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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Feuer I

wo vor dichtem Rauche nichts zu sehen war. Hinter ihm im Vorhause standen
seine Hausgenossen, sein Sohn in der Gymnasiastemmiform, seine Frau, seine Magd
und seine Schwägerin, jedes neben einem großen Bündel. Ein wahrhaft riesiger
Pack lag in der Mitte. Den wollte jedenfalls er selbst im letzten Augenblick
auf die Schulter laden.

Der Stutzer lief auf die Tür zu nud drängte sich an Specht, der ihm ver¬
wundert Raum gab, vorbei in das Innere.

Was wünschen Sie? fragte Specht langsam und ruhig, wie er immer sprach.

Ah, Sie sehen doch, es regnet, sagte der Stutzer in leichtem, gefälligem Tone und
strich mit dem Ärmel die Tropfen von dem Seidenhüte, den er abgenommen hatte.

Ich tat zögernd den nächsten Schritt, denn ich war neugierig, was Specht
weiter sagen werde. Ich war empört wie über die ärgste Beleidigung durch die
maßlose Frechheit des Burschen. Hier war ein Mann mit seiner Familie eben im
Begriff, alles zu verlieren, was er besaß, und auf den eignen Schultern fortzu¬
schleppen, was er am notwendigsten brauchte, und der nichtsnutzige Herumtreiber
und Schönheitbewnndrer schob ihn auf die Seite, um seineu Felbelhut vor den
Tropfen zu schützen. Ich hätte den Flegel niedergeschlagen, wenn er in meinem
Bereich gewesen wäre. Was mochte Specht zu der Frechheit sagen?

Specht sagte gar nichts. Er streckte ruhig und sicher, als ob er nach einer
Papiros griffe, den Arm aus, faßte den Eindringling am Kragen, drehte ihn herum,
ohne die leiseste Anstrengung zu verraten, und schleuderte ihn mit solcher Kraft
aus der Tür, daß er quer über die ganze Straße taumelte und im Rinnsteine
gegenüber niederstürzte.

Ho ho! jubelten die Soldaten, der junge Herr hat genan ausgemessen, wie
breit die Straße ist!

Hätte ich Zeit gehabt, ich wäre zu Specht geeilt und ihm trotz seinem ge¬
messenen Wesen um deu Hals gefallen. Burin hatte ganz Recht. Vor dem Manne
mußte man die Mütze zieh". Er wußte immer und überall, was Not war.

Wir liefen schärfer. Es regnete ganz gründlich, aber der Wind war wieder
fast zum Sturme geworden, und Funken und Kohlen fielen dicht. Wir erreichten
Suskius Ecke und glaubten, unser Ende wäre gekommen. Mit betäubendem Heulen
und Brausen empfing uns ein Orkan. Ich wurde an die Wand gepreßt. Der
Fensterladen neben mir schlug aus deu Angeln gerissen nieder und streifte mir die
Schulter. Eine Wolke von Sand und Kies wirbelte an mir vorüber. Feuerzungen
schössen die Quergasse entlang an mir hin. Kohlen, glimmende Schindeln, ganze
Feuerbrände klatschten ans das Pflaster. Ich sah noch den Lehrer Specht, wie er
aus der Tür sprang und auf der Mitte der Straße zu seinem Dache emporschaute,
das mit dampfenden und brennenden Gegenständen bedeckt war, und -- weiter
konnte ich nichts unterscheiden. Ich war umgeben von undurchsichtigem schwarzem
Qualm. Ich glaubte ersticken zu müssen. Es begann mir zu schwindeln. Ich
hörte Rauschen, Rieseln, Plätschern. Ich fühlte erfrischende Kühle. Ich kam zu
mir. Es wurde lichter um mich. Es regnete nicht, es goß vom Himmel herab.
Es fielen nicht Tropfen, sondern lange Wasserstrahlen. Von dem Dache Suskins
fuhren Ströme nieder. Im Rinnsteine schoß ein Bach dahin. Die Soldaten
standen in meiner Nähe zerstrent, hatten die Feldmützen abgenommen und be¬
kreuzten sich.

Das war Hilfe in der Not. Gegen die Wassermenge, die so freigebig von
den Wolken gespendet wurde, konnte kein irdisches Feuer aufkommen. Die Macht
des Orkans hatte sich nach wenig Sekunden gebrochen. Es wehte stark, aber nicht
übermäßig von Westen. Nach der fürchterlichen Hitze war der Wind empfindlich
kalt und verursachte Frösteln. Der Regen hielt an, und wenn er auch nicht wie
in deu ersten Augenblicken eine Art von Wolkenbruch war, so blieb er doch immer
noch ein tüchtiger Platzregen. Wir gingen zum Stadtteilhause, das allein unver¬
sehrt geblieben war, während die Nachbarhäuser zu beiden Seiten der Straße


Grenzboten II 1903 4ö
Feuer I

wo vor dichtem Rauche nichts zu sehen war. Hinter ihm im Vorhause standen
seine Hausgenossen, sein Sohn in der Gymnasiastemmiform, seine Frau, seine Magd
und seine Schwägerin, jedes neben einem großen Bündel. Ein wahrhaft riesiger
Pack lag in der Mitte. Den wollte jedenfalls er selbst im letzten Augenblick
auf die Schulter laden.

Der Stutzer lief auf die Tür zu nud drängte sich an Specht, der ihm ver¬
wundert Raum gab, vorbei in das Innere.

Was wünschen Sie? fragte Specht langsam und ruhig, wie er immer sprach.

Ah, Sie sehen doch, es regnet, sagte der Stutzer in leichtem, gefälligem Tone und
strich mit dem Ärmel die Tropfen von dem Seidenhüte, den er abgenommen hatte.

Ich tat zögernd den nächsten Schritt, denn ich war neugierig, was Specht
weiter sagen werde. Ich war empört wie über die ärgste Beleidigung durch die
maßlose Frechheit des Burschen. Hier war ein Mann mit seiner Familie eben im
Begriff, alles zu verlieren, was er besaß, und auf den eignen Schultern fortzu¬
schleppen, was er am notwendigsten brauchte, und der nichtsnutzige Herumtreiber
und Schönheitbewnndrer schob ihn auf die Seite, um seineu Felbelhut vor den
Tropfen zu schützen. Ich hätte den Flegel niedergeschlagen, wenn er in meinem
Bereich gewesen wäre. Was mochte Specht zu der Frechheit sagen?

Specht sagte gar nichts. Er streckte ruhig und sicher, als ob er nach einer
Papiros griffe, den Arm aus, faßte den Eindringling am Kragen, drehte ihn herum,
ohne die leiseste Anstrengung zu verraten, und schleuderte ihn mit solcher Kraft
aus der Tür, daß er quer über die ganze Straße taumelte und im Rinnsteine
gegenüber niederstürzte.

Ho ho! jubelten die Soldaten, der junge Herr hat genan ausgemessen, wie
breit die Straße ist!

Hätte ich Zeit gehabt, ich wäre zu Specht geeilt und ihm trotz seinem ge¬
messenen Wesen um deu Hals gefallen. Burin hatte ganz Recht. Vor dem Manne
mußte man die Mütze zieh». Er wußte immer und überall, was Not war.

Wir liefen schärfer. Es regnete ganz gründlich, aber der Wind war wieder
fast zum Sturme geworden, und Funken und Kohlen fielen dicht. Wir erreichten
Suskius Ecke und glaubten, unser Ende wäre gekommen. Mit betäubendem Heulen
und Brausen empfing uns ein Orkan. Ich wurde an die Wand gepreßt. Der
Fensterladen neben mir schlug aus deu Angeln gerissen nieder und streifte mir die
Schulter. Eine Wolke von Sand und Kies wirbelte an mir vorüber. Feuerzungen
schössen die Quergasse entlang an mir hin. Kohlen, glimmende Schindeln, ganze
Feuerbrände klatschten ans das Pflaster. Ich sah noch den Lehrer Specht, wie er
aus der Tür sprang und auf der Mitte der Straße zu seinem Dache emporschaute,
das mit dampfenden und brennenden Gegenständen bedeckt war, und — weiter
konnte ich nichts unterscheiden. Ich war umgeben von undurchsichtigem schwarzem
Qualm. Ich glaubte ersticken zu müssen. Es begann mir zu schwindeln. Ich
hörte Rauschen, Rieseln, Plätschern. Ich fühlte erfrischende Kühle. Ich kam zu
mir. Es wurde lichter um mich. Es regnete nicht, es goß vom Himmel herab.
Es fielen nicht Tropfen, sondern lange Wasserstrahlen. Von dem Dache Suskins
fuhren Ströme nieder. Im Rinnsteine schoß ein Bach dahin. Die Soldaten
standen in meiner Nähe zerstrent, hatten die Feldmützen abgenommen und be¬
kreuzten sich.

Das war Hilfe in der Not. Gegen die Wassermenge, die so freigebig von
den Wolken gespendet wurde, konnte kein irdisches Feuer aufkommen. Die Macht
des Orkans hatte sich nach wenig Sekunden gebrochen. Es wehte stark, aber nicht
übermäßig von Westen. Nach der fürchterlichen Hitze war der Wind empfindlich
kalt und verursachte Frösteln. Der Regen hielt an, und wenn er auch nicht wie
in deu ersten Augenblicken eine Art von Wolkenbruch war, so blieb er doch immer
noch ein tüchtiger Platzregen. Wir gingen zum Stadtteilhause, das allein unver¬
sehrt geblieben war, während die Nachbarhäuser zu beiden Seiten der Straße


Grenzboten II 1903 4ö
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[0355] Feuer I wo vor dichtem Rauche nichts zu sehen war. Hinter ihm im Vorhause standen seine Hausgenossen, sein Sohn in der Gymnasiastemmiform, seine Frau, seine Magd und seine Schwägerin, jedes neben einem großen Bündel. Ein wahrhaft riesiger Pack lag in der Mitte. Den wollte jedenfalls er selbst im letzten Augenblick auf die Schulter laden. Der Stutzer lief auf die Tür zu nud drängte sich an Specht, der ihm ver¬ wundert Raum gab, vorbei in das Innere. Was wünschen Sie? fragte Specht langsam und ruhig, wie er immer sprach. Ah, Sie sehen doch, es regnet, sagte der Stutzer in leichtem, gefälligem Tone und strich mit dem Ärmel die Tropfen von dem Seidenhüte, den er abgenommen hatte. Ich tat zögernd den nächsten Schritt, denn ich war neugierig, was Specht weiter sagen werde. Ich war empört wie über die ärgste Beleidigung durch die maßlose Frechheit des Burschen. Hier war ein Mann mit seiner Familie eben im Begriff, alles zu verlieren, was er besaß, und auf den eignen Schultern fortzu¬ schleppen, was er am notwendigsten brauchte, und der nichtsnutzige Herumtreiber und Schönheitbewnndrer schob ihn auf die Seite, um seineu Felbelhut vor den Tropfen zu schützen. Ich hätte den Flegel niedergeschlagen, wenn er in meinem Bereich gewesen wäre. Was mochte Specht zu der Frechheit sagen? Specht sagte gar nichts. Er streckte ruhig und sicher, als ob er nach einer Papiros griffe, den Arm aus, faßte den Eindringling am Kragen, drehte ihn herum, ohne die leiseste Anstrengung zu verraten, und schleuderte ihn mit solcher Kraft aus der Tür, daß er quer über die ganze Straße taumelte und im Rinnsteine gegenüber niederstürzte. Ho ho! jubelten die Soldaten, der junge Herr hat genan ausgemessen, wie breit die Straße ist! Hätte ich Zeit gehabt, ich wäre zu Specht geeilt und ihm trotz seinem ge¬ messenen Wesen um deu Hals gefallen. Burin hatte ganz Recht. Vor dem Manne mußte man die Mütze zieh». Er wußte immer und überall, was Not war. Wir liefen schärfer. Es regnete ganz gründlich, aber der Wind war wieder fast zum Sturme geworden, und Funken und Kohlen fielen dicht. Wir erreichten Suskius Ecke und glaubten, unser Ende wäre gekommen. Mit betäubendem Heulen und Brausen empfing uns ein Orkan. Ich wurde an die Wand gepreßt. Der Fensterladen neben mir schlug aus deu Angeln gerissen nieder und streifte mir die Schulter. Eine Wolke von Sand und Kies wirbelte an mir vorüber. Feuerzungen schössen die Quergasse entlang an mir hin. Kohlen, glimmende Schindeln, ganze Feuerbrände klatschten ans das Pflaster. Ich sah noch den Lehrer Specht, wie er aus der Tür sprang und auf der Mitte der Straße zu seinem Dache emporschaute, das mit dampfenden und brennenden Gegenständen bedeckt war, und — weiter konnte ich nichts unterscheiden. Ich war umgeben von undurchsichtigem schwarzem Qualm. Ich glaubte ersticken zu müssen. Es begann mir zu schwindeln. Ich hörte Rauschen, Rieseln, Plätschern. Ich fühlte erfrischende Kühle. Ich kam zu mir. Es wurde lichter um mich. Es regnete nicht, es goß vom Himmel herab. Es fielen nicht Tropfen, sondern lange Wasserstrahlen. Von dem Dache Suskins fuhren Ströme nieder. Im Rinnsteine schoß ein Bach dahin. Die Soldaten standen in meiner Nähe zerstrent, hatten die Feldmützen abgenommen und be¬ kreuzten sich. Das war Hilfe in der Not. Gegen die Wassermenge, die so freigebig von den Wolken gespendet wurde, konnte kein irdisches Feuer aufkommen. Die Macht des Orkans hatte sich nach wenig Sekunden gebrochen. Es wehte stark, aber nicht übermäßig von Westen. Nach der fürchterlichen Hitze war der Wind empfindlich kalt und verursachte Frösteln. Der Regen hielt an, und wenn er auch nicht wie in deu ersten Augenblicken eine Art von Wolkenbruch war, so blieb er doch immer noch ein tüchtiger Platzregen. Wir gingen zum Stadtteilhause, das allein unver¬ sehrt geblieben war, während die Nachbarhäuser zu beiden Seiten der Straße Grenzboten II 1903 4ö

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/355>, abgerufen am 25.08.2024.