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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Das wundertätig,! Schlaugenkraut in Mythen, Sagen und Märchen

krank in der Johannisnacht einige Minuten um Mitternacht. Der Schlangenkönig
holt sich dann diese Blüte für seine Krone. Wer diese Blüte hat, der ist all¬
wissend. Einmal hatte ein junger Rinderhirt seine Herde verloren, es war gerade
Johannisnacht, da sah er im Mondschein eine Blume blühn, er pflückte sie, ohne
sich etwas dabei zu denken. Bald wurde ihm eigentümlich zu Mute, denn er wußte
alles, was er wissen wollte. Nun wurde es ihm auch leicht, seine Herde zu finden.
Die Blume behielt er immer bei sich, eines Tages aber begann er sie zu zerpflücken.
Als er das letzte Stück vom Stengel gelöst hatte, wurde er wieder so dumm, wie
Rinderhirten zu sein pflegen.

Eine burleske Wendung desselben Volksglaubens zeigt ein altes neapolitanisches
Märchen im Pentamerome II, 5. Eine Schlange bietet sich einem Ehepaare, das
keine Kinder hat, als Sohn um und verlangt dann die Tochter des Königs zur
Gemahlin. Der König willigt unter der Bedingung ein, daß alle Früchte des
königlichen Gartens golden werden, daß die Mauer und der Boden des Gartens
in kostbare Edelsteine verwandelt und der ganze Palast bis oben hinauf mit Gold
angefüllt wird. Sogleich laßt die Schlange Obstkerne und zusammengekehrte Scherben
in den Garten säen. Aus den Kernen wachsen die goldnen Bäume auf, aus den
Scherben werden herrliche Edelsteine, die den Boden bedecken, den Palast aber
läßt sie mit allen Arten von Gnrtenkriinteru bestreichen, und er wird zu Gold.
Die Schlange holt des Königs Tochter in einen, goldnen, von vier goldnen
Elefanten gezognen Wagen, legt die Schlangenhülle ab und wird ein schöner
Jüngling.

Zuweilen erscheint anstatt des Krnnts ein wundertätiger Edelstein. Der Rabbi
Jehuda Hiudoa erzählt im Talmud (vergleiche Eisenmeuger, Entdecktes Judentum,
Königsberg i. Pr., 1711, S. 408 f.): Wir sichren einmal in einem Schiff, da
sahen wir einen Edelstein, den eine Schlange umringelte, und als sich einer, der
Wohl rudern konnte, hinab begab, den Stein zu holen, da kam die Schlange und
wollte das Schiff verschlingen. Es kam aber eine Rahm und biß ihr den Kopf ab.
Als nun die Gefährtin der Schlange kam, nahm sie den Stein und hängte, ihn der
toten Schlange nu; da wurde sie wieder lebendig, und sie kam wieder, das Schiff
zu verschlingen. Es kam aber wieder ein Vogel und biß ihr den Kopf ob. Da
nahm der Nudcrmeister den Edelstein und warf ihn in das Schiff. Wir hatten
eingesälzne Vögel bei uns, und als man den Edelstein ans diese gelegt hatte, wurden
sie lebendig, nahmen den Stein und flogen damit fort.

Dasselbe Kraut erscheint auch im Besitze andrer Tiere. In der Völsunga-
Saga Kapitel 8 streifen Sigmund und Sinfiötlt im Walde, mu sich Beute zu ver¬
schaffen. Sie finden Wolfsbälge, legen sie an und werden in Wölfe verwandelt.
So jagen sie weiter durch die Wälder, aber jeder für sich. Als Sinfiötli elf
Männer siegreich bekämpft und sich dessen rühmt, springt Sigmund so heftig gegen
ihn los, daß jener zurücktaumelt und fällt; dann beißt er ihn in die Gurgel und
trägt deu schwer verwundeten Sinfiötli heim in seine Hütte. Dort saß er bei ihm
und verwünschte die Wulfsbälge zu alle" Teufeln. Da sah er einmal, wie ein
Wiesel das andre in die Gurgel biß; schnell lief es zum Walde, brachte ein Blatt
und legte es auf die Wunde. Alsbald sprang das andre auf und war geheilt.
Sigmund ging nun hinaus, da sah er einen Naben, den Boten Odins, mit einem
Blatte auf ihn zufliegen. Das legte er auf Sinfiötlis Wunde. Da sprang dieser
auf und war gesund, als hätte er niemals eine Wunde gehabt. Etwas ähnliches
findet sich in einem armorikanischen Märchen. Ein Teil der keltischen Kimbern,
die von deu Angelsachsen bedrängt aus Britannien nach Armorika. in die spätere
Bretagne flüchteten, führten ihre Sagen und Märchen in ihre neue Heimat mit.
Ein Teil dieser Märchen ist durch die französischen Gedichte der Marie de France,
die im Anfange des dreizehnten Jahrhunderts lebte, bekannt geworden. In dem
^a,i ä'Mi<Ine I, 401 ff. kommt dasselbe Schlangenkraut vor, nur werden die Schlangen
auch hier durch zwei Wiesel ersetzt.

Auch in der byzantinischen Zeit finden wir Anklänge an diese Form des


Das wundertätig,! Schlaugenkraut in Mythen, Sagen und Märchen

krank in der Johannisnacht einige Minuten um Mitternacht. Der Schlangenkönig
holt sich dann diese Blüte für seine Krone. Wer diese Blüte hat, der ist all¬
wissend. Einmal hatte ein junger Rinderhirt seine Herde verloren, es war gerade
Johannisnacht, da sah er im Mondschein eine Blume blühn, er pflückte sie, ohne
sich etwas dabei zu denken. Bald wurde ihm eigentümlich zu Mute, denn er wußte
alles, was er wissen wollte. Nun wurde es ihm auch leicht, seine Herde zu finden.
Die Blume behielt er immer bei sich, eines Tages aber begann er sie zu zerpflücken.
Als er das letzte Stück vom Stengel gelöst hatte, wurde er wieder so dumm, wie
Rinderhirten zu sein pflegen.

Eine burleske Wendung desselben Volksglaubens zeigt ein altes neapolitanisches
Märchen im Pentamerome II, 5. Eine Schlange bietet sich einem Ehepaare, das
keine Kinder hat, als Sohn um und verlangt dann die Tochter des Königs zur
Gemahlin. Der König willigt unter der Bedingung ein, daß alle Früchte des
königlichen Gartens golden werden, daß die Mauer und der Boden des Gartens
in kostbare Edelsteine verwandelt und der ganze Palast bis oben hinauf mit Gold
angefüllt wird. Sogleich laßt die Schlange Obstkerne und zusammengekehrte Scherben
in den Garten säen. Aus den Kernen wachsen die goldnen Bäume auf, aus den
Scherben werden herrliche Edelsteine, die den Boden bedecken, den Palast aber
läßt sie mit allen Arten von Gnrtenkriinteru bestreichen, und er wird zu Gold.
Die Schlange holt des Königs Tochter in einen, goldnen, von vier goldnen
Elefanten gezognen Wagen, legt die Schlangenhülle ab und wird ein schöner
Jüngling.

Zuweilen erscheint anstatt des Krnnts ein wundertätiger Edelstein. Der Rabbi
Jehuda Hiudoa erzählt im Talmud (vergleiche Eisenmeuger, Entdecktes Judentum,
Königsberg i. Pr., 1711, S. 408 f.): Wir sichren einmal in einem Schiff, da
sahen wir einen Edelstein, den eine Schlange umringelte, und als sich einer, der
Wohl rudern konnte, hinab begab, den Stein zu holen, da kam die Schlange und
wollte das Schiff verschlingen. Es kam aber eine Rahm und biß ihr den Kopf ab.
Als nun die Gefährtin der Schlange kam, nahm sie den Stein und hängte, ihn der
toten Schlange nu; da wurde sie wieder lebendig, und sie kam wieder, das Schiff
zu verschlingen. Es kam aber wieder ein Vogel und biß ihr den Kopf ob. Da
nahm der Nudcrmeister den Edelstein und warf ihn in das Schiff. Wir hatten
eingesälzne Vögel bei uns, und als man den Edelstein ans diese gelegt hatte, wurden
sie lebendig, nahmen den Stein und flogen damit fort.

Dasselbe Kraut erscheint auch im Besitze andrer Tiere. In der Völsunga-
Saga Kapitel 8 streifen Sigmund und Sinfiötlt im Walde, mu sich Beute zu ver¬
schaffen. Sie finden Wolfsbälge, legen sie an und werden in Wölfe verwandelt.
So jagen sie weiter durch die Wälder, aber jeder für sich. Als Sinfiötli elf
Männer siegreich bekämpft und sich dessen rühmt, springt Sigmund so heftig gegen
ihn los, daß jener zurücktaumelt und fällt; dann beißt er ihn in die Gurgel und
trägt deu schwer verwundeten Sinfiötli heim in seine Hütte. Dort saß er bei ihm
und verwünschte die Wulfsbälge zu alle» Teufeln. Da sah er einmal, wie ein
Wiesel das andre in die Gurgel biß; schnell lief es zum Walde, brachte ein Blatt
und legte es auf die Wunde. Alsbald sprang das andre auf und war geheilt.
Sigmund ging nun hinaus, da sah er einen Naben, den Boten Odins, mit einem
Blatte auf ihn zufliegen. Das legte er auf Sinfiötlis Wunde. Da sprang dieser
auf und war gesund, als hätte er niemals eine Wunde gehabt. Etwas ähnliches
findet sich in einem armorikanischen Märchen. Ein Teil der keltischen Kimbern,
die von deu Angelsachsen bedrängt aus Britannien nach Armorika. in die spätere
Bretagne flüchteten, führten ihre Sagen und Märchen in ihre neue Heimat mit.
Ein Teil dieser Märchen ist durch die französischen Gedichte der Marie de France,
die im Anfange des dreizehnten Jahrhunderts lebte, bekannt geworden. In dem
^a,i ä'Mi<Ine I, 401 ff. kommt dasselbe Schlangenkraut vor, nur werden die Schlangen
auch hier durch zwei Wiesel ersetzt.

Auch in der byzantinischen Zeit finden wir Anklänge an diese Form des


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[0107] Das wundertätig,! Schlaugenkraut in Mythen, Sagen und Märchen krank in der Johannisnacht einige Minuten um Mitternacht. Der Schlangenkönig holt sich dann diese Blüte für seine Krone. Wer diese Blüte hat, der ist all¬ wissend. Einmal hatte ein junger Rinderhirt seine Herde verloren, es war gerade Johannisnacht, da sah er im Mondschein eine Blume blühn, er pflückte sie, ohne sich etwas dabei zu denken. Bald wurde ihm eigentümlich zu Mute, denn er wußte alles, was er wissen wollte. Nun wurde es ihm auch leicht, seine Herde zu finden. Die Blume behielt er immer bei sich, eines Tages aber begann er sie zu zerpflücken. Als er das letzte Stück vom Stengel gelöst hatte, wurde er wieder so dumm, wie Rinderhirten zu sein pflegen. Eine burleske Wendung desselben Volksglaubens zeigt ein altes neapolitanisches Märchen im Pentamerome II, 5. Eine Schlange bietet sich einem Ehepaare, das keine Kinder hat, als Sohn um und verlangt dann die Tochter des Königs zur Gemahlin. Der König willigt unter der Bedingung ein, daß alle Früchte des königlichen Gartens golden werden, daß die Mauer und der Boden des Gartens in kostbare Edelsteine verwandelt und der ganze Palast bis oben hinauf mit Gold angefüllt wird. Sogleich laßt die Schlange Obstkerne und zusammengekehrte Scherben in den Garten säen. Aus den Kernen wachsen die goldnen Bäume auf, aus den Scherben werden herrliche Edelsteine, die den Boden bedecken, den Palast aber läßt sie mit allen Arten von Gnrtenkriinteru bestreichen, und er wird zu Gold. Die Schlange holt des Königs Tochter in einen, goldnen, von vier goldnen Elefanten gezognen Wagen, legt die Schlangenhülle ab und wird ein schöner Jüngling. Zuweilen erscheint anstatt des Krnnts ein wundertätiger Edelstein. Der Rabbi Jehuda Hiudoa erzählt im Talmud (vergleiche Eisenmeuger, Entdecktes Judentum, Königsberg i. Pr., 1711, S. 408 f.): Wir sichren einmal in einem Schiff, da sahen wir einen Edelstein, den eine Schlange umringelte, und als sich einer, der Wohl rudern konnte, hinab begab, den Stein zu holen, da kam die Schlange und wollte das Schiff verschlingen. Es kam aber eine Rahm und biß ihr den Kopf ab. Als nun die Gefährtin der Schlange kam, nahm sie den Stein und hängte, ihn der toten Schlange nu; da wurde sie wieder lebendig, und sie kam wieder, das Schiff zu verschlingen. Es kam aber wieder ein Vogel und biß ihr den Kopf ob. Da nahm der Nudcrmeister den Edelstein und warf ihn in das Schiff. Wir hatten eingesälzne Vögel bei uns, und als man den Edelstein ans diese gelegt hatte, wurden sie lebendig, nahmen den Stein und flogen damit fort. Dasselbe Kraut erscheint auch im Besitze andrer Tiere. In der Völsunga- Saga Kapitel 8 streifen Sigmund und Sinfiötlt im Walde, mu sich Beute zu ver¬ schaffen. Sie finden Wolfsbälge, legen sie an und werden in Wölfe verwandelt. So jagen sie weiter durch die Wälder, aber jeder für sich. Als Sinfiötli elf Männer siegreich bekämpft und sich dessen rühmt, springt Sigmund so heftig gegen ihn los, daß jener zurücktaumelt und fällt; dann beißt er ihn in die Gurgel und trägt deu schwer verwundeten Sinfiötli heim in seine Hütte. Dort saß er bei ihm und verwünschte die Wulfsbälge zu alle» Teufeln. Da sah er einmal, wie ein Wiesel das andre in die Gurgel biß; schnell lief es zum Walde, brachte ein Blatt und legte es auf die Wunde. Alsbald sprang das andre auf und war geheilt. Sigmund ging nun hinaus, da sah er einen Naben, den Boten Odins, mit einem Blatte auf ihn zufliegen. Das legte er auf Sinfiötlis Wunde. Da sprang dieser auf und war gesund, als hätte er niemals eine Wunde gehabt. Etwas ähnliches findet sich in einem armorikanischen Märchen. Ein Teil der keltischen Kimbern, die von deu Angelsachsen bedrängt aus Britannien nach Armorika. in die spätere Bretagne flüchteten, führten ihre Sagen und Märchen in ihre neue Heimat mit. Ein Teil dieser Märchen ist durch die französischen Gedichte der Marie de France, die im Anfange des dreizehnten Jahrhunderts lebte, bekannt geworden. In dem ^a,i ä'Mi<Ine I, 401 ff. kommt dasselbe Schlangenkraut vor, nur werden die Schlangen auch hier durch zwei Wiesel ersetzt. Auch in der byzantinischen Zeit finden wir Anklänge an diese Form des

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/107>, abgerufen am 24.08.2024.