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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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über die morsche Brücke, die merkwürdigerweise dieses mal noch aushielt -- freilich
Passierten die Halbkvmpagnien zur Vorsicht in Intervallen --, in den dritten und
Von dort weiter etwa eine halbe Meile aus der Stadt, wo sich die Leute sofort
auf dem von dem frühern Militär zu demselben Zweck benutzten Platze an das
Aufschlagen des Sommerlagers machten. Am Tage darauf sollte dort Feldgottesdienst
gehalten und auf Kosten der Stadt den Truppen ein Festessen gegeben werden.

Soweit der Zug dnrch unsern Stadtteil ging, waren wir vollzählig in Parade-
uniform auf der Straße, um die Zuschauermenge in Ordnung zu halten und Ge¬
dränge zu verhüten. Ich betrachtete mit großem Interesse die von der Frühlings-
sonne schon dunkel gebrannten Gesichter der Soldaten, die leidlich munter und
stramm dahin marschierten, obwohl sie Schweiß- und staubbedeckt es unter der schweren
Last der Flinten, Tornister, gerollten Mäntel, Brotbeutel und Kochgeschirre gewiß
nicht leicht hatten.

Noch mehr fesselten meine Aufmerksamkeit die Offiziere, von denen die meisten
glänzend schwarze Schnurrbärte zur Schau trugen und statt der gewöhnlichen grauen
Mäntel schwarze, zottige, ärmellose Regenüberwürfe um die Schultern geschlagen
hatten. Auch mein Bekannter, der bärtige Leutnant, der am Tage vorher dem
Regiment entgegengefahren war, marschierte mit, und zwar an der Spitze einer
Kompagnie.

Zu den: Gottesdienst und dem im Freien gespendeten Soldatenessen strömte
das neugierige städtische Publikum in Masse aus der Stadt zum Lagerplatz. Auch
die beiden Ssawinskis waren da, und -- am nächsten Sonntage machten mehrere
junge Herren mit Fähnrichs- und Unterleutnantsepauletten ihre Visite bei ihnen.
Von da an verging kein Tag, wo nicht zwei oder drei Offiziere auf kurze Zeit in
der Wohnung erschienen wären, und an Feiertagen, an denen es kein Exerzieren
gab, wimmelte es förmlich von ihnen. Ich wußte nicht, was ich denken sollte, und
kam aus der Verwundrung gar nicht heraus. Wie war es möglich, daß sich diese
Menge von Bekanntschaften so schnell angeknüpft hatte? Der bärtige Leutnant
klärte mich uns. Er machte neckend derbe Scherze über die Mutter, die so gast¬
freundlich sei, daß sie jeden, der sie grüße oder ein Wort mit ihr rede, ohne Be¬
denken einlade, sie doch zu besuchen. Der Leutnant schien gnr nicht erbaut zu sein
von der zahlreichen Kameradschaft, blickte oft böse und fuhr auch gelegentlich recht
unfein dazwischen, wenn die jungen Leute zu laut oder zu lustig werden wollten.
Er schien ihnen bedeutenden Respekt einzuflößen, denn sie ließen sichs gefallen.
Anfangs sah ihn freilich dieser oder jener erstaunt um oder versuchte zu wider¬
sprechen; aber wenn der Leutnant dann die Stirn runzelte und den schwarzen Bart
strich, sah er so entschlossen und drohend aus, daß der Widerspruch verstummte.
Allmählich gewöhnten sie sich daran, ihn gewissermaßen als das die Ordnung
wahrende Element im Hause zu betrachten.

Mahada, die sich in der ersten Zeit sehr zurückhaltend betrug, laute im Zu¬
sammensein mit den Altersgenossen immer mehr auf, wurde lauter und lebhafter,
und ihr silberhelles Lachen mischte sich nicht selten in das beständige laute Ge¬
lächter der Jünglinge, die ihr in stürmischer Weise immer neue Huldigungen dar¬
brachten. Sie sah nach solchen Ausbrüchen prüfend und scheu auf den Leutnant
und mich. Er sah sie bei solchen Anlässen ernst an, und in seinem Gesicht ließ
sich weder Lob noch Tadel lesen. Ich wurde durch ihre zu große Lustigkeit frei¬
lich unangenehm berührt, doch mußte ich mir gestehn, daß sie nie so hinreißend
schön aussah, wie in solchen Augenblicken. Es war ganz die Bacchantin Burins.
Und zeigte sich, wenn sie die Augen auf mich richtete, der unnachahmliche bittende
Ausdruck in diesen, während die Lippen noch fortfuhren, zu lächeln, so war ich
völlig entwaffnet und hätte gewünscht, sie stundenlang so und nicht anders vor
mir zu haben. Irgend ein Gefühl flößte ihr die uniformierte Schar von Jüng¬
lingen nicht ein -- das wurde mir bald klar. Es waren eben Altersgenossen,
Spielkameraden.

Am schmerzlichsten empfand ich den Umstand, daß es mir gar nicht mehr ge-


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über die morsche Brücke, die merkwürdigerweise dieses mal noch aushielt — freilich
Passierten die Halbkvmpagnien zur Vorsicht in Intervallen —, in den dritten und
Von dort weiter etwa eine halbe Meile aus der Stadt, wo sich die Leute sofort
auf dem von dem frühern Militär zu demselben Zweck benutzten Platze an das
Aufschlagen des Sommerlagers machten. Am Tage darauf sollte dort Feldgottesdienst
gehalten und auf Kosten der Stadt den Truppen ein Festessen gegeben werden.

Soweit der Zug dnrch unsern Stadtteil ging, waren wir vollzählig in Parade-
uniform auf der Straße, um die Zuschauermenge in Ordnung zu halten und Ge¬
dränge zu verhüten. Ich betrachtete mit großem Interesse die von der Frühlings-
sonne schon dunkel gebrannten Gesichter der Soldaten, die leidlich munter und
stramm dahin marschierten, obwohl sie Schweiß- und staubbedeckt es unter der schweren
Last der Flinten, Tornister, gerollten Mäntel, Brotbeutel und Kochgeschirre gewiß
nicht leicht hatten.

Noch mehr fesselten meine Aufmerksamkeit die Offiziere, von denen die meisten
glänzend schwarze Schnurrbärte zur Schau trugen und statt der gewöhnlichen grauen
Mäntel schwarze, zottige, ärmellose Regenüberwürfe um die Schultern geschlagen
hatten. Auch mein Bekannter, der bärtige Leutnant, der am Tage vorher dem
Regiment entgegengefahren war, marschierte mit, und zwar an der Spitze einer
Kompagnie.

Zu den: Gottesdienst und dem im Freien gespendeten Soldatenessen strömte
das neugierige städtische Publikum in Masse aus der Stadt zum Lagerplatz. Auch
die beiden Ssawinskis waren da, und — am nächsten Sonntage machten mehrere
junge Herren mit Fähnrichs- und Unterleutnantsepauletten ihre Visite bei ihnen.
Von da an verging kein Tag, wo nicht zwei oder drei Offiziere auf kurze Zeit in
der Wohnung erschienen wären, und an Feiertagen, an denen es kein Exerzieren
gab, wimmelte es förmlich von ihnen. Ich wußte nicht, was ich denken sollte, und
kam aus der Verwundrung gar nicht heraus. Wie war es möglich, daß sich diese
Menge von Bekanntschaften so schnell angeknüpft hatte? Der bärtige Leutnant
klärte mich uns. Er machte neckend derbe Scherze über die Mutter, die so gast¬
freundlich sei, daß sie jeden, der sie grüße oder ein Wort mit ihr rede, ohne Be¬
denken einlade, sie doch zu besuchen. Der Leutnant schien gnr nicht erbaut zu sein
von der zahlreichen Kameradschaft, blickte oft böse und fuhr auch gelegentlich recht
unfein dazwischen, wenn die jungen Leute zu laut oder zu lustig werden wollten.
Er schien ihnen bedeutenden Respekt einzuflößen, denn sie ließen sichs gefallen.
Anfangs sah ihn freilich dieser oder jener erstaunt um oder versuchte zu wider¬
sprechen; aber wenn der Leutnant dann die Stirn runzelte und den schwarzen Bart
strich, sah er so entschlossen und drohend aus, daß der Widerspruch verstummte.
Allmählich gewöhnten sie sich daran, ihn gewissermaßen als das die Ordnung
wahrende Element im Hause zu betrachten.

Mahada, die sich in der ersten Zeit sehr zurückhaltend betrug, laute im Zu¬
sammensein mit den Altersgenossen immer mehr auf, wurde lauter und lebhafter,
und ihr silberhelles Lachen mischte sich nicht selten in das beständige laute Ge¬
lächter der Jünglinge, die ihr in stürmischer Weise immer neue Huldigungen dar¬
brachten. Sie sah nach solchen Ausbrüchen prüfend und scheu auf den Leutnant
und mich. Er sah sie bei solchen Anlässen ernst an, und in seinem Gesicht ließ
sich weder Lob noch Tadel lesen. Ich wurde durch ihre zu große Lustigkeit frei¬
lich unangenehm berührt, doch mußte ich mir gestehn, daß sie nie so hinreißend
schön aussah, wie in solchen Augenblicken. Es war ganz die Bacchantin Burins.
Und zeigte sich, wenn sie die Augen auf mich richtete, der unnachahmliche bittende
Ausdruck in diesen, während die Lippen noch fortfuhren, zu lächeln, so war ich
völlig entwaffnet und hätte gewünscht, sie stundenlang so und nicht anders vor
mir zu haben. Irgend ein Gefühl flößte ihr die uniformierte Schar von Jüng¬
lingen nicht ein — das wurde mir bald klar. Es waren eben Altersgenossen,
Spielkameraden.

Am schmerzlichsten empfand ich den Umstand, daß es mir gar nicht mehr ge-


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[0176] Fouttl über die morsche Brücke, die merkwürdigerweise dieses mal noch aushielt — freilich Passierten die Halbkvmpagnien zur Vorsicht in Intervallen —, in den dritten und Von dort weiter etwa eine halbe Meile aus der Stadt, wo sich die Leute sofort auf dem von dem frühern Militär zu demselben Zweck benutzten Platze an das Aufschlagen des Sommerlagers machten. Am Tage darauf sollte dort Feldgottesdienst gehalten und auf Kosten der Stadt den Truppen ein Festessen gegeben werden. Soweit der Zug dnrch unsern Stadtteil ging, waren wir vollzählig in Parade- uniform auf der Straße, um die Zuschauermenge in Ordnung zu halten und Ge¬ dränge zu verhüten. Ich betrachtete mit großem Interesse die von der Frühlings- sonne schon dunkel gebrannten Gesichter der Soldaten, die leidlich munter und stramm dahin marschierten, obwohl sie Schweiß- und staubbedeckt es unter der schweren Last der Flinten, Tornister, gerollten Mäntel, Brotbeutel und Kochgeschirre gewiß nicht leicht hatten. Noch mehr fesselten meine Aufmerksamkeit die Offiziere, von denen die meisten glänzend schwarze Schnurrbärte zur Schau trugen und statt der gewöhnlichen grauen Mäntel schwarze, zottige, ärmellose Regenüberwürfe um die Schultern geschlagen hatten. Auch mein Bekannter, der bärtige Leutnant, der am Tage vorher dem Regiment entgegengefahren war, marschierte mit, und zwar an der Spitze einer Kompagnie. Zu den: Gottesdienst und dem im Freien gespendeten Soldatenessen strömte das neugierige städtische Publikum in Masse aus der Stadt zum Lagerplatz. Auch die beiden Ssawinskis waren da, und — am nächsten Sonntage machten mehrere junge Herren mit Fähnrichs- und Unterleutnantsepauletten ihre Visite bei ihnen. Von da an verging kein Tag, wo nicht zwei oder drei Offiziere auf kurze Zeit in der Wohnung erschienen wären, und an Feiertagen, an denen es kein Exerzieren gab, wimmelte es förmlich von ihnen. Ich wußte nicht, was ich denken sollte, und kam aus der Verwundrung gar nicht heraus. Wie war es möglich, daß sich diese Menge von Bekanntschaften so schnell angeknüpft hatte? Der bärtige Leutnant klärte mich uns. Er machte neckend derbe Scherze über die Mutter, die so gast¬ freundlich sei, daß sie jeden, der sie grüße oder ein Wort mit ihr rede, ohne Be¬ denken einlade, sie doch zu besuchen. Der Leutnant schien gnr nicht erbaut zu sein von der zahlreichen Kameradschaft, blickte oft böse und fuhr auch gelegentlich recht unfein dazwischen, wenn die jungen Leute zu laut oder zu lustig werden wollten. Er schien ihnen bedeutenden Respekt einzuflößen, denn sie ließen sichs gefallen. Anfangs sah ihn freilich dieser oder jener erstaunt um oder versuchte zu wider¬ sprechen; aber wenn der Leutnant dann die Stirn runzelte und den schwarzen Bart strich, sah er so entschlossen und drohend aus, daß der Widerspruch verstummte. Allmählich gewöhnten sie sich daran, ihn gewissermaßen als das die Ordnung wahrende Element im Hause zu betrachten. Mahada, die sich in der ersten Zeit sehr zurückhaltend betrug, laute im Zu¬ sammensein mit den Altersgenossen immer mehr auf, wurde lauter und lebhafter, und ihr silberhelles Lachen mischte sich nicht selten in das beständige laute Ge¬ lächter der Jünglinge, die ihr in stürmischer Weise immer neue Huldigungen dar¬ brachten. Sie sah nach solchen Ausbrüchen prüfend und scheu auf den Leutnant und mich. Er sah sie bei solchen Anlässen ernst an, und in seinem Gesicht ließ sich weder Lob noch Tadel lesen. Ich wurde durch ihre zu große Lustigkeit frei¬ lich unangenehm berührt, doch mußte ich mir gestehn, daß sie nie so hinreißend schön aussah, wie in solchen Augenblicken. Es war ganz die Bacchantin Burins. Und zeigte sich, wenn sie die Augen auf mich richtete, der unnachahmliche bittende Ausdruck in diesen, während die Lippen noch fortfuhren, zu lächeln, so war ich völlig entwaffnet und hätte gewünscht, sie stundenlang so und nicht anders vor mir zu haben. Irgend ein Gefühl flößte ihr die uniformierte Schar von Jüng¬ lingen nicht ein — das wurde mir bald klar. Es waren eben Altersgenossen, Spielkameraden. Am schmerzlichsten empfand ich den Umstand, daß es mir gar nicht mehr ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/176>, abgerufen am 23.07.2024.