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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Die Sprengung der Dresdner Vrücke durch Davoust
am ^9. März ^3
Gustav Buchholz^) von

le Sprengung der Dresdner Brücke durch Davoust ist nur ein
Akt, und zwar einer der letzten aus der großen Rückzugsbewegung
der französischen Armee, die am 18. und 19. Oktober 1812
-- genau ein Jahr vor der Schlacht bei Leipzig -- in Moskau
begonnen hatte und im März 1813 an und hinter der Elblinie
einstweilen ihr Ende fand.

Mit steigender Besorgnis hatte man am sächsischen Hofe den französischen
Rückzug sich vollziehn sehen. Schon Mitte Januar sprach der leitende Minister
König Friedrich Augusts die Befürchtung ans, nachdem einmal die Weichselliuie
Preisgegeben sei, werde auch die Oder die Franzosen nicht halten, und sie würden
sich bis an die Elbe zurückziehn. Damit wurde deun Sachsen der gegebne Schau¬
platz des künftigen Kriegs, und für den König war des Bleibens nicht länger
in seiner bedrohten Hauptstadt. In der Tat hatten die Ereignisse die Voraussicht
des Grafen Senfft bestätigt. Schon Ende Februar hatten die Russen Sachsens
Grenze überschritten, hatte der König sich genötigt gesehen, in dem südlichsten
Winkel seines Landes, in Planen, eine Zuflucht zu suchen. Anfang März
waren die Franzose" in vollem Rückzug auf die Elbe. Am 4. verließ der
französische Obcrtommandicrcndc. der Vizelöuig Eugen, Berlin, um 6. traf er
in Wittenberg ein, am 9. schlug er sein Hauptquartier in Leipzig auf -- also
schon hinter der Elblinie in unmittelbarer Nähe der Saale. Er war im Be¬
griff, so konnte es scheinen, auch die Elbe kampflos preiszugeben. Im Zu¬
sammenhang mit diesen Bewegungen stand es, wenn am Morgen des 7. März
der General Rchnicr, der im russischen Feldzuge die Sachsen - das siebente
Armeekorps -- befehligt hatte, mit seinem Stab in Dresden anlangte und
sofort, noch ehe ihm am 8. der Nest seines Korps -- es waren nicht mehr
mis 2000 Mann -- gefolgt war. Anstalten traf, die auf eine Verteidigung
der Stube abzuzielen schienen. Er ließ die Tore der Neustadt durch Pali-



*) Beschäftigt mit Forschungen zur sächsischen Geschichte in den Tagen der Freiheitskriege
würde der Verfasser für jeden Hinweis auf Material i" Privatbesitz zur Geschichte dieser Zeit
und für die Gewährung des Zutritts zu solchen, sehr dankbar sein. Auch einfache Familien¬
briefe, wie einer in diesem Aufsah verwertet werden durfte, können unter Umständen neben den
nrchivalischcn Akten von großem Werte sein. Vor allem für die Erkenntnis der öffentlichen
Meinungen und Stimmungen sind Privatbriefe die einzig zuverlässige Quelle. Noch sind solche
Briefe aus dieser denkwürdigen Zeit unsrer deutschen Geschichte zweifellos in nicht geringer Zahl
erhalten. Es wäre zu bedauern, wenn sie ungenutzt zu Grunde gingen. Etwaige freundliche Mitteilungen sind zu richten an Professor Vuchholz, Leipzig, Südstraße 80.
Grenzboten II 1903 ^


Die Sprengung der Dresdner Vrücke durch Davoust
am ^9. März ^3
Gustav Buchholz^) von

le Sprengung der Dresdner Brücke durch Davoust ist nur ein
Akt, und zwar einer der letzten aus der großen Rückzugsbewegung
der französischen Armee, die am 18. und 19. Oktober 1812
— genau ein Jahr vor der Schlacht bei Leipzig — in Moskau
begonnen hatte und im März 1813 an und hinter der Elblinie
einstweilen ihr Ende fand.

Mit steigender Besorgnis hatte man am sächsischen Hofe den französischen
Rückzug sich vollziehn sehen. Schon Mitte Januar sprach der leitende Minister
König Friedrich Augusts die Befürchtung ans, nachdem einmal die Weichselliuie
Preisgegeben sei, werde auch die Oder die Franzosen nicht halten, und sie würden
sich bis an die Elbe zurückziehn. Damit wurde deun Sachsen der gegebne Schau¬
platz des künftigen Kriegs, und für den König war des Bleibens nicht länger
in seiner bedrohten Hauptstadt. In der Tat hatten die Ereignisse die Voraussicht
des Grafen Senfft bestätigt. Schon Ende Februar hatten die Russen Sachsens
Grenze überschritten, hatte der König sich genötigt gesehen, in dem südlichsten
Winkel seines Landes, in Planen, eine Zuflucht zu suchen. Anfang März
waren die Franzose» in vollem Rückzug auf die Elbe. Am 4. verließ der
französische Obcrtommandicrcndc. der Vizelöuig Eugen, Berlin, um 6. traf er
in Wittenberg ein, am 9. schlug er sein Hauptquartier in Leipzig auf — also
schon hinter der Elblinie in unmittelbarer Nähe der Saale. Er war im Be¬
griff, so konnte es scheinen, auch die Elbe kampflos preiszugeben. Im Zu¬
sammenhang mit diesen Bewegungen stand es, wenn am Morgen des 7. März
der General Rchnicr, der im russischen Feldzuge die Sachsen - das siebente
Armeekorps — befehligt hatte, mit seinem Stab in Dresden anlangte und
sofort, noch ehe ihm am 8. der Nest seines Korps — es waren nicht mehr
mis 2000 Mann — gefolgt war. Anstalten traf, die auf eine Verteidigung
der Stube abzuzielen schienen. Er ließ die Tore der Neustadt durch Pali-



*) Beschäftigt mit Forschungen zur sächsischen Geschichte in den Tagen der Freiheitskriege
würde der Verfasser für jeden Hinweis auf Material i» Privatbesitz zur Geschichte dieser Zeit
und für die Gewährung des Zutritts zu solchen, sehr dankbar sein. Auch einfache Familien¬
briefe, wie einer in diesem Aufsah verwertet werden durfte, können unter Umständen neben den
nrchivalischcn Akten von großem Werte sein. Vor allem für die Erkenntnis der öffentlichen
Meinungen und Stimmungen sind Privatbriefe die einzig zuverlässige Quelle. Noch sind solche
Briefe aus dieser denkwürdigen Zeit unsrer deutschen Geschichte zweifellos in nicht geringer Zahl
erhalten. Es wäre zu bedauern, wenn sie ungenutzt zu Grunde gingen. Etwaige freundliche Mitteilungen sind zu richten an Professor Vuchholz, Leipzig, Südstraße 80.
Grenzboten II 1903 ^
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[0149] Die Sprengung der Dresdner Vrücke durch Davoust am ^9. März ^3 Gustav Buchholz^) von le Sprengung der Dresdner Brücke durch Davoust ist nur ein Akt, und zwar einer der letzten aus der großen Rückzugsbewegung der französischen Armee, die am 18. und 19. Oktober 1812 — genau ein Jahr vor der Schlacht bei Leipzig — in Moskau begonnen hatte und im März 1813 an und hinter der Elblinie einstweilen ihr Ende fand. Mit steigender Besorgnis hatte man am sächsischen Hofe den französischen Rückzug sich vollziehn sehen. Schon Mitte Januar sprach der leitende Minister König Friedrich Augusts die Befürchtung ans, nachdem einmal die Weichselliuie Preisgegeben sei, werde auch die Oder die Franzosen nicht halten, und sie würden sich bis an die Elbe zurückziehn. Damit wurde deun Sachsen der gegebne Schau¬ platz des künftigen Kriegs, und für den König war des Bleibens nicht länger in seiner bedrohten Hauptstadt. In der Tat hatten die Ereignisse die Voraussicht des Grafen Senfft bestätigt. Schon Ende Februar hatten die Russen Sachsens Grenze überschritten, hatte der König sich genötigt gesehen, in dem südlichsten Winkel seines Landes, in Planen, eine Zuflucht zu suchen. Anfang März waren die Franzose» in vollem Rückzug auf die Elbe. Am 4. verließ der französische Obcrtommandicrcndc. der Vizelöuig Eugen, Berlin, um 6. traf er in Wittenberg ein, am 9. schlug er sein Hauptquartier in Leipzig auf — also schon hinter der Elblinie in unmittelbarer Nähe der Saale. Er war im Be¬ griff, so konnte es scheinen, auch die Elbe kampflos preiszugeben. Im Zu¬ sammenhang mit diesen Bewegungen stand es, wenn am Morgen des 7. März der General Rchnicr, der im russischen Feldzuge die Sachsen - das siebente Armeekorps — befehligt hatte, mit seinem Stab in Dresden anlangte und sofort, noch ehe ihm am 8. der Nest seines Korps — es waren nicht mehr mis 2000 Mann — gefolgt war. Anstalten traf, die auf eine Verteidigung der Stube abzuzielen schienen. Er ließ die Tore der Neustadt durch Pali- *) Beschäftigt mit Forschungen zur sächsischen Geschichte in den Tagen der Freiheitskriege würde der Verfasser für jeden Hinweis auf Material i» Privatbesitz zur Geschichte dieser Zeit und für die Gewährung des Zutritts zu solchen, sehr dankbar sein. Auch einfache Familien¬ briefe, wie einer in diesem Aufsah verwertet werden durfte, können unter Umständen neben den nrchivalischcn Akten von großem Werte sein. Vor allem für die Erkenntnis der öffentlichen Meinungen und Stimmungen sind Privatbriefe die einzig zuverlässige Quelle. Noch sind solche Briefe aus dieser denkwürdigen Zeit unsrer deutschen Geschichte zweifellos in nicht geringer Zahl erhalten. Es wäre zu bedauern, wenn sie ungenutzt zu Grunde gingen. Etwaige freundliche Mitteilungen sind zu richten an Professor Vuchholz, Leipzig, Südstraße 80. Grenzboten II 1903 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/149>, abgerufen am 24.07.2024.