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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und NnmasMl'ki'ches

dem man nicht recht weiß, ob das Reich, tels er vertritt, von dieser oder von
jener Welt ist, hat an diese Tatsache sowie an den Umstand, daß Reichskanzler
Graf Bülow dem Verstorbnen zwei Tage vor dem unerwarteten Hinscheiden
telegraphisch seine Teilnahme sowie seinen Glückwunsch zu der scheinbar gut ver-
laufnen Operation ausgesprochen hatte, seine Glossen geknüpft und bemerkt, daß
die Nationalzeituug in letzter Zeit als ein ausgesprochen Bülow-osfiziöses Organ ge¬
arbeitet habe, sei bei verschiednen Anlässen greifbar zutage getreten. Christliche Ge¬
sinnung scheint bei dem evangelischen Blatte, dem Reichsboten, obwohl ein früherer
Pastor an seiner Spitze steht, nicht zuHanse zu sei", ebensowenig das zu erwartende
Maß von Standesgefühl. Denn sonst hätte sich der Reichsbote über die Teil¬
nahme, die der oberste Beamte des Reichs an dem Leiden und Sterben des Leiters
einer der angesehensten deutschen Tageszeitungen genommen hat, nnr freuen können.
Er ist statt dessen ebenso unchristlich wie unverständig zu Werke gegangen, indem
er die Teilnahme des Grafen Bülow hämisch mit der angeblichen Offiziosität der
Nationalzeituug in Verbindung gebracht hat. Man wird solche Übeln politische"
Sitten, die den politischen Kämpfen in Deutschland eine sehr bedauerliche, weder
im Interesse der Sache noch des Landes liegende persönliche Schärfe verleihen,
nur höchlich bedauern könne". Im vorliegenden Falle ist die Behauptung des
Reichsbotcn obenein unwahr, denn kaum irgend eine untre Zeitung in Deutschland
hat den Negiernngsstandpnnkt in der Zvlltariffrage mit solcher Schärfe bekämpft und
der Regierung, insbesondre dem Reichskanzler, soviel Schwierigkeiten gemacht wie
die Nationalzeitung, die dabei sogar von einem Teil ihrer Parteigenossen desavouiert
worden ist. In Berliner publizistischen Kreisen ist hinlänglich bekannt, daß Graf
und Gräfin Bülow mit dem Verstorbnen wiederholt in Norderney zusammengetroffen
sind und ihn dort persönlich kennen gelernt haben. Der Reichskanzler hat schon
bei manchen Anlässen zu erkennen gegeben, daß er menschliche Teilnahme und
Politik auseinander zu halten versteht, und daß es für ihn persönlich keine politischen
Feindschaften gibt. Graf Bülow ist nicht ans der innern Politik hervorgegangen
und ist deren Gegensätzen erst seit seiner Berufung nach Berlin näher getreten.
Es ist für ihn und für die Geschäfte des Reichs sicherlich ein großer Vorzug, daß
er sein Amt ohne persönliche Verbitterung und Voreingenommenheit beginnen konnte.

Bittere Angriffe und Kririkeu siud auch ihm bei dem in Deutschland im poli¬
tischen Kampfe üblichen Ton ja nicht erspart geblieben, aber er selbst hat sich, so viel
man erkennen konnte, bisher von politischen Feindschaften fern gehalten und sich
ein ungetrübtes menschliches Gefühl auch für deu politischen Gegner oder den politisch
Andersdenkenden bewahrt. Verständige Leute sollten das zu schätzen wissen. Es
ist auffallend, daß gerade ein evangelisch-konservatives Blatt ans die Ertötung des
menschlichen Empfindens im politischen Kampfe ausgeht und den Gegner einfach als
reif zur Laterne behandelt. Von einem protestantischen Geistlichen hätte man eher
ein Beispiel der Veredlung als der Verrohung der politischen Sitten erwarten
dürfen. Der Reichsbote würde sicherlich mehr im Geiste christlicher Duldung
und des Wortes "Liebet eure Feinde!" gehandelt haben, wenn seine Redaktion bei
der Bestattung eines angesehenen und hochbegabte" Kollegen angemessen vertreten
gewesen wäre. Nach den Mitteilungen, die die Nationalzeitung über die Be¬
gräbnisfeier gibt, scheint aber die Berliner Presse überhaupt bei diesem traurigen
Anlaß ein sehr geringes Maß von Standesgefühl und vtiprit, alö eurps an den
Tag gelegt zu haben. Bei Anpassungen wie die des Reichsbote" ist das be¬
greiflich. Sie gereichen weder unserm öffentlichen Leben zum Vorteil noch der
deutscheu Presse zur Ehre. Wenn die Berufsgenossen einander so behandeln, daß
sie deu politischen Gegner noch im Sarge persönlich verunglimpfen, wie können sie
bei den andern Ständen Achtung und Wertschätzung für die Presse erwarten!




Maßgebliches und NnmasMl'ki'ches

dem man nicht recht weiß, ob das Reich, tels er vertritt, von dieser oder von
jener Welt ist, hat an diese Tatsache sowie an den Umstand, daß Reichskanzler
Graf Bülow dem Verstorbnen zwei Tage vor dem unerwarteten Hinscheiden
telegraphisch seine Teilnahme sowie seinen Glückwunsch zu der scheinbar gut ver-
laufnen Operation ausgesprochen hatte, seine Glossen geknüpft und bemerkt, daß
die Nationalzeituug in letzter Zeit als ein ausgesprochen Bülow-osfiziöses Organ ge¬
arbeitet habe, sei bei verschiednen Anlässen greifbar zutage getreten. Christliche Ge¬
sinnung scheint bei dem evangelischen Blatte, dem Reichsboten, obwohl ein früherer
Pastor an seiner Spitze steht, nicht zuHanse zu sei», ebensowenig das zu erwartende
Maß von Standesgefühl. Denn sonst hätte sich der Reichsbote über die Teil¬
nahme, die der oberste Beamte des Reichs an dem Leiden und Sterben des Leiters
einer der angesehensten deutschen Tageszeitungen genommen hat, nnr freuen können.
Er ist statt dessen ebenso unchristlich wie unverständig zu Werke gegangen, indem
er die Teilnahme des Grafen Bülow hämisch mit der angeblichen Offiziosität der
Nationalzeituug in Verbindung gebracht hat. Man wird solche Übeln politische»
Sitten, die den politischen Kämpfen in Deutschland eine sehr bedauerliche, weder
im Interesse der Sache noch des Landes liegende persönliche Schärfe verleihen,
nur höchlich bedauern könne«. Im vorliegenden Falle ist die Behauptung des
Reichsbotcn obenein unwahr, denn kaum irgend eine untre Zeitung in Deutschland
hat den Negiernngsstandpnnkt in der Zvlltariffrage mit solcher Schärfe bekämpft und
der Regierung, insbesondre dem Reichskanzler, soviel Schwierigkeiten gemacht wie
die Nationalzeitung, die dabei sogar von einem Teil ihrer Parteigenossen desavouiert
worden ist. In Berliner publizistischen Kreisen ist hinlänglich bekannt, daß Graf
und Gräfin Bülow mit dem Verstorbnen wiederholt in Norderney zusammengetroffen
sind und ihn dort persönlich kennen gelernt haben. Der Reichskanzler hat schon
bei manchen Anlässen zu erkennen gegeben, daß er menschliche Teilnahme und
Politik auseinander zu halten versteht, und daß es für ihn persönlich keine politischen
Feindschaften gibt. Graf Bülow ist nicht ans der innern Politik hervorgegangen
und ist deren Gegensätzen erst seit seiner Berufung nach Berlin näher getreten.
Es ist für ihn und für die Geschäfte des Reichs sicherlich ein großer Vorzug, daß
er sein Amt ohne persönliche Verbitterung und Voreingenommenheit beginnen konnte.

Bittere Angriffe und Kririkeu siud auch ihm bei dem in Deutschland im poli¬
tischen Kampfe üblichen Ton ja nicht erspart geblieben, aber er selbst hat sich, so viel
man erkennen konnte, bisher von politischen Feindschaften fern gehalten und sich
ein ungetrübtes menschliches Gefühl auch für deu politischen Gegner oder den politisch
Andersdenkenden bewahrt. Verständige Leute sollten das zu schätzen wissen. Es
ist auffallend, daß gerade ein evangelisch-konservatives Blatt ans die Ertötung des
menschlichen Empfindens im politischen Kampfe ausgeht und den Gegner einfach als
reif zur Laterne behandelt. Von einem protestantischen Geistlichen hätte man eher
ein Beispiel der Veredlung als der Verrohung der politischen Sitten erwarten
dürfen. Der Reichsbote würde sicherlich mehr im Geiste christlicher Duldung
und des Wortes „Liebet eure Feinde!" gehandelt haben, wenn seine Redaktion bei
der Bestattung eines angesehenen und hochbegabte» Kollegen angemessen vertreten
gewesen wäre. Nach den Mitteilungen, die die Nationalzeitung über die Be¬
gräbnisfeier gibt, scheint aber die Berliner Presse überhaupt bei diesem traurigen
Anlaß ein sehr geringes Maß von Standesgefühl und vtiprit, alö eurps an den
Tag gelegt zu haben. Bei Anpassungen wie die des Reichsbote» ist das be¬
greiflich. Sie gereichen weder unserm öffentlichen Leben zum Vorteil noch der
deutscheu Presse zur Ehre. Wenn die Berufsgenossen einander so behandeln, daß
sie deu politischen Gegner noch im Sarge persönlich verunglimpfen, wie können sie
bei den andern Ständen Achtung und Wertschätzung für die Presse erwarten!




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[0182] Maßgebliches und NnmasMl'ki'ches dem man nicht recht weiß, ob das Reich, tels er vertritt, von dieser oder von jener Welt ist, hat an diese Tatsache sowie an den Umstand, daß Reichskanzler Graf Bülow dem Verstorbnen zwei Tage vor dem unerwarteten Hinscheiden telegraphisch seine Teilnahme sowie seinen Glückwunsch zu der scheinbar gut ver- laufnen Operation ausgesprochen hatte, seine Glossen geknüpft und bemerkt, daß die Nationalzeituug in letzter Zeit als ein ausgesprochen Bülow-osfiziöses Organ ge¬ arbeitet habe, sei bei verschiednen Anlässen greifbar zutage getreten. Christliche Ge¬ sinnung scheint bei dem evangelischen Blatte, dem Reichsboten, obwohl ein früherer Pastor an seiner Spitze steht, nicht zuHanse zu sei», ebensowenig das zu erwartende Maß von Standesgefühl. Denn sonst hätte sich der Reichsbote über die Teil¬ nahme, die der oberste Beamte des Reichs an dem Leiden und Sterben des Leiters einer der angesehensten deutschen Tageszeitungen genommen hat, nnr freuen können. Er ist statt dessen ebenso unchristlich wie unverständig zu Werke gegangen, indem er die Teilnahme des Grafen Bülow hämisch mit der angeblichen Offiziosität der Nationalzeituug in Verbindung gebracht hat. Man wird solche Übeln politische» Sitten, die den politischen Kämpfen in Deutschland eine sehr bedauerliche, weder im Interesse der Sache noch des Landes liegende persönliche Schärfe verleihen, nur höchlich bedauern könne«. Im vorliegenden Falle ist die Behauptung des Reichsbotcn obenein unwahr, denn kaum irgend eine untre Zeitung in Deutschland hat den Negiernngsstandpnnkt in der Zvlltariffrage mit solcher Schärfe bekämpft und der Regierung, insbesondre dem Reichskanzler, soviel Schwierigkeiten gemacht wie die Nationalzeitung, die dabei sogar von einem Teil ihrer Parteigenossen desavouiert worden ist. In Berliner publizistischen Kreisen ist hinlänglich bekannt, daß Graf und Gräfin Bülow mit dem Verstorbnen wiederholt in Norderney zusammengetroffen sind und ihn dort persönlich kennen gelernt haben. Der Reichskanzler hat schon bei manchen Anlässen zu erkennen gegeben, daß er menschliche Teilnahme und Politik auseinander zu halten versteht, und daß es für ihn persönlich keine politischen Feindschaften gibt. Graf Bülow ist nicht ans der innern Politik hervorgegangen und ist deren Gegensätzen erst seit seiner Berufung nach Berlin näher getreten. Es ist für ihn und für die Geschäfte des Reichs sicherlich ein großer Vorzug, daß er sein Amt ohne persönliche Verbitterung und Voreingenommenheit beginnen konnte. Bittere Angriffe und Kririkeu siud auch ihm bei dem in Deutschland im poli¬ tischen Kampfe üblichen Ton ja nicht erspart geblieben, aber er selbst hat sich, so viel man erkennen konnte, bisher von politischen Feindschaften fern gehalten und sich ein ungetrübtes menschliches Gefühl auch für deu politischen Gegner oder den politisch Andersdenkenden bewahrt. Verständige Leute sollten das zu schätzen wissen. Es ist auffallend, daß gerade ein evangelisch-konservatives Blatt ans die Ertötung des menschlichen Empfindens im politischen Kampfe ausgeht und den Gegner einfach als reif zur Laterne behandelt. Von einem protestantischen Geistlichen hätte man eher ein Beispiel der Veredlung als der Verrohung der politischen Sitten erwarten dürfen. Der Reichsbote würde sicherlich mehr im Geiste christlicher Duldung und des Wortes „Liebet eure Feinde!" gehandelt haben, wenn seine Redaktion bei der Bestattung eines angesehenen und hochbegabte» Kollegen angemessen vertreten gewesen wäre. Nach den Mitteilungen, die die Nationalzeitung über die Be¬ gräbnisfeier gibt, scheint aber die Berliner Presse überhaupt bei diesem traurigen Anlaß ein sehr geringes Maß von Standesgefühl und vtiprit, alö eurps an den Tag gelegt zu haben. Bei Anpassungen wie die des Reichsbote» ist das be¬ greiflich. Sie gereichen weder unserm öffentlichen Leben zum Vorteil noch der deutscheu Presse zur Ehre. Wenn die Berufsgenossen einander so behandeln, daß sie deu politischen Gegner noch im Sarge persönlich verunglimpfen, wie können sie bei den andern Ständen Achtung und Wertschätzung für die Presse erwarten!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/182>, abgerufen am 22.07.2024.