Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.Vom Hohenstaufen zum Hohenzollern selber bei Pfullingcn und bei Kirchheim unter Teck, in denen schon reicher Das Christentum ist ziemlich früh in diese Gegenden gedrungen, schon Vom Hohenstaufen zum Hohenzollern selber bei Pfullingcn und bei Kirchheim unter Teck, in denen schon reicher Das Christentum ist ziemlich früh in diese Gegenden gedrungen, schon <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0034" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240416"/> <fw type="header" place="top"> Vom Hohenstaufen zum Hohenzollern</fw><lb/> <p xml:id="ID_66" prev="#ID_65"> selber bei Pfullingcn und bei Kirchheim unter Teck, in denen schon reicher<lb/> Goldschmuck gefunden worden ist. Endlich sind aus der vorchristlichen Zeit noch<lb/> zahlreiche alte Kultstätten nachgewiesen, so auf dem Lochenstein, und mehrere,<lb/> deren Stelle jetzt durch alte Kapellen bezeichnet wird. Als eine solche kenn¬<lb/> zeichnet sich durch ihre ganze Lage wie durch die Volksüberlieferung z. B. die<lb/> vielbesuchte Belsener Kapelle bei Mössingen, im Volksmunde die Heidcnkapclle<lb/> genannt. Der jetzige Bau stammt aus dem elften Jahrhundert; in ihr sind<lb/> einige ältere bearbeitete Steine eingemauert, Widderköpfe darstellend, die für<lb/> römischen Ursprungs angesehen werden, ohne daß dies jedoch mit Bestimmtheit<lb/> nachgewiesen werden könnte. Auch die Michaelskapelle auf dein Hohenzollern<lb/> gilt für eine solche Kultstätte. Es bestätigt sich also hier die auch sonst in<lb/> Deutschland gemachte Beobachtung, daß gerade Michaelskapellcn die ältesten<lb/> christlichen Kultstütteu darstellen; sie wurden besonders an solchen Orten er¬<lb/> richtet, die bis dahin dem Wotan geweiht waren. Offenbar hat die Gestalt<lb/> des Erzengels mit dem flammenden Schwert unsre kriegerischen Vorfahren be¬<lb/> sonders angesprochen und war so geeignet, sie christlichen Anschauungen zu¬<lb/> gänglich zu machen, indem sie an Wotanvorstellnngen anknüpfte.</p><lb/> <p xml:id="ID_67" next="#ID_68"> Das Christentum ist ziemlich früh in diese Gegenden gedrungen, schon<lb/> im fünften Jahrhundert vorwiegend dnrch irische Glaubensboten, deren Nieder¬<lb/> lassungen sich bald zu größern Klöstern aufwuchsen; und zwar sind es be¬<lb/> sonders die Klöster von Se. Gallen und von der Insel Reichenau im Bodensee,<lb/> die bis hierher ihre Wirksamkeit ausdehnen und hier schon frühzeitig Be¬<lb/> sitzungen erwerben. Diese Klöster sind dann die Träger der Kultur, die all¬<lb/> mählich die Sitten unsrer Vorfahren ändert. Die neue Kultur zeigt sich in<lb/> Steinbauten, in Klöstern, Kirchen und Burgen, deren Anlage hier mit dem<lb/> neunten Jahrhundert beginnt. Von den Kirchen ist neben der in Oberlenningen<lb/> Wohl die älteste die aus dein zwölften Jahrhundert stammende romanische<lb/> Johanniskirche in Gmünd; sie ist, nach den aufgedeckten Fundamenten zu<lb/> schließen, über einer ältern kleinern Kirche erbaut. Bemerkenswert sind auch<lb/> die Mariellkirche in Reutlingeu aus den: dreizehnten und die Heiligkreuzkirche<lb/> in Gmünd aus dem vierzehnten Jahrhundert; beide in gotischem Stile, jetzt<lb/> sehr gut restauriert, auch innen mit beachtenswerten Skulpturen, z. B- dem<lb/> sogenannten Heiligen Grab, einer figurenreichen Darstellung der Grablegung<lb/> Christi. Von den Klöstern ist das sehenswerteste die jetzt als Königliche<lb/> Sommerresidenz dienende ehemalige Cisterzienserabtei Bebenhnusen aus dem<lb/> zwölften Jahrhundert, eines der schönsten gotischen Bauwerke in Schwaben.<lb/> Die Zahl alter Burgruinen ist sehr groß; und an sie knüpfen sich die Namen<lb/> zahlreicher alter Geschlechter, die in der deutschen Geschichte vielfach genannt<lb/> werden. So begegnen wir auch unter den Rittern des Deutschen Ordens<lb/> zahlreichen schwäbischen Namen; aber diese tapfern Geschlechter sind fast alle nus-<lb/> gestorben, und uur sehr wenige sind noch in dem alten Besitz. Als die ältesten<lb/> Burgen gelten die Teck, die Achalm und die Schalksburg. Die glänzendste<lb/> Zeit der schwäbischen Gaue war die Zeit der Hohenstaufen, aus der die meisten<lb/> Burgbauten stammen. Als dann das Hans der Hohenstaufen erlischt, hebt<lb/> sich der Stern der Hohenzollern; am meisten verwachsen durch Geschichte und<lb/> Sage aber ist die Landschaft mit dem württembergischen Königshause, und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0034]
Vom Hohenstaufen zum Hohenzollern
selber bei Pfullingcn und bei Kirchheim unter Teck, in denen schon reicher
Goldschmuck gefunden worden ist. Endlich sind aus der vorchristlichen Zeit noch
zahlreiche alte Kultstätten nachgewiesen, so auf dem Lochenstein, und mehrere,
deren Stelle jetzt durch alte Kapellen bezeichnet wird. Als eine solche kenn¬
zeichnet sich durch ihre ganze Lage wie durch die Volksüberlieferung z. B. die
vielbesuchte Belsener Kapelle bei Mössingen, im Volksmunde die Heidcnkapclle
genannt. Der jetzige Bau stammt aus dem elften Jahrhundert; in ihr sind
einige ältere bearbeitete Steine eingemauert, Widderköpfe darstellend, die für
römischen Ursprungs angesehen werden, ohne daß dies jedoch mit Bestimmtheit
nachgewiesen werden könnte. Auch die Michaelskapelle auf dein Hohenzollern
gilt für eine solche Kultstätte. Es bestätigt sich also hier die auch sonst in
Deutschland gemachte Beobachtung, daß gerade Michaelskapellcn die ältesten
christlichen Kultstütteu darstellen; sie wurden besonders an solchen Orten er¬
richtet, die bis dahin dem Wotan geweiht waren. Offenbar hat die Gestalt
des Erzengels mit dem flammenden Schwert unsre kriegerischen Vorfahren be¬
sonders angesprochen und war so geeignet, sie christlichen Anschauungen zu¬
gänglich zu machen, indem sie an Wotanvorstellnngen anknüpfte.
Das Christentum ist ziemlich früh in diese Gegenden gedrungen, schon
im fünften Jahrhundert vorwiegend dnrch irische Glaubensboten, deren Nieder¬
lassungen sich bald zu größern Klöstern aufwuchsen; und zwar sind es be¬
sonders die Klöster von Se. Gallen und von der Insel Reichenau im Bodensee,
die bis hierher ihre Wirksamkeit ausdehnen und hier schon frühzeitig Be¬
sitzungen erwerben. Diese Klöster sind dann die Träger der Kultur, die all¬
mählich die Sitten unsrer Vorfahren ändert. Die neue Kultur zeigt sich in
Steinbauten, in Klöstern, Kirchen und Burgen, deren Anlage hier mit dem
neunten Jahrhundert beginnt. Von den Kirchen ist neben der in Oberlenningen
Wohl die älteste die aus dein zwölften Jahrhundert stammende romanische
Johanniskirche in Gmünd; sie ist, nach den aufgedeckten Fundamenten zu
schließen, über einer ältern kleinern Kirche erbaut. Bemerkenswert sind auch
die Mariellkirche in Reutlingeu aus den: dreizehnten und die Heiligkreuzkirche
in Gmünd aus dem vierzehnten Jahrhundert; beide in gotischem Stile, jetzt
sehr gut restauriert, auch innen mit beachtenswerten Skulpturen, z. B- dem
sogenannten Heiligen Grab, einer figurenreichen Darstellung der Grablegung
Christi. Von den Klöstern ist das sehenswerteste die jetzt als Königliche
Sommerresidenz dienende ehemalige Cisterzienserabtei Bebenhnusen aus dem
zwölften Jahrhundert, eines der schönsten gotischen Bauwerke in Schwaben.
Die Zahl alter Burgruinen ist sehr groß; und an sie knüpfen sich die Namen
zahlreicher alter Geschlechter, die in der deutschen Geschichte vielfach genannt
werden. So begegnen wir auch unter den Rittern des Deutschen Ordens
zahlreichen schwäbischen Namen; aber diese tapfern Geschlechter sind fast alle nus-
gestorben, und uur sehr wenige sind noch in dem alten Besitz. Als die ältesten
Burgen gelten die Teck, die Achalm und die Schalksburg. Die glänzendste
Zeit der schwäbischen Gaue war die Zeit der Hohenstaufen, aus der die meisten
Burgbauten stammen. Als dann das Hans der Hohenstaufen erlischt, hebt
sich der Stern der Hohenzollern; am meisten verwachsen durch Geschichte und
Sage aber ist die Landschaft mit dem württembergischen Königshause, und
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