniern als eine dauernde Beleidigung
ihres Nntivncilstolzes empfunden wurde, zu vertreiben, mißlänge». Vo» 1779
bis 1782 belagerten Spanier und Franzosen Gibraltar zu Laude und zu Wasser.
Doch der zähe englische Kommandant, General Elliot, verlor den Mut nicht
und hielt wacker aus bis zur Ankunft einer starken englischen Flotte nnter
Admiral Howe, die die Belagerer schlag und zur Aufhebung der Belagerung
zwang'.


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[0454] Gibraltar und Marokko Ich habe um aber schon erwähnt, daß Gibraltar seine frühere Bedeutung und Stärke nicht mehr hat. England hat deshalb schon seinen Wunsch, seine Position an der Meerenge von Gibraltar durch den Erwerb von Punkten an der marokkanischen Küste zu verstärke», wiederholt recht deutlich zu versteh» gegeben. Aber weder Spanien noch Frankreich würden deren Überlassung an England zugeben. Und wollte sie England erzwingen, so würde das nur durch einen siegreichen Krieg zu erreichen sein, wobei dann Gibraltar die Probe seines Wertes ablegen müßte. Gibraltar liegt auf einer etwa 4,6 .Kilometer langen, sich von Norden nach Süden erstreckenden bis zu 1,8 Kilometern breiten Landzunge. Auf dieser erhebt sich bis zu einer Hohe von 425 Metern der mächtige Felsen von Gibraltar, der auf der Ostseite fast senkrecht zum Mittelländischen Meere, im Norden nahezu ebenso steil zu dem sich kaum mehr als einen Meter über den Meeresspiegel erhebenden etwa zwei Kilometer breiten und drei Kilometer langen sandigen Tiefland abfällt, durch das die Halbinsel mit dem Festland« zusammen¬ hängt. Die Süd- und die Westseite weisen — allerdings nicht sehr breite — Terrassen auf, die für Befestigungen und Wohnräume Platz geben. Am Fuß der Westseite verbleibt ein schmaler Raum für die langgestreckte Stadt mit nnr wenig Parallelstraßen. Sie ist eng und unregelmäßig gebaut, hat etwa 25000 Einwohner und eine Garnison von 5000 Mann und ist mit Festungs¬ anlagen aus allen Zeitaltern versehen. Westlich von der Halbinsel ist die bis zu acht Kilometern breite und sich zehn Kilometer weit uach Norden erstreckende Bucht von Algesiras, die auch auf ihrem westliche« und nördlichen User von hohen, felsigen Bergen uni- sänint wird. Die große strategische Bedeutung Gibraltars hat man schon in den frühesten Zeiten erkannt. Im Jahre 742 wurde es vou dem arabischen Feld¬ herrn Taret besetzt und seit dieser Zeit Dschebel al Tnrik genannt. Unmittelbar nach der Besetzung der Halbinsel wurde die Stadt Gibraltar gegründet und stark befestigt. ° Bis zum Jahre 1302 blieb die Feste im Besitz der Mauren. In diesem Jahre wurde sie von Ferdinand dem Zweiten vou Kastilien er¬ obert, fiel aber schon 1333 wieder in die Hände der Maurer, bis sie 1462 von Heinrich dem Vierte» vou Kastilien genommen wurde. Die maurischen Werke ließ Karl der Fünfte in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts nach den damaligen Grundsätzen vom Festungsbau- meister Speckle umbauen. Im Jahre 1704 eroberten die Engländer im Spanischen Erbfolgekriege Gibraltar, und sie blieben seitdem in dessen Besitz. Alle Bemühungen, die Engländer, deren Anwesenheit von den Spaniern als eine dauernde Beleidigung ihres Nntivncilstolzes empfunden wurde, zu vertreiben, mißlänge». Vo» 1779 bis 1782 belagerten Spanier und Franzosen Gibraltar zu Laude und zu Wasser. Doch der zähe englische Kommandant, General Elliot, verlor den Mut nicht und hielt wacker aus bis zur Ankunft einer starken englischen Flotte nnter Admiral Howe, die die Belagerer schlag und zur Aufhebung der Belagerung zwang'.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/454>, abgerufen am 22.07.2024.