Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.Sie hatte die musikalische Ausbildung ihres Schülers selbst in die Hand ge¬ Sie fangen ganz vo>l vorn um, lieber Crvttorf, sagte sie. Sie spielen Ihren Die drei Mark erschienen dem Leutnant gnr uicht billig, und Pflanmel machte Schadet nichts, sagte Frau Geheimrat. Wagner war auch nur ein mittel¬ Pflaumel machte eine verbindliche Miene und sagte etwas, was man für eine Es stellte sich jetzt als wünschenswert heraus, daß sich Crottorf im vierhän¬ Der Herr Geheimrat, der zwar in seinem Kondor viel, in seinem Hause aber Frau Ottilie wurde sonst vou dem, was ihr lieber Mann sagte, nicht nllzu- Na na, sagte der Geheimrat und schwieg bis ans weiteres. Und so geschah, was Kenner schon seit lange hatten kommen sehen, als Ver¬ Hat dieser Crottorf einen Dusel, hieß es am Abend darauf bei deu Kameraden Hätt ihm jar nicht zujedraut, sagte ein andrer, daß er so das Anjenehiue mit Was wollen Sie, Kamerad? erwiderte ein dritter, stille Wasser sind tief. Aber man tat Crottorf Unrecht. Er war nicht darauf ausgegangen, den Gold¬ Sie hatte die musikalische Ausbildung ihres Schülers selbst in die Hand ge¬ Sie fangen ganz vo>l vorn um, lieber Crvttorf, sagte sie. Sie spielen Ihren Die drei Mark erschienen dem Leutnant gnr uicht billig, und Pflanmel machte Schadet nichts, sagte Frau Geheimrat. Wagner war auch nur ein mittel¬ Pflaumel machte eine verbindliche Miene und sagte etwas, was man für eine Es stellte sich jetzt als wünschenswert heraus, daß sich Crottorf im vierhän¬ Der Herr Geheimrat, der zwar in seinem Kondor viel, in seinem Hause aber Frau Ottilie wurde sonst vou dem, was ihr lieber Mann sagte, nicht nllzu- Na na, sagte der Geheimrat und schwieg bis ans weiteres. Und so geschah, was Kenner schon seit lange hatten kommen sehen, als Ver¬ Hat dieser Crottorf einen Dusel, hieß es am Abend darauf bei deu Kameraden Hätt ihm jar nicht zujedraut, sagte ein andrer, daß er so das Anjenehiue mit Was wollen Sie, Kamerad? erwiderte ein dritter, stille Wasser sind tief. Aber man tat Crottorf Unrecht. Er war nicht darauf ausgegangen, den Gold¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0428" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240810"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2159"> Sie hatte die musikalische Ausbildung ihres Schülers selbst in die Hand ge¬<lb/> nommen,</p><lb/> <p xml:id="ID_2160"> Sie fangen ganz vo>l vorn um, lieber Crvttorf, sagte sie. Sie spielen Ihren<lb/> Damm wie jeder andre, Sie setzen ein paar Jahre Studium daran und üben täg¬<lb/> lich vier Stunden, Professor Trautwein gibt Ihnen Unterricht, Das ist ein tüch¬<lb/> tiger Lehrer und billig — nur drei Mark die Stunde. Und Sie, lieber Pflaumel,<lb/> übernehmen die Kompositionslehre, Und dann sollen Sie mal sehen, was Sie für<lb/> Fortschritte machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2161"> Die drei Mark erschienen dem Leutnant gnr uicht billig, und Pflanmel machte<lb/> Einwendungen, aber es half nichts, die Iran Geheimrat setzte ihren Willen durch.<lb/> Und Crottorf machte bei seinem eisernen Fleiße großartige Fortschritte. Er legte<lb/> seinen Weg durch den Damm in gestrecktem Galopp zurück. Nur die Finger wollten<lb/> nicht so, wie sie sollten. Man holt mit vierundzwanzig Jahren nicht ein, was man<lb/> mit zwölf Jahren versäumt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_2162"> Schadet nichts, sagte Frau Geheimrat. Wagner war auch nur ein mittel¬<lb/> mäßiger Klavierspieler. Sie sollen ja auch nicht Virtuos, soudern Komponist werden.<lb/> Ein Komponist ist der Kommandeur über die Instrumente, Wenn Sie, lieber<lb/> Crottorf, auf dem Exerzierplatz kommandieren: Gewehr ans, so machen Sie auch<lb/> ! vie Griffe vor, sondern Sie kommandieren bloß. Habe ich nicht Recht,<lb/> lieber Pflaumel?</p><lb/> <p xml:id="ID_2163"> Pflaumel machte eine verbindliche Miene und sagte etwas, was man für eine<lb/> Zustimmung halten konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2164"> Es stellte sich jetzt als wünschenswert heraus, daß sich Crottorf im vierhän¬<lb/> digen Spiele übe. Frau Geheimrat kommandierte ihre Tochter Eva heran. Diese<lb/> wollte nicht. Sie habe keine Lust, mit einem fremden Menschen, der nichts könne<lb/> und auch niemals etwas lernen werde, vierbändig zu spielen. Worauf Frau Mama<lb/> unwillig wurde und ihrer Tochter ihre Christen- und Menschenpflicht ernstlich vor¬<lb/> hielt. Es sei ein unverzeihlicher Hochmut, uicht mit einem Anfänger spielen zu<lb/> wolle»; dieser Anfänger werde noch manchen Meister beschämen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2165"> Der Herr Geheimrat, der zwar in seinem Kondor viel, in seinem Hause aber<lb/> wenig zu sagen hatte, sah sich die Vorgänge mit seinem gewohnten stillen Lächeln<lb/> an. Als er aber einmal von seiner lieben Frnn gar zu lebhaft provoziert wurde,<lb/> meinte er, während seine Nase noch spitzer wurde, als sie ohnehin war: Ich will<lb/> dir sagen, Ottilie, was die ganze Geschichte bedeutet. Du bist in deinen Leutnant<lb/> verliebt. Und weil du ihn nicht selber heiraten kannst, wirst du ihn, unsre Eva<lb/> aufhängen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2166"> Frau Ottilie wurde sonst vou dem, was ihr lieber Mann sagte, nicht nllzu-<lb/> tief berührt; diesesmal aber ärgerte sie sich und entgegnete mit überlegnem Tonfalle,<lb/> innerlich aber doch etwas verlegen: Pfui, schäme dich, Karl, von Lieben und Auf¬<lb/> hängen ist gar uicht die Rede.</p><lb/> <p xml:id="ID_2167"> Na na, sagte der Geheimrat und schwieg bis ans weiteres.</p><lb/> <p xml:id="ID_2168"> Und so geschah, was Kenner schon seit lange hatten kommen sehen, als Ver¬<lb/> lobte empfahlen sich Otto von Crottorf, Leutnant usw., und Eva Pitthorn, Tochter<lb/> des Geheimen Kommerzienrath Pitthorn usw.</p><lb/> <p xml:id="ID_2169"> Hat dieser Crottorf einen Dusel, hieß es am Abend darauf bei deu Kameraden<lb/> im Militärkasino, schnappt sich mir — nichts — dir — nichts diesen kleinen<lb/> Goldfisch weg, um deu sich schon der lauge Schlieben und Hans Krock die Beine<lb/> abgelaufen haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2170"> Hätt ihm jar nicht zujedraut, sagte ein andrer, daß er so das Anjenehiue mit<lb/> dem Nützlichen zu verbinden wüßte. War immer so 'n bißkeu Droombuch, der<lb/> Crottorf.</p><lb/> <p xml:id="ID_2171"> Was wollen Sie, Kamerad? erwiderte ein dritter, stille Wasser sind tief.</p><lb/> <p xml:id="ID_2172" next="#ID_2173"> Aber man tat Crottorf Unrecht. Er war nicht darauf ausgegangen, den Gold¬<lb/> fisch zu angeln. Beim Spiel hatten sich ihre Hände gefunden. Eva, die erst wirt-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0428]
Sie hatte die musikalische Ausbildung ihres Schülers selbst in die Hand ge¬
nommen,
Sie fangen ganz vo>l vorn um, lieber Crvttorf, sagte sie. Sie spielen Ihren
Damm wie jeder andre, Sie setzen ein paar Jahre Studium daran und üben täg¬
lich vier Stunden, Professor Trautwein gibt Ihnen Unterricht, Das ist ein tüch¬
tiger Lehrer und billig — nur drei Mark die Stunde. Und Sie, lieber Pflaumel,
übernehmen die Kompositionslehre, Und dann sollen Sie mal sehen, was Sie für
Fortschritte machen.
Die drei Mark erschienen dem Leutnant gnr uicht billig, und Pflanmel machte
Einwendungen, aber es half nichts, die Iran Geheimrat setzte ihren Willen durch.
Und Crottorf machte bei seinem eisernen Fleiße großartige Fortschritte. Er legte
seinen Weg durch den Damm in gestrecktem Galopp zurück. Nur die Finger wollten
nicht so, wie sie sollten. Man holt mit vierundzwanzig Jahren nicht ein, was man
mit zwölf Jahren versäumt hat.
Schadet nichts, sagte Frau Geheimrat. Wagner war auch nur ein mittel¬
mäßiger Klavierspieler. Sie sollen ja auch nicht Virtuos, soudern Komponist werden.
Ein Komponist ist der Kommandeur über die Instrumente, Wenn Sie, lieber
Crottorf, auf dem Exerzierplatz kommandieren: Gewehr ans, so machen Sie auch
! vie Griffe vor, sondern Sie kommandieren bloß. Habe ich nicht Recht,
lieber Pflaumel?
Pflaumel machte eine verbindliche Miene und sagte etwas, was man für eine
Zustimmung halten konnte.
Es stellte sich jetzt als wünschenswert heraus, daß sich Crottorf im vierhän¬
digen Spiele übe. Frau Geheimrat kommandierte ihre Tochter Eva heran. Diese
wollte nicht. Sie habe keine Lust, mit einem fremden Menschen, der nichts könne
und auch niemals etwas lernen werde, vierbändig zu spielen. Worauf Frau Mama
unwillig wurde und ihrer Tochter ihre Christen- und Menschenpflicht ernstlich vor¬
hielt. Es sei ein unverzeihlicher Hochmut, uicht mit einem Anfänger spielen zu
wolle»; dieser Anfänger werde noch manchen Meister beschämen.
Der Herr Geheimrat, der zwar in seinem Kondor viel, in seinem Hause aber
wenig zu sagen hatte, sah sich die Vorgänge mit seinem gewohnten stillen Lächeln
an. Als er aber einmal von seiner lieben Frnn gar zu lebhaft provoziert wurde,
meinte er, während seine Nase noch spitzer wurde, als sie ohnehin war: Ich will
dir sagen, Ottilie, was die ganze Geschichte bedeutet. Du bist in deinen Leutnant
verliebt. Und weil du ihn nicht selber heiraten kannst, wirst du ihn, unsre Eva
aufhängen.
Frau Ottilie wurde sonst vou dem, was ihr lieber Mann sagte, nicht nllzu-
tief berührt; diesesmal aber ärgerte sie sich und entgegnete mit überlegnem Tonfalle,
innerlich aber doch etwas verlegen: Pfui, schäme dich, Karl, von Lieben und Auf¬
hängen ist gar uicht die Rede.
Na na, sagte der Geheimrat und schwieg bis ans weiteres.
Und so geschah, was Kenner schon seit lange hatten kommen sehen, als Ver¬
lobte empfahlen sich Otto von Crottorf, Leutnant usw., und Eva Pitthorn, Tochter
des Geheimen Kommerzienrath Pitthorn usw.
Hat dieser Crottorf einen Dusel, hieß es am Abend darauf bei deu Kameraden
im Militärkasino, schnappt sich mir — nichts — dir — nichts diesen kleinen
Goldfisch weg, um deu sich schon der lauge Schlieben und Hans Krock die Beine
abgelaufen haben.
Hätt ihm jar nicht zujedraut, sagte ein andrer, daß er so das Anjenehiue mit
dem Nützlichen zu verbinden wüßte. War immer so 'n bißkeu Droombuch, der
Crottorf.
Was wollen Sie, Kamerad? erwiderte ein dritter, stille Wasser sind tief.
Aber man tat Crottorf Unrecht. Er war nicht darauf ausgegangen, den Gold¬
fisch zu angeln. Beim Spiel hatten sich ihre Hände gefunden. Eva, die erst wirt-
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